TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/04 B10 235359-11/2008

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Veröffentlicht am 04.09.2008
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Spruch

B10 235.359-11/2008/14E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat gemäß § 61 Abs. 3 iVm § 75 Abs. 7 Asylgesetz 2005, BGBl I 2005/100 idF BGBl. I 2008/4, (AsylG) und 66 Abs. 4 AVG durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde des N. B., geb. 00.00.1981, StA. Bosnien und Herzegowina, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde von N. B. vom 15.10.2004 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.09.2004, AZ. 04 07.545-BAT, wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

Der Beschwerdeführer reiste am 15.01.2002 in das Bundesgebiet ein und stellte am 18.01.2002 einen (ersten) Antrag auf Gewährung von Asyl.

 

Anlässlich seiner mündlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 16.10.2002 gab er im Wesentlichen an, dass er sich von 1992 bis 2000 mit seiner Familie in Deutschland aufgehalten habe, dort zur Schule gegangen und im Jahr 2000 im März oder April 2000 mit seiner Familie nach Sarajewo abgeschoben worden sei. Dort werde er malträtiert und beschimpft, weil er ein Angehöriger der Volksgruppe der Roma sei. So habe er am 15.05.2001 am Markt Waren verkauft und unbekannte Personen hätten ihn überfallen und Geld und Waren von ihm verlangt. Dies habe er der Polizei gemeldet, welche aber die Täter nicht mehr gefunden habe. Sonst habe er keine Probleme gehabt, er müsste jedoch den Grundwehrdienst ableisten.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.10.2002, Zahl 02 01.745-BAW, zugestellt am selben Tag, wurde der Antrag gemäß § 7, 8 AsylG rechtskräftig abgewiesen. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass kein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Vorfall am 15.05.2001 auf dem Markt und der Ausreise des Beschwerdeführers erkannt werden könne und er überdies gegen Übergriffe Dritter den Schutz staatlicher Stellen in Anspruch habe nehmen können. Auch das Vorbringen, er habe in Bosnien-Herzegowina den Wehrdienst abzuleisten, könne nicht zur Asylgewährung führen. Auch die bloße Zugehörigkeit zu einer Minderheit allein oder die schlechte wirtschaftliche Lage in Bosnien rechtfertige eine Asylgewährung nicht. Die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung, welche gegen ein Refoulement nach Bosnien-Herzegowina gesprochen hätte, konnte nicht festgestellt werden.

 

Der gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen diesen Bescheid eingebrachte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 05.12.2002 wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 27.01.2004, Zl. 235.359/6-I/02/04, abgewiesen und die gleichzeitig eingebrachte Berufung vom 05.12.2002 mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 13.02.2004, Zl. 235.359/7-I/02/04, als verspätetet zurückgewiesen.

 

Der (zweite) Antrag auf Gewährung von Asyl vom 17.06.2003, wurde vom Beschwerdeführer eigenhändig unterschrieben am 15.04.2004 beim Bundesasylamt eingebracht.

 

Anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme am 21.09.2004 gab der Beschwerdeführer an, nach seiner Rückkehr aus der BRD von 4 Unbekannten beim Fußballspielen im Park verprügelt worden zu sein, sodass sein Gesicht blutig gewesen sei. Im März oder April 2002 habe er auf dem Markt Waren verkaufen wollen und er sei von zwei mit Messern bewaffneten Personen beraubt worden. Er sei im März oder April 2000 nach Bosnien zurückgekehrt.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Traiskirchen, vom 24.09.2004, Zahl: 04 07.545-BAT, wurde der Antrag vom 15.04.2004 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, weil im Fall des Beschwerdeführers keinesfalls ein neuer Sachverhalt vorliege, sondern er sich abermals auf das bereits getätigte Vorbringen bezogen habe.

 

Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche fristgerechte Beschwerde. Begründend führt der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er nicht ausführlich zu neuen Asylgründen habe Stellung nehmen können, da die Einvernahme unter großem Druck stattgefunden habe. Er beantrage die völlige Neueinvernahme zu seinen Fluchtgründen und verweise auf aktuelle Berichte, wonach Angehörige der Minderheit der Roma ständig rassistisch motivierte Übergriffe bei ihrer Rückkehr zu befürchten hätten, gegen welche die Staatsgewalt bis heute nicht gewillt zu sein scheine, vorzugehen. In zwei beigelegten Texten werde das Dorf J., aus welchem er gebürtig sei, ausdrücklich als ein prototypisches Beispiel für die Diskriminierung und anhaltende Bedrohung der Roma in Bosnien-Herzegowina genannt. Der Umstand, dass er sich seit 1993 auf der Flucht befinde, habe sich auf seine v.a. psychische Verfasstheit ausgewirkt, weshalb er die Einholung eines entsprechenden psychiatrischen Gutachtens beantrage und auch eine entsprechende psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nehmen wolle. Diese neuen Sachverhaltsmomente seien vom Bundesasylamt im Bescheid vom 24.09.2004 fälschlicherweise nicht berücksichtigt worden, welche einen neuen Fluchtgrund darstellen würden.

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß § 75 Abs. 7 Z 2 Asylgesetz 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 sind Verfahren gegen abweisende Bescheide, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind und in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichthofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 Z 1 lit. c AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG. Gemäß § 61 Abs. 3 Z 2 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen die mit dieser Entscheidung verbundenen Ausweisung.

 

Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Da das Bundesasylamt mit dem angefochtenen Bescheid den Asylantrag zurückgewiesen hat, ist Gegenstand der vorliegenden Entscheidung des Asylgerichthofes nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht aber der zurückgewiesene Antrag selbst (vgl. VwGH 30.10.1991, Zahl: 91/09/0069; 30.05.1995, Zahl: 93/08/0207).

 

Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen (Hinweis EB E 26.4.1995, 92/07/0197, VwSlg 14248A/1995); die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Entschiedene Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes, sondern, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens auf Grund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben, ausgeschlossen.

 

VwGH Erkenntnis vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315):

 

¿Es kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen nach § 28 AsylG 1997 - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylwerbers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinanderzusetzen.'

 

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer seinen zweiten Antrag zunächst auf eine Prügelei nach seiner Rückkehr aus der BRD im Jahre 2000 und dann neuerlich auf den Raub seiner Waren und seines Geldes auf dem Markt bezogen, welcher bereits seinem ersten Asylantrag vom 18.01.2002 zu Grunde lag.

 

Mit diesem neuerlichen bzw. zeitlich davor angesiedeltem neuen Vorbringen und seinem Vorbringen in der verfahrensgegenständlichen Beschwerde, im Ort J. würden Roma diskriminiert und seine psychische Verfassung sei wegen seiner Flucht beeinträchtigt, hat der Beschwerdeführer keinen neuen asylrelevanten Sachverhalt dargetan, welcher in diesem Verfahren zu berücksichtigen wäre.

 

Beim erstmaligen Vorbringen, er wäre nach seiner Rückkehr aus der BRD im Jahre 2000 verprügelt worden handelt es sich um Umstände, die dem Beschwerdeführer bereits während seines ersten Asylverfahrens bekannt waren und nicht nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens entstanden sind, weshalb dieses Vorbringen von der Rechtskraft des Bescheides betreffend den ersten Asylantrag erfasst und eine neuerliche Entscheidung hierüber unzulässig ist.

 

Zum erstmaligen Vorbringen in der Beschwerde, dass Roma im Ort J. diskriminiert würden und seine psychische Verfassung wegen der Flucht beeinträchtigt sei, ist festzuhalten, dass die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages wegen geänderten Sachverhaltes ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen darf, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind. In der Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid können derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (vgl. VwGH 04.04.2001, Zl. 98/09/0041, VwGH 07.05.1997, Zl. 95/09/0203; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 105 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).

 

Weiters ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer nicht aus dem Ort J., sondern aus dem Dorf T. stammt, wo ihm auch der bis 21.07.2010 gültige Personalausweis ausgestellt wurde. Psychische Beeinträchtigungen hat er bisher in keinem der beiden Asylverfahren vorgebracht und auch nicht durch ein ärztliches Attest belegt, sodass es sich hiebei lediglich um eine Behauptung handelt.

 

Zu den Beschwerdeausführungen, er habe zu den neuen Asylgründen nicht ausführlich Stellung nehmen können, weil die Einvernahme unter großem Druck stattgefunden habe, ist auszuführen, dass er am 21.09.2004 ausdrücklich und nachweislich befragt wurde, ob er noch weitere als die angegebenen Gründe vorzubringen habe, was der Beschwerdeführer ausdrücklich verneinte.

 

Der Antrag auf eine völlige Neueinvernahme zu seinen Fluchtgründen ist daher unbegründet, auch deshalb, weil solche in der Beschwerde gegen eine Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG nicht neu vorgebracht werden können. Die beigelegten Texte, wonach das Dorf J., aus welchem der Beschwerdeführer gebürtig sei, ausdrücklich als ein prototypisches Beispiel für die Diskriminierung und anhaltende Bedrohung der Roma in Bosnien-Herzegowina genannt werde, stehen nicht im persönlichen Bezug zum Beschwerdeführer, da dieser entgegen den Beschwerdesausführungen nicht aus J., sondern aus T. stammt und auch über einen gültigen Personalausweis aus diesem Ort verfügt, weshalb auch keine besonderen Schwierigkeiten für den Beschwerdeführer mit den bosnischen Behörden zu erwarten sind, zumal er mit Dokumenten als Roma nachweislich unter den Minderheitenschutz in Bosnien fällt - vgl. dazu den Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Bosnien und Herzegowina des Auswärtigen Amtes in Berlin vom Mai 2008.

 

Zu den Beschwerdeausführungen, dass der Umstand, dass sich der Beschwerdeführer seit 1993 auf der Flucht befinde, auf dessen psychische Verfasstheit ausgewirkt habe, ist darauf hinzuweisen, dass dies der Beschwerdeführer in den bisherigen Verfahren nie vorgebracht hat und auch nicht durch ärztliche Befunde belegt, dass er einer psychotherapeutischen Behandlung bedürfe, weshalb die Rüge, dass diese Sachverhaltsmomente fälschlicherweise vom Bundesasylamt im Bescheid vom 24.09.2004 nicht berücksichtigt worden sei, schlicht nicht zutrifft und überdies auch keinen neuen Fluchtgrund darstellen würden, wie behauptet.

 

Da somit weder in der Sachlage noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine maßgebliche Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Asylantrages nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich entschieden werden kann.

 

Der verfahrensgegenständliche Asylantrag wurde am 15.04.2004 eingebracht; der - keinen Abspruch über die Ausweisung enthaltende - erstinstanzliche Bescheid, mit welchem der zweite Asylantrag gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde, wurde am 04.10.2004 erlassen. Da eine Anwendung des AsylG 2005 auf den gegenständlichen Fall nicht in Betracht kommt und zudem der erstinstanzliche Bescheid keinen Abspruch über eine Ausweisung enthält, war auch im gegenständlichen Fall seitens der erkennenden Behörde kein Abspruch über eine Ausweisung - und sohin auch kein Abspruch bezüglich einer non-refoulement-Prüfung - zu treffen.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 ASylG war über die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes nicht im Senat zu entscheiden. Es handelt sich hiebei um eine zurückweisende Entscheidung gemäß § 61 Abs. 3 AsylG

 

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte
Identität der Sache, Prozesshindernis der entschiedenen Sache
Zuletzt aktualisiert am
10.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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