TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/04 D1 308830-1/2008

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Veröffentlicht am 04.09.2008
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Spruch

D1 308830-1/2008/12E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Stracker als Vorsitzenden und den Richter Dr. Feßl als Beisitzer über die Beschwerde des K.K., geb. 00.00.1959, StA. d. Russischen Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.12.2006, FZ. 04 05.901-BAI, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde von K.K. vom 27.12.2006 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.12.2006, FZ. 04 05.901-BAI, wird dieser gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Beschwerdeführer, ein der tschetschenischen Volksgruppe angehörender Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gelangte am 28.03.2004 - zusammen mit seiner Ehegattin und seinen drei Kindern - unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet und beantragte am selben Tag die Gewährung von Asyl. Der Beschwerdeführer wurde hiezu am 29.09.2005 vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Innsbruck, niederschriftlich einvernommen. Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit dem angefochtenen Bescheid vom 06.12.2006 in Spruchteil I unter Berufung auf § 7 AsylG 1997 ab; in Spruchteil II stellte es fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 zulässig sei; unter einem wurde der Beschwerdeführer in Spruchteil III des Bescheides unter Berufung auf § 8 Abs. 2 AsylG 1997 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen. Gegen diesen am 14.12.2006 zugestellten Bescheid erhob der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers mit dem, am 27.12.2006 zur Post gegebenen und gleichzeitig mittels Telefax an das Bundesasylamt übermittelten, Schriftsatz vom selben Tag fristgerecht Beschwerde.

 

2. Hinsichtlich der Angaben des Beschwerdeführers bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 29.09.2005 wird ausdrücklich auf die Wiedergabe im angefochtenen Bescheid (S. 2 bis 7) verwiesen. Der Beschwerdeführer hat im Wesentlichen vorgebracht, er habe deshalb sein Heimatland im Dezember 2003 verlassen, weil er im ersten Tschetschenienkrieg tschetschenische Widerstandskämpfer mit Lebensmittel versorgt und diesen auch Übernachtungsmöglichkeiten angeboten habe. Während des zweiten Tschetschenienkrieges hätten die Russen damit begonnen herauszufinden, wer tschetschenische Kämpfer im ersten Krieg unterstützt habe. Ende November 2003 seien dann fünf oder sechs maskierte russische Soldaten zu ihm nachhause gekommen und hätten die Eingangstüre mit ihren Waffen eingeschlagen. Als er den Lärm gehört habe, sei er in ein nahe gelegenes Feld geflüchtet. Die Soldaten hätten die Familie geweckt und hätten, nachdem sie seine Frau nach seinem Aufenthaltsort gefragt haben, das ganze Haus durchsucht. Bis zu diesem Zeitpunkt habe er selbst keine Probleme gehabt. Es sei jedoch allgemein bekannt gewesen, dass er ein Gegner Kadyrovs sei und er würde vermuten, dass die Leute von Kadyrov gesagt haben, dass er im ersten Krieg tschetschenische Kämpfer unterstützt habe. Außerdem habe er Angst um seinen 14-jährigen Sohn, da es in Tschetschenien schon öfter vorgekommen sei, dass russische Soldaten junge minderjährige Tschetschenen mitnehmen und diese dann einfach verschwinden würden. Wenn man Geld habe, könne man sie dann wieder freikaufen. Er selbst habe kein Geld gehabt und hätte daher auch seinen Sohn nicht freikaufen können. Erst am nächsten Tag sei er wieder nachhause gekommen und habe dann beschlossen, dass Land zu verlassen. Er selbst habe auch die Ausreise organisiert und seine Heimat am 18.12.2003 verlassen. Im Falle einer Rückkehr würde er befürchten, dass er Probleme mit russischen Soldaten bekommen könnte.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz nimmt der Asylgerichtshof mit 01.07.2008 seine Tätigkeit auf. Das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, tritt mit 01.07.2008 außer Kraft.

 

2. Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

§ 61 Abs. 3 Z. 1 AsylG sieht eine Einzelrichterentscheidung im Fall einer zurückweisenden Entscheidung wegen a) Drittstaatsicherheit gemäß § 4 AsylG, b) Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 AsylG, c) entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, sowie gemäß Z. 2 bei einer mit diesen Entscheidungen verbundenen Ausweisung vor.

 

3. Gemäß § 23 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, sofern sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005, BGBl. Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungs- verfahrensgesetzes 1991 (AVG) mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß 75 Abs. 1 AsylG sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des AsylG 1997 - hier gemäß § 44 Abs. 2 AsylG 1997 in der Fassung der AsylG-Novelle 2003 - zu Ende zu führen. zu Ende zu führen.

 

4.1. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, so der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

 

Gemäß § 66 Abs. 3 AVG kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

4.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315, zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat ausgeführt:

 

"Im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde ist gemäß § 23 AsylG und Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG (unter anderem) § 66 AVG anzuwenden. Nach § 66 Abs. 1 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 hat die Berufungsbehörde notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen. Außer dem in § 66 Abs. 2 AVG erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, gemäß § 66 Abs. 4 AVG immer in der Sache selbst zu entscheiden.

(...)

 

Die Berufungsbehörde darf eine kassatorische Entscheidung nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann treffen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Berufungsbehörde hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als ¿unvermeidlich erscheint'. Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14.03.2001, Zl. 2000/08/0200; zum Begriff ¿mündliche Verhandlung' iSd § 66 Abs. 2 AVG siehe auch die Nachweise im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/20/0084).

 

Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet. In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln und es ist gemäß § 27 Abs. 1 AsylG grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen des Gesetzgebers würden aber unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Berufungsbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht.

 

Dieser Gesichtspunkt ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichthofes - freilich immer unter ausreichender Bedachtnahme auf das Interesse der Partei an einer raschen Erledigung des Asylverfahrens - bei der Ermessensausübung nach § 66 Abs. 2 und 3 AVG auch einzubeziehen. Unter dem Blickwinkel einer Kostenersparnis für die Partei ist dabei vor allem auch zu beachten, dass die Vernehmung vor dem Bundesasylamt dezentral durch die Außenstellen in den Bundesländern erfolgt, während der Unabhängige Bundesasylsenat - anders als bei den unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern, für die Vergleichbares auf Landesebene gilt - als zentrale Bundesbehörde in Wien eingerichtet ist (vgl. auch dazu das bereits erwähnte Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/20/0084)."

 

Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 17.10.2006, Zl. 2005/20/0459, zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat ausgeführt:

 

"Einem zurückweisenden Bescheid iSd § 66 Abs. 2 AVG muss (demnach) auch entnommen werden können, welche Mängel bei der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes im Verfahren vor der Unterbehörde unterlaufen und im Wege der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung zu beheben sind (vgl. zum Ganzen zuletzt das Erkenntnis vom 20.04.2006, Zl. 2003/01/0285)."

 

Was für den Unabhängigen Bundesasylsenat bis zum 30.06.2008 zu gelten hatte, gilt nunmehr gleichermaßen für den Asylgerichtshof, zumal dieser nicht - wie der Unabhängige Bundesasylsenat - ein gerichtsähnlicher unabhängiger Verwaltungssenat, sondern ein Gerichtshof ist, dem noch weniger zuzusinnen ist, erstmals mit der ernsthaften Prüfung des Antrages zu beginnen und das gesamte Verfahren von Anbeginn an durchzuführen.

 

5. Vorab ist zu erwähnen, dass 15 Schriftstücke des Verwaltungsaktes offensichtlich im erstinstanzlichen Verfahren keine Beachtung fanden: Auf den AS 91 - 105, 109, 117-127 finden sich Schriftstücke, die in russischer Sprache gehalten sind und die der Beschwerdeführer offensichtlich im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Innsbruck, in Vorlage gebracht hat. Diese Schriftstücke wurden nicht übersetzt und fanden auch sonst keine Beachtung im erstinstanzlichen Verfahren. Da im bekämpften Bescheid in der Beweiswürdigung von der Unglaubwürdigkeit von Teilen des Vorbringens ausgegangen wird und diese Unglaubwürdigkeit auch unter anderem mit den vom Bundesasylamt getroffenen Länderfeststellungen begründet wurde, wären die Inhalte der oben angeführten Schreiben nicht unwesentlich gewesen, zumal nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass die erstinstanzliche Behörde unter Miteinbeziehung der vorgelegten Beweismittel zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.

 

6. Zudem ist im hier zu beurteilenden Fall der angefochtene Bescheid des Bundesasylamtes und das diesem zugrunde liegende Verfahren auch aus folgenden Gründen mangelhaft: Das Bundesasylamt hat dem rechtsfreundlichen Vertreter mit Schreiben vom 17.05.2006 (AS 137) Gelegenheit gegeben, sich im Rahmen des Parteiengehörs zu den Feststellungen des Bundesasylamtes zu äußern und hat dieser mit Schreiben vom 06.06.2006 ein Gutachten vom 24.11.2005 zum Thema "Die Situation von tschetschenischen Vertriebenen (iDBs) in Russland" (AS 197-233) und ein Gutachten vom 07.03.2006 zum Thema "Innerstaatliche Fluchtalternative (IFA) in Tschetschenien" (AS 153-195) in Vorlage gebracht. Mit Schreiben vom 08.09.2006 (AS 249-295) hat der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers ausführlich zu den Feststellungen des Bundesasylamtes Stellung genommen und dabei unter anderem den Beweisantrag gestellt, die vom Vertreter vorgelegten Erkenntnisquellen in das Verfahren einfließen zu lassen. Zu diesem Beweisantrag führte das Bundesasylamt im angefochtenen Bescheid aus, dass die vom Rechtsanwalt vorgebrachten Stellungnahmen zur Situation in der Russischen Föderation bereits in den Feststellungen unter Verweis auf die do. Quellen hinreichend erörtert worden wären und dass auch die Abgabe der Stellungnahmen nicht geeignet gewesen wäre, die Feststellungen des Bundesasylamtes zu widerlegen. Eine schlüssige Begründung dafür, warum die vom rechtsfreundlichen Vertreter vorgelegten Gutachten nicht geeignet waren, um die vom Bundesasylamt getroffenen Feststellungen über die allgemeine Situation von Tschetschenen in der Russischen Föderation zu widerlegen bzw. warum den vom Bundesasylamt herangezogenen und im Akt nicht befindlichen Berichten mehr Beweiskraft zugebilligt wurde, als den vom rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers vorgelegten und einzig im Akt befindlichen Gutachten, bleibt das Bundesasylamt schuldig. Zudem lässt sich auch aus dem vorgelegten Verwaltungsakt nicht nachvollziehbar erkennen, wann die in der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides auf Seite 23 (AS 369) beschriebene "hinreichende" Erörterung der Länderfeststellungen stattgefunden haben soll, zumal der Beschwerdeführer nur ein einziges Mal vom Bundesasylamt niederschriftlich befragt wurde und diesem dabei keine Länderfeststellungen vorgehalten wurden. Des weiteren findet sich auf den AS 111 - 115 ein Schriftstück in russischer Sprache mit einer anschließenden deutschen Übersetzung, aus der hervor geht, dass es sich bei dem Schreiben um den Befehl Nr. 541 des Innenministeriums der Russischen Föderation handelt, der die Maßnahmen der Beseitigung der Voraussetzungen der Möglichkeiten für die Durchführung der terroristischen Handlungen auf dem Territorium der Russischen Föderation regelt. Dieses, offensichtlich vom Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Innsbruck, vorgelegte Beweismittel, das unter anderem die Schaffung von harten Lebensbedingungen für Personen tschetschenischer Nationalität regelt, fand ebenfalls keine Berücksichtigung im gegenständlichen Verfahren. Dem Bundesasylamt ist im vorliegenden Fall anzulasten, dass es sich mit den Argumenten, den vorgelegten Gutachten und den Stellungnahmen des rechtsfreundlichen Vertreters überhaupt nicht auseinandergesetzt und die vom Beschwerdeführer vorgelegten Beweismittel teilweise ignoriert hat. Die Erstbehörde hat somit in ihren Ausführungen - zu den dem nunmehr angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Länderfeststellungen - nicht dem gesetzlichen Gebot, in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfbaren Kontrolle durch den Asylgerichtshof zugänglichen Weise dargetan, warum die vom Bundesasylamt getroffenen Länderfeststellungen ausschließlich auf den von der erstinstanzlichen Behörde herangezogenen Quellen beruhen und warum die vom Beschwerdeführer vorgelegten und zum Teil auch aktuelleren Gutachten nicht in das Verfahren eingeflossen sind. Mit dieser Haltung ignoriert das Bundesasylamt den Umstand, dass es als Spezialbehörde seinen Bescheiden die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Beweismittel zugrunde zu legen hat.

 

7. Darüber hinaus hält auch die zentrale Begründung im Rahmen der freien Beweiswürdigung einer näheren Überprüfung nicht stand. Darin führt das Bundesasylamt aus, dass die Angaben zum Reiseweg durchaus nachvollziehbar seien und dass dem Beschwerdeführer geglaubt werde, dass er in der Heimat nicht vorbestraft sei, sowie dass dieser von keiner Behörde gesucht werde und von staatlicher Seite aus keinem der in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählten Gründen verfolgt worden wäre. Ebenso glaubhaft und nachvollziehbar sei es auch für die Erstbehörde, dass der Antragsteller in seinem Herkunftsland keine Arbeit bzw. wirtschaftliche Probleme gehabt und sein Herkunftsland aus Zukunftsangst verlassen habe, ohne dass das Bundesasylamt näher ausgeführt hätte, wie es zu diesem Ergebnis gekommen ist. Den Angaben hinsichtlich des Fluchtgrundes wurde vom Bundesasylamt hingegen keine Glaubwürdigkeit beigemessen, weil der Antragsteller gesagt habe, dass er vor fünf oder sechs Soldaten in ein nahe gelegenes Feld flüchten habe können, da - so das Bundesasylamt in der Bescheidbegründung auf Seite 23 (AS 369) weiter, davon ausgegangen werden könne, dass, wenn fünf bis sechs Soldaten einer Person habhaft werden wollen, diese das Haus wohl aus taktischen Gründen umstellt haben würden. Diese - wohl spekulativen - Ausführungen bilden jedenfalls keine tragfähige Grundlage, um die Unglaubwürdigkeit des vom Beschwerdeführer vorgetragenen Sachverhaltes zu begründen, zumal sich dem angefochtenen Bescheid nicht entnehmen lässt, auf welchen Quellen das Wissen über das Verhalten von russischen Soldaten im Fall von Festnahmen beruht. Soweit das Bundesasylamt davon ausgeht, dass der Fluchtgrund auch im Widerspruch mit den vom Bundesasylamt getroffen Feststellungen stehen würde, da sich aus diesen keinerlei Hinweise ergeben würden, dass Personen im Jahre 2003 wegen der Unterstützung von Rebellen im ersten Tschetschenienkrieg, verfolgt werden würden, so wird dazu ausgeführt, dass sich den Feststellungen des Bundesasylamtes (AS 341) entnehmen lässt, dass die russischen Sicherheitskräfte gezielte Einzelaktionen gegen Personen, die sie der Begehung terroristischer Taten verdächtigen, unternehmen, womit nicht gesagt werden kann, dass es an Hinweisen zu der in Rede stehenden Gefahrensituation fehlen würde.

 

8. Aufgrund der dargestellten Mängel wäre daher jedenfalls die Einvernahme des Beschwerdeführers - unter Einbeziehung aller vorgelegten Beweismittel - zu ergänzen gewesen, sodass die erste Voraussetzung für die Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG (infolge Mangelhaftigkeit des vorliegenden Sachverhaltes erscheint die Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich) im gegenständlichen Fall erfüllt ist.

 

9. Der zuständige Senat des Asylgerichtshofes ist daher der Ansicht, dass die schweren Mängel vom Bundesasylamt zu sanieren sind, da im gegenteiligen Fall der Großteil des Ermittlungsverfahren vor den Asylgerichtshof als gerichtliche Beschwerdeinstanz verlagert würde und somit - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - der zweiinstanzliche Verfahrensgang unterlaufen würde.

Schlagworte
innerstaatliche Fluchtalternative, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, Sicherheitslage
Zuletzt aktualisiert am
07.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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