S4 401.344-1/2008/2E
Erkenntnis
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde der M.A., geb. 00.00.1955, StA. der Russischen Föderation, vertreten durch Mag. Mirjami Ritzschke, Diakonie Flüchtlingsdienst, Steinergasse 3, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.8.2008, Zahl: 07 12.264-EAST Ost, zu Recht erkannt:
Der Antrag auf internationalen Schutz von M.A. vom 29.12.2007 wird ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen. Für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz ist Italien zuständig.
M.A. wird gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Italien ausgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Die Asylwerberin ist Staatsangehörige von Russland und eigenen Angaben zufolge am 17.2.2007 von Tschetschenien nach Aserbaidschan und von dort gemeinsam mit ihrem Ehegattenn M.M., 00.00.1951 geb., und ihrem Sohn M.E., 00.00.1989 geb., am 17.12.2007 über Dubai nach Mailand gereist. In Mailand habe sie samt Familie den Flughafen verlassen, obwohl der Flug via Mailand (Umstieg) nach Kiew gebucht gewesen sei. Schließlich seien sie und ihre Familie am 28.12.2007 in Richtung Österreich weitergefahren und hätten das österreichische Bundesgebiet am 29.12.2007 erreicht, wo sie und ihre Familienangehörigen am selben Tag jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben.
Mit e-mail vom 8.1.2008 ersuchte Österreich Italien um Rückübernahme der Asylwerberin. Italien hat (durch Unterlassen einer fristgerechten Antwort iSd Art. 18 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) die Aufnahme der Asylwerberin akzeptiert.
Anlässlich ihrer niederschriftlichen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt erklärte die Antragstellerin nach Vorhalt, dass Italien zur Prüfung ihres Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, dass sie nicht nach Italien zurückkehren wolle, da ihr zweiter Sohn M.L., 00.00.1977 geb., seit Dezember 2007 in Österreich als anerkannter Flüchtling lebe, und sie in der Nähe ihres Sohnes leben wolle. Sie sei herzkrank und nehme Tabletten. Sie könne ohne ihren Sohn nicht leben.
Der Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.8.2008, Zahl: 07 12.264- EAST Ost gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und die Antragstellerin gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Italien ausgewiesen. Gleichlautende Bescheide wurden hinsichtlich des Ehegatten und des Sohnes E. erlassen.
Gegen den Bescheid hat die Asylwerberin fristgerecht Beschwerde erhoben.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.
Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.
§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:
(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über
Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und
Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.
(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.
(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen
1. zurückweisende Bescheide
a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;
b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5
c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und
2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung
(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.
Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.
Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.
Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.
Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.
Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.
Art. 9 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates lautet wie folgt:
1.) Besitzt der Asylbewerber einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Asylantrags zuständig.
2.) Besitzt der Asylbewerber ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Asylantrags zuständig, es sei denn, dass das Visum in Vertretung oder mit schriftlicher Zustimmung eines anderen Mitgliedstaats erteilt wurde. In diesem Fall ist der letztgenannte Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Konsultiert ein Mitgliedstaat insbesondere aus Sicherheitsgründen zuvor die zentralen Behörden eines anderen Mitgliedstaats, so ist dessen Antwort auf die Konsultation nicht gleich bedeutend mit einer schriftlichen Genehmigung im Sinne dieser Bestimmung.
3.) Besitzt der Asylbewerber mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Asylantrags in folgender Reihenfolge zuständig:
der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;
der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;
bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.
4.) Besitzt der Asylwerber nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat. Besitzt der Asylwerber einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag gestellt wird.
5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde.
Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates lautet wie folgt:
Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gem. den beiden in Art. 18 Absatz 3 genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach Kapitel Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 festgestellt, dass ein Asylwerber aus einem Drittsaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaates illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.
Das Bundesasylamt ist aufgrund der Schilderung des Reiseweges durch die Antragstellerin (gebuchter Flug für den 23.12.2007 von Dubai nach Mailand und von dort nach geplantem Umstieg weiter nach Kiew) im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, dass die Antragstellerin (jedenfalls) im Besitz eines (Transit-) Visums, dass weniger als 6 Monate abgelaufen ist, ist, sodass sich diesfalls die Zuständigkeit Italiens zur Prüfung ihres Asylantrages gem. Art. 9 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) ergebe.
Lediglich der Vollständigkeit halber ist ergänzend auszuführen, dass selbst für den Fall, dass die sich aus Art. 9 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates ergebende Zuständigkeit Italiens für die Prüfung des Asylantrages nicht bestünde, letztlich gem. Art 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates doch wieder die Zuständigkeit Italiens zur Prüfung des Asylantrages gegeben wäre, da die Asylwerberin diesfalls (ohne Visum bzw. Aufenthaltstitel) aus einem Drittsaat (Dubai) kommend in casu die Luftgrenze des Mitgliedstaates Italien illegal überschritten hätte.
Bereits das Bundesasylamt hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, darunter auch Feststellungen zum italienischen Asylverfahren und dessen Praxis sowie zur Versorgungslage (einschließlich der Gesundheitsversorgung) von Asylwerbern in Italien sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage rechtsrichtig ausgeführt. Der Asylgerichtshof schließt sich den Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid hinsichtlich beider Spruchpunkte vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.
Der in der Beschwerde erhobene Einwand, dass auf die Lebensumstände, die eine Ausweisung der Antragstellerin unzulässig machen, nicht genügend eingegangen worden sei, kann nicht gefolgt werden. Der Ehegatte der Antragstellerin selbst gibt an, dass ein gemeinsamer Haushalt mit seinem Sohn L. im Jahr 2002 in M. geendet habe, da sein Sohn nach B. gegangen sei. Wenn der Sohn L. als Zeuge angegeben hat, dass ihn seine Mutter bis zu seiner Ausreise am 18.11.2006 in B. immer wieder besucht hat, so stimmt dies mit den Angaben der Asylwerberin überein, wonach sie ihren Sohn etwa 3-4 Mal im Jahr für jeweils etwa 8 bis 10 Tage in B. besucht habe. Sohin erhellt hieraus, dass seit dem Jahr 2002 ein gemeinsamer Haushalt der Antragstellerin mit ihrem Sohn L. nicht bestanden hat, sondern der Kontakt zwischen 2002 und 18.11.2006 lediglich auf fallweise Besuche beschränkt und danach überhaupt unterbrochen war. Vor diesem Hintergrund sind auch die Behauptungen der Antragstellerin, dass sie aufgrund ihrer seit 1996 bestehenden Herzkrankheit die Hilfe ihres Sohnes L. benötige (- ohne ihren Sohn nicht leben könne), nicht nachvollziehbar, hat sie doch auch in den letzten 6 Jahren regelmäßige Hilfe dieses Sohnes aufgrund der nur wenigen Kontakte nicht in Anspruch genommen. Das Bundesasylamt hat in Übereinstimmung mit der Judikatur des EGMR und des VfGH rechtsrichtig erkannt, dass in casu ein besonders enges familiäres Band, das zusätzliche Merkmale einer Abhängigkeit aufweist, die über die üblichen Bindungen unter erwachsenen Familienmitgliedern hinausgehen, nicht erkannt werden kann.
Der Standpunkt der Beschwerdeführerin, wonach ihr im Falle der Ausweisung nach Italien aufgrund ihrer Krankheit (Bluthochdruck, 2 Herzinfarkte, belastungsabhängige psychische Störung) eine Verletzung ihrer Rechte gem. Art. 3 EMRK drohe, wird seitens des Asylgerichtshofes nicht geteilt. Diesbezüglich wird auf die umfassenden und mit der Judikatur des EGMR zu Art. 3 EMRK im Einklang stehenden Erwägungen im angefochtenen Bescheid, Seite 22 ff, verwiesen. Lediglich der Vollständigkeit halber wird ergänzt, dass sich aus den der Beschwerde beigeschlossenen medizinischen Unterlagen ergibt, dass die Antragstellerin zuletzt nach 3-tägigem Spitalsaufenthalt am 00.00.2008 in stabilem Allgemeinzustand entlassen worden ist, sodass sich auch hieraus ergibt, dass die Beschwerdeführerin nicht etwa an einer lebensbedrohenden Krankheit (im Endstadium), die überdies in Italien nicht behandelbar wäre, leidet, sodass nach der strengen Judikatur des EGMR zu Art. 3 EMRK ihre Überstellung nach Italien nicht einmal ansatzweise eine für eine Verletzung ihrer Rechte gem. Art. 3 EMRK relevante Gravität erreicht.
Soweit die Beschwerdeführerin weiters unter Hinweis auf allgemeine Berichte, die sich zum Teil auf das Jahr 2006 beziehen, pauschal etwa rügt, dass befürchtet werden müsse, dass es in Italien unter der Regierung Berlusconis zu Verletzungen des Refoulementschutzes kommen werde und Besorgnis über den Zugang von Asylwerbern zum Asylverfahren geäußert werde, ist zum einen zu entgegnen, dass im Falle einer Überstellung der Asylwerberin nach Italien im Zuge der Effektuierung der Dublin II Verordnung, die italienischen Behörden notwendigerweise bereits Kenntnis von der Ankunft der Asylwerberin haben und diesen auch übernehmen, sodass in casu der Zugang zum Asylverfahren in Italien jedenfalls gesichert erscheint, und zum anderen, dass sie generell mit den bloß unkonkreten Einwendungen in ihrer Beschwerde kein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer Verletzung ihrer Rechte gem. Art. 3 EMRK dartut.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.