TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/05 B9 247602-7/2008

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Veröffentlicht am 05.09.2008
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Spruch

B9 247.602-7/2008/8E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat gemäß § 61 iVm § 75 Abs. 7 Ziffer 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008, (AsylG 2005) und 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), durch die Richterin Mag. Ursula SAHLING als Vorsitzende und den Richter Mag. Stefan HUBER als Beisitzer über die Beschwerde des A.K., geb. 00.00.1994, StA. Republik Kosovo, vom 08.11.2006 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.10.2006, Zl. 06 04.085-BAL, zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde von A.K. wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wird A.K. der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Republik Kosovo nicht zuerkannt.

 

III. Spruchpunkt III. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 21.10.2006, Zl. 06 04.085-BAL, wird ersatzlos behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Der minderjährige Berufungswerber (in der Folge Beschwerdeführer genannt) stellte, vertreten durch die Mutter Af.K., geboren am 00.00.1975, am 13.04.2006 einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 13.04.2006 gab die Mutter des minderjährigen Beschwerdeführers an, dass ihre Fluchtgründe auch für ihre Kinder A.K., Ar. und Arl.K. gelten.

 

Mit erstinstanzlichem Bescheid vom 21.10.2006, Zl. 06 04.085-BAL, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des minderjährigen Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und dem minderjährigen Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.), weiters dem minderjährigen Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG iVm § 34 Abs. 3 Ziffer 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und der minderjährige Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach "Serbien, Provinz Kosovo" ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

 

Gegen diesen Bescheid, dem Rechtsvertreter der Mutter des minderjährigen Beschwerdeführers am 25.10.2006 zugestellt, wurde mit Schriftsatz vom 08.11.2006 fristgerecht Berufung (in der Folge als Beschwerde bezeichnet) erhoben.

 

Mit Beschluss des erkennenden Gerichtshofes vom heutigen Tag, GZ: B9 247605-7/2008/9E, wurde der Antrag des Vaters des minderjährigen Beschwerdeführers vom 03.01.2007 auf Wiederaufnahme des mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 23.09.2004, GZ: 247.605/0-XII/37/04, abgeschlossenen Asylverfahrens gemäß § 69 AVG abgewiesen. Eine Ausweisung des Vaters des Beschwerdeführers wurde - eine Ausweisung ist bei der anzuwendenden Rechtslage der AsylG-Novelle 2003 bei zurückweisenden Entscheidungen (im Gegensatz zur Rechtslage des AsylG 2005) gesetzlich nicht vorgesehen - im Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 23.09.2004 nicht ausgesprochen.

 

Mit die Mutter des minderjährigen Beschwerdeführers, Af.K., geb. 00.00.1975, betreffendem Erkenntnis des erkennenden Gerichtshofes vom heutigen Tag, GZ: B9 247.601-9/2008/11E, wurde deren Beschwerde vom 08.11.2006 gegen den sie betreffenden erstinstanzlichen Bescheid vom 23.10.2006, Zl. 05 19.241-BAL, gemäß § 7 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I) und gemäß § 8 Abs. 1 AsylG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Mutter, Af.K., in die Republik Kosovo zulässig ist (Spruchpunkt II). Eine Ausweisung der Mutter in die Republik Kosovo wurde in diesem Erkenntnis des erkennenden Gerichtshofes vom heutigen Tag allerdings nicht ausgesprochen, dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass auf Grund des Umstandes, dass betreffend dem geschiedenen Ehegatten der Mutter und Vaters des Beschwerdeführers eine Ausweisungsentscheidung durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Bescheid vom 23.09.2004, GZ: 247.605/0-XII/37/04, nicht zu erfolgen hatte und aufgrund der gemeinsamen minderjährigen Kinder in Bezug auf die Mutter des Beschwerdeführers ebenfalls keine Ausweisungsentscheidung zu treffen sei.

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß § 75 Abs. 7 Z 2 Asylgesetz 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 sind Verfahren gegen abweisende Bescheide, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind und in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichthofes zuständigen Senat weiterzuführen. Das gegenständliche Beschwerdeverfahren war am 13.11.2006 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängig, eine mündliche Verhandlung hatte nicht stattgefunden.

 

Gemäß § 61 Abs.1 Asylgesetz 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes oder soweit in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4,

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 und

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG und die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Rechtsmittelinstanz, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005, BGBI. I Nr. 100/2005, sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. Der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz wurde am 13.04.2006 gestellt. Das gegenständliche Beschwerdeverfahren wird daher nach den Bestimmungen des AsylG 2005 geführt.

 

Ad I)

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Der Status eines Asylberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen. Diese liegen vor, wenn sich jemand aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, der Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Ebenso liegen die Voraussetzungen bei Staatenlosen, die sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befinden und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sind, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr dar, wobei hierfür dem Wesen nach einer Prognose zu erstellen ist.

 

Wie seitens der den minderjährigen Beschwerdeführer vertretenden Mutter ausgeführt wurde, habe der minderjährige Beschwerdeführer keine eigenen Fluchtgründe.

 

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit gezielt und konkret gegen die Person des minderjährigen Beschwerdeführers gerichtete Verfolgung maßgeblicher Intensität aus asylrelevanten Gründen darzutun; auch sind keine von Amts wegen aufzugreifenden Anhaltspunkte hervorgekommen, welche zu einer anderen Beurteilung führen könnten.

 

Im Hinblick darauf, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz des minderjährigen Beschwerdeführers im Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 gestellt wurde, ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass - wie bereits erwähnt - mit Erkenntnis der erkennenden Gerichtshofes vom heutigen Tag auch die Beschwerde der Mutter Af.K. gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen wurde.

 

Aus diesen Gründen war auch die Berufung des minderjährigen Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abzuweisen.

 

Ad II)

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,

 

der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

 

dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

 

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

§ 8 Abs. 1 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den Herkunftsstaat des Antragsstellers. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 ist ein Herkunftsstaat, der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes.

 

Der (vormalige) § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 verwies auf § 57 Fremdengesetz (FrG), BGBl. I Nr. 75/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002, wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung verletzt würde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum vormaligen § 57 FrG - welche in wesentlichen Teilen auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen sein wird - ist Vorraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, dass eine konkrete, den Berufungswerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122, VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (z.B. VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294, VwGH 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438, VwGH 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427, VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028).

 

Wie bereits oben ausgeführt wurde, wurden in Bezug auf den minderjährigen Beschwerdeführer keine ihm mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende unmenschliche Behandlung oder für Verfolgung maßgeblicher Intensität sprechende Gründe in Bezug auf den Heimatstaat des Beschwerdeführers vorgebracht.

 

Darüber hinaus kann nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Verbringung in die Republik Kosovo die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. diesbezüglich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059, zur dargestellten "Schwelle" des Art. 3 EMRK). Vor dem Hintergrund nämlich, dass eine Verbringung des minderjährigen Beschwerdeführers in den Kosovo nur gemeinsam mit seiner Mutter, Af.K., zulässig ist und bezüglich seiner Mutter mit dem oben angeführten Erkenntnis des erkennenden Gerichtshofes vom heutigen Tag die Abschiebung in die Republik Kosovo für zulässig erklärt wurde - auf die diesbezügliche Begründung wird verwiesen -, ist von einer realen Gefährdung iSd § 57 FrG des minderjährigen Beschwerdeführers nicht auszugehen.

 

Ad III)

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12.12.2007, Zl. 2007/19/1054-7, zur in dem diesem Beschwerdefall zu Grunde liegenden maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 1997 in der dem Beschwerdefall zu Grunde liegenden anzuwendenden Fassung der Asylgesetznovelle BGBl. I Nr. 101/2003 ausgeführt hat, wollte der Gesetzgeber mit der Einführung des Familienverfahrens die Familieneinheit im Vergleich zu früheren Rechtslage (nach der etwa nur Asyl, nicht aber Refoulmentschutz "erstreckt" werden konnte) in der Weise stärken, dass alle Angehörigen einer "Kernfamilie" iSd § 1 Z 6 AsylG (das sind Elternteile eines minderjährigen Kindes, Ehegatten oder zum Zeitpunkt der Asylantragstellung unverheiratete minderjährige Kinder eines Asylwerbers oder Asylberechtigten) im Asylverfahren die gleiche Rechtsstellung zukommt. Damit sollte verhindert werden, dass es durch verschiedene rechtliche Behandlung einzelner Familienmitglieder entgegen dem in Art. 8 Abs. 1 EMRK festgelegten Gebot der Achtung des Familienverfahrens zur Trennung von Familien kommen kann. Im Sinne der Wahrung der Familieneinheit werde durch § 44 Abs. 3 AsylG sichergestellt, dass das Bundesasylamt nach dem 30. April 2004 in Fällen, in denen Asylanträge von Mitgliedern einer Familie zum Teil vor und zum Teil nach dem Inkrafttreten der Novelle 2003 gestellt wurden, auch im Hinblick auf die Ausweisung einheitlich entscheiden kann. Habe das Bundesasylamt jedoch für einzelne Familienmitglieder (mangels Zuständigkeit der Rechtslage vor der Asylgesetznovelle 2003) keine Ausweisung verfügt, so sei es dem Unabhängigen Bundesasylsenat verwehrt für diese Angehörigen Ausweisungen "nachzutragen", um die Rechtsposition der Familie zu vereinheitlichen. In derartigen Fällen hätten über die Ausweisung die "Fremdbehörden" (gemeint wohl: Fremdenbehörden) zu entscheiden.

 

Für Fälle, in denen einzelne Mitglieder einer Kernfamilie nach der dargestellten Rechtslage von den Asylbehörden, andere aber von den Fremdenbehörden auszuweisen wären, habe der Gesetzgeber weder Vorkehrungen für ein koordiniertes Vorgehen noch für eine einheitliche Ausweisungsentscheidung getroffen. Auch § 38 AVG bietet dafür keine Lösung. Ein Ergebnis, wonach etwa ein minderjähriger Beschwerdeführer auf Grund der asylrechtlichen Ausweisung das Bundesgebiet ohne seine Eltern zu verlassen habe, weil diese keine asylrechtliche Ausweisung erhalten hätten, das also zu seiner Trennung von der Kernfamilie führen würde, widerspräche den oben dargestellten Intentionen des Gesetzgebers bei Einführung des Familienverfahrens und wäre ein Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Familienleben, für den - auch unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen - keine Rechtfertigung zu erkennen sei.

 

Um das vom Gesetzgeber intendierte und verfassungsrechtlich gebotene Ergebnis zu erzielen, habe eine Ausweisung durch die Asylbehörden in einem Fall wie dem vorliegenden zu unterbleiben. Demnach sei durch den Unabhängigen Bundesasylsenat in einem solchen Fall, in dem ein minderjähriger Asylwerber eine erstinstanzliche Ausweisungsentscheidung erhalten habe - nicht jedoch seine Eltern auf Grund der in Bezug auf diese anzuwendenden gewesenen Rechtslage vor der Asylgesetznovelle 2003 -, die erstinstanzliche Ausweisung in Bezug auf den Minderjährigen ersatzlos zu beheben.

 

Diese Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofes sind auch auf die im gegenständlichen Fall anzuwendende Rechtslage des AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, zu übertragen.

 

Für den konkreten Fall bedeutet dies nun aber, dass auf Grund des Umstandes, dass betreffend den Vater des Beschwerdeführers mit Beschluss des erkennenden Gerichtshofes vom heutigen Tag, GZ: B9 247605-7/2008/9E, der Antrag vom 03.01.2007 auf Wiederaufnahme des mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 23.09.2004, GZ: 247.605/0-XII/37/04, abgeschlossenen Asylverfahrens gemäß § 69 AVG abgewiesen wurde und eine Ausweisung des Vaters des Beschwerdeführers - eine Ausweisung ist bei der anzuwendenden Rechtslage der AsylG-Novelle 2003 bei zurückweisenden Entscheidungen (im Gegensatz zur Rechtslage des AsylG 2005) gesetzlich nicht vorgesehen - im Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 23.09.2004 nicht ausgesprochen wurde, im Hinblick auf das oben Gesagte im gegenständlichen Verfahren in Bezug auf den minderjährigen Beschwerdeführer ebenfalls keine Ausweisungsentscheidung zu treffen ist. Auch gegen die Mutter des Beschwerdeführers ist in deren Asylverfahren keine Ausweisung ausgesprochen worden.

 

Zusammengefasst bedeutet dies aber bloß, dass seitens der Asylbehörden hier keine Zuständigkeit für eine Ausweisungsentscheidung besteht, diese Entscheidung aber einer allfälligen Ausweisung im Sinne des FPG nicht entgegensteht.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Gemäß § 41 Abs. 7 AsylG hat der Asylgerichtshof § 67d AVG mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur außer Kraft getretenen Regelung des Art. II Abs. 2 lit. D Z 43a EGVG war der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung nicht als geklärt anzusehen, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder der Berufungsbehörde ergänzungsbedürftig oder in entscheidenden Punkten nicht richtig erscheint, wenn rechtlich relevante Neuerungen vorgetragen werden oder wenn die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will (VwGH 02.03.2006, 2003/20/0317 mit Hinweisen auf VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533; 12.06.2003, 2002/20/0336). Gemäß dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konnte im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Asylgerichtshof unterbleiben, da der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt war. Was das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Beschwerde betrifft, so findet sich in dieser kein neues bzw. kein ausreichend konkretes Tatsachenvorbringen hinsichtlich allfälliger sonstiger Fluchtgründe des Beschwerdeführers. Auch tritt der Beschwerdeführer in der Beschwerde den seitens der Behörde erster Instanz getätigten Ausführungen nicht in ausreichend konkreter Weise entgegen.

 

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Familienverfahren
Zuletzt aktualisiert am
31.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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