TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/05 B7 259360-0/2008

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Veröffentlicht am 05.09.2008
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Spruch

B7 259.360-0/2008/3E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat gemäß § 61 iVm § 75 Abs. 7 Ziffer 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008, (AsylG 2005) und 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Beisitzerin über die Beschwerde des M.L., geb. 00.00.1986, StA. Republik Kosovo, vom 04.04.2005 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.03.2005, Zl. 05 02.887-EAST Ost, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.08.2008 zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde von M.L. wird gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 57 des Fremdengesetzes, BGBl. I Nr. 75/1997 (FrG) idF BGBl. I Nr. 126/2002 wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von M.L. in die Republik Kosovo zulässig ist.

 

III. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG wird M.L. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Republik Kosovo ausgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

Der Berufungswerber (in der Folge Beschwerdeführer genannt) brachte vor, Staatsangehöriger von Serbien und Angehöriger der albanischen Volksgruppe aus der vormaligen Provinz Kosovo (nunmehr Republik Kosovo) zu sein, den im Spruch angeführten Namen zu führen und am 03.03.2005 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist zu sein. Er stellte am selben Tag in Österreich einen Antrag auf Gewährung von Asyl.

 

Am 07.03.2005 sowie am 10.03.2005 erfolgten erstinstanzliche Einvernahmen vor dem Bundesasylamt jeweils im Beisein eines geeigneten Dolmetschers der albanischen Sprache; diese Einvernahmen gestalteten sich wie folgt:

 

Einvernahme am 07.03.2005:

 

"Mir wurden die Orientierungsinformation, das Merkblatt zum Asylverfahren und die Informationsblätter zur Dublin II VO und zur EURODAC-VO ausgefolgt und ich habe diese Informationen zur Kenntnis genommen. Auf die Möglichkeit der Kontaktnahme mit und der Beiziehung zur Einvernahme von Flüchtlingsberater, Rechtsberater, Vertreter und Vertrauensperson wurde ich hingewiesen.

 

Mir wird zur Kenntnis gebracht, dass meine Angaben die Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren sind, ich die Wahrheit sagen soll und dass meinen Angaben in der Erstaufnahmestelle eine verstärkte Glaubwürdigkeit zukommt.

 

Mir wurde bekannt gegeben, dass meine Angaben vertraulich behandelt werden und keinesfalls Inhalte an mein Herkunftsland weitergegeben oder öffentlich gemacht werden.

 

Mir wurden die anwesenden Personen vorgestellt und deren Funktion erklärt. Mir wird zur Kenntnis gebracht, dass der Dolmetscher gerichtlich beeidet ist/gem. § 52 Abs. 4 AVG bestellt und beeidet wurde.

 

Ich fühle mich körperlich und geistig in der Lage, die Einvernahme durchzuführen.

 

Im Besonderen nehme ich zur Kenntnis, dass mein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzuweisen ist, wenn ich die Asylbehörde über meine wahre Identität, meine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit meiner Dokumente täusche.

 

Frage: Haben Sie gegen eine der anwesenden Personen aufgrund einer möglichen Befangenheit oder aus sonstigen Gründen irgendwelche Einwände?

 

Antwort: Keine.

 

Frage: Wann und wie haben Sie Ihr Heimatland verlassen bzw. wie kamen Sie nach Österreich?

 

Antwort: Am 28.02.2005 fuhr ich von Peje schlepperunterstützt in einem Kombi versteckt über mir unbekannte Länder bis nach Österreich, wo ich am 03.03.2005 in Traiskirchen ankam.

 

Frage: Machten Sie Pausen bei dieser Fahrt?

 

Antwort: Wir hatten 2 Pausen in der Nacht. Wir waren dabei in einem Privathaus für ca. 2-3 Stunden. Wir haben aber nirgends übernachtet.

 

Frage: Was haben Sie dort mitbekommen, welche Sprache oder Schrift haben Sie gehört bzw. gesehen?

 

Antwort: Ich habe nichts mitbekommen. Ich habe nur einige Leute Türkisch reden gehört, aber das waren wohl ebenfalls Reisende, so wie wir.

 

Frage: Haben Sie Grenzkontrollen bemerkt?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Wurden Sie irgendwann angehalten?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Sind Sie mit eigenem RP ausgereist?

 

Antwort: Nein, nur mit dem Personalausweis.

 

Frage: Haben Sie jemals einen eigenen Reisepass besessen?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Haben Sie jemals in einem EU-Staat einen Asylantrag gestellt oder sind Sie jemals in einen EU-Staat eingereist?

 

Antwort: Nein, ich war noch niemals im Ausland.

 

Frage: Haben Sie im Bereich der EU, in Norwegen oder in Island Verwandte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?

 

Antwort: Nein.

 

Vorhalt: Ihre Angaben können nicht stimmen, da gegen Sie ein Einreise- bzw. Aufenthaltsverbot in Italien besteht. Was sagen Sie dazu?

 

Antwort: Ja, das stimmt.

 

Frage: Wann und wie lange waren Sie in Italien?

 

Antwort: Das war im September 2004. Ich bin aber gar nicht dort geblieben, denn ich wurde an der Grenze zurückgeschickt.

 

Frage: An welcher Grenze wurden Sie zurückgeschickt?

 

Antwort: An der Grenze zwischen Slowenien und Italien.

 

Frage: Wieso haben Sie nicht in Slowenien um Asyl angesucht?

 

Antwort: Ich wollte nicht in Slowenien bleiben.

 

Frage: Was haben Sie nach Ihrer Zurückweisung an der Grenze gemacht?

 

Antwort: Ich bin wieder nach Hause zurückgekehrt und habe neuerlich versucht auszureisen.

 

Frage: Wann genau sind Sie wieder nach Hause zurückgekehrt?

 

Antwort: Ich glaube es war der 05.09.2004.

 

Frage: Haben Sie in der Zwischenzeit nochmals versucht, Ihr Heimatland zu verlassen?

 

Antwort: Nein.

 

Anm.: Aufgrund des mehr als 3-monatigen Aufenthaltes im Heimatland wird nach Rücksprache mit der GDA (HAAS) kein Konsultationsverfahren eingeleitet.

 

Frage: Wer hat Ihre Reise organisiert und finanziert?

 

Antwort: Ich habe alles selbst organisiert. Das Geld habe ich mir von Verwandten ausgeborgt. Dem Schlepper bezahlte ich 2.100 Euro.

 

Frage: Kennen Sie den Schlepper namentlich, der Sie bis nach Österreich gebracht hat?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Welche Barmittel haben Sie?

 

Antwort: 70 Euro.

 

Frage: Sind Sie vorbestraft?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Wurden Sie jemals von Behörden in Ihrem Heimatland erkennungsdienstlich behandelt?

 

Antwort: Ja, für den Personalausweis.

 

Frage: Ist gegen Sie ein Gerichtsverfahren anhängig?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Waren Sie jemals im Gefängnis?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Gehörten Sie jemals einer politischen Partei an?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Gehörten Sie jemals einer bewaffneten Gruppierung an?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Nennen Sie uns bitte alle Gründe warum Sie Ihr Heimatland verlassen haben?

 

Antwort: Ich wurde von unbekannten Personen bedroht. Ich habe Briefe nach Hause bekommen. Irgendwann im Oktober 2004 haben diese unbekannten Personen versucht, mich mit dem Auto niederzufahren, aber ich konnte gerade noch ausweichen. Seit August 2004 war ich nicht mehr zu Hause, sondern habe mich bei verschiedenen Verwandten versteckt. Die Probleme haben im August 2004 angefangen.

 

Frage: Wer waren diese Personen?

 

Antwort: Ich weiß es nicht, sie waren maskiert.

 

Frage: Warum wurden Sie von diesen Personen bedroht?

 

Antwort: Ich weiß es nicht.

 

Frage: Was stand in diesem Brief, den Sie bekommen haben?

 

Antwort: Da stand, dass sie mich umbringen werden, weil ich zuviel weiß.

 

Frage: Was sollen Sie gewusst haben?

 

Antwort: Ich weiß es nicht. Vielleicht haben Sie mich mit jemandem verwechselt.

 

Frage: Wurden nur Sie in Ihrer Familie bedroht?

 

Antwort: Ja, nur ich.

 

Frage: Wenn Sie so schlimm bedroht wurden, warum sind Sie dann wieder nach Hause zurückgekehrt?

 

Antwort: Ich wurde von den italienischen Behörden mit der Fähre bis nach Albanien geschickt.

 

Frage: Warum sind Sie dann freiwillig nach Hause zurückgekehrt?

 

Antwort: Wo hätte ich in Albanien bleiben sollen? Ich habe dort nichts, wo ich leben könnte.

 

Frage: Hat es seit Oktober 2004 irgendwelche Vorfälle gegeben?

 

Antwort: Nein, seitdem gab es keine Vorfälle mehr. Sie haben nur Briefe nach Hause geschickt. Ich habe mich seit damals versteckt.

 

Frage: Was stand in diesen Briefen?

 

Antwort: Es war immer derselbe Inhalt, dass sie mich umbringen werden.

 

Frage: Hätten Sie nicht in einen anderen Teil Ihres Landes ziehen können?

 

Antwort: Nein, ich habe mich ja bei Verwandten versteckt, aber ich war nie sicher, denn sie könnten mich überall finden.

 

Vorhalt : Wenn es seit Oktober 2004 keine Vorfälle mehr gab, wieso glauben Sie dann, dass Sie wo anders auch gesucht und gefunden werden könnten?

 

Antwort: Ich habe mich bei Verwandten versteckt und habe auch dorthin Briefe bekommen. Dann bin ich wieder zu anderen Verwandten.

 

Frage: Was hätten Sie bei einer Rückkehr in Ihr Heimatland zu befürchten?

 

Antwort: Das sie mich umbringen werden.

 

Anm.: Dem AW werden die Feststellungen zum Kosovo zur Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.

 

Antwort: Ja, das stimmt, was da steht. Nur die Unruhen im März 2004 gingen nicht von den Albanern aus.

 

Frage: Wollen Sie weitere Fluchtgründe angeben oder Ihr Vorbringen ergänzen?

 

Antwort: Nein.

 

Mir wird nun zur Kenntnis gebracht, dass beabsichtigt ist, meinen Asylantrag abzuweisen, festzustellen, dass die Abschiebung, Zurückschiebung bzw. Zurückweisung nach Serbien und Montenegro, Provinz Kosovo, zulässig ist und eine Ausweisung zu veranlassen. Wollen Sie konkrete Gründe nennen, die dem entgegenstehen?

 

Antwort: In den Kosovo darf ich nicht zurückkehren, dort ist mein Leben in Gefahr.

 

Ich nehme zur Kenntnis, dass ich nach einer Frist von mindestens 24 Stunden im Beisein eines Rechtsberaters im Zuge einer niederschriftlichen Befragung die Möglichkeit habe, zu diesem Sachverhalt Stellung zu beziehen. Vom Termin werde ich schriftlich in Kenntnis gesetzt. Sollte ich der Aufforderung nicht nachkommen und die Betreuungsstelle verlassen, muss ich damit rechnen, dass das Verfahren eingestellt wird.

 

Frage: Haben Sie den Dolmetscher verstanden?

 

Antwort: Ja, einwandfrei. Mir wurde diese Einvernahme rückübersetzt und habe dieser nichts mehr hinzuzufügen. Ich war psychisch und physisch in der Lage die Fragen zu verstehen und entsprechend zu antworten."

 

Einvernahme am 10.03.2005:

 

"Abschließend wird ihnen die Möglichkeit gegeben, zu ihrem Asylantrag Stellung zu beziehen. Die von der Behörde beabsichtigte Vorgangsweise wird ihnen noch einmal mitgeteilt. Die Manuduktion (Belehrung) der Behörde, erfolgte bereits in der ersten Einvernahme.

 

Nach erfolgter Rechtsberatung möchten Sie sich konkret folgendermaßen äußern: Ich habe nichts mehr dazu zu sagen.

 

Rechtsberatung: Gibt's diese Briefe noch?

 

Antwort Ast.: Ja, ich habe aber noch keinen erreicht, ich werde diese Briefe als Beweismittel nachbringen.

 

Anmerkung des Ref.: Ihnen wird 14 Tage Zeit gegeben die Beweismittel nachzubringen.

 

Sie haben alles verstanden, die Verständigung mit dem Dolmetsch ist gut. Sie fühlen sich gut und waren psychisch und physisch in der Lage der Einvernahme zu folgen.

 

Die Rechtsberatung hat keine weiteren Fragen mehr.

 

Das Ermittlungsverfahren wird wegen Spruchreife geschlossen"

 

Mit erstinstanzlichem Bescheid vom 18.03.2005, Zahl: 05 02.887-EAST Ost, wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gem. § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.), weiters festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "nach Serbien und Montenegro in die Provinz Kosovo" gem. § 8 Abs. 1 AsylG zulässig ist (Spruchpunkt II.) sowie der Beschwerdeführer "aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen" (Spruchpunkt III.). Das Bundesasylamt legte seiner Entscheidung das Vorbringen des Beschwerdeführers zu Grunde, gelangte allerdings in rechtlicher Hinsicht zu dem Ergebnis, dass dem Vorbringen keine Asylrelevanz bzw. keine Relevanz in Bezug auf subsidiäre Schutzgründe zukommt.

 

Gegen diesen Bescheid, zugestellt am 23.03.2005, erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 24.03.2005, eingebracht am 04.04.2005, fristgerecht Berufung (in der Folge als Beschwerde bezeichnet; vgl. diesbezüglich § 23 Asylgerichtshofgesetz [Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008]), in welcher der Beschwerdeführer u.a. erstmals vorbringt, er habe sich an die zuständigen Sicherheitsbehörden gewandt und Anzeige erstattet, diese hätten ihm jedoch nicht geholfen. Die Polizeikräfte im Kosovo könnten dem Beschwerdeführer nicht jenes Maß an Schutz und Sicherheit gewähren, wie dies in einem funktionierenden Rechtsstaat der Fall wäre.

 

Der Asylgerichtshof führte am 29.08.2008 eine öffentliche mündliche

Verhandlung durch, an welcher sich der Beschwerdeführer persönlich

beteiligte; das Bundesasylamt entsandte keinen Vertreter zu dieser

Verhandlung. Gemeinsam mit der Ladung zu dieser Verhandlung waren

dem Beschwerdeführer - unten näher dargestellte -

Länderfeststellungen zur Situation in der Republik Kosovo

übermittelt worden. Diese öffentliche mündliche Verhandlung

gestaltete sich wie folgt (VR = Vorsitzender Richter, BR =

Beisitzender Richter, BF = Beschwerdeführer).

 

"Eröffnung der Verhandlung.

 

VR legt den Gegenstand der Verhandlung wie oben eingetragen dar.

 

VR stellt fest, dass die Parteien des Verfahrens und der Dolmetscher zur Verhandlung rechtzeitig durch persönliche Verständigung geladen wurden (siehe Nachweise im Akt).

 

VR befragt den Dolmetscher, ob gemäß § 39a iVm § 53 AVG iVm § 7 Abs. 1 Z 1 bis 3 und 5 AVG Gründe einer Befangenheit vorliegen; dies wird verneint.

 

VR befragt die Parteien, ob sie Umstände glaubhaft machen können, die die Unbefangenheit des Dolmetschers in Zweifel stellen; dies wird verneint.

 

VR befragt den BF, ob er den Dolmetscher gut verstehe; dies wird bejaht.

 

Eröffnung des Beweisverfahrens.

 

VR weist den BF auf die Bedeutung dieser Verhandlung hin und ersucht ihn, die Wahrheit anzugeben. Der BF wird aufgefordert nur wahrheitsgemäße Angaben zu machen und belehrt, dass unrichtige Angaben bei der Entscheidungsfindung im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen sind. Ebenso wird auf die Verpflichtung zur Mitwirkung an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes hingewiesen und dass auch mangelnde Mitwirkung bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen ist.

 

Der BF wird gemäß § 51 AVG iVm § 49 AVG belehrt.

 

VR: Wann und wo sind Sie geboren?

 

BF: Ich bin am 00.00.1986 geboren. Ich bin in D. geboren. Früher war die Gemeinde G., der Name wurde nunmehr geändert.

 

VR: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

 

BF: Der albanischen Volksgruppe.

 

VR: Wie sind Ihre persönlichen Verhältnisse in Österreich? Sind Sie verheiratet?

 

BF: Nein, ich bin nicht verheiratet. Ich lebe in A. und arbeite hin und wieder bei der Gemeinde.

 

VR: Was verstehen Sie unter hin und wieder?

 

BF: Zweimal in der Woche arbeite ich in der Gemeinde und erhalte 340 Euro im Monat.

 

VR: Was machen Sie da konkret?

 

BF: Bei der Straßenreinigung.

 

VR: Wie sehen Ihre privaten Verhältnisse aus?

 

BF: Wie meinen Sie das?

 

VR: Haben Sie eine Lebensgefährtin?

 

BF: Ich habe eine Freundin, lebe aber nicht mit Ihr zusammen.

 

VR: Kinder haben Sie vermutlich keine?

 

BF: Nein.

 

VR: Erzählen Sie mir bitte in kurzen und präzisen Gründen warum sie den Kosovo verlassen haben?

 

BF: Ich habe den Kosovo verlassen, weil ich im Jahre 2004 bedroht worden bin. Man hat versucht mich zu überfahren, dass war gegen Ende des Jahres.

 

VR: Können Sie das näher eingrenzen, wann das ungefähr war?

 

BF: Das war im Oktober.

 

VR: Was ist da ganz konkret passiert.

 

BF: Ich ging spazieren, es kam ein Pkw mit schwarzen Scheiben und dieser Pkw hat versucht mich zu überfahren.

 

VR: Bitte konketisieren Sie diese Situation näher. Wo befand sich der Pkw, wo befanden Sie sich?

 

BF: Ich befand auf dem Weg von der Schule nach Hause, war zu Fuß unterwegs und auf der Straße, es war eine steile Straße, hat der Pkw versucht mich zu überfahren.

 

VR: Befanden Sie sich auf der Straße?

 

BF: Ja.

 

VR: Haben Sie versucht die Straße zu überqueren?

 

BF: Nein.

 

VR: Wer waren die Täter?

 

BF: Das weiß ich nicht.

 

VR: Können Sie sich erklären, warum man versucht hat, sie zu überfahren?

 

BF: Das weiß ich nicht.

 

VR: Haben Sie eine Vermutung?

 

BF: Ich habe früher Fußball gespielt. Es hat auch einen Streit beim Fußball spielen gegeben. Vielleicht waren die das.

 

VR: Was verstehen Sie unter "die"? Wer waren "die"?

 

BF: Wir haben drei oder viermal Fußball gespielt, es sind Krininelle, es handelt sich um Angehörige der albanischen Volksgruppe.

 

VR: Wieso ist der Versuch, Sie vom Auto zu überfahren, eigentlich misslungen?

 

BF: Weil ich davongelaufen bin.

 

VR: Sind Sie schneller gelaufen, als das Auto fährt?

 

BF: Ich bin ausgewichen und konnte seitlich davonlaufen.

 

VR: Erzählen Sie mir bitte, was ist denn sonst noch passiert?

 

BF: Seit diesem Vorfall war ich gezwungen nicht mehr zu Hause zu wohnen, ich begab mich zu meinen Verwandten. Ich habe mich dort aufgehalten. Ich konnte nicht einmal mehr zur Schule gehen.

 

VR: Gab es vor dem Vorfall mit dem Pkw, auch schon irgendwelche Vorkommnisse?

 

BF: Ich war einmal in G., ich war in einem Lokal, ich wurde von vier bis fünf Personen verfolgt. Sie waren mit langen Kleidern bekleidet. Sie haben einen Freund von mir, mit dem ich einmal Fußball gespielt habe, so schwer geschlagen, dass er ins Krankenhaus musste. Er lag zwei Monate im Koma.

 

VR: Wann war das?

 

BF: Das war Anfang Oktober 2004.

 

VR: Wer waren die Täter?

 

BF: Es waren die gleichen, ich habe sie nicht gesehen, aber es waren die gleichen. Jemand anderer kommt nicht in Frage.

 

VR: Wieso kommt jemand anderer nicht in Frage?

 

BF: Weil wir nur mit dieser Person Probleme hatten.

 

VR: Dann sagen Sie mir bitte, warum Sie mit dieser Person Probleme hatten?

 

BF: Wir haben Fußball gespielt, irgendwann kam es zu einer Schlägerei. Es war eine gefährliche Person, nachdem diese Schlägerei zu Ende war, hat er gedroht, er wird alle umbringen. Alte Leute aus dem Dorf hatten uns bei der Schlägerei getrennt.

 

VR: Wann haben Sie den Kosovo verlassen?

 

BF: Um nach Österreich zu kommen? Am 28. Februar habe ich den Kosovo verlassen.

 

VR: Welches Jahr?

 

BF:2005

 

VR: Haben Sie den Kosovo zuvor schon einmal verlassen gehabt?

 

BF: Ja.

 

VR: Wann?

 

BF: Nach der Schlägerei, das war im September 2004.

 

VR: Zuvor haben Sie angegeben, die Schlägerei sei im Jahr 2004 gewesen?

 

BF: Nein, die Schlägerei war Ende Juli/Anfang August, die Verfolgung hat im Oktober begonnen.

 

VR: Wann konkret haben Sie den Kosovo verlassen?

 

BF: Ich weiß es nicht genau, aber es war Ende August/Anfang September.

 

VR: Wo sind Sie da hingegangen?

 

BF: Nach Italien

 

VR: Wie lange waren Sie da?

 

BF: Ich blieb dort nicht, ich wurde aufgegriffen und abgeschoben.

 

VR: Wie lange waren Sie in Italien bis Sie aufgegriffen wurden?

 

BF: Ein- bis zwei Tage.

 

VR: Wie lange dauerte es bis Sie abgeschoben worden?

 

BF: Ich war circa drei Tage in Schubhaft.

 

VR: Wo wurden Sie eigentlich aufgegriffen, in Italien?

 

BF: An der Grenze zu Slowenien, ich weiß es nicht genau.

 

VR: Wissen Sie noch wann Sie abgeschoben wurden?

 

BF: Das war im September, wann genau, weiß ich nicht.

 

VR: Warum haben Sie damals eigentlich den Kosovo verlassen?

 

BF: Aus diesen Gründen.

 

VR: Sie haben angegeben, Sie seien Ende August/Anfang September nach Italien ausgereist, die Verfolgung habe im Oktober begonnen. Warum sind Sie vor Beginn der Verfolgung ausgereist?

 

BF: Die Schlägerei war Ende Juli/Anfang August, schon damals sagte er uns, dass er uns umbringen würde, die meisten meiner Freunde haben das Land verlassen.

 

VR: Wer ist den eigentlich "er"?

 

BF: Ich kenne ihn nicht. Er ist ein Albaner aus der Gemeinde G., ich kenne ihn nicht persönlich. Es wurde mir aber gesagt, dass er in der Schweiz im Gefängnis war und abgeschoben wurde.

 

VR: Wie ist der Name dieses Mannne?

 

BF: B. wurde er genannt.

 

VR: Und wie ist der vollständige Name?

 

BF: Das weiß ich nicht.

 

VR: Sie haben sich auch nicht darüber informiert?

 

BF: Woher sollte ich die Informationen erhalten?

 

VR: Idem Sie beispielsweise in dem Dorf nach dem Namen der Person fragen, die ihn nach dem Leben trachtet?

 

BF: Ich weiß nicht wo er wohnt.

 

VR: Sie haben aber zuvor folgendes angegeben: "Er ist ein Albaner aus der Gemeinde G., ich kenne ihn nicht persönlich. Es wurde mir aber gesagt, dass er in der Schweiz im Gefängnis war und abgeschoben wurde."

 

BF: Denn Satz habe ich verstanden. Die Gemeinde G. habe unzählige Dörfer, ich weiß nicht wo er wohnt.

 

VR: Dennoch würde ich erwarten, dass man sich über die Person, die einem nach dem Leben trachtet nähert informiert, insbesondere dann, wenn man sich so fürchtet, dass man sogar das Land verlassen möchte.

 

BF: Woher sollte ich diese Information erhalten, ich hatte Angst und habe das Land verlassen. Später habe ich es bereut, dass es zu diesem Streit gekommen ist.

 

VR: Haben Sie sich wegen der von Ihnen behaupteten Vorfälle an die Polizei gewandt?

 

BF: Ich war zweimal bei der Polizei, die Polizei hat aber nichts unternommen.

 

VR: Wann waren Sie da bei der Polizei?

 

BF: Nachdem man versucht hat, mich zu überfahren.

 

VR: Wieso waren Sie da zweimal bei der Polizei?

 

BF: Ich war einmal bei der Polizei, da hat man mir gesagt, wir haben keine Zeit jetzt, dann war ich an einem anderen Tag bei einem anderen Polizisten.

 

VR: Bei welcher Polizeistation waren Sie da?

 

BF: In K..

 

VR: Was sagte dieser andere Polizist zu Ihnen?

 

BF: Ich erwähnte den Vorfall und man sagte mir dann, das ist ja nichts, es wird nichts passieren.

 

VR: Warum haben Sie im erstinstanzlichen Verfahren nicht vorgebracht, dass Sie sich an die Polizei gewandt haben?

 

BF: Das habe ich schon angegeben.

 

VR: Was haben Sie damals konkret gesagt?

 

BF: Die gleichen Worte wie heute, ich sagte damals, dass ich zweimal bei der Polizei war.

 

VR: Warum findet sich das nicht im Einvernahmeprotokoll?

 

BF: Das weiß ich nicht, ich habe das angegeben. Es kann sein, dass der Dolmetscher es nicht übersetzt hat.

 

VR: Ich weise Sie darauf hin, dass das damalige Protokoll vom 7.3. 2005 rückübersetzt und von Ihnen Seite für Seite unterfertigt wurde.

 

BF: Es wurde mir ins albanische übersetzt und deutsch sprach ich damals nicht so gut wie heute.

 

VR: Gab es sonst noch irgendwelche Vorfälle, von denen Sie sich bedroht fühlten?

 

BF: Nein.

 

VR: Ganz sicher nicht?

 

BF: Ich weiß nichts mehr, vielleicht habe ich etwas vergessen.

 

VR: Im Zuge der Einvernahme am 7.3. 2005 haben Sie angegeben, sie hätten regelmäßig Drohbriefe bekommen. Ist das zutreffend?

 

BF: Ja, das ist richtig.

 

VR: Heute haben Sie sich aber nicht mehr an diese Drohbriefe erinnert?

 

BF: Ich konnte mich auch heute an diese Drohbriefe erinnern, aber die Frage war anders, die Frage war, ob ich bedroht worden bin.

 

VR: Und durch Drohbriefe wurden Sie nicht bedroht?

 

BF: Ich wurde bedroht, aber ich habe die Frage so verstanden, dass jemand versucht hat mich umzubringen.

 

VR: Laut Ihren damaligen Angaben stand in diesen Briefen, dass man Sie umbringen werde, weil Sie zuviel wüssten. Genau damit, mit dem Umbringen hat man Ihnen angeblich gedroht.

 

BF: Ja.

 

VR: Was wussten Sie eigentlich zuviel?

 

BF: Das weiß ich nicht.

 

VR: Gab es diese Drohbriefe tatsächlich?

 

BF: Ja, schon.

 

VR: Haben Sie eine Vorstellung von wem diese stammen könnten?

 

BF: Nein, das weiß ich nicht.

 

VR: Wie oft bekamen Sie solche Briefe?

 

BF; Das weiß ich nicht mehr, wie oft die Briefe kamen.

 

VR: Haben Sie diese Briefe selbst gelesen?

 

BF: Ja.

 

VR: Was war konkret der Inhalt dieser Briefe?

 

BF: Wir werden dich umbringen, wir werden dich erledigen, du weißt zu viel.

 

VR: Wurden diese Briefe mit der Post gebracht.

 

BF: Nein, bei uns gibt es keine Post. Die Briefe fand ich vor der Tür.

 

VR: Haben Sie uns diese Briefe heute als Beweismittel mitgebracht?

 

BF:Nein.

 

VR: Warum nicht?

 

BF: Ich habe die Briefe nicht. Ich weiß auch nicht, ob sie im Kosovo noch sind.

 

VR: Im Zuge der erstinstanzlichen Einvernahme am 10.3.2005- also vor nunmehr etwa dreieinhalb Jahren - haben Sie angegeben, dass Sie diese Briefe als Beweismittel nachreichen würden, Ihnen wurde damals eine Frist von 14 Tagen eingeräumt, um diese Briefe nachzubringen. Was sagen Sie dazu?

 

BF: Ich hatte damals keine Möglichkeit, die Briefe binnen 14 Tagen zu besorgen.

 

VR: Die 14 Tage sind nunmehr doch schon abgelaufen. Was hat Sie nunmehr daran gehindert?

 

BF: Ich habe nicht mehr nachgefragt und weiß nicht ob diese Briefe noch im Kosovo sind.

 

VR: Sind Ihre Eltern noch im Kosovo?

 

BF: Ja.

 

VR: Haben Sie sonst noch Geschwister im Kosovo?

 

BF: Ja, drei Brüder und eine Schwester.

 

BR zum Vorfall mit dem Auto: Sie haben angegeben, dass Sie nicht über die Straße gegangen sind, aber Sie haben sich bedroht gefühlt. Was ist da genau geschehen?

 

BF: Von der Schule bis zu Hause sind es zirka 5 Kilometer, die Straße ist im schlechten Zustand, nicht aspaltiert und zirka fünf bis sechs Meter breit. Das Auto fuhr mit etwa 100 kmh und ich bin ausgewichen.

 

BR: Warum haben Sie gedacht, dass er Sie umbringen will und nicht einfach zu schnell gefahren ist?

 

BF:Die Straße ist zirka sechs Meter breit und er ist direkt auf mich zugefahren, ich bin am Straßenrand gegangen und was soll man da denken.

 

BR: Sie haben am Anfang gesagt unbekannte Personen sind im Pkw mit verdunkelten Fenstern gefahren. In weiterer Folge haben Sie gesagt, dass Sie von einer bestimmten Person bedroht worden seien, die Sie gar nicht gesehen haben können. Wie kommen Sie zu diesem Schluss?

 

BF: Ich konnte natürlich nichts sehen, ich habe angegeben, dass es vielleicht diese Person gewesen sein könnte, mit der ich damals gespielt habe.

 

VR: Sie haben bei Ihrer Einvernahme am 7.3.2005 angegeben, Sie würden von maskierten Personen verfolgt werden. Können Sie das näher erklären?

 

BF: Ich weiß es nicht wer sie sind. Vielleicht sind es diese Personen, vielleicht sind sie es nicht.

 

VR: Aber wann haben Sie denn Maskierungen wahrgenommen?

 

BF: Vielleicht trugen die Personen im Wagen Masken, ich weiß es aber nicht.

 

VR: Der Wagen hatte aber verdunkelte Scheiben?

 

BF: Nicht überall, ansonsten kann man nichts mehr sehen.

 

VR: Also, haben Sie jetzt Maskierungen wahrgenommen?

 

BF: Der Wagen fuhr zu schnell, ich bin mir nicht sicher, ob die Personen im Wagen Masken trugen oder nicht.

 

BR: In welchem Ort leben Ihre Eltern, Ihre Familie?

 

BF: In C., Gemeinde K.. Vor dem Krieg allerdings gehörte C. zur Gemeinde G..

 

BR: Wo wohnt Ihre Familie, wie leben sie da?

 

BF: In einem Haus.

 

BR: Das gehört Ihrem Vater?

 

BF: Ja.

 

BR. Was haben Sie für eine Schulbildung. Was haben Sie für eine Ausbildung?

 

BF: Ich habe das zweite Jahr in der Mittelschule abbrechen müssen. Meine Fachrichtung lautete Wirtschaft.

 

BR: Wovon lebt Ihre Familie im Kosovo?

 

BF: Mein Vater arbeitet ein wenig.

 

BR: Bevor Sie geflüchtet sind, haben Sie bei Ihrer Familie gelebt?

 

BF: Ja.

 

Dem BF wird Gelegenheit gegeben, sich zu den mit der Ladung übermittelten Länderfeststellungen zur Situation im Kosovo zu äußern.

 

BF: Es wird behauptet, dass es Sicherheit im Kosovo gibt, es werden im Kosovo Menschen umgebracht und man weiß nicht, wer die Täter sind. Sonst habe ich nichts hinzuzufügen. Man wird im Kosovo einfach umgebracht und man kennt die Täter nicht, man weiß nicht von wem man umgebracht wurde.

 

VR: Hatten Sie die Gelegenheit alles zu sagen, was Sie in diesem Verfahren vorbringen wollten?

 

BF: Ja.

 

Schluss des Beweisverfahrens.

 

Die Verkündung des Erkenntnisses entfällt gemäß § 41 Abs. 9 Z 2 lit. b AsylG.

 

Schluss der Verhandlung.

 

Der BF verzichtet auf die Verlesung und Rückübersetzung der Verhandlungsschrift.

 

Ende der Verhandlung um 10.30 Uhr."

 

Auf Grundlage des Vorbringens des Beschwerdeführers im erstinstanzlichen Verfahren, der Beschwerde vom 24.03.2005 sowie insbesondere auf Grundlage der Ergebnisse der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof am 29.08.2008 werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Republik Kosovo, gehört der albanischen Volksgruppe an, führt den im Spruch angeführten Namen und reiste am 03.03.2005 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein.

 

Nicht festgestellt werden konnten hingegen die vom Beschwerdeführer behaupteten Fluchtgründe.

 

Nicht festgestellt werden kann sohin, dass dem Beschwerdeführer in der Republik Kosovo mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität - oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität - droht oder dass dem Beschwerdeführer im Kosovo die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

 

Zur Situation im Kosovo wird festgestellt:

 

1. a. Allgemeines:

 

Im Kosovo, einem Gebiet von ca. 11.000 qkm, leben - geschätzt - 2,1 Millionen Menschen, davon 92 Prozent ethnische Albaner, 5,3 Prozent Serben, 0,4 Prozent Türken, 1,1 Prozent Roma sowie 1,2 Prozent anderer Ethnien. Die Amtssprachen sind Albanisch und Serbisch. Auf Gemeindeebene werden auch Bosnisch, Romanes und Türkisch als Amtssprachen in Verwendung sein. [Kosovo - Bericht 20.03.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI, Seiten 3-5]

 

1. b. Lageentwicklung:

 

1..b.1. Kosovo unter UN - Verwaltung

 

Am 24.03.1999 begann die NATO die Luftangriffe gegen die Bundesrepublik Jugoslawien mit dem erklärten Ziel, "eine humanitäre Katastrophe zu verhindern (und) das Morden im Kosovo zu beenden". Im Juni 1999 rückten die unter Führung der NATO gebildeten KFOR-Einheiten in den Kosovo ein. Am 10.06.1999 wurde das Gebiet auf der Basis der Sicherheitsrats-Resolution 1244 der vorläufigen zivilen UN-Verwaltung "United Nations Interim Administration Mission in Kosovo (UNMIK)" unterstellt. Völkerrechtlich gehörte der Kosovo aber nach wie vor zur Bundesrepublik Jugoslawien. [Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008, Seite 2]

 

1. b.2. Statusverhandlungen

 

Der VN-Generalsekretär hat für die Verhandlungen zum Status des Kosovo den ehemaligen finnischen Staatspräsidenten Martti Ahtisaari zu seinem Sondergesandten ernannt. Ahtisaari hat am 21. Oktober 2005 die Statusgespräche begonnen. Nach anfänglicher Pendeldiplomatie zwischen Wien und Pri¿tina bzw. Belgrad begannen am 22. Februar 2006 direkte Gespräche zwischen beiden Delegationen. VN-Sondergesandter Ahtisaari hat am 02.02.2007 den Parteien einen Entwurf des Statuspakets übergeben. Abschließend hat sich der UN-Sicherheitsrat mit der Statuslösung befasst. In intensiven Verhandlungen bis Ende Juli 2007 konnte jedoch keine Einigung über einen Resolutionstext erzielt werden, und die Befassung des UN-Sicherheitsrates wurde zunächst auf Eis gelegt.

 

Unter Federführung einer "Troika" aus USA, Russland und EU begannen am 01.08.2007 neue Verhandlungen, die jedoch am 10.12.2007 endgültig scheiterten. [Auswärtiges Amt der BRD, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien u. Montenegro (Kosovo), 29.11.2007, Seite 7; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge:

Entscheidungen Asyl 03/2008, Seite 2]

 

1. b.3. Wahlen

 

Am 17.11.2007 fanden Parlaments-, Kommunal- und Bürgermeisterwahlen, die ohne besondere Zwischenfälle abliefen, statt. Der mit der Wahlbeobachtung betraute Europarat hat bestätigt, dass die Wahlen entsprechend der internationalen und europäischen Standards verlaufen sind. [Kosovo - Bericht 20.03.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI, Seite 28]

 

Am 9. Jänner 2008 hat das Parlament sowohl Präsident Fatmir Sejdiu in seinem Amt als auch das Kabinett von Ministerpräsident Hashim Thaci (Demokratische Partei des Kosovo, PDK) bestätigt. Das neue Kabinett hat zwei Vizeministerpräsidenten und 15 Minister, sieben davon kommen der PDK, fünf dem Koalitionspartner LDK

 

und drei den Minderheiten zu. [APA 09.01.2008: Kosovos neue Führungsspitze von Parlament bestätigt]

 

1. b.4. Unabhängigkeit des Kosovo

 

Das kosovarische Parlament erklärte am 17.02.2008 gegen den Willen Serbiens seine Unabhängigkeit. Die Proklamation enthält neben dem Bekenntnis zur Verwirklichung des Ahtisaari-Plans für eine überwachte Unabhängigkeit eine Einladung an die EU, die Staatswerdung des Kosovo mit einer eigenen Mission zu begleiten, und an die NATO, ihre Schutztruppen im Land aufrechtzuerhalten.

 

Die einseitige Sezession ist völkerrechtlich und international umstritten. Gleichwohl haben mittlerweile über 30 Staaten, allen voran die USA und die Mehrzahl der EU-Staaten, den Kosovo förmlich anerkannt.

 

Das neue Staatswesen ist zwar formal souverän, die internationale Staatengemeinschaft wird jedoch weiterhin sowohl zivil als auch militärisch präsent sein. Die Außenminister der EU und die NATO haben sich verständigt, die KFOR nicht abzuziehen; rund 17.000 NATOSoldaten bleiben im Kosovo, darunter knapp 2.400 Deutsche. Die EU-Staats- und Regierungschefs haben die Entsendung

 

einer ca. 2.000 Mann starken EU-Mission (EULEX) beschlossen. Sie soll die UN-Verwaltung (UNMIK) nach einer Übergangszeit ablösen. Rund 70 Experten sind für ein International Civilian Office (ICO) unter Leitung eines EU-Sondergesandten mit weitreichenden Befugnissen vorgesehen. Als Leiter von EULEX wurde der französische General und ehemalige KFOR-Kommandeur Yves de Kermabon zum EU-Sondergesandten (EUSR) der Niederländer Pieter Feith bestellt. Noch ist offen, wann und wie die Befugnisse auf die EU übergehen sollen. Es fehlen klare Regelungen für den Wechsel der Zuständigkeiten.

 

UNMIK kann sich formal aber erst dann aus dem Kosovo zurückziehen, wenn die noch geltende UN-Resolution 1244 durch den Sicherheitsrat außer Kraft gesetzt wird.

 

Unter UNMIK-Verwaltung haben sich im Kosovo demokratische Strukturen entwickelt; es gibt ein Parlament und eine demokratisch legitimierte (provisorische) Regierung. Gewaltenteilung ist gewährleistet. Das Justizsystem bedarf an vielen Stellen noch der Verbesserung.

 

Eine kosovarische Polizei wurde aufgebaut, die sich bislang als gute Stütze der demokratischen Strukturen etabliert hat. Der Transitionsprozess, d. h. die schrittweise Übertragung der Kompetenzen von UNMIK auf kosovarische Institutionen hat bereits begonnen. Nach dem vorliegenden Verfassungsentwurf ist die Republik Kosovo ein demokratisches, multiethnisch zusammengesetztes Staatswesen, das den Minderheiten starke Rechte zusichert. Der Entwurf enthält alle notwendigen Schutzmaßnahmen gegen Bedrohungen oder Diskriminierung von Minderheiten. Nationale Identitäten, Kulturen, Religionen und Sprachen werden darin respektiert.

 

[Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008, Seiten 2-3]

 

Die Verfassung wurde am 15. Juni 2008 vom Parlament verabschiedet [UN, Security Council: Report of the Secretary-General on the United Nations Interim Administration Mission in Kosovo, 12.06.2008], welche am selben Tag in Kraft trat. [Constitution of the Republic of Kosovo]

 

Die serbische Staatsführung bezeichnete die Verfassung der abtrünnigen Provinz als rechtlich nicht existent". Präsident Boris Tadic kündigte an, die Proklamation der Kosovo-Verfassung werde von Belgrad nicht als rechtsgültig anerkannt.

 

Der Kosovo bleibt unter internationalem Protektorat.

 

Laut den Übergangsbestimmungen der Verfassung sind alle kosovarischen Institutionen verpflichtet, mit dem Internationalen Beauftragten, internationalen Organisationen und anderen Akteuren voll zu kooperieren, deren Mandat im Status Vorschlag des UNO-Vermittlers Ahtisaari definiert wurde. Auch die im Kosovo seit Juni 1999 stationierte NATO-geführte internationale Schutztruppe KFOR wird weiterhin das Mandat und die Befugnisse im Einklang mit einschlägigen internationalen Instrumenten genießen, die UNO-Resolution 1244 eingeschlossen.[ APA 10.06.2008: Der Kosovo will Heimat aller seiner Bürger sein]

 

Ob die Letztverantwortlichkeit im Kosovo bei der EU oder der UNO liegen wird, ist noch Gegenstand von Verhandlungen. [UN, Security Council: Report of the Secretary-General on the United Nations Interim Administration Mission in Kosovo, 12.06.2008]

 

1. b.4.1.Staatsangehörigkeit:

 

Das Staatsangehörigkeitsgesetz der Republik Kosovo trat am 15.06.2008 in Kraft [Regulation no. 2000/13, 17 March 2000 On the Central Civil Registry, Law on Citizenship of Kosova

 

http://www.assembly-kosova.org/?krye=laws&lang=en&ligjid=243]

 

Die relevanten Bestimmungen lauten:

 

CHAPTER II ACQUISITION OF CITIZENSHIP

 

Article 5 Modalities of the acquisition of citizenship

 

The citizenship of Republic of Kosova shall be acquired:

 

a) by birth;

 

b) by adoption;

 

c) by naturalization;

 

d) based on international treaties

 

e) based on Articles 28 and 29 of this Law.

 

Übergangsbestimmungen:

 

CHAPTER V TRANSITIONAL PROVISIONS

 

Article 28 The Status of habitual residents of Republic of Kosova

 

28.1 Every person who is registered as a habitual resident of Republic of Kosova pursuant to UNMIK Regulation No. 2000/13 on the Central Civil Registry shall be considered a citizen of Republic of Kosova and shall be registered as such in the register of citizens.

 

Article 29 Citizenship according to the Comprehensive Proposal for the Republic of Kosova Status Settlement

 

29.1 All persons who on 1 January 1998 were citizens of the Federal Republic of Yugoslavia and on that day were habitually residing in Republic of Kosova shall be citizens of Republic of Kosova and shall be registered as such in the register of citizens irrespective of their current residence or citizenship.

 

29.2 Provisions of paragraph 1 of this Article apply also to direct descendants of the persons referred to in paragraph 1.

 

29.3 The registration of the persons referred to in paragraphs 1 and 2 of this Article in the register of citizens shall take effect upon the application of the person who fulfills the requirements set out in this Article.

 

29.4 The competent body shall determine in sub-normative acts the criteria which shall constitute evidence of the citizenship of the Federal Republic of Yugoslavia and habitual residence in Republic of Kosova on January 1 1998.

 

29.5 The competent body shall use the criteria set for the in UNMIK Regulation No. 2000/13 on the Central Civil Registry to determine habitual residence in Republic of Kosova on January 1 1998

 

Exkurs:

 

REGULATION NO. 2000/13

 

UNMIK/REG/2000/13

 

17 March 2000

 

ON THE CENTRAL CIVIL REGISTRY

 

Section 3

 

HABITUAL RESIDENTS OF KOSOVO

 

The Civil Registrar shall register the following persons as habitual residents of Kosovo:

 

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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