TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/05 S4 401345-1/2008

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Veröffentlicht am 05.09.2008
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Spruch

S4 401.345-1/2008/2E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde des M.M., geb. 00.00.1951, StA. der Russischen Föderation, vertreten durch Mag. Mirjami Ritzschke, Diakonie Flüchtlingsdienst, Steinergasse 3, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.8.2008, Zahl: 07 12.263-EAST Ost, zu Recht erkannt:

 

Der Antrag auf internationalen Schutz von M.M. vom 29.12.2007 wird ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen. Für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz ist Italien zuständig.

 

M.M. wird gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Italien ausgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Asylwerber ist Staatsangehöriger von Russland und eigenen Angaben zufolge am 1.3.2005 von Tschetschenien nach Aserbaidschan und von dort gemeinsam mit seiner Ehegattin M.A., 00.00.1955 geb., und seinem Sohn M.E., 00.00.1989 geb., am 17.12.2007 über Dubai nach Mailand gereist. In Mailand habe er samt Familie den Flughafen verlassen, obwohl der Flug via Mailand (Umstieg) nach Kiew gebucht gewesen sei. Schließlich seien er und seine Familie am 28.12.2007 in Richtung Österreich weitergefahren und hätten das österreichische Bundesgebiet am 29.12.2007 erreicht, wo er und seine Familienmitglieder schließlich am selben Tag jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben.

 

Mit e-mail vom 8.1.2008 ersuchte Österreich Italien um Rückübernahme des Asylwerbers. Italien hat (durch Unterlassen einer fristgerechten Antwort iSd Art. 18 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) die Aufnahme des Asylwerbers akzeptiert.

 

Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt erklärte der Antragsteller nach Vorhalt, dass Italien zur Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, dass er nicht nach Italien zurückkehren wolle, da sein zweiter Sohn M.L., 00.00.1977 geb., seit Dezember 2007 in Österreich als anerkannter Flüchtling lebe.

 

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.8.2008, Zahl: 07 12.263- EAST Ost gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und der Antragsteller gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Italien ausgewiesen. Gleichlautende Bescheide wurden hinsichtlich der Ehegattin und des Sohnes E. erlassen.

 

Gegen den Bescheid hat der Asylwerber fristgerecht Beschwerde erhoben.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Art. 9 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates lautet wie folgt:

 

1.) Besitzt der Asylbewerber einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Asylantrags zuständig.

 

2.) Besitzt der Asylbewerber ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Asylantrags zuständig, es sei denn, dass das Visum in Vertretung oder mit schriftlicher Zustimmung eines anderen Mitgliedstaats erteilt wurde. In diesem Fall ist der letztgenannte Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Konsultiert ein Mitgliedstaat insbesondere aus Sicherheitsgründen zuvor die zentralen Behörden eines anderen Mitgliedstaats, so ist dessen Antwort auf die Konsultation nicht gleich bedeutend mit einer schriftlichen Genehmigung im Sinne dieser Bestimmung.

 

3.) Besitzt der Asylbewerber mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Asylantrags in folgender Reihenfolge zuständig:

 

der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;

 

der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;

 

bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.

 

4.) Besitzt der Asylwerber nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat. Besitzt der Asylwerber einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag gestellt wird.

 

5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde.

 

Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates lautet wie folgt:

 

Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gem. den beiden in Art. 18 Absatz 3 genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach Kapitel Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 festgestellt, dass ein Asylwerber aus einem Drittsaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaates illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

 

Das Bundesasylamt ist aufgrund der Schilderung des Reiseweges durch den Antragsteller (gebuchter Flug für den 23.12.2007 von Dubai nach Mailand und von dort nach geplantem Umstieg weiter nach Kiew) im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, dass der Antragsteller (jedenfalls) im Besitz eines italienischen (Transit-) Visums, dass weniger als 6 Monate abgelaufen ist, ist, sodass sich diesfalls die Zuständigkeit Italiens zur Prüfung seines Asylantrages gem. Art. 9 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) ergebe.

 

Lediglich der Vollständigkeit halber ist ergänzend auszuführen, dass selbst für den Fall, dass die sich aus Art. 9 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates ergebende Zuständigkeit Italiens für die Prüfung des Asylantrages nicht bestünde, letztlich gem. Art 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates doch wieder die Zuständigkeit Italiens zur Prüfung des Asylantrages gegeben wäre, da der Asylwerber diesfalls (ohne Visum bzw. Aufenthaltstitel) aus einem Drittsaat (Dubai) kommend in casu die Luftgrenze des Mitgliedstaates Italien illegal überschritten hätte.

 

Bereits das Bundesasylamt hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, darunter auch Feststellungen zum italienischen Asylverfahren und dessen Praxis sowie zur Versorgungslage von Asylwerbern in Italien sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage rechtsrichtig ausgeführt. Der Asylgerichtshof schließt sich den Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid hinsichtlich beider Spruchpunkte vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

Der in der Beschwerde erhobene Einwand, dass auf die Lebensumstände, die eine Ausweisung des Antragstellers unzulässig machen, nicht genügend eingegangen worden sei, kann nicht gefolgt werden. Der Antragsteller selbst gibt an, dass ein gemeinsamer Haushalt mit seinem Sohn L. im Jahr 2002 in M. geendet habe, da sein Sohn nach B. gegangen sei. Wenn sein Sohn L. als Zeuge angegeben hat, dass mit seinem Vater bis 18.11.2006 in B. ein gemeinsamer Haushalt bestanden hat, ist dies vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Vater im März 2005 zu seinem Sohn nach B. nachgereist ist, sodass seit dem Jahr 2002 allenfalls in der Zeit von März 2005 bis November 2006, sohin etwas mehr als 1 1/2 Jahre, ein gemeinsamer Haushalt bestanden haben mag, die deutlich überwiegende Zeit jedoch, insbesondere seit nahezu 2 Jahren, kein gemeinsamer Haushalt gegeben war bzw. ist. Das Bundesasylamt hat in Übereinstimmung mit der Judikatur des EGMR und des VfGH rechtsrichtig erkannt, dass in casu ein besonders enges familiäres Band, das zusätzliche Merkmale einer Abhängigkeit aufweist, die über die üblichen Bindungen unter erwachsenen Familienmitgliedern hinausgehen, nicht erkannt werden kann.

 

Soweit der Beschwerdeführer weiters unter Hinweis auf allgemeine Berichte, die sich zum Teil auf das Jahr 2006 beziehen, pauschal etwa rügt, dass befürchtet werden müsse, dass es unter der Regierung Berlusconis zu Verletzungen des Refoulementschutzes kommen werde und Besorgnis über den Zugang von Asylwerbern zum Asylverfahren geäußert werde, ist zum einen zu entgegnen, dass im Falle einer Überstellung des Asylwerbers nach Italien im Zuge der Effektuierung der Dublin II Verordnung, die italienischen Behörden notwendigerweise bereits Kenntnis von der Ankunft des Asylwerbers haben und diesen auch übernehmen, sodass in casu der Zugang zum Asylverfahren in Italien jedenfalls gesichert erscheint, und zum anderen, dass er generell mit den bloß unkonkreten Einwendungen in seiner Beschwerde kein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer Verletzung seiner Rechte gem. Art. 3 EMRK dartut.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, familiäre Situation, Familienverfahren, Intensität, real risk
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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