TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/05 D12 317366-2/2008

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Veröffentlicht am 05.09.2008
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Spruch

D12 317366-2/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Auttrit als Vorsitzenden und den Richter Dr. Dajani als Beisitzer über die Beschwerde der G.E., geb. 00.00.1974, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.07.2008, FZ. 07 11.997-BAG, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde vom 07.08.2008 gegen Spruchpunkt I des Bescheides des Bundesasylamtes vom 30.07.2008, FZ. 07 11.997-BAG, wird gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51 in der Fassung BGBl. I Nr. 5/2008, iVm § 61 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008, und § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation, reiste am 24.12.2007 gemeinsam mit ihren fünf minderjährigen Kindern in das österreichische Bundesgebiet ein und brachte am selben Tag beim Bundesasylamt einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ein. Hierauf wurde sie zunächst am 24.12.2007 von der Fachinspektion Polizeianhaltezentrum Graz erstbefragt.

 

Am 05.01.2008 stellte das Bundesasylamt, Grundsatz- und Dublinabteilung, ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II-Vo) an Polen, welchem mit Schreiben vom 11.01.2008 zugestimmt wurde.

 

Am 20.01.2008 und am 26.01.2008 wurde die Beschwerdeführerin vom Bundesasylamt im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die russische Sprache vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesasylamtes niederschriftlich einvernommen

 

Mit Bescheid vom 29.01.2008, Fz. 07 11.997-EAST West, wurde der Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin vom Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West, ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 16 (1) c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Polen zuständig sei. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde die Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und festgestellt, dass demgemäß die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Polen gemäß § 10 Abs. 4 AsylG zulässig sei.

 

Der hiergegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 12.01.2008, Zl. 317.366-1/7E-VII/19/08, stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben, der diesem zugrunde liegende Antrag zugelassen und die Angelegenheit zur Durchführung des materiellen Asylverfahrens an das Bundesasylamt zurückverwiesen. Begründend führte der Unabhängige Bundesasylsenat aus, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin, G.M., mit am 29.01.2008 mündliche verkündetem und am 05.02.2008 schriftlich ausgefertigtem Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 253916/0-VII/19/04, gemäß § 8 Abs. 1 und Abs. 3 AsylG 1997 subsidiären Schutz erhalten habe.

 

Am 12.06.2008 wurde die Beschwerdeführerin vom Bundesasylamt, Außenstelle Graz, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die russische Sprache vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesasylamtes niederschriftlich einvernommen.

 

Das Bundesasylamt hat den Asylantrag der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 30.07.2008, FZ. 07 11.997-BAG, gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm.

§ 34 Abs. 3 AsylG wurde der Beschwerdeführerin der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II). Gemäß § 8 Abs. 4 wurde der Beschwerdeführerin eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 30.01.2009 erteilt (Spruchpunkt III).

 

Gegen Spruchpunkt I dieses am 04.08.2008 zugestellten Bescheides wurde mit Schriftsatz vom 07.08.2008 fristgerecht Beschwerde erhoben und der Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten.

 

In der Begründung führte die Beschwerdeführerin lediglich aus, das Bundesasylamt habe den Grundsätzen der amtswegigen Erforschung des maßgeblichen Sachverhaltes und Bewahrung des Parteiengehörs nicht genügt und sei aus diesem Grund das Verfahren mit Mangelhaftigkeit belastet.

 

II. Der Asylgerichtshof hat dazu erwogen:

 

1. Aufgrund des Akteninhaltes steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest.

 

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der Volksgruppe der Tschetschenen. Sie lebte zunächst gemeinsam mit ihrem Ehemann in Tschetschenien und übersiedelte sodann aufgrund des bewaffneten Konfliktes gemeinsam mit ihrer Familie nach Inguschetien. Im November 2003 verließ der Ehemann der Beschwerdeführerin die Russische Föderation und stellte im Januar 2004 in Österreich einen Asylantrag. Dem Ehemann der Beschwerdeführerin wurde in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Die Beschwerdeführerin verließ die Russische Föderation gemeinsam mit ihren Kindern im Jahr 2005 und lebte von 2005 bis 2007 als Asylwerberin in Polen. Am 31.07.2007 wurde ihr dort der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Da sich jedoch der Ehegatte der Beschwerdeführerin als Asylwerber in Österreich befand, reiste die Beschwerdeführerin mit ihren Kinder nach Österreich ein und stellte gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Mit am 29.01.2008 mündlich verkündetem und am 05.02.2008 ausgefertigtem Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 253916/0-VII/19/04, wurde dem Ehegatten der Beschwerdeführerin, G.M., der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und diesem eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 30.01.2009 erteilt. Im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung vom 29.01.2008 zog der Ehegatte der Beschwerdeführerin seine Berufung gegen Spruchpunkt I des erstinstanzlichen Bescheides wegen Aussichtslosigkeit zurück, weshalb der Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.09.2004, FZ. 04 00.824-BAT, mit welchem der Asylantrag des Ehegatten der Berufungswerberin gemäß § 7 AsylG 1997 idF. BGBl. I Nr. 126/2002 abgewiesen wurde, hinsichtlich Spruchpunkt I in Rechtskraft erwachsen ist.

 

Nicht festgestellt werden kann unter Zugrundelegung des Vorbringens der Beschwerdeführerin, dass der Beschwerdeführerin in der Russischen Föderation Verfolgung aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten drohen würde.

 

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Asylgerichtshofes die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht gegeben.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Hinsichtlich der Sachverhaltsfeststellungen und der Beweiswürdigung wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid verwiesen, zumal das Bundesasylamt ein mängelfreies und ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammengefasst hat (zur Zulässigkeit dieses Vorgehens vgl. VwGH 04.10.1995, Zahl 95/01/0045; VwGH 25.3.1999, Zahl 98/20/0559; VwGH 24.11.1999, Zahl 99/01/0280; VwGH 8.6.2000, Zahl 99/20/0366; VwGH 30.11.2000, Zahl 2000/20/0356; VwGH 22.2.2001, Zahl 2000/20/0557; VwGH 21.6.2001, Zahl 99/20/0460). Darüber hinaus wurde in den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates, mündlich verkündet am 29.01.2008, Zl. 253916/0-VII/19/04, mit welchem dem Ehemann der Berufungswerberin, G.M., der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, Einsicht genommen.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Gemäß Art. 129c Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, idgF, in Verbindung mit § 61 Abs. 1 Aslygesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 leg. cit. vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

Durch Einzelrichter/Einzelrichterin entscheidet der Asylgerichtshof gemäß § 61 Abs. 3 Z 1 AsylG 2005 ausnahmslos über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4 leg. cit.;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 leg. cit. sowie

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG.

 

Eine mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung fällt gemäß § 61 Abs. 3 Z 2 leg. cit. ebenfalls in die Kompetenz des/der zuständigen Einzelrichters/ Einzelrichterin.

 

Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein Rechtsmittelverfahren gegen einen abweisenden Bescheid. Daher ist das Verfahren der Beschwerdeführerin nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 vor dem zuständigen Senat des Asylgerichtshofes zu führen.

 

Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt."

 

Wie bereits vom Bundesasylamt festgestellt, liegt ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG vor.

 

§ 34 Abs. 1 AsylG lautet:

 

"Stellt ein Familienangehöriger (§ 2 Z 22) von

 

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

 

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

 

3. einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz,

 

gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

 

Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK mit dem Familienangehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.

 

Gemäß Abs. 3 leg. cit. hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines im Bundesgebiet befindlichen Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, es sei denn,

 

1. dass die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK mit dem Angehörigen in einem anderen Staat möglich ist, oder

 

2. dem Asylwerber der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

 

Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.

 

Familienangehörige sind gemäß § 2 Z 22 AsylG, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familiengemeinschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

 

Entscheidungsrelevante Tatbestandsmerkmale sind "die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art 8 MRK" und der Umstand, dass dieses Familienleben mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht zumutbar ist.

 

Bei dem Begriff "Familienleben im Sinne des Art 8 MRK" handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention (vgl. EGMR, Urteil v. 13.6.1997, Fall MARCKX, Ser. A, VOL. 31, Seite 14, § 31).

 

Nach dem obzitierten EGMR-Urteil sind sowohl die Beziehungen der Eltern untereinander, als auch jeweils jener Kinder durch Art 8 MRK geschützte familiäre Bande. Bei einer diesbezüglichen Familie ergeben sich die von der MRK-Rechtssprechung zusätzlich geforderten engen Bindungen der Familienmitglieder untereinander aus ihrem alltäglichen Zusammenleben, gemeinsamer Sorge und Verantwortung füreinander, sowie finanzieller und anderer Abhängigkeit.

 

Die Beschwerdeführerin ist die Ehegattin des G.M., welchem mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates, mündlich verkündet am 29.01.2008 und ausgefertigt am 05.02.2008, Zl. 253916/0-VII/19/04, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und diesem eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 30.01.2009 erteilt wurde. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl im Rahmen des Familienverfahrens sind im gegenständlichen Fall jedoch nicht erfüllt, da der Asylantrag des Ehegatten der Beschwerdeführerin mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.09.2004, FZ. 04 00.824-BAT, mit welchem der Asylantrag des Ehegatten der Berufungswerberin gemäß § 7 AsylG 1997 idF. BGBl. I Nr. 126/2002 abgewiesen wurde. Die gegen Spruchpunkt I dieses Bescheides erhobene Berufung wurde vom Ehegatten der Berufungswerberin im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung vom 29.01.2008 wegen Aussichtslosigkeit zurückgezogen und ist somit dieser Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt I in Rechtskraft erwachsen.

 

Es ist sohin zu prüfen, ob der Beschwerdeführerin aufgrund des Vorbringens aus eigenen Gründen der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Der Status eines Asylberechtigten ist einem Fremden somit zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen. Diese liegen vor, wenn sich jemand aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, der Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Ebenso liegen die Voraussetzungen bei Staatenlosen, die sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befinden und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sind, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn in objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthalts zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr dar, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 28.03.1995, Zl. 95/19/0041; VwGH vom 27.06.1995, Zl. 94/20/0836; VwGH vom 23.07.1999, Zl. 99/20/0208; VwGH vom 21.09.2000, Zl. 99/20/0373; VwGH vom 26.02.2002, Zl. 99/20/0509 mwN; VwGH vom 12.09.2002, Zl. 99/20/0505 sowie VwGH vom 17.09.2003, Zl. 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH vom 22.03.2003, Zl. 99/01/0256 mwN).

 

Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (vgl. VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, "The Refugee in International Law² [1996] 73; weiters VwGH vom 26.02.2002, Zl. 99/20/0509 mwN sowie VwGH vom 20.09.2004, Zl. 2001/20/0430). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH vom 26.02.2002, Zl. 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

 

Da die Beschwerdeführerin ihre Gründe nicht hat glaubhaft machen können, liegt die Voraussetzung für die Gewährung von Asyl nicht vor, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe. Das Bundesasylamt hat in der Begründung des Bescheides vom 30.07.2008, FZ. 07 11.997-BAG, die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage hinsichtlich der behaupteten Flüchtlingseigenschaft klar und übersichtlich zusammengefasst und den rechtlich maßgeblichen Sachverhalt in völlig ausreichender Weise erhoben.

 

Der Asylgerichtshof schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

Auch der Beschwerde vermag der Asylgerichtshof keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die von der erstinstanzlichen Behörde getroffene Entscheidung in Frage zu stellen, weshalb die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof unterbleiben konnte, da der maßgebende Sachverhalt durch die Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt war (vgl. § 41 Abs. 7 AsylG iVm § 67d AVG idgF).

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur außer Kraft getretenen Regelung des Art. II Abs. 2 lit. D Z 43a EGVG war der Sachverhalt nicht als geklärt anzusehen, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder der Berufungsbehörde ergänzungsbedürftig oder in entscheidenden Punkten nicht richtig erscheint, wenn rechtlich relevante Neuerungen vorgetragen werden oder wenn die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will (VwGH 2.3.2006, Zl. 2003/20/0317 mit Hinweisen auf VwGH 23.1.2003, Zl. 2002/20/0533; 12.06.2003, Zl. 2002/20/0336).

 

In der Beschwerde hat die Beschwerdeführerin lediglich auf die Mangelhaftigkeit des Verfahrens verwiesen und ausgeführt, dass die Behörde bei einem entsprechenden Ermittlungsverfahren zu einem anderen, für sie positiven Ergebnis gekommen wäre und ihr Asyl gewährt hätte. Die Beschwerdeführerin hat diese Beschwerdegründe jedoch in keiner Weise näher ausgeführt und ist der Sachverhaltsdarstellung und Beweiswürdigung des Bundesasylamtes nicht substantiiert entgegengetreten.

 

Soweit die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde die Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens rügt, ist einzuwenden, dass es grundsätzlich dem Asylwerber zukommt, dass dieser die Gründe seiner Furcht vor Verfolgung konkret und substantiiert vorbringe (VwGH 21.11.1996, Zahl 95/20/0334). Der Beschwerdeführerin ist im Rahmen ihrer Einvernahmen vor dem Bundesasylamt durch konkrete, einfache aber auch offene Fragen ausreichend Gelegenheit eingeräumt worden, alle für die Entscheidung wesentlichen Umstände anzuführen. Die Beschwerdeführerin wurde ausdrücklich dazu eingeladen, ihre Fluchtgründe zu ergänzen bzw. entsprechend zu konkretisieren und Beweise für ihr Vorbringen vorzulegen. Darüber hinaus wurden der Beschwerdeführerin die Feststellungen zur Lage ethnischer Tschetschenen in der Russischen Föderation zur Kenntnis gebracht und ihr Gelegenheit gegeben, hierzu Stellung zu nehmen.

 

Vor dem Hintergrund der ausführlichen Befragung der Beschwerdeführerin durch das Bundesasylamt und die schlüssige Begründung des angefochtenen Bescheides ist die unsubstantiierte Beschwerde der Beschwerdeführerin daher nicht geeignet, den vom Bundesasylamt im Rahmen eines umfassenden Ermittlungsverfahrens festgestellten Sachverhalt in Frage zu stellen.

 

Da die Beschwerdeführerin keine im Zeitpunkt der Entscheidung bestehende aktuelle Bedrohung durch Verfolgungshandlungen hat glaubhaft machen können, liegt die Voraussetzung für die Gewährung von Asyl nicht vor, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe.

 

Somit war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des Bescheides des Bundesasylamtes abzuweisen.

Schlagworte
Familienverfahren, Glaubhaftmachung, mangelnde Asylrelevanz
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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