D15 308088-1/2008/9E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Riepl als Einzelrichterin über die Beschwerde des E.A., 00.00.2006 geb., StA. von Russland, vertreten durch den Vater E.S., gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.11.2006, FZ.
06 09.461-EAST Ost, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 3 AsylG 2005, BGBl. Nr. 100/2005 idF. BGBl. Nr. 4/2008, stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
Der minderjährige in Österreich geborene Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, stellte, vertreten durch seinen Vater E.S., 00.00.1965 geb., am 08.09.2006 einen Antrag auf Gewährung von internationalen Schutz.
Die Eltern des Beschwerdeführers E.P., 00.00.1968 geb., als Mutter ebenso wie der Vater E.S., 00.00.1965 geb., sowie der Bruder E.E., 00.00.1988 geb., und die Schwester E.K., 00.00.1990 geb., beantragten am 18.09.2005 die Gewährung von Asyl.
Mit Bescheiden vom 10.10.2005, FZ. 05 09.846; 05 15.160; 05 15.161; sowie 05 15.162 wies das Bundesasylamt die Anträge der genannten Familienangehörigen des Beschwerdeführers, ohne in die Sache einzutreten, gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und sprach aus, dass für die Prüfung der Asylanträge gemäß Art. 9 Abs. 2 Dublin-II die Republik Tschechien zuständig sei.
Die dagegen fristgerecht eingebrachten Berufungen wurden mit Bescheiden des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 29.11.2005, Zlen. 263.213/3-XI/38/05,
265.152/0-XI/38/05, 265.150/0-XI/38/05 und 265.151/0-XI/38/05, abgewiesen. Gegen diese Bescheide wurde seitens der Familienangehörigen des Beschwerdeführers Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.
In der Zwischenzeit wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit Bescheid der belangten Behörde vom 29.11.2006 gem. § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen. Die dagegen erhobene fristgerechte Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 18.12.2006 mit der Maßgabe abgewiesen, dass richtigerweise im Spruchpunkt I und II des bekämpften Bescheides für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz die Republik Tschechien sowie die ausgesprochene Ausweisung in die Republik Tschechien zu erfolgen hat. Gegen diese Entscheidung wurde seitens des Beschwerdeführers Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.
Mit Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.06.2007, Zlen. 2006/19/0018 und 2006/19/0764 bis 0766, wurden die angefochtenen Bescheide der Familienangehörigen des Beschwerdeführers unter Verweis auf § 10 Abs. 5 AsylG 1997 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Der Unabhängige Bundesasylsenat hat in weiterer Folge mit Bescheiden vom 08.08.2007 die wieder im Berufungsstadium anhängigen Verfahren gem. § 66 Abs. 2 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.06.2008, Zl. 2007/20/0624-6, wurde der angefochtene Bescheid des nachgeborenen Beschwerdeführers unter Hinweis auf die Erkenntnisse der Familienangehörigen vom 20.06.2007, im Hinblick auf die Bestimmungen des Familienverfahrens, insbesondere gem. § 34 Abs. 4 AsylG 2005 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz nimmt der Asylgerichtshof mit 01.07.2008 seine Tätigkeit auf. Das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, tritt mit 01.07.2008 außer Kraft.
Gemäß § 23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, sofern sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005, BGBl. Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 01.07.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:
Gemäß § 41 Abs. 3 AsylG ist in einem Verfahren über eine Beschwerde gegen eine zurückweisende Entscheidung und die damit verbundene Ausweisung § 66 Abs. 2 AVG nicht anzuwenden. Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesasylamts im Zulassungsverfahren statt zu geben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch statt zu geben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."
Im Hinblick auf die im Gesetzestext fehlende Behebungsermächtigung des erstinstanzlichen Bescheides wird in der Regierungsvorlage zum AsylG 2005 in Bezug auf die Bestimmung des § 41 Abs. 3 AsylG 2005 ausgeführt, dass im Falle von Erhebungsmängeln die Entscheidung zu beheben ist.
Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.
Familienangehöriger i.S.d. § 2 Z 22 AsylG 2005 ist, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familieneigenschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.
Aus § 34 Abs. 4 AsylG 2005 lässt sich ableiten, dass sich der gleiche Schutzumfang nicht darauf beschränkt, dass einem Familienangehörigen eines Asylberechtigten ebenfalls Asyl und einem Familienangehörigen eines subsidiär Schutzberechtigten ebenfalls subsidiärer Schutz zu gewähren ist, sondern dass darunter auch andere Rechte als die zuvor aufgezählten hier mit umfasst sind. So lässt sich der Regierungsvorlage zu § 34 AsylG 2005 entnehmen, dass jener Schutzumfang, der das stärkste Recht gewährt, auf alle Familienmitglieder anzuwenden ist.
In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof in einem Verfahren nach § 5 AsylG 1997 in ähnlichem Zusammenhang erkannt:
"Ist der die Drittbeschwerdeführerin (die Mutter des Zweitbeschwerdeführers) betreffende Bescheid aufzuheben, so kann jedoch auch
- wie sich aus § 10 Abs. 5 AsylG (Feßl/Holzschuster, AsylG 1997 (3. Ergänzung, Juni 2004) 232, sprechen in diesem Zusammenhang vom "Vorrang der Familienzusammenführung"; vgl. auch Schmid/Frank/Anerinhof, AsylG 2 (2004) 258, K26. zu § 10) in Verbindung mit § 42 Abs. 3 VwGG (bezogen auf das Verfahren der Mutter) ergibt - der den Asylantrag des Zweitbeschwerdeführers zurückweisende Bescheid keinen Bestand haben." (VwGH v. 18.10.2005, Zl. 2005/01/0402)
Da § 10 Abs. 5 AsylG 1997 ebenso wie § 34 Abs. 4 AsylG 2005 normiert, dass "alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang erhalten", ist diese Rechtsprechung auch auf § 34 Abs. 4 AsylG 2005 anzuwenden.
Im Hinblick darauf, dass der Unabhängige Bundesasylsenat in weiterer Folge mit Bescheiden vom 08.08.2007, Zlen. 263.213/3-XI/38/05, 265.152/0-XI/38/05, 265.150/0-XI/38/05 und 265.151/0-XI/38/05, die wieder im Berufungsstadium anhängigen Verfahren gem. § 66
Abs. 2 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen hat und die Verfahren der Familienangehörigen des Beschwerdeführers zugelassen wurden, konnte im Lichte der Bestimmung des § 34 Abs. 4 AsylG 2005 auch der den Asylantrag des Beschwerdeführers zurückweisende angefochtene Bescheid keinen Bestand haben.
Der Beschwerde vom 11.12.2006 war daher stattzugeben. Das Verfahren ist gem. § 41 Abs. 3 leg. cit. zugelassen.