D8 229190-0/2008/5E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Gollegger als Vorsitzende und den Richter Mag. Kanhäuser als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Thurner über die Beschwerde der D.E., geb. 00.00.1979, StA. Georgien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15. Mai 2002, FZ. 02 03.499-BAT, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998, zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin reiste nach eigenen Angaben am 4. Feber 2002 gemeinsam mit ihrem Gatten D.V. und ihrem Kind D.M. illegal in Österreich ein und stellte am 5. Feber 2002 einen Asylantrag. Sie gab an, den Namen D.E. zu führen, am 00.00.1978 geboren und georgische Staatsangehörige zu sein. Am 3. April 2002 wurde sie im Beisein eines Dolmetschers der georgischen Sprache vor der zur Entscheidung berufenen Organwalterin des Bundesasylamtes einvernommen und berichtigte ihr Geburtsdatum auf 00.00.1979.
Mit Bescheid vom 15. Mai 2002, Z 02 03.499-BAT, wies das Bundesasylamt den Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl. I 76/1997, ab und stellte gemäß § 8 leg. cit. die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Georgien fest. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass es nicht glaubhaft sei, dass der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat Verfolgung drohe und dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Gefahr liefe, in Georgien einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.
Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Berufung (nunmehr Beschwerde) erhoben und der Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Rechtslage:
1.1 Der Asylgerichtshof hat gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG), BGBl. 1/1930 (WV) idF BGBl. I 2/2008, ab 1. Juli 2008 die beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiterzuführen.
Gemäß § 28 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG), Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetzes, BGBl. I 4/2008, tritt dieses Bundesgesetz mit 01.07.2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I 100/2005, außer Kraft.
Gemäß § 22 Abs. 1 des Art. 2 des Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetzes, Änderung des Asylgesetzes 2005, BGBl. I 100/2005 in der Fassung BGBl. I 4/2008 (AsylG 2005 idF der AsylG-Nov. 2008), ergehen Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses. Die Entscheidungen des Bundesasylamtes und des Asylgerichtshofes haben den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten.
Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG 2005 idF der AsylG-Nov. 2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über
Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und
Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.
Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. 1/1930 dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. 10, nichts anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Nach § 66 Abs. 4 AVG, BGBl. I 51/1991, hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Im gegenständlichen Fall handelt es sich um ein Beschwerdeverfahren, das gemäß § 61 Abs. 1 AsylG 2005 idF der AsylG-Nov. 2008 von dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senat zu entscheiden ist.
1.2 Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I 4/2008, sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs. 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.
Gemäß § 44 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I 76/1997, in der Fassung BGBl. I 101/2003, werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I 76/1997 idF BGBl. I 126/2002, geführt.
1.3 Gemäß § 66 Abs. 2 AVG, BGBl. 51/1991 idF BGBl. I 158/1998, kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in mehreren Erkenntnissen ausgeführt hat, macht es keinen Unterschied, ob es sich bei der "Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung" um eine kontradiktorische Verhandlung oder um eine bloße Einvernahme handelt (VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084; 21.11.2002, 2002/20/0315; 11.12.2003, 2003/07/0079).
Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.
2. In der Sache:
2.1 Zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 21. 11. 2002, Z 2002/20/0315 ausgeführt:
"Im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde ist gemäß § 23 AsylG und Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG (unter anderem) § 66 AVG anzuwenden. Nach § 66 Abs. 1 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 hat die Berufungsbehörde notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen. Außer dem in § 66 Abs. 2 AVG erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, gemäß § 66 Abs. 4 AVG immer in der Sache selbst zu entscheiden (vgl. dazu unter dem besonderen Gesichtspunkt der Auslegung der Entscheidungsbefugnis der belangten Behörde im abgekürzten Berufungsverfahren nach § 32 AsylG die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 23. 07. 1998, Zl. 98/20/0175, Slg. Nr. 14.945/A, die mehrfach vergleichend auf § 66 Abs. 2 AVG Bezug nehmen; zu diesem Erkenntnis siehe auch Wiederin, ZUV 2000/1, 20 f).
Der Verwaltungsgerichthof hat im Erkenntnis vom 27. 04. 1989, Zl. 86/09/0012, Slg. Nr. 12.917/A, aus einer in den Verwaltungsvorschriften angeordneten zwingenden und ohne Ausnahme bestehenden Verpflichtung zur Durchführung einer Berufungsverhandlung trotz Fehlens einer ausdrücklichen Ausnahme hinsichtlich der Geltung des § 66 Abs. 2 AVG die Unanwendbarkeit dieser Bestimmung in einem solchen Berufungsverfahren gefolgert. Das steht aber zu der hier - für das Verfahren vor der belangten Behörde - zu Grunde gelegten gegenteiligen Auffassung schon deshalb nicht im Widerspruch, weil eine derartige uneingeschränkte Verhandlungspflicht für den Unabhängigen Bundesasylsenat nicht besteht. (...) Die Berufungsbehörde darf eine kassatorische Entscheidung nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann treffen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Berufungsbehörde hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unvermeidlich erscheint. Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. 03. 2001, Zl. 2000/08/0200; zum Begriff "mündliche Verhandlung" im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG siehe auch die Nachweise im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/20/0084)."
Nach der grundsätzlichen Bejahung der Frage der Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG führte der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 21. 11. 2002, Z 2002/20/0315, zur Frage der Gesetzmäßigkeit der Ermessensübung im Sinne des § 66 Abs. 2 und 3 AVG Folgendes aus:
"Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet, wobei der belangten Behörde die Rolle einer "obersten Berufungsbehörde" zukommt (Art. 129c Abs. 1 B-VG). In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln und es ist gemäß § 27 Abs. 1 AsylG grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen des Gesetzgebers würden aber unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Berufungsbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht [...]"
2.2 Gemäß Art. 129c Z 1, Art. 1 des Bundesverfassungsgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Erstes Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird, BGBl. I 1/1930 in der Fassung BGBl. I 2/2008, erkennt der Asylgerichtshof - und nicht mehr der Unabhängige Bundesasylsenat als "oberste Berufungsbehörde" - nach Erschöpfung des Instanzenzuges über Bescheide der Verwaltungsbehörden in Asylsachen. Der Asylgerichtshof sieht keinen Grund dafür, dass sich die o.a. Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf die neue Rechtslage übertragen ließe. Es ist weiterhin in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren vorgesehen. In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz relevanten Sachverhalt zu ermitteln. Unterbliebe ein umfassendes Ermittlungsverfahren in erster Instanz, würde nahezu das gesamte Verfahren vor die Berufungsbehörde verlagert werden, sodass die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen zur bloßen Formsache würde. Es liegt nicht im Sinne des Gesetzes, dass der Asylgerichtshof erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermitteln und beurteilen muss und damit seine umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Eine ernsthafte Prüfung des Antrages soll nicht erst bei der letzten Instanz beginnen und zugleich enden (abgesehen von der - im Bundesverfassungsgesetz, BGBl. I 1/1930 in der Fassung BGBl. 2/2008, neu eingefügten Art. 144a B-VG vorgesehenen - Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes).
2.3 Der Verwaltungsgerichtshof hat nun zusammengefasst in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist. Im vorliegenden Fall ist dies aus den folgenden Erwägungen in qualifizierter Weise unterlassen worden:
Der Bescheid enthält zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens folgende Ausführungen;
"Als Beweismittel im Verfahren diente Ihre niederschriftliche Vernehmung. Sie haben bis zur Bescheiderlassung keinen Identitätsnachweis beigebracht."
Die direkt daran anschließenden Feststellungen der Behörde beschränken sich auf folgendes,
"Sie haben die Heimat aufgrund von Problemen mit der örtlichen Polizei verlassen.
Georgien ist seit 1995 eine Präsidialrepublik mit einem Parlament mit 235 Mitgliedern, und die politische Lage hat sich seit den Parlamentswahlen vom November 1995 kontinuierlich stabilisiert. Das Land hat verschiedene konkrete Maßnahmen zum Aufbau demokratischer Institutionen und zur Reform des Rechtswesen gesetzt. So hat Amnesty International die Ernennung eines mit der Wahrung der individuellen Menschenrechte betrauten Ombudsmannes und die vollständige Abschaffung der Todesstrafe 1997 begrüßt. Im April 1999 wurde Georgien in den Europarat aufgenommen und wurde damit von allen Mitliedstaaten die Erreichung eines im allgemeinen adäquaten Menschenrechtsstandards bestätigt."
Der erstinstanzliche Bescheid enthält keine ausreichenden Feststellungen zur Situation in Georgien. Da selbst bei unglaubwürdigem Vorbringen jedenfalls Erhebungen zur allgemeinen Lage und Rückkehrsituation nach erfolgloser Asylantragstellung zu treffen sind hat die Erstbehörde diese Erhebungen umsomehr durchzuführen, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - offensichtlich von der Glaubwürdigkeit des Vorbringens, bis auf die Ausführungen betreffend die Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative, der gesetzlichen Vertreterin der Beschwerdeführerin ausgeht, zumal sie in ihrer Beweiswürdigung, welche lediglich aus einem Textbaustein betreffend die Voraussetzungen, wann ein Vorbringen glaubhaft ist und der nachstehenden Ausführung besteht, folgendes anführt,
"Ihr Vorbringen entspricht diesen Anforderungen im Großen und Ganzen. Nicht gefolgt werden konnte Ihrem Anbringen insofern als Sie die Möglichkeit einer innerstaatlichen Zufluchtsmöglichkeit verneinten."
Hinzu kommt, dass das individuelle Vorbringen der Beschwerdeführerin weder in hinreichender Weise festgestellt noch gewürdigt wurde. So brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie aus Abchasien stamme und ihr Vater als Untergrundkämpfer tätig gewesen sei. Die Behörde, die diese Ausführungen für glaubhaft erachtet hat, hätte im Rahmen ihrer Vernehmung der Frage nachgehen müssen, welche Verfolgungsmotivation seitens der Behörden des Heimatlandes der Beschwerdeführerin zugrunde gelegen sind, ob ihr selbst, auf Grund der Tätigkeit ihres Vaters, eine bestimmte politische Gesinnung unterstellt oder sie einer solchen zumindest verdächtigt worden sein könnte. Die Erstbehörde hätte sich mit der Frage, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl durch das Bestehen einer im Herkunftsland praktizierten Sippenhaftung erfüllt sein könnten, wenn sich die Gründe, weswegen ihr Vater verfolgt wird, auf Grund einer von der Behörde des Herkunftsstaats wegen des Verwandtschaftsverhältnisses unterstellten Gesinnung der Beschwerdeführerin auch auf sie selbst bezogen haben könnte und sie deshalb Verfolgung erleiden oder befürchten müsste.
Überdies ist unter anderem schon auf Grund der Kürze des Einvernahmeprotokolls ersichtlich, dass eine umfassende Befragung der Beschwerdeführerin nicht stattgefunden hat. Eine umfassende Befragung wäre aber aufgrund ihres Vorbringens, bei welchem nicht vorweg die Asylrelevanz verneint werden kann, erforderlich gewesen.
Auch die Ausführungen der Erstbehörde, dass der Beschwerdeführerin eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehe, erweisen sich jedenfalls ohne dahingehende nähere Ausführungen im Sinne der Judikatur des VwGH als nicht haltbar und ohne entsprechende hiezu getroffenen Länderfeststellungen nicht schlüssig. Die Erstbehörde führt dazu aus,
"Wenn Sie tatsächlich in Konflikt mit der örtlichen Polizei gerieten und die Ihnen ursprünglich zur Verfügung gestellte Wohnung verlassen mussten, so stand Ihnen jedenfalls noch die Möglichkeit einer jeden anderen innerstaatlichen Fluchtalternative zur Verfügung. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass Sie von diesen Polizisten gezielt im ganzen Land gesucht worden wären."
Es fehlt für diese Aussage der Behörde jedenfalls an einem nachvollziehbaren Tatsachensubstrat, um den Schluss rechtfertigen zu können, dass die Beschwerdeführerin durch Verlegung in einen anderen Landesteil einer Verfolgung durch die Behörden entgehen könnte. Diese Position der Behörde ist in dieser allgemeinen Form ohne konkrete und aktuelle Länderfeststellung, welche diese Ausführung bestätigen, und der Auseinandersetzung der Behörde damit jedenfalls nicht schlüssig und eine innerstaatliche Fluchtalternative kann nicht ohne weiteres als erwiesen angenommen werden.
Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner jüngsten Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH vom 26.11.2003, Z 2003/20/0389). Aufgrund des augenscheinlich mangelnden Ermittlungsverfahrens der Erstbehörde - fehlende Feststellungen, qualifiziert mangelhafte Beweiswürdigung - hat die Erstbehörde jedenfalls eine solche ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens nicht vorgenommen, da die Erstbehörde dieses offensichtlich nicht anhand der konkret entscheidungsrelevanten aktuellen Situation gewürdigt hat.
Zu den von der Erstbehörde dem Bescheid zu Grunde gelegten Feststellungen ist anzuführen, dass sich die Feststellung auf einen allgemeinen Absatz betreffend die politische Lage Georgiens beschränkt, dies ohne Quellen-Angabe. Eine derartige von der Erstbehörde gewählte Vorgangsweise entspricht zumindest keiner nachvollziehbaren, transparenten Vorgehensweise im Rahmen der Bescheidbegründung.
Dass es Aufgabe des Bundesasylamtes ist, seinen Ausführungen und der darauf aufbauenden Entscheidung aktuellstes und nachvollziehbares Quellenmaterial zu Verfügung zu stellen, braucht nicht eigens erwähnt werden, sondern handelt es sich hiebei um einen notorischen Umstand.
Insgesamt ist die Erstbehörde ihren in § 28 AsylG 1997, BGBl. I 76/1997, normierten Ermittlungspflichten nicht ausreichend nachgekommen. Gemäß dieser Bestimmung hätte die Erstbehörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellungen oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken gehabt, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen.
Im vorliegenden Fall ist der angefochtene Bescheid bzw. das diesem zugrunde liegende Verfahren mit so schwerer Mangelhaftigkeit belastet, dass die Durchführung oder Wiederholung eine mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die aufgezeigte Mangelhaftigkeit ist wesentlich, weil vorweg nicht ausgeschlossen werden kann, dass deren Vermeidung für die Beschwerdeführerin zu einem günstigeren Ergebnis hätte führen können. Das Bundesasylamt hat es somit unterlassen, brauchbare Ermittlungsergebnisse in das Verfahren einzuführen. Sämtliche Erhebungen, welche grundsätzlich von der Erstbehörde durchzuführen sind, wären demnach durch den Asylgerichtshof zu tätigen; unter Berücksichtigung der Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes und unter Effizienzgesichtspunkten verbietet sich eine Heranziehung des § 66 Abs. 3 AVG. Das Bundesasylamt wird sich daher im fortgesetzten Verfahren mit den o. a. Fragen
auseinanderzusetzen haben, dementsprechende Ermittlungen zu führen und diese Ergebnisse unter anderem mit der Beschwerdeführerin in einer Vernehmung zu erörtern haben, um den Sachverhalt weiter zu erhellen und schließlich die rechtliche Konsequenzen ziehen müssen.
Der Asylgerichtshof verkennt nicht, dass vorliegendes Verfahren bereits seit Mai 2002 bei der Berufungsbehörde anhängig war; aufgrund der schweren Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens ist die Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG jedenfalls gerechtfertigt, der o.a. Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung/Einvernahme und Erlassung eines neuen Bescheides an das BAA zurückzuverweisen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.