TE Vwgh Erkenntnis 2001/4/4 98/09/0080

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Veröffentlicht am 04.04.2001
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Index

L24009 Gemeindebedienstete Wien;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

AVG §66 Abs4;
BDG 1979 §124 Abs1 impl;
BDG 1979 §124 Abs2 impl;
BDG 1979 §126 Abs1 impl;
BDG 1979 §126 Abs2 impl;
DO Wr 1994 §100 Abs3;
DO Wr 1994 §100 Abs6;
DO Wr 1994 §103 Abs1;
DO Wr 1994 §103 Abs2;
DO Wr 1994 §90 Z1 idF 1996/033;
DO Wr 1994 §90 Z2 litb idF 1996/033;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des I in W, vertreten durch Dr. Robert Starzer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Salzgries 17/5, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für Beamte der Bundeshauptstadt Wien (Senat 3) vom 13. Jänner 1998, Zl. MA 2/110/97, betreffend Verhängung der Disziplinarstrafe der Geldstrafe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahr 1962 geborene Beschwerdeführer steht als Bediensteter der Wiener Stadtwerke (Wienstrom) in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Bundeshauptstadt Wien.

Die Wiener Stadtwerke (Direktion) erstatteten am 12. März 1997 Disziplinaranzeige gegen den Beschwerdeführer. Des Weiteren erstatteten die Wiener Stadtwerke auch Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer bei der Staatsanwaltschaft Wien.

Am 13. August 1997 teilten die Wiener Stadtwerke dem Magistrat der Stadt Wien mit, dass der Beschwerdeführer bei der am 17. Juni 1997 durchgeführten Verhandlung vom Bezirksgericht Floridsdorf vom Vorwurf des Diebstahls freigesprochen worden sei und die Fortsetzung des unterbrochenen Disziplinarverfahrens gegen den Beschwerdeführer begehrt werde.

Die Disziplinarkommission erster Instanz (Senat 21) hat mit Einstellungsbescheid vom 6. Oktober 1997 folgenden Beschluss gefasst:

"Die Einstellung des mit Disziplinaranzeige der Wiener Stadtwerke-Wienstrom vom 12.3.1997, Zl. MA 2/110/97, eingeleiteten Disziplinarverfahrens gegen Herrn I, geboren am 1.11.1962, wegen Verletzung der in § 18 Abs. 2, zweiter Satz normierten Dienstpflichten, wird gemäß § 97 Abs. 1 Z. 1 der Dienstordnung 1994 (DO 1994) verfügt."

Zur Begründung führte die Disziplinarkommission aus, dem Beschwerdeführer sei mit der Disziplinaranzeige zur Last gelegt worden, er habe im September 1996 Eigentum der Wiener Stadtwerke-Wienstrom, nämlich Kabelreste, entwendet und sich daran bereichert. Da der Beschwerdeführer mit Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 17. Juni 1997 hinsichtlich der in der Disziplinaranzeige angelasteten Tat mangels Schuldbeweis freigesprochen wurde, sei das Disziplinarverfahren einzustellen gewesen.

Gegen diesen Einstellungsbescheid erhob der vom Disziplinaranwalt - mit Schreiben vom 28. April 1997 in dieser Disziplinarsache zur Vertretung der dienstlichen Interessen - bestellte Stellvertreter Berufung und stellte den Antrag, "der bezeichnete Einstellungsbescheid wolle behoben und das Disziplinarverfahren gegen I fortgesetzt werden".

Über Aufforderung des Vorsitzenden der belangten Behörde nahm der Beschwerdeführer zu dieser Berufung des Stellvertreters des Disziplinaranwaltes mit Schriftsatz vom 3. Dezember 1997 Stellung. Er beantragte darin, der Berufung nicht Folge zu geben, den Einstellungsbescheid nicht zu beheben und das Disziplinarverfahren eingestellt zu belassen.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 13. Jänner 1998 hat die belangte Behörde über die vom Stellvertreter des Disziplinaranwaltes gegen den erstinstanzlichen Einstellungsbescheid vom 6. Oktober 1997 erhobene Berufung wie folgt entschieden:

"Gemäß § 90 Abs. 1 DO 1994 in Verbindung mit § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG wird der Berufung Folge gegeben und über den Beschuldigten wegen der zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung gemäß § 76 Z. 3 DO 1994 folgende Disziplinarstrafe verhängt:

Geldstrafe von ein Monatsbezug unter Ausschluss der Kinderzulage.

Gemäß § 106 DO 1994 werden dem Beschuldigten keine Kosten für das Disziplinarverfahren auferlegt."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer erachtet sich nach seinem gesamten Beschwerdevorbringen erkennbar in dem Recht verletzt, dass gegen ihn kein Disziplinarverfahren durchgeführt wird, bzw. dass er wegen des ihm vorgeworfenen Verhaltens nicht der Begehung einer Dienstpflichtverletzung schuldig erkannt und dafür bestraft wird. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 100 der Dienstordnung 1994 (DO 1994) regelt das Verfahren vor der Disziplinarkommission. Ist der Sachverhalt ausreichend geklärt, so hat zufolge Abs. 3 leg. cit. der Senat, sofern das Disziplinarverfahren nicht gemäß § 97 einzustellen ist, die mündliche Verhandlung anzuberaumen (Verhandlungsbeschluss). Zu dieser sind die Parteien unter Bekanntgabe des Verhandlungsbeschlusses sowie die in Betracht kommenden Zeugen und Sachverständigen zu laden.

Nach Abs. 6 dieser Gesetzesstelle sind im Verhandlungsbeschluss die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen. Gegen den Verhandlungsbeschluss ist kein Rechtsmittel zulässig.

§ 103 DO 1994 regelt das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission. Nach dem Abs. 1 dieser Gesetzesstelle hat der Senat bei der Beschlussfassung über das Disziplinarerkenntnis nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in der mündlichen Verhandlung vorgekommen ist.

Das Disziplinarerkenntnis hat zufolge Abs. 2 leg. cit. die im Verhandlungsbeschluss angeführten Anschuldigungspunkte zur Gänze zu erledigen. Es hat auf Schuldspruch oder Freispruch zu lauten.

Gemäß § 90 Z. 2 lit. b DO 1994 (in der Fassung LGBl. Nr.33/1996) steht den Parteien gegen erstinstanzliche Bescheide der Disziplinarkommission das Recht der Berufung an die Disziplinaroberkommission zu, die endgültig entscheidet.

Die wiedergegebenen Regelungen der DO 1994 stimmen - abgesehen von für den Beschwerdefall nicht relevanten Abweichungen - mit den Bestimmungen des BDG 1979 inhaltlich überein (vgl. §§ 124 Abs. 1 und 2 sowie 126 Abs. 1 und 2 BDG 1979).

Demnach darf auch im Disziplinarerkenntnis betreffend ein Disziplinarverfahren nach dem 8. Abschnitt der DO 1994 nur über die im Verhandlungsbeschluss angeführten Anschuldigungspunkte, welche den Gegenstand der mündlichen Verhandlung bzw. der durch den Verhandlungsbeschluss abgegrenzten Disziplinarsache bilden, abgesprochen werden. Die Anschuldigungspunkte sind gemäß § 100 Abs. 6 DO 1994 im Verhandlungsbeschluss bestimmt anzuführen und das Disziplinarerkenntnis hat zufolge § 103 Abs. 2 - sei es durch Schuldspruch oder Freispruch - die im Verhandlungsbeschluss angeführten Anschuldigungspunkte zur Gänze zu erledigen. Dies bedeutet, dass eine inhaltliche Bindung des Disziplinarerkenntnisses an den Verhandlungsbeschluss besteht (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, 2. Auflage 1996, Seite 434f). Ein Schuldspruch im Disziplinarerkenntnis hinsichtlich anderer als der in einem Verhandlungsbeschluss angelasteter Taten ist unzulässig (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 5. April 1990, Zl. 90/09/0001, und vom 5. April 1990, Zl. 89/09/0131).

Die belangte Behörde hat im vorliegenden Beschwerdefall ein Disziplinarerkenntnis beschlossen und damit den Beschwerdeführer einer Dienstpflichtverletzung schuldig erkannt, die nicht in einem Verhandlungsbeschluss als Anschuldigungspunkt angeführt wurde. Ein Verhandlungsbeschluss wurde nämlich nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten im gesamten Disziplinarverfahren bisher nicht gefasst. Demnach fehlt aber der Entscheidung der belangten Behörde eine wesentliche rechtliche Voraussetzung, um ein auf Schuldspruch lautendes Disziplinarerkenntnis zu beschließen.

Die belangte Behörde hat auch nicht berücksichtigt, dass der Berufungswerber lediglich die Behebung des erstinstanzlichen Einstellungsbescheides und die Fortsetzung des Disziplinarverfahrens beantragte. Die Entscheidungsbefugnis der belangten Behörde gemäß dem nach § 90 Z. 1 DO 1994 (in der Fassung LGBl. Nr. 33/1996) anzuwendenden § 66 Abs. 4 AVG war aber durch diesen erstinstanzlichen Einstellungsbescheid begrenzt. Eine Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides konnte nur im Umfang einer Behebung der Verfahrenseinstellung mit der Rechtsfolge der Fortsetzung des Disziplinarverfahrens in erster Instanz in Betracht kommen. Gegenstand der Entscheidung war nämlich die gemäß § 100 Abs. 3 DO 1994 zu beurteilende Frage, ob das Disziplinarverfahren (im Sinne einer Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides) einzustellen oder (in Abänderung des Einstellungsbescheides) ein Verhandlungsbeschluss zu fassen ist. Bei der im Beschwerdefall anzuwendenden Rechtslage durfte ohne einen Verhandlungsbeschluss und ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 103 Abs. 1 DO 1994) eine Disziplinarstrafe nicht verhängt werden. Dies hat die belangte Behörde verkannt.

Der angefochtene Bescheid war daher infolge Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 4. April 2001

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verfahrensrechtliche Entscheidung der Vorinstanz (siehe auch Inhalt der Berufungsentscheidung Anspruch auf meritorische Erledigung) Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998090080.X00

Im RIS seit

13.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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