C8 261560-0/2008/2E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. FELSEISEN als Einzelrichter über die Beschwerde des M.M., geb. 00.00.1983, StA.
Indien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.05.2005, AZ:
04 04.065-BAW, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde von M.M. vom 15.06.2005 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.05.2005, Zahl 04 04.065-BAW, wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
1. Der Beschwerdeführer stellte am 08.01.2003 seinen ersten Asylantrag. Bei seiner am 09.09.2003 durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme gab er bezüglich seiner Fluchtgründe zusammengefasst an, dass er Anhänger der Akali Dal (Mann) Partei sei und anlässlich der Wahlen im Punjab am 24.02.2002 an der Wahlwerbung aktiv beteiligt gewesen sei. Die Akali Dal habe die Wahlen gegen die Kongresspartei verloren und während der Wahl habe es einige Auseinandersetzungen zwischen den Mitgliedern der Kongresspartei und der Akali Dal Partei gegeben. Im März 2002 sei der Beschwerdeführer von Anhängern der Kongresspartei geprügelt worden. Da die Kongresspartei nunmehr in der Regierung sei, habe der Beschwerdeführer Angst, eingesperrt zu werden. Daher habe er sein Heimatland verlassen.
Der Asylantrag des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.09.2003, Zl. 03 00.598-BAW, gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchteil I) und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers nach Indien gemäß § 8 AsylG zulässig ist (Spruchteil II). Das Vorbringen des Asylwerbers wurde vom Bundesasylamt als unglaubwürdig gewertet.
Mangels Erhebung einer Berufung ist der Bescheid am 29.09.2003 in Rechtskraft erwachsen.
2. Am 10.03.2004 stellte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen Asylantrag.
Bei der am 25.05.2005 durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt gab der Beschwerdeführer an, dass er anlässlich seiner ersten Asylantragstellung nicht die Wahrheit gesagt habe, da er Angst gehabt habe. Nunmehr wolle er die Probleme schildern, die er zuvor noch nicht erwähnt habe. Er brachte vor, dass er einen Bekannten gehabt habe, welcher zu einer terroristischen Gruppe Verbindungen gehabt habe. Diese Gruppe habe ihn und noch andere Bekannte entführt und sie in ein Lager in Pakistan gebracht, wo sie den Umgang mit Waffen erlernt hätten. Der Beschwerdeführer sei mit Folter gezwungen worden, mitzumachen. Er habe mit einigen Leuten der Gruppe gute Beziehungen aufgebaut und einer von ihnen hätte dem Beschwerdeführer dann geholfen, das Lager zu verlassen und nach Europa zu kommen. Nun habe der Beschwerdeführer Angst vor den Verantwortlichen dieser Gruppe.
Mit Bescheid vom 27.05.2005, Zl. 04 04.065-BAW, wies das Bundesasylamt den Asylantrag vom 10.03.2004 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.
Der Beschwerdeführer erhob fristgerecht am 15.06.2005 eine Beschwerde.
Die Beschwerde langte zusammen mit dem Akt des Bundesasylamtes am 22.06.2005 beim Unabhängigen Bundesasylsenat ein.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Beschwerde nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, Zl. 94/08/0183; 30.05.1995, Zl. 93/08/0207; 09.09.1999, Zl. 97/21/0913; 07.06.2000, Zl. 99/01/0321).
"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, Zl. 97/21/0913; 27.09.2000, Zl. 98/12/0057; 25.04.2002, Zl. 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, Zl. 96/20/0266). "Sache" des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, die Rechtsmittelbehörde darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - das Rechtsmittel abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Die Rechtsmittelbehörde darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.05.1995, Zl. 93/08/0207). Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens iSd § 66 Abs. 4 AVG ist somit nur die Frage, ob das Bundesasylamt zu Recht den neuerlichen Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.
Bei einer Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig abgesprochenen Zurückweisung eines Asylantrages hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleich bleibender Sach- und Rechtslage stützen dürfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhaltes nach der ständigen Rechtssprechung des VwGH ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können in der Beschwerde nicht neu geltend gemacht werden (s. z.B. VwSlg. 5642A, VwGH 28.11.1968, 23.05.1995, Zl. 94/04/0081; zu Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Beschwerdeverfahrens s. VwSlg. 12799 A). Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, Zl. 99/01/0400; 07.06.2000, Zl. 99/01/0321).
Dem geänderten Sachverhalt muss nach der ständigen Judikatur des VwGH Entscheidungsrelevanz zukommen (vgl. VwGH 15.12.1992, Zl. 91/08/0166; ebenso VwGH 16.12.1992, Zl. 92/12/0127; 23.11.1993, Zl. 91/04/0205; 26.04.1994, Zl. 93/08/0212; 30.01.1995, Zl. 94/10/0162). Die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wird nur durch eine solche Änderung des Sachverhalts bewirkt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteienbegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwSlg. 7762 A; VwGH 29.11.1983, Zl. 83/07/0274; 21.02.1991, Zl. 90/09/0162; 10.06.1991, Zl. 89/10/0078; 04.08.1992, Zl. 88/12/0169; 18.03.1994, Zl. 94/12/0034; siehe auch VwSlg. 12.511 A, VwGH 05.05.1960, Zl. 1202/58; 03.12.1990, Zl. 90/19/0072). Dabei muss die neue Sachentscheidung - obgleich auch diese Möglichkeit besteht - nicht zu einem anderen von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (VwGH vom 24.02.2000, Zl. 99/20/0173-6).
Im zweiten Asylverfahren gab der Beschwerdeführer an, dass die Fluchtgründe, welche er anlässlich seiner ersten Asylantragstellung angegeben hat, nicht der Wahrheit entsprechen würden und dass er jetzt in seinem zweiten Asylverfahren von seinen wahren Problemen erzählen wolle. Er brachte vor, dass er in Indien von einer terroristischen Gruppe nach Pakistan entführt worden sei und von dort nach Europa geflüchtet sei und nunmehr befürchte, wegen dieser Flucht von den Verantwortlichen der terroristischen Gruppe gesucht zu werden.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers im rechtskräftigen ersten Asylverfahren als unglaubhaft gewertet wurden.
Was das Vorbringen hinsichtlich der Entführung und Zwang zur Ausbildung in einem Lager der Terroristen betrifft, so handelt es sich dabei um Umstände, die bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens bestanden haben und die der Beschwerdeführer bereits im ersten Asylverfahren geltend hätte machen können.
Die Behauptung, dass der Beschwerdeführer bei seinem ersten Asylantrag aus Angst nicht die Wahrheit gesagt habe, ist keine ausreichende Begründung für die Tatsache, dass der Beschwerdeführer bei seinen zwei Asylanträgen komplett unterschiedliche Angaben gemacht hat und somit erscheinen die Angaben des Beschwerdeführers anlässlich seines zweiten Asylantrages, dass dieser einerseits von Terroristen von Indien nach Pakistan entführt und anderseits wiederum von den Terreoristen ausgebildet worden sein soll, nachdem er von diesem gefoltert worden sein soll, als unglaubwürdige Steigerung seines Fluchtvorbringens.
Da es sich dabei um zum damaligen Zeitpunkt bestehende Tatsachen handelt, wären diese nicht im Rahmen eines neuen Asylantrages geltend zu machen, sondern wären allenfalls Gegenstand eines Antrages auf Wiederaufnahme nach § 69 AVG. Im gegenständlichen Fall würde sich ein Antrag auf Wiederaufnahme aber aufgrund der bereits abgelaufenen gesetzlichen Frist von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides als verspätet erweisen.
Da auch keine Anhaltspunkte für eine Änderung des Sachverhalts im Hinblick auf allgemein bekannte Tatsachen, die vom Bundesasylamt von Amts wegen zu berücksichtigen wären, vorliegen, da sich die allgemeine Situation in Indien bezogen auf den Gesamtstaat in der Zeit, bis der nunmehr angefochtene Bescheid erlassen wurde, nicht geändert hat, wie sich der Asylgerichtshof durch ständige Beachtung der aktuellen Quellenlage versichert hat - und sich auch die Rechtslage in der Zwischenzeit nicht entscheidungswesentlich geändert hat, ist das Bundesasylamt im Ergebnis daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Behandlung des zweiten Asylantrages das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegensteht.
Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG entfallen.
Gemäß § 61 Abs. 3 Z 1 c AsylG war in diesem Fall durch Einzelrichtererkenntnis zu entscheiden.