TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/08 E2 400513-1/2008

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Veröffentlicht am 08.09.2008
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Spruch

E2 400.513-1/2008-6E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. HUBER-HUBER als Vorsitzenden und die Richterin Dr. FAHRNER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Frau BIRNGRUBER über die Beschwerde des K.A., geb. 00.00.1981, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.06.2008, FZ. 07 05.517-EAST Ost, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 18.06.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz iSd § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005.

 

Anlässlich der am selben Tag erfolgten Erstbefragung gab der Beschwerdeführer an, der kurdischen Volksgruppe anzugehören und muslimischen Glaubens zu sein. Seine Eltern und zwei Brüder lebten nach wie vor in der Türkei, eine Schwester, ein Bruder, eine Halbschwester sowie ein Halbbruder seien österreichische Staatsbürger und lebten in Wien.

 

Er habe sein Heimatdorf im Jänner 2007 in Richtung Istanbul verlassen und dort - sowie zwischendurch auch in Ankara - gelegentlich als Maler gearbeitet. Am 14.06.2007 habe er Istanbul schlepperunterstützt auf einem LKW versteckt nach Österreich verlassen, wofür er EUR 2.000,- sowie TRY 1.250,- bezahlt habe.

 

Zu seinem Fluchtgrund befragt gab er zusammengefasst an, dass - als er in Ankara gearbeitet habe - im Bezirk Ulus ein großer Anschlag stattgefunden habe, bei welchem es viele Tote und Verletzte gegeben habe. Auch ein Freund, welchen er gerade besuchen wollte, sei ums Leben gekommen. Daraufhin habe er große Angst bekommen und habe sich entschlossen, seine Heimat zu verlassen.

 

Weiters habe er auch Probleme mit den Brüdern einer Frau namens F. gehabt, welche er heiraten wollte, und hätten ihn diese töten wollen.

 

Am 21.06.2008 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich einvernommen, wobei er seine bisherigen Angaben konkretisierte. Weiters gab er an, ein Mädchen entführt zu haben und deswegen von der Staatsanwaltschaft einvernommen worden zu sein, wobei es aber keine weiteren Probleme gegeben habe.

 

Am selben Tag wurde dem Beschwerdeführer eine Verfahrensanordnung nach § 29 Abs 3 Z 5 AsylG ausgefolgt, wonach beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen.

 

Am 26.06.2007 wurde der Beschwerdeführer von Frau Dr. med. I.H. untersucht, welche zu der Schlussfolgerung kam, dass bei diesem keine durch Folter oder durch ein gleichwertiges Ereignis entstandene belastungsabhängige psychische Störung vorliege.

 

Am 23.07.2006 wurde der Beschwerdeführer in Anwesenheit eines Rechtsberaters neuerlich niederschriftlich einvernommen, wobei er nochmals zu der beabsichtigten Vorgangsweise, seinen Asylantrag abzuweisen, befragt wurde. Dazu führte er aus, dass er nicht jung sterben möchte. Sollte er zurückkehren, würden ihn die Brüder seiner Ex-Freundin umbringen.

 

Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG ausgefolgt.

 

Nachdem der Beschwerdeführer am 00.00.2008 vor dem Standesamt Wien die österreichische Staatsbürgerin A.C. geheiratet hat, wurde er am 21.05.2008 neuerlich niederschriftlich einvernommen, wobei er angab, seine nunmehrige Ehegattin seit sieben oder acht Monaten zu kennen und sich am 24.11.2007 mit ihr verlobt zu haben.

 

Befragt, ob er seinen Aufenthalt durch die Heirat mit einer Österreicherin legalisieren wollte, gab er an, er versuche, seinen Aufenthalt durch den Asylantrag zu legalisieren.

 

Er sei arbeitslos und werde von seinem älteren Bruder finanziell unterstützt. Seine Gattin sei derzeit ebenfalls arbeitslos.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 12.06.2008, FZ 07 05.517-EAST Ost, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs 3 Z 1 iVm § 11 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und diesem der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.).

 

Gemäß § 8 Abs 3 iVm § 11 Abs 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und jener gemäß § 10 Abs 1 Z 2 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen (Spruchpunkt III.)

 

Begründend führt die Erstbehörde zusammengefasst aus, dass der Beschwerdeführer keine Verfolgung im Sinne des AsylG 2005 glaubhaft gemacht habe und ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehe und zumutbar sei.

 

Zu Spruchpunkt II. führte die Erstbehörde aus, dass beim Beschwerdeführer keine individuellen Umstände vorlägen, welche dafür sprächen, dass er bei einer Rückkehr einer Behandlung "im Sinne dieses Bundesgesetzes" ausgesetzt wäre.

 

Spruchpunkt III. wurde zusammengefasst damit begründet, dass zwar aufgrund der Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin ein schützenswertes Familien- und auch Privatleben vorliege, der Eingriff in dasselbe jedoch gerechtfertigt sei, zumal dem Beschwerdeführer bekannt hätte sein müssen, dass sein Aufenthalt im Falle der Abweisung des Asylantrages nur ein vorübergehender sei und daher ein gemeinsames Leben mit seiner Gattin in Österreich nur begrenzt möglich sein würde.

 

Gegen - ausschließlich - Spruchpunkt III. dieses Bescheides hat der Beschwerdeführer, nunmehr vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Mag. Robert BITSCHE, mit am 09.07.2008 bei der Erstbehörde eingelangtem Schriftsatz fristgerecht Berufung (nunmehr als Beschwerde bezeichnet) erhoben.

 

Darin wird ausgeführt, dass die Erstbehörde zum einen keine Interessensabwägung vorgenommen habe. Zum anderen beabsichtigte der Beschwerdeführer, aufgrund seiner Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin, von der Türkei aus einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels entsprechend den Bestimmungen des NAG einzubringen.

 

§ 11 NAG sehe jedoch vor, dass ein Aufenthaltstitel einem Fremden nicht erteilt werden dürfe, wenn gegen ihn in den letzten zwölf Monaten eine Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 rechtskräftig erlassen worden sei. Diese Konsequenz wäre in die Interessensabwägung nach Art 8 EMRK einzubeziehen, zumal die Ausweisung einem Rückkehrverbot gleichkäme.

 

Die gegenständliche Beschwerde wurde dem Asylgerichtshof am 15.07.2008 vorgelegt.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Beweis wurde erhoben durch

 

Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt einschließlich des Berufungsschriftsatzes.

 

2. Festgestellt wird nachstehender Sachverhalt:

 

Hinsichtlich der Sachverhaltsfeststellungen und der Beweiswürdigung wird auf die zutreffenden - und im Übrigen nicht bekämpften - Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen (zur Zulässigkeit dieses Vorgehens vgl. VwGH 04.10.1995, 95/01/0045; 23.03.1999, 98/20/0559; 24.11.1999, 99/01/0280; 08.06.2000, 99/20/0366; 30.11.2000, 2000/20/0356; 22.02.2001, 2000/20/0557; 21.06.2001, 99/20/0460).

 

Nachdem gegenständlich ausschließlich Spruchpunkt III. angefochten wurde, ist insbesondere die Feststellung relevant, dass der Beschwerdeführer am 00.00.2008 vor dem Standesamt Wien die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen hat.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

3.1. Gemäß dem Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 4/2008, wurde der Asylgerichtshof - bei gleichzeitigem Außerkrafttreten des Bundesgesetzes über den unabhängigen Bundesasylsenat - eingerichtet und treten die dort getroffenen Änderungen des Asylgesetzes mit 01.07.2008 in Kraft; folglich ist das AsylG 2005 ab diesem Zeitpunkt in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008 anzuwenden.

 

Gemäß § 61 Abs 1 Z 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes.

 

3.2. Gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Gemäß Abs 2 leg cit ist eine Ausweisung nach Abs 1 unzulässig, wenn dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder diese eine Verletzung von Art 8 EMRK darstellen würde.

 

3.3. Die im vorliegenden Fall ausgesprochene (und ausschließlich bekämpfte) Ausweisung stellt - wie von der Erstbehörde bereits angeführt - aufgrund der Ehe des Beschwerdeführers mit einer Österreicherin jedenfalls einen Eingriff in dessen Familienleben nach Art 8 EMRK dar.

 

Es bedarf daher einer Abwägung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich, ob die Ausweisung iSd Art 8 Abs 2 EMRK notwendig ist.

 

3.4. Art 8 Abs 2 EMRK lautet:

 

"Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."

 

3.5. Nach dem Urteil des EGMR im Fall Moustaquim ist eine Maßnahme dann in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, wenn sie einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht und zum verfolgten legitimen Ziel verhältnismäßig ist. Das bedeutet, dass die Interessen des Staates, insbesondere unter Berücksichtung der Souveränität hinsichtlich der Einwanderungs- und Niederlassungspolitik, gegen jene des Berufungswerbers abzuwägen sind.

 

Der EGMR geht davon aus, dass die Konvention kein Recht auf Aufenthalt in einem bestimmten Staat garantiert. Der EGMR erkennt in stRsp weiters, dass die Konventionsstaaten nach völkerrechtlichen Bestimmungen berechtigt sind, Einreise, Ausweisung und Aufenthalt von Fremden ihrer Kontrolle zu unterwerfen, soweit ihre vertraglichen Verpflichtungen dem nicht entgegenstehen (vgl. uva. zB. Urteil Vilvarajah/GB, A/215 § 102 = NL 92/1/07 und NL 92/1/27f.).

 

Der Beschwerdeführer weist insbesondere auf die in der aktuellen Judikatur des VfGH aufgestellten "Bleiberechtskriterien" hin. So wies der VfGH insbesondere in der Entscheidung B 328/07 darauf hin, dass der EGMR fallbezogen unterschiedliche Kriterien herausgearbeitet hat, die bei einer Interessensabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

 

Er hat etwa die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Fall Ghiban, Appl. 11.103/03, NVwZ 2005, 1046), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Fall Abdulaziz ua., Appl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567;

20.6.2002, Fall Al-Nashif, Appl. 50.963/99, ÖJZ 2003, 344;

22.4.1997, Fall X, Y und Z, Appl. 21.830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Fall Boultif, Appl. 54.273/00), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, 2004/21/0124;

11.10.2005, 2002/21/0124), die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 11.04.2006, Fall Useinov, Appl. 61.292/00) für maßgeblich erachtet.

 

Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 05.09.2000, Fall Solomon, Appl. 44.328/98; 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562).

 

3.6. Insbesondere auf diesen letzten Punkt hat die Erstbehörde in ihrer rechtlichen Beurteilung hingewiesen, wenn sie ausführt, dass dem Beschwerdeführer und seiner Gattin bewusst sein musste, dass sein Aufenthalt im Falle der Abweisung des Asylantrages nur ein vorübergehender ist.

 

Diesbezüglich ist auch auf Chvosta, ÖJZ 2007/74, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 857 mwN, zu verweisen, welcher ausführt, dass der Asylwerber während seines Asylverfahrens nicht darauf vertrauen kann, dass ein in dieser Zeit entstehendes Privat- bzw. Familienleben auch nach der Erledigung seines Asylantrages fortgesetzt werden kann. Die Rechte aus der GFK dürfen nicht dazu dienen, die Einwanderungsregeln zu umgehen.

 

Dahingehend hat auch der EGMR erst jüngst, in der Entscheidung NNYANZI v. The United Kingdom vom 08.04.2008, Appl. 21878/06, dargetan, dass ein während eines unsicheren (im konkreten Fall sogar rund zehnjährigen) Aufenthaltes etabliertes Privatleben per se nicht geeignet ist, eine Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen, zumal das öffentliche Interesse an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls schwerer wiegt.

 

Weiters hat die Erstbehörde im Rahmen ihrer Abwägung auch auf die Dauer der Ehe bzw. Lebensgemeinschaft abgestellt (vgl. dazu EGMR 02.08.2001, Boultif v. Switzerland, Appl. 54273/00).

 

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist der Beschwerdeführer seit rund acht Monaten mit einer Frau verheiratet ist, welche er einige Monate länger kennt.

 

Auch die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers, welcher sich zum Entscheidungszeitpunkt seit rund einem Jahr und zwei Monaten, also seit einem relativ kurzen Zeitraum, in Österreich aufhält, mindert das Gewicht von dessen Interessen an einem Verbleib in Österreich.

 

3.7. Wenn in der Beschwerde weiters auf die Bestimmung des § 11 NAG hingewiesen wird, nach dessen Abs 1 Z 3 ein - vom Beschwerdeführer angestrebter - Aufenthaltstitel dann nicht erteilt werden darf, wenn gegen den Fremden in den letzten zwölf Monaten eine Ausweisung (unter anderem) gemäß § 10 AsylG 2005 rechtskräftig erlassen wurde, so vermag auch dadurch keine Unverhältnismäßigkeit des in Form einer Ausweisung erfolgenden Grundrechtseingriffes aufgezeigt werden.

 

Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung ist ein wichtiger Aspekt nämlich auch derjenige, inwieweit das Familienleben auch im Falle einer Ausweisung fortgesetzt werden kann.

 

Unabhängig davon, ob es der Ehegattin des Beschwerdeführers möglich und zumutbar wäre, diesen in die Türkei zu begleiten, um das Familienleben dort fortzusetzen, kann der Kontakt zwischen den Eheleuten in den zwölf Monaten der "Sperrfrist" des § 11 Abs 1 Z 3 jedenfalls durch gegenseitige Besuche aufrecht erhalten werden (vgl. EGMR 11.04.2006, Fall USEINOV, Appl. 61.292/00). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es dem Beschwerdeführer - zumal über ihn (soweit ersichtlich) auch kein Rückkehrverbot verhängt wurde - bei der asylrechtlichen Ausweisung nicht verwehrt ist, bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des FPG bzw. NAG wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren (vgl. ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 861, mwN).

 

Des weiteren ist im Sinne der Einheit der Rechtsordnung auch auf die Systematik des NAG hinzuweisen, insbesondere dessen § 11, welcher in Abs 1 die Voraussetzungen normiert, unter welchen Voraussetzungen ein Aufenthaltstitel nicht erteilt werden darf (absolute Versagungsgründe), und in Abs 2 welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um einem Fremden einen Aufenthaltstitel zu erteilen (relative Erteilungsvoraussetzungen). Abs 3 stellt klar, dass ein Aufenthaltstitel zur gebotenen Aufrechterhaltung des Privat- oder Familienlebens iSd Art 8 EMRK auch dann erteilt werden kann, wenn eine Erteilungsvoraussetzung des Abs 2 nicht gegeben ist.

 

Daraus ist ersichtlich, dass die Aspekte des Privat- oder Familienlebens hinsichtlich der - eben absoluten - Versagungsgründe grundsätzlich keine Rolle spielen.

 

Allerdings ist gemäß § 72 Abs 1 NAG trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses (§ 11 NAG), ausgenommen bei Vorliegen eines Aufenthaltsverbotes (§ 11 Abs 1 Z 1 und 2), in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen die Erteilung einer humanitären Aufenthaltsbewilligung möglich.

 

Um auch in solchen Fällen das durch Art 8 EMRK geschützte Recht auf Privat- und Familienleben zu wahren, hat der VfGH mit Entscheidung vom 27.06.2008, G 246/07 ua, jene Bestimmungen im NAG als verfassungswidrig aufgehoben, die festlegen, dass ein Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen nur "von Amts wegen" vergeben werden kann. Somit soll nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes auch die Antragstellung eines einzelnen Rechtsschutzsuchenden auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels möglich sein.

 

Bei einer Gesamtbetrachtung der fremdenrechtlichen Vorschriften ist also ersichtlich, dass auch bei einer in den letzten zwölf Monaten erlassenen Ausweisung nach (unter anderem) § 10 AsylG die Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht ausgeschlossen ist, insbesondere um Art 8 der EMRK gerecht zu werden.

 

Daraus ergibt sich jedoch wiederum, dass die Bestimmung des § 11 Abs 1 Z 3 NAG eine asylrechtliche Ausweisung bei Vorliegen eines Familienlebens nicht per se unzulässig bzw. unverhältnismäßig macht.

 

Zu bedenken ist weiters, dass der Beschwerdeführer zwar vorbringt, in die Türkei zurückzureisen und dort einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels einbringen zu wollen. Sollte jedoch die Ausweisung aufgehoben werden und der Beschwerdeführer - aus welchen Gründen auch immer - nicht in seinen Herkunftsstaat zurückreisen, so würde dies seine Abschiebung verhindern.

 

3.8. Aus all diesen Gründen ist die von der Erstbehörde ausgesprochene Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei nicht unverhältnismäßig und war daher der Beschwerde keine Folge zu geben.

 

4. Unterbleiben der mündlichen Verhandlung

 

4.1. Gemäß § 41 Abs 7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67 d AVG.

 

4.2. Der BF hat keine mündliche Verhandlung beantragt. Aus der Aktenlage und der Berufung ergeben sich sämtliche für die Entscheidung erforderlichen Umstände und Fakten. Der gegenständliche Sachverhalt ist somit als geklärt zu betrachten. Zusätzliche Ermittlungen erweisen sich als nicht erforderlich, zumal das Beschwerdevorbringen ausreichend belegt wurde und Fragen der Glaubwürdigkeit des BF im gegenständlichen Zusammenhang nicht zu erörtern waren. Die bloße zusätzliche Erörterung von verfahrensgegenständlichen Beweismitteln oder Ermittlungsergebnissen sowie Rechtsfragen hätte auch keine anders lautende Entscheidung herbeigeführt. Eine mündliche Verhandlung konnte daher unterbleiben.

Schlagworte
bestehendes Familienleben, familiäre Situation, Interessensabwägung, soziale Verhältnisse
Zuletzt aktualisiert am
16.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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