D 3 252047-0/2008/10E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Kuzminski als Einzelrichter über die Beschwerde der A.T., geb. 00.00.1991, StA. Armenien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.07.2004, GZ. 03 27.125-BAI, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 9.6.2008 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird stattgegeben und A.T. gemäß §§ 10, 11 AsylG i. d.F. BGBL 126/2002 Asyl gewährt.
Gemäß § 12 AsylG i.d.F. BGBL 126/2002 Asyl wird festgestellt, dass A.T. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
Die Beschwerdeführerin, eine armenische Staatsbürgerin, Angehörige der Volksgruppe der Jeziden und christlichen Bekenntnisses, gelangte am 07.09.2003 gemeinsam mit ihrer Familie illegal nach Österreich und stellte am nächsten Tag vertreten durch ihre Mutter einen Antrag gemäß § 10 Abs. 1 AsylG auf Erstreckung des einem Angehörigen (in concreto ihrer Mutter) auf Grund eines Asylantrages oder von Amts wegen zu gewährenden Asyls.
Mit dem Bescheid des Bundesasylamts vom 23.07.2004, GZ. 03 27.125-BAI, wurde der Erstreckungsantrag der Beschwerdeführerin vom 08.09.2003 gemäß §§ 10, 11 AsylG abgewiesen.
In der Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, dass sie die Tochter der A.S. sei und deren Asylantrag zur Zahl 03 27.124-BAI bescheidmäßig abgewiesen worden sei. Da Grundvoraussetzung für die Asylerstreckung stets die Asylgewährung nach § 7 oder § 8 AsylG eines im § 10 Abs. 2 taxativ aufgezählten Angehörigen sei, wobei es sich im vorliegenden Fall um die Mutter handle, deren Asylantrag aber abgewiesen worden sei, sei daher auch der gegenständliche Asylerstreckungsantrag abzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Berufung.
Mit Schreiben vom 10.04.2008 gab Rechtsanwalt Mag. László Szabó bekannt, dass er die Beschwerdeführerin und ihre Familie vertrete. Weiter führte er aus, dass die Beschwerdeführerin am 00.00.2007 nach jezidischem Brauch U.K. geehelicht habe. Sie erwarte die Geburt ihres ersten gemeinsamen Kindes und wohne seit Ende Dezember mit ihrem Gatten in I..
Am 09.06.2008 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat statt, in welcher die Beschwerdeführerin als Beteiligte unter Beiziehung eines Dolmetschers für die jezidische
Sprache, wie folgt befragt wurde:
VL: Wollen Sie von sich aus zum Asylverfahren Ihrer Mutter etwas sagen?
BT2: Ich möchte nur sagen, dass ich bitte, hier bleiben zu dürfen. Seit meine Mutter hier ist, hat sie nicht mehr so viele Probleme. Wir lernen hier auch die Sprache.
VL: Was haben Sie selbst hier in Österreich gemacht?
BT2: Ich habe hier die Kultur Österreichs gelernt. Ich habe hier 3 Jahre die Hauptschule besucht und möchte nicht mehr zurück.
VL: Wann haben Sie geheiratet?
BT2: Am 00.00.2007.
VL: Haben Sie auch standesamtliche geheiratet oder nur nach jesidischem religiösen Ritus?
BT2: Nein, nicht standesamtlich, nur religiös. Wir haben nicht die richtigen Papiere.
VL hält fest, dass die BT2 nach wie vor minderjährig ist und durch Ihre Eltern vertreten wird.
VL: Leben Sie seit der Eheschließung mit Ihrem religiös angetrauten Mann wo anders als Ihre Eltern?
BT2: Ja, ich lebe mit meinem Mann in I.. Meine Eltern leben in Innsbruck.
VL: Wissen Sie, welchen Aufenthaltsstatus Ihr religiös angetrauter Ehemann hat?
BT2: Die Mutter meines Mannes ist Aserbaidschanerin, sein Vater Jeside.
VL verliest Verfahrensschritte des religiös angetrauten Ehemannes U.K., Beilage ./D.
VL: Wann ist der voraussichtliche Geburtstermin?
BT2: Ende des Jahres.
VL: Haben Sie irgendwelche Probleme in der Schwangerschaft?
BT2: Nein.
Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 28.08.2008, Zahl D3 252045-0/2008, wurde der Beschwerde der Mutter der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bundesasylamts vom 23.7.2004, FZ. 03 27.124-BAI, gemäß § 7 AsylG stattgegeben und ihr gemäß § 12 AsylG der Flüchtlingsstatus zuerkannt. Dieser Bescheid wurde der Mutter der Antragstellerin am 29.08.2008 zugestellt und erwuchs damit in Rechtskraft.
Der Asylgerichtshof hat durch den zuständigen Richter wie folgt festgestellt:
Die Beschwerdeführerin ist die Tochter der A.S., deren Asylantrag mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.7.2004, FZ. 03 27.124-BAI, gemäß § 7 AsylG abgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Mutter der Beschwerdeführerin nach Armenien gemäß § 8 AsylG zulässig sei und gemäß § 8 Abs 2 AsylG die Ausweisung verfügt. Der dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 28.08.2008, Zahl D3 252045-0/2008, stattgegeben und der Mutter der Beschwerdeführerin Asyl zuerkannt.
Die Beschwerdeführerin ehelichte am 00.00.2007 nach jezidischem Brauch U.K.. Eine standesamtliche Hochzeit fand bis dato nicht statt. Die Beschwerdeführerin ist nach wie vor minderjährig.
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den dem Asylgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakten des Beschwerdeführers und ihrer Mutter.
Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 75 AsylG 2005 BGBl. I Nr. 100/2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetztes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.
Gemäß § 75 Abs 7 Z 1 AsylG 2005 sind Verfahren, welche am 01.07.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängig und einem Mitglied des Unabhängigen Bundesasylsenats zugeteilt waren, welches als Richter des Asylgerichtshofes ernannt wurde, von diesem als Einzelrichter weiterzuführen, soweit eine mündliche Verhandlung bereits stattgefunden hat.
Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt.
Da gegenständlicher Asylantrag am 08.09.2003 gestellt wurde, war er nach der Rechtslage des AsylG 1997 idF 126/2002 unter Beachtung der Übergangsbestimmungen, woraus sich die gegenständliche Zuständigkeit ergibt, zu beurteilen.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG stellen Familienangehörige eines Asylberechtigten einen Antrag auf Gewährung desselben Schutzes. Für Ehegatten gilt dies überdies nur dann, wenn die Ehe spätestens innerhalb eines Jahres nach der Einreise des Fremden geschlossen wird, der den ersten Asylantrag eingebracht hat.
Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG hat die Behörde aufgrund eines Antrags eines Familienangehörigen eines Asylberechtigten mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) BGBl. Nr. 210/1958 mit den Angehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.
Gemäß § 1 Z 6 AsylG ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind (Kernfamilie) eines Asylwerbers oder eines Asylberechtigten ist.
Die Unmöglichkeit der Fortsetzung des Familienlebens in einem anderen Staat wird in der Regel dann gegeben sein, wenn kein anderer Staat ersichtlich ist, der dem Asylberechtigten und seinem Angehörigen Asyl oder eine dem Asylrecht entsprechende dauernde Aufenthaltsberechtigung gewährt.
Diese Voraussetzungen sind im gegenständlichen Fall erfüllt, zumal die Beschwerdeführerin nicht standesamtlich verheiratete ist und nach der Rechtssprechung des EGMR zwischen der minderjährigen Beschwerdeführerin und ihren Eltern jedenfalls ein Familienleben besteht. Damit liegt bei der Beschwerdeführerin das gemäß § 10 Abs. 2 AsylG zu erbringende Erfordernis, nämlich die einem Angehörigen im Sinne des Absatz 2 dieser Bestimmung betreffende Asylgewährung vor. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte, wonach der Beschwerdeführerin mit ihrer Familie ein Familienleben in einem anderen Staat zumutbar ist oder möglich wäre, sodass Asyl im Wege der Asylerstreckung zu gewähren war.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.