TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/09 A5 317121-1/2008

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Veröffentlicht am 09.09.2008
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Spruch

A5 317.121-1/2008/3E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. SCHREFLER-KÖNIG als Vorsitzende und die Richterin Mag. UNTERER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin VB Wilhelm über die Beschwerde des C.O., geb. 00.00.1986, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.1.2008, FZ. 06 11.338-BAT, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde des C.O. wird gemäß § 3 Abs .1 AsylG 2005 abgewiesen.

 

II Gemäß § 8 Abs.1 .Z. 1 AsylG 2005 wird C.O. der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria nicht zuerkannt.

 

III Gemäß § 10 Abs.1 Z. 2 AsylG 2005 wird C.O. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe

 

I. Verfahrensgang

 

I.1. Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von internationalem Schutz vom 23.10.2006 abgewiesen, ihm den Status des Asylberechtigten und den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria nicht zuerkannt und diese Entscheidung mit einer Ausweisung verbunden.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde. Mit 1.7. 2008 wurde gegenständliche Beschwerdeangelegenheit dem nunmehr erkennenden Senat des Asylgerichtshofes zur Entscheidung zugewiesen.

 

I.3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 41 Abs.7 AsylG 2005 aufgrund des aus der Aktenlage als geklärt anzusehenden Sachverhalts Abstand genommen (siehe dazu auch Begründung unter Punkt II.3).

 

I.4. Der Beschwerdeführer wurde in Österreich zwei Mal rechtskräftig wegen Verstoßes gegen das Suchmittelgesetz verurteilt.

 

II Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

II.1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria und trägt den im Spruch angeführten Namen.

 

II.1.2. Er reiste am 23.10.2006 illegal nach Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz.

 

II.1.3. Am Tag der Antragstellung wurde der nunmehrige Beschwerdeführer von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen und gab an, Mitglied der MASSOB zu sein und in Nigeria für einen eigenen Staat zu kämpfen. Er habe Probleme mit der Polizei gehabt. Die Polizei nehme alle MASSOB- Mitglieder fest und tötete sie dann. Manche würden auch einfach spurlos verschwinden. Der nunmehrige Beschwerdeführer habe aber rechtzeitig flüchten können.

 

II.1.4. Am 31.10. 2006 führte die belangte Behörde eine niederschriftliche Einvernahme mit dem nunmehrigen Beschwerdeführer durch. Als Fluchtgrund bekräftigte der Genannte seine Mitgliedschaft bei der MASSOB, deren Angehörige auf Geheiß der Regierung erschossen werden sollten. Auch er solle getötet werden und sei zur Verhaftung ausgeschrieben worden. Die Polizei habe Fotos von allen Mitgliedern und würden sie steckbrieflich gesucht. Zudem sei die Polizei korrupt. Über Nachfrage, was die MASSOB mache, meinte der nunmehrige Beschwerdeführer, dass sie "nichts mache, außer Biafra zu haben". Er selbst wolle dies auch und sei daher zur Jugendorganisation dieser Organisation gegangen und habe sich registrieren lassen. Er habe keine Funktion innerhalb der MASSOB ausgeübt, sondern lediglich an Demonstrationen teilgenommen.

 

Über Nachfrage der belangten Behörde vermochte der Beschwerdeführer weder Angaben über den Begriff "Voice of Biafra" zu machen noch konnte er mit dem Begriff " VOBI" etwas anfangen. Auch Liedtexte wusste er im Zuge der Einvernahme keine wiederzugeben. Zum Verbleib seines Mitgliedsausweises gab der nunmehrige Beschwerdeführer zu Protokoll, diesen verloren zu haben. Der Auftrag der Regierung, die MASSOB- Mitglieder zu töten, sei im Jahr 2005 ergangen, er habe aber erst 2006 seine Heimat verlassen, weil seine Mitgliedschaft erst zu diesem Zeitpunkt bekannt geworden sei. Er könne nicht angeben, so der Beschwerdeführer weiter, wann und wo er an Demonstrationen teilgenommen habe, es sei jedenfalls in Aba State gewesen, wo auch er herkomme.

 

II.1.5. Am 27.2.2007 fand eine weitere niederschriftliche Einvernahme vor der belangten Behörde statt. Zu seinen persönlichen Verhältnissen befragt, gab der nunmehrige Beschwerdeführer an, dass sein Vater verstorben sei, als er noch ein Kind gewesen sei und er mit seiner Mutter und seiner Schwester zusammen gelebt habe. Sie hätten ihre eigene Landwirtschaft betrieben.

 

Weiters führte der nunmehrige Beschwerdeführer aus, er sei seit dem Jahr 2005 als Mitglied der MASSOB registriert gewesen, seine Aufgabe habe darin bestanden, überall die Fahne aufzustellen. Über Vorhalt, dass er bei der ersten Einvernahme von einer Registrierung bei einer MASSOB - Jugendorganisation gesprochen habe, meinte der Genannte, er habe noch nie gehört, dass die MASSOB eine Jugendorganisation habe. Im Jahr 2005 habe die Regierung ein Verbot der MASSOB ausgesprochen und die Polizei angewiesen, alle Treffen von Mitgliedern zu unterbinden und die Versammlungen aufzulösen. Sogar die Bevölkerung bekäme eine Belohung, wenn sie Mitglieder verrate. Auch Freunde des Beschwerdeführers seien verhaftet und getötet worden.

 

Der Beschwerdeführer betonte, selbst nie von der Polizei kontrolliert worden zu sein. Die Demonstrationen hätten überall stattgefunden, zuletzt habe er Mitte 2006 in Aba an einer solchen Demonstration teilgenommen. Es sei zu Ausschreitungen gekommen. Die Polizei habe bei den Demonstrationen Fotos gemacht und habe daher gewusst, dass er Mitglied der MASSOB sei.

 

Über Vorhalt der belangten Behörde, wonach aus diversen Berichten hervor käme, dass einfache Mitglieder nicht verfolgt würden, beharrte der nunmehrige Beschwerdeführer auf seinem Standpunkt, dass auch einfache Mitglieder getötet würden, um die gesamte Organisation zu schwächen.

 

Über Nachfrage, woher er denn wisse, dass die Polizei sein Foto habe und hergezeigt habe, meinte der nunmehrige Beschwerdeführer, dass seine Mutter und Nachbarn ihm dies erzählt hätten.

 

Die belangte Behörde hielt dem Beschwerdeführer zum Abschluss der Einvernahme Feststellungen zur Situation der MASSOB in Nigeria vor. Der Beschwerdeführer meinte dazu, dass diese Angaben richtig seien, bloß sei nicht geschrieben worden, dass Mitglieder auch getötet würden.

 

II.1.6. Die belangte Behörde wies den Antrag des nunmehrigen Beschwerdeführers auf Gewährung von internationalem Schutz ab und begründete ihre Entscheidung zusammengefasst mit der fehlenden Glaubwürdigkeit. Seine Ausführungen seien während des gesamten Verfahrens vage und abstrakt und zudem widersprüchlich gewesen.

 

So habe sich der Beschwerdeführer in Bezug auf die Angaben zu seinem Fluchtweg widersprochen. So habe er bei seiner Erstbefragung noch behauptet, mit zwei Schiffen unterwegs gewesen zu sein und zwar mit dem ersten nur zwei Tage und mit dem zweiten, welches viel größer gewesen sei, ca. drei Wochen. Bei der Einvernahme vor der belangten Behörde am 27.2.2007 habe er demgegenüber behauptet, nur mit einem Schiff gefahren zu sein. Über Vorhalt dieser Divergenzen habe er sich lediglich darauf zurückgezogen, das nie gesagt zu haben.

 

Ebenso habe der Beschwerdeführer zu seiner Registrierung als MASSOB Mitglied einmal vorgebracht, bei der örtlichen Jugendorganisation vorstellig geworden zu sein, während er im späteren Verlauf des Verfahrens die Existenz einer solchen Organisationseinheit ausdrücklich verneint habe.

 

Die belangte Behörde führte in der Bescheidbegründung weiters aus, dass es denkunmöglich sei, dass die Polizei bei der Demonstration Fotos vom Beschwerdeführer gemacht habe, anhand derer sie ihn identifiziert hätten, zumal an den Demonstrationen tausend Demonstranten teilgenommen hätten und eine Zuordenbarkeit von hunderten Bildern zu konkreten Namen ausgeschlossen sei.

 

Weiters verwies die belangte Behörde zur Begründung der Abweisung des Antrages des nunmehrigen Beschwerdeführers auch auf diverse Berichte, aus denen sich ergäbe, dass einfache Mitglieder keiner Verfolgung ausgesetzt seien. Würde die nigerianische Regierung tatsächlich tausende von Menschen töten, würde dies der internationalen Staatengemeinschaft sicher nicht verborgen bleiben.

 

Insgesamt seien die Angaben des nunmehrigen Beschwerdeführers somit aus objektiver Sicht nicht nachvollziehbar.

 

II.1.7. Der Beschwerdeführer bekämpfte die Entscheidung der belangten Behörde fristgerecht mittels Berufung (ab 1.7.2008: Beschwerde) in vollem Umfang. Zu den widersprüchlichen Angaben zu seinem Fluchtweg verwies der Genannte darauf, dass seine Reise schlepperunterstützt erfolgt und er daher die meiste Zeit versteckt gewesen sei. Zum Reiseweg könne er daher nur "große" Angaben machen.

 

Zu den Widersprüchen und Ungereimtheiten in Bezug auf seine Mitgliedschaft bei der MASSOB führte der Beschwerdeführer zunächst aus, dass die MASSOB politische Ziele mit friedlichen Mitteln durchsetzen wolle und sich damit zum Ziel von Verfolgungshandlungen mache.

 

Die belangte Behörde habe es überdies verabsäumt, die Widersprüche in Verhältnis zum Bildungsgrad des Beschwerdeführers zu setzen.

 

Der Beschwerdeführer verwies im Schriftsatz auf die Stellung Nigerias in Westafrika und betonte, dass die Bevölkerung unter Armut zu leiden habe, da Einnahmen aus den Ölgewinnen in die Taschen der Politiker wanderten.

 

Die belangte Behörde habe nicht berücksichtigt, dass er aufgrund seiner Teilnahme an Demonstrationen als Unruhestifter eingestuft werde und mit einer unverhältnismäßig hohen Strafe zu rechnen habe.

 

Zur innerstaatlichen Fluchtalternative führte der Beschwerdeführer aus, dass es für die Sicherheitskräfte aufgrund seiner Volkszugehörigkeit leicht wäre, ihn ausfindig zu machen.

 

Der Beschwerdeführer beantragte die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in eventu die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zum Beweis seiner Glaubwürdigkeit.

 

II.2. Zur Lage in Nigeria

 

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu Nigeria werden zum Gegenstand des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes erhoben.

 

II.3. Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung

 

II.3.1. Gemäß § 28 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 2008/4, nimmt der Asylgerichtshof mit 1.7.2008 seine Tätigkeit auf. Das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, tritt mit 1.7.2008 außer Kraft.

 

II.3.2.Gemäß § 23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, sofern sich aus dem Bundes- Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. I/1930, dem Asylgesetz 2005, AsylG 2005, BGBl. Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985- VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991- AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs " Berufung" der Begriff " Beschwerde" tritt.

 

II.3.3.Gemäß § 9 leg.cit. entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, sofern bundesgesetzlich nicht die Entscheidung durch Einzelrichter oder verstärkte Senate (Kammersenate) vorgesehen ist.

 

II.3.4. Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes. Gemäß Abs. 3 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4, wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 und wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowie über die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

II.3.5. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

II.3.6. Gemäß § 41 Abs.7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67d AVG.

 

II.3.7. Gemäß § 18 Abs. 1 AsylG 2005 haben das Bundesasylamt und der Asylgerichtshof in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amtswegen beizuschaffen. Gemäß Abs. 2 ist im Rahmen der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens eines Asylwerbers auf die Mitwirkung im Verfahren Bedacht zu nehmen.

 

II.3.8. Gemäß § 15 AsylG 2005 hat ein Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken; insbesondere hat er ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Weiters hat er bei Verfahrenshandlungen und Untersuchungen durch einen Sachverständigen persönlich und rechtzeitig zu erscheinen, und an diesen mitzuwirken sowie unter anderen auch dem Bundesasylamt oder dem Asylgerichtshof alle ihm zur Verfügung stehenden Dokumente und Gegenstände am Beginn des Verfahrens, oder soweit diese erst während des Verfahrens hervorkommen oder zugänglich werden, unverzüglich zu übergeben, soweit diese für das Verfahren relevant sind.

 

Im gegenständlichen Fall liegen die genannten Voraussetzungen des § 41 Abs.7 AsylG 2005 für den Entfall einer mündlichen Verhandlung vor.

 

Die belangte Behörde hat ein im beschriebenen Sinne ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und enthält der Beschwerdeschriftsatz zudem kein Vorbringen, das geeignet wäre, die in der schlüssigen Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides zum Ausdruck kommende Beurteilung der belangten Behörde zu entkräften oder in Zweifel zu ziehen. Der verfahrensrelevante Sachverhalt ist daher nach dem Dafürhalten des Asylgerichtshofes als aus der Aktenlage als geklärt anzusehen.

 

Nach ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. VwGH vom 23.1.2003, Zl. 2002/20/0533, VwGH vom 2.3.2006, Zl. 2003/20/0317, kann nur dann angenommen werden, dass ein Sachverhalt nicht aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung (nunmehr Beschwerde) als geklärt anzusehen ist, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder der Berufungsbehörde ergänzungsbedürftig oder in einem entscheidenden Punkt nicht richtig erscheint, wenn rechtlich relevante Neuerungen vorgetragen werden oder wenn die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will.

 

Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall des Beschwerdeführers nicht vor.

 

Der Asylgerichtshof erachtet es des Weiteren im gegenständlichen Fall nicht für notwendig, die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes um zusätzliche (über bloße Zusatzbemerkungen oder Eventualausführungen hinausgehende) eigene Argumente zu ergänzen. Nach der Rechtssprechung des VwGH widerspräche lediglich diese Notwendigkeit der Annahme eines hinreichend geklärten Sachverhaltes mit der Folge, dass von einer mündlichen Verhandlung nicht Abstand genommen werden dürfte (vgl. VwGH vom 30.9.2004, Zl. 2001/20/0140).

 

II.3.9. Gemäß § 66 Abs.4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Auf die unter II.3.2. zitierte Bestimmung des § 23 AsylGHG, derzufolge die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, wird hingewiesen.

 

II.3.10. Der Beschwerdeführer hat den Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz am 23.10.2006 gestellt. Daher gelangen im gegenständlichen Verfahren die Bestimmungen des AsylG 2005 vollumfänglich zur Anwendung.

 

II.3.11. Zu Spruchpunkt I

 

Gemäß § 3 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist und glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK (idF des Art. 1 Abs.2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4. 1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr -Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.2.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

 

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

 

Der Asylgerichtshof gelangt zur Auffassung, dass die beschriebenen Voraussetzungen für eine Asylgewährung im Fall des Beschwerdeführers nicht vorliegen und teilt die Beurteilung der belangten Behörde in Bezug auf die fehlende Glaubwürdigkeit der Angaben des Genannten vollinhaltlich.

 

Es ist der belangten Behörde somit darin beizupflichten, dass die präsentierte Fluchtgeschichte konstruiert wirkt und ausschließlich den Zweck verfolgt, den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich, zumindest vorübergehend, zu legalisieren. Die belangte Behörde hat ihre Erwägungen im Detail im angefochtenen Bescheid dargelegt und insbesondere sämtliche während des Verfahrens aufgetretenen Widersprüche dargelegt sowie auch die sonstigen Antworten des Beschwerdeführers vor dem Hintergrund der Nachvollziehbarkeit gewürdigt. Diese Ausführungen werden an dieser Stelle nicht wiederholt, sondern vielmehr seitens des Asylgerichtshofes darauf verwiesen.

 

Der Beschwerdeführer ist dieser schlüssigen und umfassenden Argumentation des Bundesasylamtes in seiner Beschwerde nicht ansatzweise substantiiert entgegen getreten. So zeichnet sich der Schriftsatz in erster Linie durch zahlreiche Ausführungen zur allgemeinen Lage in Nigeria aus - z.B. der Hinweis auf den Umstand, dass die Einnahmen aus den Ölgeschäften nicht der Bevölkerung zugute kämen -, ohne auch nur einen konkreten Bezug zur Lage des Beschwerdeführers selbst herzustellen.

 

Dasselbe gilt für die knapp gehaltenen Hinweise auf die MASSOB, deren Existenz und Aktivitäten von der belangten Behörde nicht geleugnet werden. Vielmehr hat die belangte Behörde argumentiert, warum sie nicht davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer davon betroffen war.

 

Wenn der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorhält, sie hätte seine widersprüchlichen Aussagen in Relation zu seinem Bildungsgrad setzen müssen, so geht diese Feststellung ins Leere. Soweit der Beschwerdeführer etwa vor der belangten Behörde über seine angebliche Registrierung bei der MASSOB in völlig divergierender Weise berichtet, zeigt dies, dass der Genannte das Geschilderte nicht erlebt haben kann. Die Erinnerung an bestimmte Abläufe und Gegebenheiten und deren übereinstimmende Wiedergabe hat nichts mit der Frage der Schulbildung zu tun.

 

Nachdem die belangte Behörde in nachvollziehbarer Weise dargelegt hat, dass sie - abgesehen von den Widersprüchen - das Vorbringen des Beschwerdeführers auch deshalb für unglaubwürdig erachtet, weil nicht vorstellbar sei, dass die Polizei im Zuge der Demonstrationen ein Foto vom Beschwerdeführer angefertigt habe und dieses Bild der Person des Genannten einfach zuordnen könne, kann ihr auch nicht mit Erfolg vorgeworfen werden, sie hätte der Frage nachgehen müssen, mit welchen Konsequenzen der Beschwerdeführer alleine aufgrund seiner Teilnahme an den Demonstrationen zu rechnen gehabt hätte. Dass die Teilnahme an den Demonstrationen in Zweifel zu ziehen ist, ergibt sich für den Asylgerichtshof weiters klar aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer nicht einmal imstande war, Daten und Örtlichkeiten solcher Aufmärsche zu bezeichnen. Sein diesbezügliches Wissen beschränkte sich auf die Namhaftmachung einiger Bundesstaaten, ohne freilich nähere Umstände angeben zu können.

 

Der Beschwerdeführer ist weiters auch dem Argument, als einfaches Mitglied nach den Länderberichten keiner Verfolgung ausgesetzt zu sein, nicht substantiiert entgegen getreten und hätte die Möglichkeit gehabt, sowohl Bescheinigungsmittel für seine Mitgliedschaft als auch für die behauptete Suche durch die Polizei vorzulegen.

 

Insgesamt ergeben sich für den Asylgerichtshof keine Zweifel an der Stichhaltigkeit der Begründung der belangte Behörde bzw. der mangelnden Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers. Die Voraussetzungen für eine Asylgewährung sind daher nicht erfüllt.

 

II.3. 12. Zu Spruchpunkt II

 

Gemäß § 8 Abs.1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Der Asylgerichtshof hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Beschwerdeführers in sein Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336).

 

Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

Im Sinne der Judikatur des EGMR und des darauf in seiner Rechtssprechung Bezug nehmenden VwGH - vgl. etwa VwGH vom 23.9.2004, Zl. 2004/21/0134 mit weiteren Nachweisen - hat die entsprechende Prüfung von Refoulementschutz dahin gehend zu erfolgen, ob im Herkunftsstaat des Antragstellers eine derart extreme Gefahrenlage herrscht, dass praktisch jedem, der in diesen Staat abgeschoben wird, Gefahr für Leib und Leben in einem Maße droht, dass die Abschiebung im Lichte des Art. 3 EMRK unzulässig erschiene.

 

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den der Fremde abgeschoben werden soll, genügt nach der ständigen Rechtssprechung des VwGH (vgl. E vom 1.7.1999, Zl. 97/21/0804, E. vom 9.5.2003, Zl. 1998/18/0317), nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde.

 

Im Fall des Beschwerdeführers konnten keine derart exzeptionellen Umstände festgestellt werden, die der Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK gleichzuhalten wären. Der Beschwerdeführer selbst hat auch von sich aus während des gesamten Verfahrens keine Angaben getätigt, die einen Hinweis auf eine solche Verletzung geben würden.

 

II.3.13. Zu Spruchpunkt III

 

Gemäß §10 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen unzulässig, wenn dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Im konkreten Fall kommt dem Beschwerdeführer weder ein solches Aufenthaltsrecht zu noch konnte festgestellt werden, dass der Genannte im Fall seiner Ausweisung in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Privat- und Familienleben verletzt würde.

 

In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu beachten, dass der Beschwerdeführer seit Oktober 2006 in Österreich aufhältig ist und während seines Aufenthalts in Österreich keine Verfestigungs - oder Integrationstatbestände verwirklicht wurden. Solche wurden auch vom Beschwerdeführer selbst nicht behauptet. Vielmehr ist beachtlich, dass der Genannte während des bloß zwei jährigen Aufenthalts bereits zwei Mal rechtskräftig wegen Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz verurteilt wurde. Alleine daraus ergibt sich klar ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Ausreise des Genannten.

 

Ein in Österreich bestehendes Familienleben konnte vom Asylgerichtshof weder festgestellt werden noch wurde das Bestehen eines solchen vom Beschwerdeführer selbst im Beschwerdeschriftsatz behauptet.

 

Die Ausweisungsentscheidung der belangten Behörde steht somit im Einklang mit den gesetzlichen Voraussetzungen und war daher zu bestätigen.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, non refoulement, strafrechtliche Verurteilung
Zuletzt aktualisiert am
30.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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