C6 204.289-0/2008/44E
SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG
DES VOM UNABHÄNGIGEN BUNDESASYLSENAT IN DER MÜNDLICHEN VERHANDLUNG
AM 7.4.2008 VERKÜNDETEN BESCHEIDS
SPRUCH
Der unabhängige Bundesasylsenat hat durch das Mitglied Mag. Judith PUTZER gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 38 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idgF entschieden (Bescheiderlassung durch Verkündung in der Verhandlung am 7.4.2008)
Der Berufung von Y.H. vom 22.7.1998 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 7.7.1998, Zahl: 98 03.352-BAW, wird stattgegeben und Y.H. gemäß § 7 AsylG Asyl gewährt. Gemäß § 12 leg cit wird festgestellt, dass Y.H. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
BEGRÜNDUNG
I. Verfahrensgang:
Am 19.5.1998 stellte der Berufungswerber, seinen Angaben zu Folge türkischer Staatsbürger und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe, in Österreich einen Asylantrag. Der Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 7.7.1998, Zahl 98 03.352-BAW, gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen. Unter Spruchpunkt II dieses Bescheides wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Berufungswerbers in die Türkei zulässig ist.
Begründend führte das Bundesasylamt hierzu aus:
"Ihr Vorbringen, Sie hätten eine Bestrafung in ihrer Heimat deshalb zu erwarten, weil Sie es ablehnen, den Wehrdienst abzuleisten, kann nicht zur Asylgewährung führe. Beim Militärdienst handelt sich um eine Pflicht, die jeder Staat seinen Bürgern auferlegen kann. Die Flucht eines Asylwerbers vor einem drohenden Militärdienst indiziert ebenso wenig die Flüchtlingseigenschaft wie die Furcht vor einer wegen Desertion oder Wehrdienstverweigerung drohenden, unter Umständen auch strengen Bestrafung (vgl. Erk. des VwGH v. 10.3.1994, Zl. 94/19/0257) Da sie nicht dargetan haben, daß sie ausschließlich wegen Ihrer Nationalität oder Ihrer politischen Gesinnung einberufen wurden oder daß mit Ihrer Einberufung eine asylrelevante Verfolgung beabsichtigt gewesen wäre, oder daß Ihnen eine ungleich höhere Strafe als Deserteuren bzw. Wehrdienstverweigerern anderer Nationalitäten drohte, kann nicht davon ausgegangen werden, daß es sich dabei um eine gegen Sie gerichtete Verfolgungshandlung aus einem der im § 1 Asylgesetz 1997 aufgezählten Gründe handelte.
Das Bundesasylamt gelangt nach eingehender rechtlicher Würdigung zur Ansicht, daß es nicht glaubhaft ist, daß es Ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung droht und ist Ihr Asylantrag aus diesem Grund abzuweisen."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende fristgerechte Berufung.
Die Berufungsbehörde erhob Beweis durch die Einsichtnahme in folgende Dokumente:
Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei (Stand Jänner 2007);
Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei (Stand September 2007);
Schweizerische Flüchtlingshilfe, Türkei. Zur aktuellen Situation - Mai 2006;
Home Office, Operational Guidance Note Turkey, 11 July 2006;Schweizerisches Bundesamt für Migration, Focus Türkei - Folter und Misshandlung, 8. März 2007
M.Ö., Gutachten über allfällige asyl- oder non-refoulement-relevante Sachverhalte iVm dem Wehrdienst beim türkischen Militär;
Mag. M.A., Gutachten ursprünglich erstattet an den unabhängigen Bundesasylsenat zur Zahl 224.338 am 21.3.2006;
EGMR, Urteil im Fall ÜLKE gg Türkei (Requete n. 39437/98)
Schweizerisches Bundesamt für Migration, Focus Türkei - Folter und Misshandlung, 8. März 2007
und führte am 14.5.2007 und am 7.4.2008 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung gemäß § 67d AVG unter Beiziehung eines Sachverständigen für die aktuelle politische Lage in der Türkei durch, an der das Bundesasylamt nicht teilgenommen hat.
II. Der unabhängige Bundesasylsenat hat erwogen:
1. Folgender Sachverhalt steht fest:
1.1. Zur Person des Berufungswerbers:
1.1.1. Der Berufungswerber ist türkischer Staatsangehöriger und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe. Er stammt aus der Provinz Konya. Von 1980 bis 1996 lebte der Berufungswerber gemeinsam mit seiner Familie in Österreich; besuchte während dieser Zeit die Volks- und Hauptschule und hat den Beruf des Bäckers erlernt. Seine Eltern, Geschwister, Kinder und seine Ex-Frau leben nach wie vor im Bundesgebiet.
Um einer Strafverfolgung wegen Diebstahls zu entkommen kehrte der Berufungswerber im Sommer 1996 in seine Heimat zurück, wo er sich in seinem Heimatdorf C. aufhielt und als Landwirt tätig war. Ende Dezember 2007 kamen zwei Soldaten zum Berufungswerber nach Hause und forderten ihn auf, den Militärdienst abzuleisten. Die Soldaten forderten ihn auf, sich in einer Woche in der Kaserne zu melden. In dieser Kaserne absolvierte der Berufungswerber Anfang 1998 seine dreimonatige Grundausbildung. Vom dortigen Kommandant wurde ihm zugesichert, dass er - aufgrund seiner Sprachkenntnisse - im Bereich um Antalya eingesetzt werde. Nach Abschluss der Grundausbildung wurde ihm mitgeteilt, dass er nicht - wie vereinbart - nach Antalya sondern nach Sirnak verlegt werde. Da er sich weigerte, dieser Aufforderung Folge zu leisten, wurde er für fünf Tage in Militärhaft genommen. Nach seiner Haftentlassung begab sich der Berufungswerber in das Dorf seiner Großmutter. In diesem Dorf leben Kurden, die im kurdischen Gebiet eingesetzt wurden, wobei einige von ihnen verletzt wurden und einige von ihnen noch immer an den traumatischen Ereignissen leiden. Diese erzählten dem Berufungswerber, dass Soldaten im Kurdengebiet immer in Todesangst leben und die Verpflegung äußerst karg sei; man bekomme nur das zu Essen was man selbst in der Gegend finde. Daraufhin hat der Berufungswerber beschlossen, den Militärdienst nicht abzuleisten und seine Heimat zu verlassen.
In Abwesenheit des Berufungswerbers wurde Anklage beim Militärgericht erhoben. Gegen den Berufungswerber besteht in der Provinz Sirnak ein Haftbefehl, der landesweit Gültigkeit besitzt. Dieser Haftbefehl wird - um eine Verjährung zu vermeiden - ständig erneuert.
Der Berufungswerber wurde in Österreich zu mehreren Haftstrafen verurteilt.
1.2. Zum Herkunftsstaat des Berufungswerbers:
1.2.1. Provinz Sirnak:
Die Provinz Sirnak ist bereits seit längerer Zeit Kriegsgebiet. Der einseitige Waffenstillstand von Seiten der PKK gilt nicht mehr; beide Parteien - die PKK und das türkische Militär - befinden sich im Kriegzustand. Das türkische Militär operiert täglich sowohl mit der Luftwaffe als auch mit den Bodentruppen. In den türkischen Medien sieht man fast täglich tote Soldaten und kurdischen Kämpfer. Die Provinz Sirnak hatte für die türkische Armee immer eine Sonderstellung, da sich dort viele türkische Offiziere am Erdöl bereichert haben. Diesen "Ausnahmezustand" haben die Generäle bewusst bis zum heutigen Tage aufrechterhalten; dies deshalb, damit keine Untersuchungen über diese "dunklen" Geschäfte gemacht werden können. Eine zeitlang ist dies zwischen türkischen und kurdischen Medien als ein eigenes "Regime" bezeichnet worden und auch als Regierung von Sirnak. Der einseitige Waffenstillstand hat mit dem Beschluss der türkischen Regierung, die den Militäreinsatz im Nordirak gegen die PKK genehmigt hat, geendet.
Die derzeitige Position der Kurden im Nordirak wurde moralisch gesehen von den Kurden in der Türkei unterstützt. Die Kurden im Nordirak werden vom türkischen Staat wegen den Unabhängigkeitsbestrebungen der Kurden in der Türkei sehr schlecht behandelt. Diese versuchen, dass die Turkmenen in Kirkuk die Oberhand bekommen und somit auch vom türkischen Staat finanziert und unterstützt werden. Bis die Amerikaner versucht haben den jetzigen irakischen Staatspräsident dazuzubewegen, in die Türkei einzureisen, hat es ist immer ein politischer Kampf zwischen türkischem Staat und kurdischer Führung im Nordirak gegeben; gleichzeitig hat der amerikanischer Präsident auch die türkische Regierung unter Druck gesetzt, damit der irakische Präsident in die Türkei eingeladen wird. Seitdem hat sich die Politik zwischen der türkischen Führung und der irakischen Regierung verbessert, nicht jedoch mit der kurdischen Führung im Nordirak (Barsani). Barsani wird vorgeworfen, dass er die PKK unterstützt; dass die kurdischen Kämpfer, die verletzt werden, im Nordirak behandelt werden und dass sie auch Lebensmittel und Waffen über den Nordirak erhalten. In den türkischen Medien wird Barsani immer wieder als Terrorist beschimpft und beleidigt.
1.2.2 Wehrdienst/Militärstrafrecht:
1.2.2.1. Artikel 24 Abs 1 der türkischen Verfassung sichert das Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit. Art 24 Abs 1 türkVerf lautet: "Jedermann genießt das Recht auf Freiheit des Gewissens, der religiösen Anschauung und Überzeugung." Im Artikel 72 dieses Dokuments heißt es: "Der Vaterlandsdienst ist Recht und Pflicht jedes Türken. In welcher Weise dieser Dienst in den Streitkräften oder im öffentlichen Sektor erfüllt wird oder als erfüllt gilt, wird durch das Gesetz geregelt". Daraus ist zu entnehmen, dass auch Ersatzdienst in der Türkei möglich ist.
Artikel 1 des Militärgesetzes verpflichtet alle männlichen Bürger zum Wehrdienst und setzt die Pflicht gegenüber dem Vaterland und den Wehrdienst gleich. Damit bestehen Optionen für Personen, nachdem sie vierzig Tage ihre Grundausbildung geleistet haben, in ihrem zivilen Beruf den Militärdienst weiter zu erfüllen. Davon erfasst sind meistens Lehrer und Gesundheitspersonal im Osten der Türkei, wo bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen der PKK und den türkischen Sicherheitskräften andauern. Auch Personen, deren Verwandtschaft zu gefallenen Soldaten nachgewiesen wird, (zB der jüngere Bruder) können von der Wehrpflicht befreit werden.
Die Wehrdienstpflichtigen werden bei ihrer Grundausbildung theoretisch und praktisch geschult. Im theoretischen Bereich müssen sie Unterrichtseinheiten besuchen, wobei sie zu einer Indoktrinierung und Assimilation, falls sie ethisch gesehen nicht Türken sind und die türkische Sprache nicht perfekt beherrschen, gezwungen werden. Der Unterricht wird nach vierzig Tagen fortgesetzt, sodass behauptet werden kann, dass ein ideologischer und kultureller Druck, insbesondere auf Wehrdienstpflichtige, die nicht Türken sind, bis zum Ende ihres Wehrdienstes andauert.
Eine Wehrdienstverweigerung, aus welchem Grund auch immer, wird strengstens abgelehnt und strafrechtlich verfolgt. Artikel 45 des türkischen MilStGb besagt: "Erachtet eine Person aus Gewissens-Glaubensgründen eine Handlung oder das Unterlassen einer Handlung für notwendig, so steht dies einer Verurteilung nicht entgegen."
Damit wird Wehrdienstverweigerung aus Gewissens- und Glaubensgründen unmissverständlich abgelehnt. Personen, die aus Gewissensgründen den Wehrdienst verweigern, stehen regelmäßig vor einem Militärgericht und wurden auch verurteilt.
Grundsätzlich muss sich jeder türkische Staatsbürger nach Vollendung seines 20. Lebensjahres einer doppelten Musterung unterziehen und sich unweigerlich zu seiner Einheit begeben. Tut er dies nicht, wird er nach Art 63 des MilStGB bestraft. Diese Bestimmung lautet:
"Für die, die sich entziehen und dann innerhalb von 7 Tagen freiwillig zum Dienst erscheinen, einen Monat Gefängnisstrafe; für die, die sich bis zu 7 Tagen entziehen und innerhalb dieser Frist verhaftet werden, 3 Monate Gefängnis; für die, die sich entziehen und dann innerhalb von 3 Monaten freiwillig erscheinen, 3 Monate bis 1 Jahr Gefängnis; für die, die sich bis zu 3 Monaten entziehen und innerhalb dieser Frist verhaftet werden, 4 Monate bis 1 Jahr Gefängnis; für die, die sich entziehen und erst nach Ablauf von 3 Monaten freiwillig erscheinen, 4 Monate bis 2 Jahre Gefängnis; für die, die sich entziehen und erst nach Ablauf von 3 Monaten verhaftet werden, 6 Monate bis 3 Jahre Gefängnis".
Art 5 des Militärgesetzes verpflichtet alle Staatsbürger, ihre Wehrpflicht zu leisten. Diesbezügliche Vergehen unterliegen nicht der Verjährung (Art 49 MilStGB). Kommt es zu weiterer Verweigerung, wird die Person, wie aus dem Urteil des EGMR in der Sache Ülke gegen die Türkei hervorgeht, immer wieder verhaftet und verurteilt. Diesbezüglich sind auch die Artikel 87 und 88 desselben Strafgesetzbuches relevant, die "Beharren auf Ungehorsam" und "Ungehorsam vor versammelter Mannschaft" als Straftatbestand vorsehen.
1.2.2.2. Während der militärstrafrechtlichen Haft, die in eigenen Militärgefängnissen zu verbüßen ist, kommt es häufig zur unmenschlichen Behandlung der Inhaftierten. Dies ergibt sich beispielsweise aus einem Zeitungsbericht der türkischen Zeitung "Radikal" vom 22. März 2005, wonach ein Deserteur während der Haft umgebracht wurde.
1.2.2.3. Begründet der Wehrdienstpflichtige seine Verweigerung mit ethnischen Gründen, droht ihm eine Anklage wegen Unterstützung des Separatismus und Terrorismus und er wird nach Art 8 des türkischen Antiterrorgesetzes vor Gericht gestellt. In einem solchen Fall ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von einer unmenschlichen Behandlung des Inhaftierten auszugehen.
1.2.2.4. Weiters werden Kurden bei den andauernden militärischen Auseinandersetzungen der PKK mit den türkischen Sicherheitskräften auch tatsächlich eingesetzt. Widersetzt sich die Person, eine unmenschliche Handlung zu begehen oder Taten gegen die Menschlichkeit umzusetzen, wird dies als Befehlsverweigerung angesehen. Obwohl das Militär die andauernden Auseinandersetzungen mit der PKK aus völkerrechtlichen Gründen nicht als Krieg definiert, werden im türkischen Strafgesetzbuch bewaffnete Banden als "Feind" qualifiziert. Damit wird jede Weigerung, an militärischen Operationen oder an bewaffneten Auseinandersetzungen teilzunehmen, als Hochverrat bewertet. Bei diesen Auseinandersetzungen kommen öfters auch Kurden um, wobei von kurdischen Organisationen der Verdacht erhoben wird, dass Kurden gegen Kurden eingesetzt werden.
1.2.3. Rückkehrproblematik:
Bei der Einreise in die Türkei hat sich jeder, auch Ab- und Zurückgeschobene sowie abgelehnte Asylbewerber, gleich welcher Volkszugehörigkeit, einer Personenkontrolle zu unterziehen. Türkische Staatsangehörige, die ein gültiges türkisches, zur Einreise berechtigendes Dokument besitzen, können die Grenzkontrolle normalerweise ungehindert passieren. Wird der türkischen Grenzpolizei bekannt, dass es sich um eine abgeschobene Person handelt, wird sie einer Routinekontrolle unterzogen, die eine Abgleichung des Fahndungsregisters nach strafrechtlich relevanten Umständen und eine eingehende Befragung beinhaltet (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes, 34).
1.3. Da der Berufungswerber militärstrafrechtlich gesucht wird und ein landesweiter Haftbefehl gegen ihn vorliegt ist im Falle seiner Rückkehr in seine Heimat davon auszugehen, dass er von den Behörden - im Rahmen der bei der Einreise stattfindenden Kontrolle - festgenommen, direkt den Militärbehörden übergeben und vor das Militärstrafgericht gestellt wird. Dem Berufungswerber drohen eine Anklage wegen "Landesverrates" und eine daraus resultierende mehrjährige Haftstrafe. Nach Verbüßung dieser Strafe müsste er den Militärdienst ableisten.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Berufungswerber aufgrund des ihm drohenden Strafverfahrens und der sich daraus ergebenden mehrjährigen Haftstrafe mit erheblicher Wahrscheinlichkeit dem Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre.
2. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus folgender Beweiswürdigung:
2.1. Die zur Person des Berufungswerbers getroffenen Feststellungen hinsichtlich seines politischen Hintergrundes basieren auf seinem Vorbringen im Asylverfahren, insbesondere in der mündlichen Berufungsverhandlung. Es gab für die Berufungsbehörde keine Anhaltspunkte, an der Glaubhaftigkeit des Vorbringens zu zweifeln.
2.2. Die Feststellung, dass der Berufungswerber im Bundesgebiet zu mehreren Haftstrafen verurteilt wurde, ergibt sich aus einem am 8.8.2008 eingeholten Strafregisterauszug.
2.3. Die zur Herkunftsregion getroffen Feststellungen basieren auf dem in der Berufungsverhandlung am 7.4.2008 erstatteten Gutachten von Dr. Ö., in dem dieser diesbezüglich ausführt:
"Provinz Sirnak ist ein Kriegsgebiet gegenwärtig und bereits seit längerer Zeit. Der einseitige Waffenstillstand von Seiten der PKK gilt auch nicht mehr, beide Parteien stehen im Kriegzustand, PKK gegen das türkische Militär. Das türkische Militär operiert dort tagtäglich mit Luftwaffe und auch mit Bodentruppen. In den türkischen Medien sehe ich fast täglich tote Soldaten und kurdischen Kämpfer. Die Provinz Sirnak hat immer eine Sonderstellung für die türkische Armee gehabt, weil viele türkische Offiziere sich dort am Erdöl bereichert haben. Diesen "Ausnahmezustand", der dort herrscht haben die Generäle bewusst bis zum heutigen Tage aufrechterhalten, damit keine Untersuchungen über diese "dunklen" Geschäfte gemacht werden können. Es ist eine zeitlang zwischen türkischen Medien und kurdischen Medien als ein eigenes "Regime" bezeichnet worden und auch als Regierung von Sirnak... Der einseitige Waffenstillstand hat mit dem Beschluss der türkischen Regierung die den Militäreinsatz im Nordirak gegen die PKK genehmigt hat, geendet.
Die jetzige Position der Kurden im Nordirak haben moralisch gesehen die Kurden in der Türkei sehr unterstützt. Die Kurden im Nordirak werden wegen Unabhängigkeitsbestreben der Kurden in der Türkei sehr schlecht behandelt vom türkischen Staat. Diese versuchen, dass die Turkmenen in Kirkuk die Oberhand übernehmen und somit auch vom türkischen Staat finanziert und unterstützt werden. Es ist immer ein politischer Kampf zwischen türkischem Staat und kurdischer Führung im Nordirak gegeben, bis die Amerikaner versucht haben den jetzigen irakischen Staatspräsident dazuzubewegen, dass er in die Türkei einreist. Gleichzeitig hat der amerikanischer Präsident auch die türkische Regierung unter Druck gesetzt, damit der irakische Präsident in die Türkei eingeladen wird. Seitdem hat die Politik zwischen der türkischen Führung und der irakischen Regierung sich verbessert, aber jedoch nicht mit der kurdischen Führung im Nordirak (Barsani). Barsani wird vorgeworfen, dass er die PKK unterstützt und dass die kurdischen Kämpfer, die verletzt werden, im Nordirak behandelt werden und dass sie auch Lebensmittel und Waffen über den Nordirak bekommen. Barsani wird immer wieder in den türkischen Medien als Terrorist beschimpft und beleidigt."
2.4. Die Feststellung betreffend den Wehrdienst/Militärstrafrecht basieren auf dem Gutachten von Mag. A., dass dieser anlässlich des Verfahrens 224.338 an den unabhängigen Bundesasylsenat erstattet hat.
Im Rahmen der Berufungsverhandlung am 7.4.2008 erstattete der Sachverständige Dr. Ö. folgendes Gutachten.
"Die Soldaten kurdischer Abstammung, die sie noch auf diese Art und Weise schuldig gemacht haben, werden im Gefängnis mit hoher Wahrscheinlichkeit misshandelt bzw. gefoltert und immer wieder erniedrigt, es ist mit schlechten Haftbedingungen zu rechnen. Vom türkischen Militär werden die Kurden als Separatisten bezeichnet, die kurdischen Soldaten werden als unfreiwillig den Militärdienst leistende Soldaten bezeichnet. Im Falle einer Haft werden die Kurden immer schlechter behandelt als Angehörige der türkischen Volksgruppe.
Wenn der BW im Fall einer Rückkehr festgenommen wird, wird er sofort den Militärbehörden übergeben. Er wird sofort nach Sirnak zur Militärkommandantur geschickt, die seinen Haftbefehl erlassen hat, dort wird der BW zunächst vor der Militärgericht gestellt, nach seiner Verurteilung wird er den Militärdienst ableisten müssen in verlängerter Form. Danach muss er die Strafe verbüßen. Während seiner Ableistung des Militärdienstes wird er ständig beobachtet, damit er nicht mehr desertieren kann und er wird auch im Kampfgebiet eingesetzt. Der BW würde in seiner Herkunftsprovinz Sirnak im Kampfgebiet eingesetzt werden."
2.5. Dass gegen den Berufungswerber in der Türkei ein aufrechter Haftbefehl besteht ergibt sich ebenfalls aus dem Gutachten von Dr. Ö., der darin diesbezüglich ausführt wie folgt:
"Nach meinen Recherchen haben ergeben, dass ein Haftbefehl von der Militärkommandantur in der Provinz Sirnak besteht und dass dieser Haftbefehl landesweit seine Gültigkeit hat. Gegen den BW wurde in Abwesenheit eine Anklage beim Militärgericht erhoben. Wenn der BW von der Militärbehörde gefasst wird, wird er vor das Militärgericht gestellt, da er in erster Linie im Kriegsgebiet desertiert ist, wird dies auch als Landesverrat gewertet. Der Strafausmaß ist hoch:
zwischen 7 und 15 Jahren. Es gibt auch keine Verjährungsfristen, was das Militärstrafrecht betrifft. Sein Haftbefehl wird immer wieder aktualisiert, damit es nicht zu einer Verjährung kommt bzw. der Haftbefehl in Verstoß geriet."
3. Rechtlich folgt:
3.1. Mit 1.7.2008 wurde der Asylgerichtshof als unabhängige Kontrollinstanz in Asylsachen eingerichtet. Die maßgeblichen verfassungsmäßigen Bestimmungen bezüglich der Einrichtung des Asylgerichtshofes befinden sich in den Art 129c ff B-VG.
Gemäß Art 151 Abs 39 Z 1 B-VG wird mit 1.7.2008 der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof. Gemäß Z 4 leg cit sind am 1.7.2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof weiterzuführen.
Bereits aufgrund der genannten Bestimmungen und der in ihnen erkennbar vom Verfassungsgesetzgeber vorgesehenen Kontinuität ergibt sich, dass der Asylgerichtshof auch für die schriftliche Ausfertigung von mündlich verkündeten Bescheiden des unabhängigen Bundesasylsenates zuständig ist. Da die ausfertigende Richterin des Asylgerichtshofes dieselbe Person wie das für das Berufungsverfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat zuständige Senatsmitglied ist, ergeben sich auch aus dem Grundsatz der richterlichen Unmittelbarkeit keine Bedenken. Im vorliegenden Fall wurde der Berufungsbescheid mit oa Spruch am 7.4.2008 und damit vor Einrichtung des Asylgerichtshofes beschlossen und öffentlich verkündet.
Gem § 75 Abs 1 AsylG 2005 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen.
3.2. Vorab ist zu prüfen, ob aufgrund der strafrechtlichen Verurteilungen des Berufungswerbers in Österreich unter Umständen ein Asylausschlussgrund vorliegen könnte:
Gemäß § 13 Abs1 AsylG ist Asyl ausgeschlossen, wenn einer der in Artikel 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Asylausschlussgründe vorliegt. Gemäß Abs 2 leg cit ist Asyl weiters ausgeschlossen, wenn Fremde aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik darstellen oder von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden sind und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeuten. Eine Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine solche durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.
Besonders schwere nicht politische Verbrechen sind solche, die in objektiver und subjektiver Hinsicht besonders schwerwiegend sind und deren Verwerflichkeit in einer Güterabwägung gegenüber den Schutzinteressen des Verfolgten (des Flüchtlings) diese eindeutig überwiegt (Weis, Concept, 987; Grahl-Madsen I 294 f, 297; Lieber 116; UNHCR, Handbuch Rz 155; Goodwin-Gill, Refugee 104 ff; Köfner/Nicolaus I 325; Rohrböck, Kommentar Rz 455). Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel (in einem entsprechend hohen Ausmaß) und bewaffneter Raub. Milderungs-, Schuldausschließungs- und Rechtfertigungsgründe sind zu berücksichtigen (Rohrböck; Kommentar Rz 455; Kälin, Grundriss 182).
Zutreffend geht der VwGH davon aus, dass zwischen "schweren Verbrechen" nach Art 1 Abschnitt F lit b GFK und dem "besonders schweren Verbrechen" des Art 33 Abs. 2 zweiter Fall GFK ein qualitativer Unterschied besteht. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wort "besonders" in Art 33 Abs. 2 GFK, sondern auch daraus, dass in Art 1 Abschnitt F lit b GFK im Unterschied zu Art 33 Abs. 2 GFK "nicht politische" Verbrechen sowie schwere Verbrechen, die vor der Zulassung als Flüchtling in das Gastland im Ausland begangen worden sein müssen, angesprochen sind. Art 33 Abs. 2 GFK erfordert eine rechtskräftige Verurteilung, während nach Art 1 Abschnitt F lit b GFK das Vorliegen ernsthafter Gründe für den Verdacht genügt. Die Gefahrenprognose des Art 33 Abs. 2 GFK findet sich in Art 1 Abschnitt F lit b GFK nicht. Art 33 Abs. 2 GFK richtet sich ausdrücklich an Flüchtlinge im (materiellen) Sinne der GFK.
Das strafbare Verhalten, deretwegen die betreffende Person rechtskräftig verurteilt wurde, muss Grund für die Prognose sein, die betreffende Person bedeute eine Gefahr für die Allgemeinheit. Ganz allgemein ist eine Güterabwägung zwischen der drohenden Verfolgungsgefahr betreffend den Fremden und das Ausmaß der Gefahr für die Allgemeinheit auf Grund der Verwerflichkeit des Verbrechens vorzunehmen (s dazu Rohrböck, Kommentar, Rz 455). Wie vor dem Hintergrund des Art 1 Abschn F ist dies auch in diesem Zusammenhang nicht mehr der Fall, wenn - vor dem Hintergrund der Gefahr einer schweren Verfolgung - der Asylwerber als weitgehend resozialisiert gelten kann, etwa weil er über einen längeren Zeitraum nicht mehr rückfällig geworden ist.
Aus dem eindeutigen Wortlaut des § 13 Abs. 2 AsylG ergibt sich einerseits, dass der Gesetzgeber nunmehr bereits für das Asylverfahren jene Überprüfungskriterien eingeführt hat, welche nach dem in Art. 33 GFK enthaltenen "Verbot der Ausweisung oder der Zurückweisung" aus der Sicht der GFK erst im Verfahren zur Außerlandesbringung zu beurteilen wären. Andererseits schloss er sich damit der völkerrechtlichen Bedeutung dieser Wortfolgen an. Es besteht auch für den Verwaltungsgerichtshof kein Grund, zwischen der Bedeutung dieser Begriffe im AsylG und im FrG 1997 zu differenzieren.
Gemäß Art. 33 Z 2 GFK müssen nach internationaler Literatur und Judikatur kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Heimat- oder Herkunftsstaat verbracht werden darf: Er muss erstens ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür zweitens rechtskräftig verurteilt worden sein, drittens gemeingefährlich sein und viertens müssen die öffentlichen Interessen an der Rückschiebung die Interessen des Flüchtlings am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen (vgl mit zahlreichen Hinweisen auf internationale Literatur und Judikatur Kälin, Grundriss des Asylverfahrens, 1990, S 227ff, sowie VwGH 6.10.1999, Zahl 99/01/0288)."
In seinem Erkenntnis vom 3.12.2002, Zahl 99/01/0449, führt der Verwaltungsgerichtshof illustrativ an, dass in Deutschland für die Qualifikation einer rechtskräftigen Verurteilung wegen eines besonders schweren Verbrechens das Erfordernis einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren normiert wurde und diese Grenze wegen der "vergleichbaren Traditionen in der Strafrechtspflege" auch auf Österreich übertragbar sei.
Im Erkenntnis vom 6.10.1999, Zahl 99/01/0288, führte der Verwaltungsgerichtshof aus:
"Es genügt sohin nicht, dass ein Asylwerber bzw. ein anerkannter Flüchtling ein abstrakt als schwer einzustufendes Delikt verübt hat. Die Tat, bzw. Taten müssen im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwer wiegend erweisen, wobei Milderungsgründe, Schuldausschließungsgründe und Rechtfertigungsgründe zu berücksichtigen sind. Nur gemeingefährliche Straftäter dürfen in den Heimat- oder Herkunftsstaat verbracht werden. Besteht für das zukünftige Verhalten des Täters eine günstige Prognose, darf § 13 Abs. 2 AsylG iSd Art. 33 Abs. 2 GFK nicht angewendet werden."
Dies bedeutet im gegenständlichen Fall, dass ausgehend von der Höhe der verhängten Strafen diese nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht für die Qualifikation eines besonders schweren Verbrechens ausreicht.
Der Berufungswerber hat zwar - wie bereits festgestellt - mehrere strafbare Handlungen begangen, diese sind jedoch nicht von der Art, dass sie einen Asylausschlussgrund gemäß § 13 AsylG 1997 rechtfertigen ließen.
3.3. Prüfung des asylrelevanten Vorbringens:
Gemäß § 3 Abs 1 AsylG begehren Fremde, die in Österreich Schutz vor Verfolgung (Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) suchen, mit einem Asylantrag die Gewährung von Asyl.
Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definiert, dass als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich infolge von vor dem 1.1.1951 eingetretenen Ereignissen aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Zentraler Aspekt der dem § 7 AsylG zugrundeliegenden, in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, Zahl 2000/01/0131; VwGH 19.04.2001, Zahl 99/20/0273).
Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zahl 98/20/0233).
Die Furcht des Berufungswerbers vor Verfolgung ist begründet:
Im Fall des Berufungswerbers ist davon auszugehen, dass er im Fall seiner Rückführung in die Türkei mit erheblicher Wahrscheinlichkeit dem Risiko ausgesetzt wäre, dass er verhaftet und militärstrafrechtlich wegen des Tatbestands der Fahnenflucht zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt würde. Bei der Bemessung des Strafrahmens wirkt sich für den Berufungswerber erschwerend aus, dass er der kurdischen Volksgruppe angehört. Bei Abbüßung der Strafe ist der Berufungswerber mit dem erheblichen Risiko konfrontiert, Opfer von unmenschlicher oder grausamer Behandlung zu werden.
Der hier in seiner Intensität zweifellos erhebliche Eingriff - Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit - in die vom Staat schützende Sphäre des Einzelnen ist dann asylrelevant, wenn er an einem in Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.
Nach der älteren Rechsprechung des VwGH war davon auszugehen, dass die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes - sei es durch Nichtbefolgung eines Einberufungsbefehls, sei es durch Desertion - für sich allein grundsätzlich nicht die Anerkennung eines Asylwerbers als Flüchtling gerechtfertigt hat. Der VwGH ging allerdings von einer asylrechtlich relevanten Furcht vor Verfolgung in solchen Fällen aus, in denen die Einberufung aus einem der in Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründe erfolgt, bei dem damit gerechnet werden müsste, dass ein Asylwerber hinsichtlich seiner Behandlung oder seines Einsatzes während des Militärdienstes aus diesen Gründen im Vergleich zu Angehörigen anderer Volksgruppen in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichender Weise benachteiligt würde, oder in denen davon auszugehen ist, dass dem Asylwerber eine im Vergleich zu anderen Staatsangehörigen härtere Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung droht (VwGH 8.3.1999, Zahl 98/01/0371; VwGH 25.11.1999, Zahl 98/20/0523; VwGH 11.10.2000, Zahl 2000/01/0154).
Bereits nach diesen Kriterien ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die vom Berufungswerber im Fall seiner Rückführung in die Türkei zu erwartende Behandlung im kausalen Zusammenhang zu einem der in der GFK angeführten Gründe steht. Den Feststellungen zu Folge ist damit zu rechnen, dass dem Berufungswerber - da er Angehöriger der kurdischen Volksgruppe ist - eine "strengere Bestrafung" droht.
Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass der Berufungswerber mit erheblicher Wahrscheinlichkeit bei Verbüßung der ihm drohenden Haftstrafe dem Risiko grausamer oder unmenschlicher Behandlung ausgesetzt wäre. Nach der aktuellen Rechtsprechung des VwGH ist auch der Umstand einer solchen - unverhältnismäßigen Behandlung oder Strafe bei Wehrdienstverweigerung - bei der Beurteilung, ob der drohende Eingriff in Zusammenhang zu einem GFK-Grund steht, heranzuziehen: Der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Ansicht, dass auch die Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung ua dann zur Asylgewährung führen kann, wenn das Verhalten des Betroffenen im Einzelfall auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht und den Sanktionen - wie etwa bei der Anwendung von Folter - jede Verhältnismäßigkeit fehlt (vgl in diesem Zusammenhang Goodwin-Gill, The Refugee in International Law² [Nachdruck 1998], 58; in der Entscheidung des United Kingdom Court of Appeal, Fall Sepet und Bulbul, vom 11.5.2001, die Absätze 61, 63, 65 und 111). Ist Letzteres der Fall, so kann dies aber auch auf der - generellen - Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung beruhen, womit unabhängig von einer der Wehrdienstverweigerung bzw Desertion im konkreten Fall wirklich zugrunde liegenden religiösen oder politischen Überzeugung der erforderliche Zusammenhang zu einem Konventionsgrund gegeben wäre. Dies träfe, wie der Vollständigkeit halber anzumerken ist, unter dem Gesichtspunkt einer aus Konventionsgründen - wenngleich generell - "schwereren" Bestrafung auch nach den Kriterien des Erkenntnisses des verstärkten Senates zu. Insoweit die (zitierten) Vorerkenntnisse einer dem Asylwerber bloß unterstellten oppositionellen Gesinnung gerade im hier gegebenen Zusammenhang keine Bedeutung beimessen wollen, ist an ihnen für das geltende Gesetz nicht festzuhalten (VwGH 21. 3. 2002, 99/20/0401; s auch VwGH 22. 10. 2002, Zahl 2001/01/0197; VwGH 12. 11. 2002, Zahl 2001/01/0019; VwGH 21.11.2002, Zahl 2000/20/0562;
VwGH 21.11.2002, Zahl 2000/20/0475; VwGH 8.4.2003, 2001/01/0435;
VwGH 15.5.2003, Zahl 2002/01/0376; VwGH 22.5.2003, Zahl 2000/20/0420). Im vorliegenden Fall besteht das Risiko einer in diesem Sinn jedenfalls "unverhältnismäßigen Behandlung oder Strafe".
Nach der aktuellen Rechtsprechung des VwGH kann also bereits im Umstand der Unverhältnismäßigkeit der Bestrafung eines Wehrdienstverweigerers die generelle Unterstellung einer oppositionellen politischen Gesinnung gegenüber der betroffenen Person zum Ausdruck kommen. Den Ausführungen des Sachverständigen zu Folge ist vom Vorliegen einer solchen Unterstellung mit Regelmäßigkeit in Bezug auf Wehrdienstverweigerer, die Angehörige der kurdischen Volksgruppe sind, auszugehen.
Die dem Berufungswerber wegen Wehrdienstentzuges drohende Behandlung oder Bestrafung steht daher sowohl auf Grund ihrer Unverhältnismäßigkeit als auch auf Grund des Umstandes, dass der Berufungswerber Angehöriger der kurdischen Volksgruppe im kausalen Zusammenhang zu seiner ethnischen Zugehörigkeit und zu seiner politischen Gesinnung.
3.4 Eine inländische Fluchtalternative steht dem Berufungswerber aus folgenden Gründen nicht offen:
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes trägt der Begriff "inländische Fluchtalternative" dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss. Steht dem Asylwerber die gefahrlose Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht (VwGH 08.09.1999, Zahl 98/01/0503; 25.11.1999, Zahl 98/20/0523). Das einer "inländischen Fluchtalternative" innewohnende Zumutbarkeitskalkül setzt voraus, dass der Asylwerber im in Frage kommenden Gebiet nicht in eine ausweglose Lage gerät (VwGH 08.09.1999, Zahl 98/01/0614). Im konkreten Fall kann nicht angenommen werden, dass sich der Berufungswerber der dargestellten Bedrohung durch Ausweichen in einen anderen Teil seines Herkunftsstaates entziehen kann; dies schon deshalb, weil sich die Gebiets- und Hoheitsgewalt der türkischen Regierung auf das gesamte Gebiet erstreckt, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass es dem Berufungswerber möglich wäre, sich über einen längeren Zeitraum hindurch erfolgreich versteckt zu halten (vgl dazu auch Home Office, Operational Guidance Note Turkey, p. 3.10).
3.5. Gemäß § 12 AsylG war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.