TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/09 A5 400159-1/2008

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Veröffentlicht am 09.09.2008
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Spruch

A5 400.159-1/2008/3E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. SCHREFLER-KÖNIG als Vorsitzende und die Richterin Mag. UNTERER als Beisitzerin, im Beisein der Schriftführerin Frau Wilhelm über die Beschwerde der D.M., geb. am 00.00.2007, StA. NIGERIA, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.05.2008, Zl. 07 11.195-BAW, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde von D.M. wird gemäß § 3 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 /2005, wird D.M. der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria nicht zuerkannt.

 

III. In Erledigung der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes wird der bekämpfte Bescheid bezüglich des Spruchpunktes III ersatzlos behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

I.1. Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 03.12.2007 gemäß § 3 AsylG 2005 abgewiesen und ihr den Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria nicht zuerkannt und diese Entscheidung mit einer Ausweisung verbunden.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde. Mit 08.07.2008 wurde gegenständliche Beschwerdeangelegenheit dem nunmehr erkennenden Senat des Asylgerichtshofes zur Entscheidung zugewiesen.

 

I.3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 41 Abs. 7 AsylG 2005 auf Grund des aus der Aktenlage als geklärt anzusehenden Sachverhaltes Abstand genommen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

II.1.1. Die minderjährige Beschwerdeführerin trägt den im Spruch angeführten Namen und ist Staatsangehörige von Nigeria.

 

II.1.2. Sie wurde am 00.00.2007 in Österreich geboren und stellte im Wege ihrer Mutter und gesetzlichen Vertreterin, die ihrerseits im Jahr 2004 einen Asylantrag in Österreich gestellt hatte, über welchen zum Zeitpunkt der Geburt der nunmehrigen Beschwerdeführerin bereits rechtskräftig entschieden wurde, am 03.12.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

II.1.3. Im Rahmen der am 28.04.2008 stattgefundenen niederschriftlichen Einvernahme der Mutter und gesetzlichen Vertreterin der minderjährigen Beschwerdeführerin vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Wien, bezog sich diese auf ihre eigenen Fluchtgründe. Eigene Fluchtgründe für die minderjährige Beschwerdeführerin wurden nicht vorgebracht.

 

II.1.4. Die belangte Behörde wies den Antrag der nunmehrigen Beschwerdeführerin ab und begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass bereits im Asylverfahren betreffend die Mutter der minderjährigen Beschwerdeführerin über die Glaubhaftigkeit ihres Fluchtvorbringens abgesprochen wurde. Diesbezüglich sei auch der Befürchtung der Mutter, ihre Tochter sei im Falle einer Rückkehr nach Nigeria derselben Verfolgungsgefahr ausgesetzt, mangels eigener Fluchtgründe der minderjährigen Beschwerdeführerin die Glaubhaftigkeit abzusprechen.

 

II.1.5. Die Mutter der minderjährigen Beschwerdeführerin, die gemeinsam mit ihrer 2001 in Nigeria geborenen Tochter am 00.00.2004 in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, brachte in dem sie betreffenden Verfahren bei der belangten Behörde vor, sie hätte ihre Heimat verlassen, weil der Vater ihrer 2001 geborenen Tochter sie zur Beschneidung des damals 2 Jahre alten Mädchens gedrängt und ihr aufgrund ihrer Weigerung mit dem Umbringen gedroht habe.

 

Die belangte Behörde wies den Asylantrag der Mutter der nunmehrigen Beschwerdeführerin gemäß §§7,8 AsylG 1997 idgF ab. Sie wurde gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen. Das Bundesasylamt begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass das Vorbringen der Mutter der Beschwerdeführerin zu oberflächlich und inhaltsleer geblieben sei und sie nicht erklären habe können, warum sie sich nicht von dem Vater der 2001 geborenen Tochter getrennt und sich an einem anderen Ort in Nigeria niedergelassen habe.

 

II.1.6. Die Mutter der Beschwerdeführerin bekämpfte den Bescheid der belangten Behörde fristgerecht mittels Berufung und wandte Verfahrensfehler sowie materielle Rechtswidrigkeit ein. Der Unabhängige Bundesasylsenat wies die Berufung mit Bescheid vom 01.09.2007, Zahl 305.921-C1/E1-XV/54/06, gemäß §§ 7, 8 AsylG 1997 idgF, ab.

 

II.1.7. Die gegen diese Entscheidung erhobenen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde vom 17.06.2007, Zahl 2007/20/0929-2 wurde mit 27.08.2007 genehmigt und ihr die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Die Beschwerde ist nach wie vor beim Verwaltungsgerichtshof anhängig.

 

II.2. Zur Lage in Nigeria

 

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu Nigeria werden zum Gegenstand des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes erhoben.

 

II.3. Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung

 

II.3.1 Gemäß § 28 Abs. 1 AsylGHG, BGBl.I Nr. 2008/4 nimmt der Asylgerichtshof mit 01.07.2008 seine Tätigkeit auf. Das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, tritt mit 01.07.2008 außer Kraft.

 

II.3.2. Gemäß § 23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, sofern sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005, BGBl. Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

II.3.3. Gemäß § 9 leg.cit. entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, sofern bundesgesetzlich nicht die Entscheidung durch Einzelrichter oder verstärkte Senate (Kammersenate) vorgesehen ist.

 

II.3.4. Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes. Gemäß Abs. 3 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4, wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 und wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowie über die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

II.3.5. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

II.3.6. Gemäß § 41 Abs.7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67d AVG.

 

II.3.7. Gemäß § 18 Abs. 1 AsylG 2005 haben das Bundesasylamt und der Asylgerichtshof in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amtswegen beizuschaffen. Gemäß Abs. 2 ist im Rahmen der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens eines Asylwerbers auf die Mitwirkung im Verfahren Bedacht zu nehmen.

 

II.3.8. Gemäß § 15 AsylG 2005 hat ein Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken; insbesondere hat er ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Weiters hat er bei Verfahrenshandlungen und Untersuchungen durch einen Sachverständigen persönlich und rechtzeitig zu erscheinen, und an diesen mitzuwirken sowie unter anderen auch dem Bundesasylamt oder dem Asylgerichtshof alle ihm zur Verfügung stehenden Dokumente und Gegenstände am Beginn des Verfahrens, oder soweit diese erst während des Verfahrens hervorkommen oder zugänglich werden, unverzüglich zu übergeben, soweit diese für das Verfahren relevant sind.

 

Im gegenständlichen Fall liegen die oben genannten Voraussetzungen des § 41 Abs.7 AsylG 2005 für den Entfall einer mündlichen Verhandlung vor. Das Bundesasylamt hat ein im beschriebenen Sinne ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und enthält der Beschwerdeschriftsatz zudem kein Vorbringen, das geeignet wäre, die in der schlüssigen Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides zum Ausdruck kommende Beurteilung der belangten Behörde zu entkräften oder in Zweifel zu ziehen. Der verfahrensrelevante Sachverhalt ist daher nach dem Dafürhalten des Asylgerichtshofes als aus der Aktenlage als geklärt anzusehen.

 

II.3.9. Gemäß § 66 Abs.4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Auf die unter II.1.2. zitierte Bestimmung des § 23 AsylGHG, demzufolge die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, wird hingewiesen.

 

II.3.10. Die Beschwerdeführerin hat den Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz am 03.12.2007 gestellt. Daher gelangen im gegenständlichen Verfahren die Bestimmungen des AsylG 2005 vollumfänglich zur Anwendung.

 

II.3.11. Zu Spruchpunkt I

 

Gemäß § 3 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist und glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK (idF des Art. 1 Abs.2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4. 1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr -Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.2.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

 

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

 

Der Asylgerichtshof kommt unter Abstandnahme einer mündlichen Verhandlung zum Ergebnis, dass dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, die infolge ihrer Minderjährigkeit von ihrer Mutter vertreten wurde, keine Asylrelevanz im oben beschriebenen Sinn zukommt.

 

Soweit sich die minderjährige Beschwerdeführerin auf Gefahren berief, die sich aus den behaupteten Fluchtgründen ihrer Mutter ergeben würden, ist dem entgegenzuhalten, dass ihre Mutter während des gesamten Verfahrens nicht den Eindruck erweckte, in Nigeria tatsächlich einer asylrelevanten und der GFK entsprechenden Verfolgungsgefahr ausgesetzt zu sein. Vielmehr vermochte es die Mutter der Beschwerdeführerin nicht, konkret an sie gestellte Fragen nach den genauen Geschehnissen so zu beantworten, dass der Eindruck entstand, sie habe das Geschilderte tatsächlich erlebt.

 

Nachdem ihr dies bereits im angefochtenen Bescheid, Zahl 04 13.658-BAW, vorgehalten worden war, schmückte sie den Sachverhalt in der am 07.12.2006 stattgefundenen mündlichen Verhandlung beim Unabhängigen Bundesasylsenat dahingehend aus, dass ihr Lebensgefährte bereits die erste Tochter beschneiden habe lassen und diese dabei gestorben sei. Befragt nach dem Namen und dem Geburtsdatum dieser erstgeborenen Tochter, kamen die Antworten dermaßen zögerlich, dass der Asylgerichtshof massive Zweifel am Wahrgehalt dieser Angaben hegt. Insbesondere widerspricht es nach Meinung des Asylgerichtshofes der Lebenserfahrung, dass die Mutter der Beschwerdeführerin trotz eines solch tragischen und einschneidenden Erlebnisses weiterhin mit ihrem Lebensgefährten zusammen blieb und in weiterer Folge auch ein zweites Kind bekam.

 

Auf die Frage, warum die Mutter der Beschwerdeführerin nicht etwa bei ihrer Mutter oder Schwester untergekommen sei, antwortete sie, dass diese Verwandten ihr stets gesagt hätten, sie solle diesen Mann verlassen, sie habe sie allerdings gebeten, bei ihm bleiben zu können. Die Mutter der Beschwerdeführerin konnte nicht erklären, warum dies ihr Wunsch war, wo dieser Mann Dinge von ihr verlangte, die sie ablehnte und ihr letztlich mit dem Umbringen drohte.

 

Wie bereits vor dem Bundesasylamt, führte die Mutter der Beschwerdeführerin auch in der mündlichen Verhandlung aus, dass sie entdeckt habe, dass ihr Lebensgefährte einem Geheimkult angehört hätte und deshalb die Beschneidung vornehmen lassen wollte, damit er Geld bekomme. Auf Ersuchen, nähere Details zu schildern, wie die Mutter der Beschwerdeführerin die Zugehörigkeit zu dem Geheimkult bemerkt habe, stellte die Mutter der Beschwerdeführerin allgemein in den Raum, dass ihr Lebensgefährte plötzlich Geld gehabt hätte. Der Asylgerichtshof kann darin keinen schlüssigen Zusammenhang zur möglichen Mitgliedschaft zu einem Geheimkult erkennen.

 

Erstmals in der Berufungsverhandlung gab die Mutter der Beschwerdeführerin an, dass sie zur Polizei gegangen sei, dass diese ihr aber nicht geholfen habe. Näheres konnte sie nicht schildern.

 

Weiters brachte sie vor, sich bei einer Freundin in Lagos versteckt gehalten zu haben. Ihr Lebensgefährte sei ihr aber auch dorthin gefolgt. Auf die Frage, wie er denn herausgefunden habe, dass sie bei dieser Freundin in Lagos sei, vermeinte die Mutter der Beschwerdeführerin, er habe es vielleicht durch Gerüchte erfahren. Die Mutter der Beschwerdeführerin wurde sodann danach befragt, ob sie irgendjemandem über ihren Aufenthaltsort erzählt hätte, was sie verneinte. Genau aus diesem Grund ist es für den Asylgerichtshof aber nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund der Lebensgefährte über Gerüchte ihren Aufenthaltsort in einer Millionenstadt herausfinden hätte können, wenn niemand im Umfeld darüber informiert war.

 

Da sich die Mutter der Beschwerdeführerin überdies im Klaren zu sein scheint, dass der gegenständliche Antrag auf Asylgewährung ihrer minderjährigen Tochter ebenfalls negativ abzuhandeln ist (siehe AS 3 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes), ist dem seitens des Asylgerichtshofes mangels eines geeigneten Vorbringens nichts mehr hinzuzufügen.

 

Vollständigkeitshalber ist zu erwähnen, dass sich der Asylgerichtshof im Rahmen seiner Entscheidungsfindung sehr wohl bewusst ist, dass Genitalverstümmelungen an Mädchen und Frauen in Nigeria nicht auszuschließen sind.

 

Wie aber bereits festgehalten, erscheinen die Angaben der Mutter der Beschwerdeführerin unglaubwürdig. Darüber hinaus ergibt sich aus den von der belangten Behörde zitierten Quellen, dass die Regierung sich offiziell gegen diese Praxis ausspricht und in einzelnen Bundesstaaten auch entsprechende Verbote implementiert wurden. Selbst wenn deren Einhaltung und Umsetzung im Sinne einer effizienten Verfolgung nicht immer gesichert erscheinen, so bestehen immerhin zahlreiche nichtstaatliche Organisationen, an die sich Betroffene wenden können. Hinzu tritt auch, dass die Mutter der Beschwerdeführerin offenkundig die Möglichkeit gehabt hätte, zu ihrer Mutter oder Schwester zu ziehen. Stattdessen aber war es nach ihren Angaben ihr ausdrücklicher Wunsch, bei ihrem Lebensgefährten zu bleiben.

 

Insgesamt sind somit im Falle der minderjährigen Beschwerdeführerin keine Asylgründe im Sinne der GFK feststellbar gewesen.

 

II.3.12. Zu Spruchpunkt II

 

Gemäß § 8 Abs.1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Der Asylgerichtshof hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Beschwerdeführers in sein Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336).

 

Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

Im Sinne der Judikatur des EGMR und jener des darauf in seiner Rechtssprechung Bezug nehmenden VwGH - vgl. etwa VwGH vom 23.09.2004, Zl. 2004/21/0134 mit weiteren Nachweisen - hat die entsprechende Prüfung von Refoulementschutz dahingehend zu erfolgen, ob im Herkunftsstaat des Antragstellers eine derart extreme Gefahrenlage herrscht, dass praktisch jedem, der in diesen Staat abgeschoben wird, Gefahr für Leib und Leben in einem Maße droht, dass die Abschiebung im Lichte des Art. 3 EMRK unzulässig erschiene.

 

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den der Fremde abgeschoben werden soll, genügt nach der ständigen Rechtssprechung des VwGH (vgl. E. vom 01.07.1999, Zl. 97/21/0804; E. vom 09.05.2003, Zl. 1998/18/0317), nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde.

 

Im Fall der Beschwerdeführerin konnten keine derart exzeptionellen Umstände festgestellt werden, die der Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK gleichzuhalten wären.

 

Der Asylgerichtshof verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um ein minderjähriges Mädchen handelt, das bei ihrem eigenen Fortkommen in der Heimat in erster Linie auf die Geschicke ihrer Mutter angewiesen ist. Da davon ausgegangen wird, dass grundsätzlich eine jederzeitige Rückkehr der Mutter der Beschwerdeführerin in deren Familienverband (siehe dazu auch die Ausführungen des Unabhängigen Bundesasylsenates im Bescheid die Mutter betreffend) möglich ist, erscheint zumindest ein sozialer Rückhalt im Falle der Rückkehr nach Nigeria gegeben.

 

Überdies hat die Mutter der Beschwerdeführerin laut eigenen Angaben die Grundschule sowie eine höhere Schule besucht und vor Verlassen der Heimat als Verkäuferin gearbeitet. Dabei handelt es sich um eine Arbeit, die nicht auf die konkrete Herkunft abzielt, sondern wohl im ganzen Land, ortsunabhängig, ausgeübt werden kann. Es ist der Mutter der Beschwerdeführerin als gesunder, junger Frau daher zumutbar, den Unterhalt und das Fortkommen auf eine für sie zumutbaren Weise zu sichern.

 

Letztlich ist auch auf die in Nigeria existenten Hilfsorganisationen für Frauen hinzuweisen, die auch im Fall der Beschwerdeführerin und ihrer Mutter unmittelbar nach deren Rückkehr ein soziales Auffangnetz darstellen.

 

Wie das Bundesasylamt richtigerweise festgestellt hat, existieren in Nigeria diverse soziale Einrichtungen, die sich speziell auf die Probleme allein erziehender Mütter spezialisiert haben, weshalb es dem nun erkennenden Gericht in Hinblick auf die generell stabile Sicherheitslage in Nigeria als durchaus zumutbar erscheint, diese Hilfe auch in Anspruch zu nehmen.

 

Die minderjährige Beschwerdeführerin behauptet oder bescheinigt auch keinen sonstigen auf ihre Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand", der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG darstellen könnte.

 

Es ist darüber hinaus festzuhalten, dass in ganz Nigeria keine derart extreme Gefahrenlage gegeben ist, dass praktisch jedem, der in diesen Staat abgeschoben wird, eine Gefahr für Leib und Leben in hohem Maße droht.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

II.3.13. Zu Spruchpunkt III

 

Eine Ausweisung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG war hinsichtlich der beim VwGH anhängigen und aufschiebende Wirkung zukommenden Verwaltungsgerichtshofbeschwerde der Mutter und gesetzlichen Vertreterin der minderjährigen Beschwerdeführerin gegen den negativen Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 01.09.2007, Zahl 305.921-C1/E1-XV/54/06, nicht auszusprechen. Da es sich bei der minderjährigen Beschwerdeführerin um eine Familienangehörige im Sinne des § 2 Abs.1 Z. 22 AsylG 2005 handelt, ist das gegenständliche Asylverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 als Familienverfahren zu führen, demgemäß die Verfahren der Familienmitglieder unter einem zu führen sind und allen Familienmitgliedern jene Rechtsposition zukommen soll, die ein Familienmitglied für sich optimal erreicht. Die bereits ergangene Entscheidung bezüglich des Asylantrages der Mutter der minderjährigen Beschwerdeführerin und der darauf basierende Rechtsstatus bilden somit den maßgeblichen Bezugspunkt für den Entscheidungsumfang des gegenständlichen Erkenntnisses (vgl. VwGH, 12.12.2007, 2007/19/1054). Dieser Bescheid sieht in Spruchpunkt III zwar eine Ausweisung der Mutter nach Nigeria vor, ist aber auf Grund der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der dagegen erhobenen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde nicht durchsetzbar. Demzufolge widerspräche es den Intentionen des Gesetzgebers bei Einführung des Familienverfahrens und würde einen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Familienleben darstellen, für den - auch unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen - keine Rechtfertigung zu erkennen ist. Eine dennoch ausgesprochene - letztinstanzliche - Ausweisung durch die Asylbehörden wäre somit verfassungswidrig, da im Ergebnis die minderjährige Asylwerberin auf Grund der asylrechtliche Ausweisung das österreichische Bundesgebiet ohne ihre Mutter und Geschwister verlassen müsste.

 

Hinsichtlich der für die Ausweisung zuständigen Behörde ist anzumerken, dass durch den so erlangten rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens die minderjährige Beschwerdeführerin in Bezugnahme auf das oben zitierte VwGH Erkenntnis nicht mehr als "Asylwerberin", sondern als "Fremde" im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 1 FPG anzusehen ist, demzufolge eine etwaige Ausweisung nunmehr in den Zuständigkeitsbereich der Fremdenbehörden fiele.

 

II.4. Die öffentliche Verkündung des Erkenntnisses hatte gemäß § 67g Abs. 2 Z. 1 AVG zu entfallen.

Schlagworte
Familienverfahren, Spruchpunktbehebung-Ausweisung
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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