TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/09 A5 318600-1/2008

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Veröffentlicht am 09.09.2008
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Spruch

A5 318.600-1/2008/4E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Schrefler-König als Vorsitzende und die Richterin Mag. Unterer als Beisitzerin im Beisein der VB Wilhelm über die Beschwerde der A.A., geb. 00.00.1988, Staatsangehörige von Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.03.2008, Zl. 08 02.153- EAST West, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde der A.A. wird gemäß § 3 Abs .1 AsylG 2005 abgewiesen.

 

Gemäß § 8 Abs.1 .Z. 1 AsylG 2005 wird A.A. der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria nicht zuerkannt.

 

Gemäß § 10 Abs.1 Z. 2 AsylG 2005 wird A.A. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

I.1. Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung von internationalem Schutz vom 3.3. 2008 abgewiesen, ihr den Status der Asylberechtigten und den Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria nicht zuerkannt und diese Entscheidung mit einer Ausweisung verbunden.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde. Mit 1.7. 2008 wurde gegenständliche Beschwerdeangelegenheit dem nunmehr erkennenden Senat des Asylgerichtshofes zur Entscheidung zugewiesen.

 

I.3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 41 Abs.7 AsylG 2005 aufgrund des aus der Aktenlage als geklärt anzusehenden Sachverhaltes Abstand genommen.

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

II.1.1. Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Nigeria. Ihre Identität konnte nicht festgestellt werden.

 

II.1.2. Sie reiste am 2.3. 2008 illegal nach Österreich ein und stellte am darauf folgenden Tag einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz.

 

II.1.3. Am Tag der Antragstellung wurde die nunmehrige Beschwerdeführerin von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen. Zu ihren Fluchtgründen gab die Genannte an, ihr Vater habe sie als Opfer für ein Ritual der Ogboni- Gesellschaft benutzen wollen.

 

II.1.4. Am 5.3.2008 wurde die nunmehrige Beschwerdeführerin von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Dabei führte die Genannte aus, dass ihre Mutter verstorben und ihr Vater ein einflussreiches Mitglied der Ogboni-Geheimgesellschaft sei. Er habe sie für ein Ritual verwenden wollen, sie sei aber davon gelaufen und habe bei einem Priester Hilfe erhalten. Im Fall ihrer Rückkehr fürchte sie, von Ogboni -Mitgliedern getötet zu werden. Sie könne überall in Nigeria gefunden werden, da diese Leute Juju- Zauber verwendeten.

 

Die belangte Behörde brachte der Beschwerdeführerin im Rahmen dieser Einvernahme Feststellungen zur Frage des Kultwesens in Nigeria zur Kenntnis. Die Beschwerdeführerin gab dazu an, ihr Vater sei ein Ogboni und habe sie töten wollen.

 

Über Nachfrage der belangten Behörde führte die Genannte weiters aus, sie habe die letzten drei Jahre in Benin City gelebt, während ihr Vater in Imo State aufhältig gewesen sei. Eines Nachts habe ihr Vater sie damit konfrontiert, dass sie geopfert werden sollte. Sie könne aber nicht mehr angeben, wann das gewesen sei und wisse nur, dass sie danach geflüchtet sei.

 

II.1.5. Am 10.3.2008 fand eine weitere niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin vor der belangten Behörde statt. Dabei wurde sie damit konfrontiert, dass ihre bisherigen Angaben äußerst vage gewesen seien und forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin auf, ihr Vorbringen zu konkretisieren. Die Genannte verwies darauf, dass die Ogboni- Gesellschaft sehr stark sei und Unfälle verursache, bei denen Menschen ums Leben kämen. Die Mitglieder seien in der Lage, mittels Zauberei die Menschen in ganz Nigeria zu finden. Ihr Vater habe ihr die Opferung bereits angekündigt, als die Beschwerdeführerin acht Jahre alt gewesen sei. Sie habe ihren Vater besucht und da habe er sie über die bevorstehende Opferung informiert.

 

II.1.6. Die belangte Behörde wies den Antrag der nunmehrigen Beschwerdeführerin auf Gewährung von internationalem Schutz ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Existenz von Geheimbünden und Kultgemeinschaften in Nigeria nachvollziehbar und plausibel sei. Es sei auch denkbar, dass der Vater der Beschwerdeführerin Mitglied eines Geheimkultes sei, sogar die geplante Opferung der Beschwerdeführerin sei nicht völlig auszuschließen. Es sei aber unglaubwürdig, dass die Geheimgesellschaft die Antragstellerin in ganz Nigeria suche. Dass der Genannten eine innerstaatliche Fluchtalternative deshalb nicht zur Verfügung stünde, weil sie die Kultmitglieder mittels Juju-Zauber im gesamten Land ausfindig machen könnten, sei nicht nachvollziehbar.

 

Die belangte Behörde traf umfassende Länderfeststellungen zur Lage in Nigeria, insbesondere auch zur Frage der Kulte und Geheimgesellschaften.

 

Zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz führte die belangte Behörde aus, dass im Fall der Beschwerdeführerin keine außergewöhnlichen Umstände im Sinne der Judikatur des EGMR vorlägen, die eine Abschiebung unzulässig machen würden.

 

II.1.7. Die Beschwerdeführerin bekämpfte die Entscheidung der belangten Behörde fristgerecht mittels Berufung (ab 1.7.2008: Beschwerde) und monierte deren inhaltliche Rechtswidrigkeit und die Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Die Annahme des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative stütze sich ausschließlich auf Länderberichte und sei nicht ausreichend begründet. Die Beschwerdeführerin schloss dem Schriftsatz mehrere Berichte betreffend die Frage von Kultgemeinschaften an.

 

II.2. Zur Lage in Nigeria

 

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu Nigeria werden zum Gegenstand des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes erhoben.

 

II.3. Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung

 

II.3.1. Gemäß § 28 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 2008/4, nimmt der Asylgerichtshof mit 1.7.2008 seine Tätigkeit auf. Das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, tritt mit 1.7.2008 außer Kraft.

 

II.3.2.Gemäß § 23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, sofern sich aus dem Bundes- Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. I/1930, dem Asylgesetz 2005, AsylG 2005, BGBl. Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985- VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991- AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs " Berufung" der Begriff " Beschwerde" tritt.

 

II.3.3.Gemäß § 9 leg.cit. entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, sofern bundesgesetzlich nicht die Entscheidung durch Einzelrichter oder verstärkte Senate (Kammersenate) vorgesehen ist.

 

II.3.4. Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes. Gemäß Abs. 3 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4, wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 und wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowie über die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

II.3.5. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

1. Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

2. Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

3. Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

II.3.6. Gemäß § 41 Abs.7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67d AVG.

 

II.3.7. Gemäß § 18 Abs. 1 AsylG 2005 haben das Bundesasylamt und der Asylgerichtshof in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amtswegen beizuschaffen. Gemäß Abs. 2 ist im Rahmen der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens eines Asylwerbers auf die Mitwirkung im Verfahren Bedacht zu nehmen.

 

II.3.8. Gemäß § 15 AsylG 2005 hat ein Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken; insbesondere hat er ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Weiters hat er bei Verfahrenshandlungen und Untersuchungen durch einen Sachverständigen persönlich und rechtzeitig zu erscheinen, und an diesen mitzuwirken sowie unter anderen auch dem Bundesasylamt oder dem Asylgerichtshof alle ihm zur Verfügung stehenden Dokumente und Gegenstände am Beginn des Verfahrens, oder soweit diese erst während des Verfahrens hervorkommen oder zugänglich werden, unverzüglich zu übergeben, soweit diese für das Verfahren relevant sind.

 

Im gegenständlichen Fall liegen die genannten Voraussetzungen des § 41 Abs.7 AsylG 2005 für den Entfall einer mündlichen Verhandlung vor.

 

Die belangte Behörde hat ein im beschriebenen Sinne ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und enthält der Beschwerdeschriftsatz zudem kein Vorbringen, das geeignet wäre, die in der schlüssigen Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides zum Ausdruck kommende Beurteilung der belangten Behörde zu entkräften oder in Zweifel zu ziehen. Der verfahrensrelevante Sachverhalt ist daher nach dem Dafürhalten des Asylgerichtshofes als aus der Aktenlage als geklärt anzusehen.

 

Nach ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. VwGH vom 23.1.2003, Zl. 2002/20/0533, VwGH vom 2.3.2006, Zl. 2003/20/0317) kann nur dann angenommen werden, dass ein Sachverhalt nicht aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung (nunmehr Beschwerde) als geklärt anzusehen ist, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder der Berufungsbehörde ergänzungsbedürftig oder in einem entscheidenden Punkt nicht richtig erscheint, wenn rechtlich relevante Neuerungen vorgetragen werden oder wenn die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will.

 

Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall der Beschwerdeführerin nicht vor.

 

Der Asylgerichtshof erachtet es des Weiteren im gegenständlichen Fall nicht für notwendig, die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes um zusätzliche (über bloße Zusatzbemerkungen oder Eventualausführungen hinausgehende) eigene Argumente zu ergänzen. Nach der Rechtssprechung des VwGH widerspräche lediglich diese Notwendigkeit der Annahme eines hinreichend geklärten Sachverhaltes mit der Folge, dass von einer mündlichen Verhandlung nicht Abstand genommen werden dürfte (vgl. VwGH vom 30.9.2004, Zl. 2001/20/0140).

 

II.3.9. Gemäß § 66 Abs.4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Auf die oben zitierte Bestimmung des § 23 AsylGHG, demzufolge die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, wird hingewiesen.

 

II.3.10. Die Beschwerdeführerin hat den Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz am 3.3.2008 gestellt. Daher gelangen im gegenständlichen Verfahren die Bestimmungen des AsylG 2005 vollumfänglich zur Anwendung.

 

II.3.11. Zu Spruchpunkt I

 

Gemäß § 3 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist und glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK (idF des Art. 1 Abs.2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht" aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4. 1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr -Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.2.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

 

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

 

Der Asylgerichtshof teilt die Auffassung der belangten Behörde, wonach im Fall der Beschwerdeführerin - unabhängig von der Frage der Glaubwürdigkeit, die von der belangten Behörde im gegenständlichen Fall nicht in Zweifel gezogen wurde - die oben genannten Voraussetzungen für eine Asylgewährung nicht vorliegen.

 

Auch der Asylgerichtshof geht davon aus, dass die Beschwerdeführerin die Möglichkeit hat, sich vor allfällig geplanten Übergriffen durch Mitglieder einer Geheimgesellschaft durch die Vornahme eines innerstaatlichen Ortswechsels zu schützen.

 

Soweit die Beschwerdeführerin dagegen einwendet, dass die Mitglieder der Geheimgesellschaft sie überall in Nigeria durch Juju-Zauber ausfindig machen könnten und der belangten Behörde vorwirft, dass diese das besagte Vorbringen als unglaubwürdig qualifiziert, ist Folgendes festzuhalten:

 

Es ist dem Asylgerichtshof bekannt, dass Teile der nigerianischen Bevölkerung an Zauberkraft glauben. In diesem Punkte erscheint es durchaus vorstellbar, dass auch die Beschwerdeführerin subjektiv von der Macht übernatürlicher Kräfte überzeugt ist. Diese subjektive Einschätzung steht aber keineswegs im Einklang mit den Naturgesetzen und den Gesetzen der Denklogik, lässt sich somit keinesfalls objektivieren.

 

Aus diesem Grund steht der eingewendete "Juju -Zauber" keinesfalls der berechtigten Annahme der belangten Behörde entgegen, dass die Beschwerdeführerin durch Niederlassung in einem anderen Landesteil von Nigeria keinen Verfolgungshandlungen durch Mitglieder der Geheimgesellschaft ausgesetzt ist.

 

Die von der Beschwerdeführerin dem Beschwerdeschriftsatz beigeschlossenen Berichte bestätigen lediglich die seitens der belangten Behörde ohnehin nicht in Abrede gestellte Existenz von Kultgesellschaften, aber keinesfalls die von der Beschwerdeführerin angedeutete fehlende innerstaatliche Fluchtalternative oder gar die Auffindbarkeit von potentiellen Opfern in ganz Nigeria. Der Vollständigkeit halber sei die Beschwerdeführerin außerdem darauf aufmerksam gemacht, dass diese Berichte ausdrücklich von der Seltenheit der Darbringung von Menschenopfern sprechen.

 

Insgesamt vermögen somit die Einwände der Beschwerdeführerin gegen die Beurteilung der belangten Behörde aus Sicht des Asylgerichtshofes nichts an der Rechtsmäßigkeit der bekämpften Entscheidung zu ändern. Die eingangs beschriebenen Voraussetzungen für die Gewährung von internationalem Schutz liegen im Fall der Beschwerdeführerin nicht vor.

 

II.3. 12. Zu Spruchpunkt II

 

Gemäß § 8 Abs.1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Der Asylgerichtshof hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Beschwerdeführers sein Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336).

 

Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

Im Sinne der Judikatur des EGMR und des darauf in seiner Rechtssprechung Bezug nehmenden VwGH - vgl. etwa VwGH vom 23.9.2004, Zl. 2004/21/0134 mit weiteren Nachweisen - hat die entsprechende Prüfung von Refoulementschutz dahin gehend zu erfolgen, ob im Herkunftsstaat des Antragstellers eine derart extreme Gefahrenlage herrscht, dass praktisch jedem, der in diesen Staat abgeschoben wird, Gefahr für Leib und Leben in einem Maße droht, dass die Abschiebung im Lichte des Art. 3 EMRK unzulässig erschiene.

 

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den der Fremde abgeschoben werden soll, genügt nach der ständigen Rechtssprechung des VwGH (vgl. E vom 1.7.1999, Zl. 97/21/0804, E. vom 9.5.2003, Zl. 1998/18/0317), nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde.

 

Im Fall der Beschwerdeführerin konnten keine derart exzeptionellen Umstände festgestellt werden, die der Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK gleichzuhalten wären. Auf die zutreffenden Ausführungen in der Begründung des bekämpften Bescheides wird verwiesen. Diesen ist die Beschwerdeführerin im Übrigen im Beschwerdeschriftsatz auch nicht substantiiert entgegen getreten.

 

II.3.13. Zu Spruchpunkt III

 

Gemäß §10 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen unzulässig, wenn dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Im konkreten Fall kommt der Beschwerdeführerin weder ein solches Aufenthaltsrecht zu noch konnte festgestellt werden, dass die Genannte im Fall ihrer Ausweisung in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Privat- und Familienleben verletzt würde.

 

In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu beachten, dass die Beschwerdeführerin erst seit März 2008 in Österreich aufhältig ist und während des Aufenthaltes in Österreich keine Verfestigungs - oder Integrationstatbestände verwirklicht wurden. Solche wurden auch von der Beschwerdeführerin selbst nicht behauptet.

 

Ein in Österreich bestehendes Familienleben konnte vom Asylgerichtshof weder festgestellt werden noch wurde das Bestehen eines solchen von der Beschwerdeführerin selbst im Beschwerdeschriftsatz behauptet.

 

Die Ausweisungsentscheidung der belangten Behörde steht somit im Einklang mit den gesetzlichen Voraussetzungen und war daher zu bestätigen.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, innerstaatliche Fluchtalternative, non refoulement, private Verfolgung, subjektive Furcht
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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