A3 401.286-1/2008/3E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Holzschuster als Vorsitzende und den Richter Mag. LAMMER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin VB Dobias über die Beschwerde des L.I., geb. 00.00.1982, StA. Algerien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.08.2008, FZ. 08 02.727-BAE, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen.
Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wird L.I. der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Algerien nicht zuerkannt.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wird L.I. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Algerien ausgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I.1. Der nunmehrige Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Algerien, brachte beim Bundesasylamt am 25.03.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz iSd § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ein. Zu seinem Fluchtweg und den Fluchtgründen wurde er im Beisein eines geeigneten Dolmetschers am 22.03.2008, 28.03.2008, 15.04.2008 und am 11.06.2008 niederschriftlich einvernommen, was zum Inhalt der vorliegenden Entscheidung erhoben wird.
2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.08.2008, FZ. 08 02.727-BAE, wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und dem nunmehrigen Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wurde dem nunmehrigen Beschwerdeführer weiters der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und wurde er weiters gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Algerien ausgewiesen. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Fluchtvorbringen deshalb für unglaubwürdig erachtet werde, weil der Beschwerdeführer während der Einvernahme beim Stadtpolizeikommando Schwechat ein anderes Fluchtvorbringen vorgebracht habe als bei der Einvernahme beim Bundesasylamt. Darüberhinaus habe er zwischen den einzelnen Einvernahmen beim Bundesasylamt sein Fluchtvorbringen gesteigert bzw. ergänzt. Der Beschwerdeführer habe zwischen den einzelnen Einvernahmen nicht nur unterschiedliche Fluchtvorbringen präsentiert, sondern diese auch noch widersprüchlich dargestellt.
3. Gegen diese Entscheidung erhob der nunmehrige Beschwerdeführer fristgerecht und zulässig Beschwerde. Insbesondere wurde seitens des Beschwerdeführers kurz zusammengefasst betont, dass die Behörde im gegenständlichen Verfahren ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen sei. Er sei bei der Ersteinvernahme nur kurz befragt worden und habe keine Gelegenheit gehabt, näher auf seine Fluchtgründe einzugehen. Bei der Einvernahme am 28.03.2008 habe der Dolmetsch einen anderen Dialekt gesprochen, den der Beschwerdeführer nicht immer verstehen habe können. Er habe auch Angst gehabt, da ihn der Dolmetscher unter Druck gesetzt habe. Deswegen und weil er immer auf sein Studium angesprochen worden sei, sei er sehr verwirrt gewesen und habe nicht auf seine Fluchtgründe eingehen können. Erst bei der Zweiteinvernahme sei es ihm möglich gewesen auf seine Fluchtgründe einzugehen. Die Argumente der erstinstanzlichen Behörde, warum sein Vorbringen nicht glaubwürdig sei, stellen lediglich Gegenvermutungen dar, welche seinen Angaben gegenübergestellt werden. Die Gefahr, dass er im Falle seiner Rückkehr erheblichen Beeinträchtigungen seiner körperlichen und seelischen Unversehrtheit, seiner Freiheit und seines Lebens ausgesetzt sei, sei jedoch nicht nur real, sondern erheblich.
II. Der Asylgerichtshof hat über die Beschwerde in nicht öffentlicher Sitzung erwogen:
A. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 (in der Folge: AsylG) hat über die Berufung, die gemäß § 23 AsylGHG nunmehr als Beschwerde zu gelten hat, der Asylgerichtshof zu entscheiden; da keine der in § 61 Abs. 3 AsylG angeführten Ausnahmen vorliegt, hat der Asylgerichtshof in einem Senat von zwei Richtern zu entscheiden.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Der Status eines Asylberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen. Diese liegen vor, wenn sich jemand aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, der Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Ebenso liegen die Voraussetzungen bei Staatenlosen, die sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthalts befinden und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sind, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn in objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthalts zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr dar, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist.
Das Bundesasylamt hat in der Begründung des Bescheides vom 12.08.2008, FZ. 08 02.727-BAE, die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage hinsichtlich der behaupteten Flüchtlingseigenschaft klar und übersichtlich zusammengefasst und den rechtlich maßgeblichen Sachverhalt in völlig ausreichender Weise erhoben. Der Asylgerichtshof schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides.
Der Beweiswürdigung wurde nicht substantiiert entgegengetreten, weshalb von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof abgesehen werden konnte, da der maßgebende Sachverhalt durch die Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt war (vgl. § 41 Abs. 7, 1. Fall AsylG). Angemerkt wird, dass sich aufgrund des vorliegenden erstinstanzlichen Verwaltungsaktes, insbesondere der Niederschrift der erstinstanzlichen Einvernahme vom 28.03.2008, keine Bedenken an der ordnungsgemäßen Protokollierung der Aussagen des Beschwerdeführers ergeben und der Beschwerdeführer eigenhändig bestätigt hat, dass er den beigezogenen Dolmetscher einwandfrei verstanden und nach Rückübersetzung dieser Einvernahme nichts mehr hinzuzufügen oder abzuändern habe (siehe Seite 49 des erstinstanzlichen Aktes). Demnach sind die Rechtfertigungsversuche des Beschwerdeführers, wonach er bei der niederschriftlichen Einvernahme am 28.03.2008 Verständigungsprobleme mit dem Dolmetscher und er Angst vor dem Dolmetscher gehabt habe, weil ihn dieser unter Druck gesetzt habe, er immer auf sein Studium angesprochen worden und deswegen verwirrt gewesen sei, nicht geeignet, die aufgetretenen zahlreichen sowie gravierenden Widersprüche und das gesteigerte bzw. ergänzende Vorbringen zu entkräften bzw. plausibel erscheinen zu lassen.
Es liegt sohin mangels Glaubwürdigkeit des Vorbringens keine Verfolgung aus den in § 3 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnten Verfolgungsgründen des Art. 1 Abschn. A Z 2 der GFK (Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen der politischen Gesinnung) vor.
Demnach war der Berufung auch hinsichtlich der Entscheidung betreffend den Status des Asylberechtigten der Erfolg zu versagen.
B. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen
oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten demnach insbesondere dann zuzuerkennen - und die Rückschiebung eines Fremden folglich unzulässig - wenn dieser dadurch der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde (Art. 3 EMRK), wenn sein Recht auf Leben verletzt würde (Art. 2 EMRK) oder ihm die Vollstreckung der Todesstrafe drohen würde (Art. 1 des 13. Zusatzprotokolls zur EMRK).
Zu § 8 AsylG 2005 kann die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 Abs. 1 AsylG 1997 iVm § 57 Fremdengesetz 1997 als Auslegungsbehelf herangezogen werden. Nach dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist sohin auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht mehr vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in § 50 Abs. 1 FPG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. Vw GH 95/21/0294 vom 26.6.1997). Unter "außergewöhnlichen Umständen" (z.B. fehlende medizinische Behandlung bei lebensbedrohender Erkrankung) können auch von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertretende lebensbedrohende Ereignisse ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG darstellen (Urteil des EGMR in D vs. Vereinigtes Königreich vom 2.5.1997).
Eine aktuelle konkrete gegen seine Person gerichtete Bedrohung im Sinne von § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 konnte der Berufungswerber nicht glaubhaft machen.
Es besteht auch kein Hinweis auf "außergewöhnliche Umstände" (lebensbedrohende Erkrankung oder dergleichen), die eine Abschiebung im Sinne von Art. 3 EMRK und § 8 Abs. 1 AsylG 2005 unzulässig machen könnten. In Algerien herrscht keine Bürgerkriegssituation und hat der Beschwerdeführer im Übrigen weder eine lebensbedrohende Erkrankung noch einen sonstigen auf seine Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" behauptet oder bescheinigt, der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG 2005 darstellen könnte. Es besteht auch kein Anhaltspunkt, dass der arbeitsfähige und gesunde Beschwerdeführer im Fall der Rückführung in eine aussichtslose Situation geraten könnte. Es sind auch keine Bürgerkriegsgefahren im Sinne von § 8 Abs. 1 letzter Satzteil AsylG 2005 ersichtlich.
Die Berufung erweist sich sohin auch hinsichtlich des Ausspruches über die Nichtgewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten als nicht berechtigt. Der Asylgerichtshof schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid bezüglich der Refoulement-Entscheidung vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides. Es sind keine Umstände amtsbekannt, dass in Algerien landesweit eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.
C. Auch die gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG verfügte Ausweisung erweist sich als rechtsrichtig. Die in § 10 Abs. 2 AsylG normierten Ausnahmetatbestände liegen nicht vor. Es ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer über kein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht verfügt. Es wurde vom Beschwerdeführer keine besondere Beziehungsintensität im Sinne eines Abhängigkeitsverhältnisses zu einer in Österreich lebenden Person behauptet. Die Ausweisung stellt daher keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Familienleben dar.
Es sind auch keine Umstände hervorgekommen, die auf eine besondere Integration des Beschwerdeführers in Österreich hindeuten. Der Beschwerdeführer ist erst seit kurzer Zeit in Österreich aufhältig. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die nunmehrige Ausweisung einen Eingriff in Art. 8 Abs. 1 EMRK darstellt, so gelangt die erkennende Behörde im Hinblick auf diese Umstände (kein Anhaltspunkt für besondere Integration, erst kurzer Aufenthalt) doch zum Ergebnis, dass die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, insbesondere das wirtschaftliche Wohl des Landes (Verhinderung ungeordneter Zuwanderung) die Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Verbleib überwiegen, dies auch deshalb, weil dem Beschwerdeführer bewusst sein musste, dass er nur über eine vorübergehende Aufenthaltsberechtigung für Asylwerber verfügt und das Land im Falle einer negativen Verfahrensbeendigung zu verlassen hat.
Von einer mündlichen Verhandlung konnte Abstand genommen werden, zumal der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (§ 41 Abs. 7, 1. Fall AsylG).
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.