TE Vwgh Erkenntnis 2001/4/4 95/09/0088

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Veröffentlicht am 04.04.2001
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Index

L22006 Landesbedienstete Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

AVG §65;
BDG 1979 §124 Abs3 impl;
DP/Stmk 1974 §109 idF 1984/033;
DP/Stmk 1974 §118 Abs3 idF 1984/033;
DP/Stmk 1974 §21;
DP/Stmk 1974 §24 Abs1 idF 1989/087;
DP/Stmk 1974 §24 Abs2 idF 1989/087;
DP/Stmk 1974 §87 idF 1984/033;
DP/Stmk 1974 §99 Z1 idF 1993/098;
LBG Stmk 1974 §2 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß, Dr. Fuchs, Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des S in G, vertreten durch Dr. Harold Schmid, Rechtsanwalt in Graz, Kalchberggasse 8, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung vom 13. Februar 1995, Zl. LAD-08.10-14/95-6, betreffend Schuldspruch ohne Strafe nach § 109 der als Landesgesetz geltenden Dienstpragmatik, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Steiermark. Er war sowohl im Zeitpunkt der ihm angelasteten Dienstpflichtverletzung als auch der Erlassung des angefochtenen Bescheides Stellvertreter des Abteilungsvorstandes der Rechtsabteilung (RA) 11 des Amtes der Landesregierung, die für Angelegenheiten des Straßenverkehrs zuständig war.

Nach zwei Zeitungsberichten in einer Lokalzeitung im Oktober 1992 über Mängel bei der Vollziehung von Rechtsvorschriften in der RA 11 (Verschwinden von Akten; Verjährung) kam es in der Folge auf Grund eines Prüfungsantrages des zuständigen Regierungsmitgliedes zu einer Überprüfung dieser Abteilung durch den Landesrechnungshof (LRH), die de facto am 1. Februar 1993 begann.

Nach dem (vorläufigen) Prüfbericht des LRH vom 24. März 1993 wurden im Hinblick auf den Prüfungsantrag und die Zeitungsberichterstattung in der RA 11 die Protokolle bezüglich der beiden Gruppen 39 (Führerscheinentzug) und 75 (Berufungen gegen Straferkenntnisse) im Wesentlichen eingeschränkt auf die Jahre 1989-1991 stichprobenartig überprüft, wobei auch in die Akten der beteiligten Behörden erster Instanz (ebenfalls stichprobenartig) Einsicht genommen wurde. Soweit dies aus der Sicht des Beschwerdefalles von Bedeutung ist, wurden in der Liste der festgestellten Mängel unter 1) "Nicht mehr auffindbare Akten" insgesamt 18 verschwundene Akten (darunter auch jene 9 Akten, die im Beschwerdefall eine Rolle spielen) mit Aktenzahl (aber ohne Sachbearbeiter) aufgelistet. Offensichtlich auf Grund der Zeitungsberichte im Oktober 1992 habe die RA 11 - teilweise mit Erfolg - versucht, den im Protokoll der Abteilung als "offen" ausgewiesenen Akten durch schriftliche und mündliche Anfragen bei den Behörden erster Instanz nachzuspüren. Man habe offenbar - was aus einer Formulierung einer Anfrage geschlossen wurde - bei der RA 11 angenommen, dass Akteneingänge zum Teil überhaupt nicht protokolliert worden seien. Die Rekonstruktion des Inhaltes der verschwundenen Akten sei schwierig, weil sich im Regelfall keine Hinweise auf den strafbaren Tatbestand finden ließen. Wo eine Rekonstruktion gelungen sei, habe es sich um "sensible Bereiche" gehandelt (Die beiden im Bericht angeführten Beispiele - Übertretungen nach § 5 StVO - betreffen allerdings nicht den Beschwerdeführer).

In der Folge nahm die Landesamtsdirektion - Amtsinspektion (LAD-AI) nach Übermittlung des LRH - Berichtes ab 1. April 1993 eine Gesamteinschau in die RA 11 vor, die nicht nur die seinerzeitigen "Verkehrsstrafrechtsmittel" erfasste, die ab 1991 in die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates fielen. Sie stellte dabei fest, dass bei der quantitativ größten und bedeutungsmäßig wichtigsten Aufgabenstellung, nämlich bei den Ausnahmegenehmigungen sowie den ebenfalls wichtigen Führerscheinakten keine Mängel erhoben worden seien (so die beiden Schreiben der LAD-AI vom 30. Juli 1993 an die RA 1 und den LRH). Sie übermittelte aber gleichzeitig an die RA 1 (Personalabteilung) den Bericht des LRH gemeinsam mit den bislang eingelangten Stellungnahmen der RA 11 mit dem Ersuchen, die allfälligen Konsequenzen - auch disziplinarrechtlicher Natur - zu ziehen.

In der Folge erstattete die RA 1 auf Grund des Berichtes des LRH sowie der Schreiben der LAD-AI gegen verschiedene Bedienstete der RA 11 Disziplinaranzeigen an die Disziplinarkommission (DK), darunter auch mit Schreiben vom 20. August 1993 eine Nachtragsanzeige gegen den Beschwerdeführer (Anmerkung: die erste Disziplinaranzeige gegen den Beschwerdeführer spielt im Beschwerdefall keine Rolle).

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten geht hervor, dass der Abteilungsvorstand der RA 11 mit Schreiben vom 23. August 1993 die im LRH-Bericht nur mit der Geschäftszahl bezeichneten Akten den Referenten seiner Abteilung zuordnete (darunter auch dem Beschwerdeführer einige in Verlust geratene Akten). Außerdem wurde der Name der Beschuldigten, ihre Wohngemeinde und die zuständige Behörde erster Instanz angegeben.

Mit Bescheid vom 22. September 1993 bezog die DK die Nachtragsdisziplinaranzeige gegen den Beschwerdeführer in das gegen ihn eingeleitete Disziplinarverfahren mit ein. Nach der Begründung bestehe auf Grund des LRH-Berichtes, der Schreiben der LAD-AI sowie der Disziplinaranzeige der Verdacht, dass der Beschwerdeführer "Akten verjähren ließ". Gleichzeitig wurde das "Ruhen des Verfahrens bis zum Vorliegen des Ergebnisses der Sachverhaltserhebungen durch die Staatsanwaltschaft" verfügt.

Mit Schreiben vom 29. Juni 1994 teilte der zuständige Richter des Landesgerichtes für Strafsachen G. mit, dass der Staatsanwalt gegen zwei Beschuldigte der RA 11 Anklage wegen § 302 StGB erhoben habe, bezüglich einiger anderer Mitarbeiter dieser Abteilung - darunter auch den Beschwerdeführer - sei das Verfahren am 28. Juni 1994 gemäß § 90 Abs. 1 StPO eingestellt worden.

Im Verhandlungsbeschluss (Bescheid vom 21. September 1994) wurde der Beschwerdeführer beschuldigt, dass er neun näher bezeichnete Akte habe verjähren lassen. Er stehe somit im Verdacht, gegen § 21 und § 24 Abs. 1 und 2 der als Landesgesetz geltenden Dienstpragmatik (im Folgenden DP/Stmk) verstoßen zu haben.

Laut Niederschrift der am 13. Oktober 1994 vor der DK durchgeführten mündlichen Verhandlung bekannte sich der Beschwerdeführer nicht schuldig. Auf die Frage, wann festgestellt worden sei, dass Akten fehlten bzw. laut Protokoll Aktenteile nicht auffindbar seien, gab der Beschwerdeführer an, dass man dies schon vor der Prüfung durch den LRH festgestellt habe. Der Abteilungsvorstand habe den Auftrag erteilt, zu erheben, ob Akten ohne Anschreiben an die erste Instanz zurückgegangen seien. Es habe sich herausgestellt, dass "diese Akten" nicht mehr auffindbar gewesen und auch bei den Bezirkshauptmannschaften nicht eingelangt seien. Auf die Frage des Vorsitzenden, ob nur "sein Aktenpaket" oder noch andere Akten verschwunden seien, führte der Beschwerdeführer aus, dass er dies nur von seinem Referat sagen könne. Es sei ihm nicht bekannt, ob auch Akten bei seinen Kollegen verschwunden seien. In der Abteilung selbst habe man keine Erklärung für das Verschwinden der Akten finden können. Über Befragen gab der Beschwerdeführer weiters an, er habe die Akten in der Reihenfolge, wie sie ihm zugekommen seien, bearbeitet. Er könne sich nicht an die verschwundenen Akten erinnern; er vermute, dass diese nie auf seinem Schreibtisch gelandet seien. Die Akten müssten auf dem Weg vom Protokoll zu ihm verschwunden sein.

Der Zeuge S., der seit 1976 im Protokoll der RA 11 tätig und für den "Apl. Abschnitt 75" zuständig ist, erklärte an Hand der Vormerkblätter die Zuweisung eines Aktes bzw. die sonstigen Anmerkungen. S. bestätigte, dass die im Verhandlungsbeschluss angeführten Akten dem Beschwerdeführer zugewiesen worden seien. Es habe die Praxis bestanden, die Berufungsvorlage in der RA 11 vorerst zu protokollieren; dann seien diese mit der Post zum Chef gegangen und danach dem jeweiligen Referenten zugemittelt worden.

Der weiters als Zeuge einvernommene Abteilungsvorstand der RA 11 Dr. X., der damals Beschuldigter in einem strafgerichtlichen und in einem Disziplinarverfahren war, jedoch von seinem Entschlagungsrecht nach § 49 Abs. 1 Z 1 AVG nicht Gebrauch machte, gab u.a. auf Befragen nach der Höhe des "Aktenschwundes" an, dieser sei nicht höher als vom LRH festgestellt. Auch sei im Abschlussbericht des LRH auf die verschwundenen Akten nicht mehr Bezug genommen worden. Es sei ihm nicht erklärlich, wie es zum Verschwinden der Akten gekommen sei. Das Reinigungspersonal habe immer Zugang zu den Akten gehabt. Die nicht auffindbaren Akten müssten auch nicht unbedingt verschwunden sein: da sie sehr dünn seien, könnten sie auch mit anderen Akten abgelegt worden sein. Weiters führte der Zeuge aus, dass über seinen Wunsch seine (damalige) politische Referentin die Überprüfung durch den LRH veranlasst habe. Auf Grund des Berichts sei das Protokoll auf fehlende Akten überprüft worden. Es habe auch nicht restlos geklärt werden können, wie die Akten den Behörden der ersten Instanz wieder rückgemittelt worden seien. Die Kontaktaufnahme mit den ersten Instanzen wegen der fehlenden Akten sei nicht zielführend gewesen. Laut Niederschrift wurde der Zeuge ausdrücklich befragt, ob er Überlegungen zum Verschwinden dieser Akten angestellt habe. Dr. X. bejahte dies; er sei aber zu keinem konkreten Ergebnis gekommen. Der Beschwerdeführer wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nunmehr die Führerscheinakten vom jeweiligen Referenten unter Verschluss zu halten seien, sodass es künftig zu keinem Verlust von Akten kommen könne. Auf Befragen eines Beisitzers, ob bei den Verwaltungsstrafsachen sehr oft seitens der Politiker interveniert worden und dies "über das Protokoll" gegangen sei, gab der Zeuge an, dass dies meist über das Vorstandsprotokoll erfolgt sei, dies jedoch in Folge der Dringlichkeit oft im Protokoll nicht vermerkt worden sei.

Zu Protokoll genommen wurden auch die in der Verhandlung verlesenen Berichte, die in verschiedenen lokalen und überregionalen Zeitungen erschienen sind (12 Artikel von der zweiten Hälfte im August 1993, drei Artikel vom 7. und 8. Juni 1994 sowie 3 Artikel vom 1., 2. und 7. Juli 1994).

Mit Bescheid vom 13. Oktober 1994 sprach die DK den Beschwerdeführer vom Vorwurf, dass er neun näher bezeichnete Akten habe verjähren lassen, gemäß § 120 Abs. 2 DP/Stmk frei. Nach der Begründung stehe es außer Streit, dass der Beschwerdeführer Referent der genannten Akten gewesen sei. Im Beweisverfahren habe auf Grund der Aussagen des Abteilungsvorstandes und des Beschwerdeführers nicht geklärt werden können, wann die Akten in Verlust geraten seien. Außer Zweifel stehe, dass die Bezirksverwaltungsbehörden die Berufungen der RA 11 zur Entscheidung vorgelegt hätten und diese auch laut Vormerkbücher eingelangt seien. Für das Verschwinden der Akten gebe es mehrere Möglichkeiten. So könnten sie auf dem Weg vom Protokoll über den Abteilungsvorstand zum Referenten verschwunden sein. Eine andere Möglichkeit wäre laut Aussage des Abteilungsvorstandes Dr. X., dass der Reinigungsdienst Akten irrtümlich mit dem Altpapier entsorgt habe, da die Akten nicht unter Verschluss zu halten gewesen seien. Nach Ansicht der DK sei im Beweisverfahren kein Indiz aufgetaucht, wonach der Beschwerdeführer das Verschwinden der Akten zu verantworten gehabt habe. Da die Akten nicht vorgelegen seien, habe die DK auch nicht feststellen können, ob der Beschwerdeführer die angeführten Akten habe verjähren lassen und damit eine Dienstpflichtverletzung begangen habe. Der Beschwerdeführer sei deshalb freizusprechen gewesen.

In seiner Berufung machte der Disziplinaranwalt geltend, er könne sich der Ansicht der DK aus folgenden Erwägungen nicht anschließen:

1. Der Sachverhalt liege auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens klar zu Tage. Der Beschwerdeführer sei unbestritten der für die Bearbeitung zuständige Sachbearbeiter gewesen. Auszugehen sei weiters davon, dass die betreffenden Akten aus letztlich unerklärlichen Gründen in der RA 11, bei der sie nachgewiesenermaßen eingelangt seien, nicht mehr auffindbar und deswegen unbearbeitet geblieben seien, was zum Eintritt der Verjährung und zur Einstellung der betreffenden (Straf)Verfahren geführt habe.

2. Es stelle sich die Frage, ob der Beschwerdeführer schuldhaft gehandelt habe. Dies sei zweifelsfrei zu bejahen. Der Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsstrafverfahrens verlange grundsätzlich von jedem Sachbearbeiter ein systematisches Vorgehen bei der Bearbeitung von Akten und damit eine bestimmte Organisationsform in der Aktenverwaltung. In einer Abteilung, die über Verwaltungsstrafsachen zu entscheiden habe, sei auf Grund der im § 51 Abs. 7 VStG relativ kurz bemessenen Verjährungsfrist eine systematische Vorgangsweise, insbesondere nach dem Kriterium der Dringlichkeit, besonders geboten. Jeder Sachbearbeiter sei demzufolge verpflichtet, durch Fristablagen, Vormerkbücher oder andere organisatorische Vorkehrungen für eine übersichtliche Ordnung der Akten Vorsorge zu treffen, Akten insbesondere unter dem Gesichtspunkt der drohenden Verjährung zu reihen und sie dementsprechend flexibel zu bearbeiten.

Im Beschwerdefall gehe es nicht darum, dem Beschwerdeführer das Verschwinden von Akten vorzuhalten, sondern um den Vorwurf, dass ihm das Verschwinden der Akten angeblich nicht aufgefallen sei.

Der Disziplinaranwalt verkenne nicht, dass auch das beste Ordnungssystem im Einzelfall nicht ausschließe, dass ein Akt verloren gehen könne. Der Umstand, dass innerhalb eines feststehenden zeitlichen Rahmens 9 Akten nicht mehr auffindbar seien, erhärte aber den Verdacht, dass der Beschwerdeführer seinen dienstlichen Verpflichtungen wenig gewissenhaft, ja nachlässig und konzeptlos entsprochen habe.

Das Verhalten des Beschwerdeführers sei zumindest fahrlässig und damit schuldhaft einzustufen; es sei kausal für die eingetretene Verjährung in den betreffenden Verwaltungsstrafverfahren gewesen.

Es werde daher der Antrag gestellt, wegen dieser Dienstpflichtverletzungen eine Disziplinarstrafe auszusprechen.

Nach den vorgelegten Verwaltungsakten wurde auch eine Stellungnahme des bei der belangten Behörde eingerichteten Disziplinaranwaltes eingeholt. Es erfolgte jedoch weder eine Zustellung der Berufung des Disziplinaranwaltes (der DK) an den Beschwerdeführer noch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde.

     Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13. Februar 1995

gab die belangte Behörde gemäß § 119a Abs. 1 und § 120 DP/Stmk der

Berufung des Disziplinaranwaltes teilweise recht, hob den Bescheid

der DK auf und erkannte den Beschwerdeführer schuldig, dass er die

Akten (die mit U beginnenden Familiennamen der jeweiligen

Beschuldigten werden nur mit diesem Buchstaben wiedergegeben)

     "GZ.: 11 - 75  U  2 - 89       U. Alfred, Aichdorf

       GZ.: 11 - 75  U  3 - 89       U. Paul, Leoben

       GZ.: 11 - 75  U  7 - 89       U. Harald, Graz

       GZ.: 11 - 75  U  9 - 90       U. Friedrich, Pöfing - Brunn

       GZ.: 11 - 75  U 10 - 90      U. Erwin, Wildon

       GZ.: 11 - 75  U 11 - 90      U. Hannes, Bärnbach

       GZ.: 11 - 75  U 12 - 90      U. Sieglinde, Voitsberg

       GZ.: 11 - 75  U 13 - 91      U. Franz, Wetzelsdorf

       GZ.: 11 - 75  U  8 - 90       U. Engelbert, Hall

verjähren ließ, womit er gegen die Bestimmungen der §§ 21 und 24 Abs. 1 und 2 der Dienstpragmatik verstoßen hat. Gleichzeitig wird jedoch gemäß § 109 leg. cit. von der Verhängung einer Strafe abgesehen."

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der dem Beschwerdefall zu Grunde liegende Sachverhalt sei unbestritten und durch das durchgeführte Beweisverfahren klargestellt. Neue Fakten seien in der Berufung nicht geltend gemacht worden, sodass sich die belangte Behörde als Berufungsbehörde auf die rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes habe beschränken können. Nach Wiedergabe der §§ 21 und 24 Abs. 1 und 2 DP/Stmk schloss sich die belangte Behörde der Argumentation des Disziplinaranwaltes an, dass es einem erfahrenen Beamten - beim Beschwerdeführer handle es sich um einen solchen - hätte auffallen müssen, dass Akten verschwinden. Die vom Disziplinaranwalt ins Treffen geführten organisatorischen Hilfsmittel zur Vermeidung der Verjährung wären zweifellos geeignet gewesen, das Verschwinden von Akten zu bemerken, weshalb die belangte Behörde zur Auffassung gelangt sei, der Beschwerdeführer habe nicht nach Kräften alles vermieden, was den geordneten Gang der Verwaltung hätte beeinträchtigen können (§ 21 letzter Satz DP/Stmk). Ferner sei er seiner Verpflichtung nicht vollends nachgekommen, die ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen (§ 24 Abs. 1 leg. cit.). Darunter seien zweifellos die vom Disziplinaranwalt genannten organisatorischen Vorkehrungen jedes einzelnen Referenten zu verstehen. Dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben erschüttert worden sei ( § 24 Abs. 2 leg. cit.), sei aktenkundig und Gegenstand umfangreicher Berichte in den Medien gewesen.

Die belangte Behörde verkenne aber nicht, dass in der Dienststelle des Beschwerdeführers ständig ein hoher Arbeitsanfall zu verzeichnen gewesen sei und die gesamten Umstände in dieser Abteilung zu unerklärlichem Aktenverschwinden geführt hätten. Dagegen werde die Abteilung generell organisatorische Vorkehrungen treffen müssen. Die belangte Behörde habe in Ansehung dieser Umstände trotz Schuldspruches daher von der Verhängung einer Strafe abgesehen, da nach der Persönlichkeit des Beschwerdeführers habe angenommen werden können, dass in Zukunft alles unternommen werde, um weitere Vorfälle dieser Art zu unterbinden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I. Rechtslage

1. DP/Stmk

Auf Bedienstete, die im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Steiermark stehen (Landesbeamte), ist das Steiermärkische Landesbeamtengesetz (LBG) anzuwenden. Nach § 2 Abs. 1 dieses Landesgesetzes ist auf Landesbeamten unter anderem die Dienstpragmatik 1914 (RGBl. Nr. 15 in der Fassung BGBl. Nr. 213/1972) als Landesgesetz mit landesgesetzlichen Abweichungen sinngemäß anzuwenden (DP/Stmk.) Paragraphenzitate ohne Angabe der Rechtsquelle beziehen sich in der Folge auf dieses Gesetz.

Im II. Abschnitt der DP/Stmk werden in den §§ 21 bis 35 die Pflichten des Beamten geregelt.

Nach § 21 (Allgemeine Pflichten) ist der Beamte verpflichtet, der Republik Österreich treu und gehorsam zu sein und die Staatsgrundgesetze sowie die anderen Gesetze unverbrüchlich zu beobachten. Er hat sich mit voller Kraft und allem Eifer dem Dienst zu widmen und die Pflichten seines Amtes gewissenhaft, unparteiisch und uneigennützig zu erfüllen, jederzeit auf die Wahrung der öffentlichen Interessen bedacht zu sein sowie alles zu vermeiden und nach Kräften hintanzuhalten, was diesen abträglich sein kann oder den geordneten Gang der Verwaltung beeinträchtigen könnte.

Gemäß § 24 Abs. 1 (in der Fassung der LBG - Novelle 1989, LGBl. Nr. 87) ist der Beamte verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.

Nach Abs. 2 (in der genannten Fassung) hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

Die §§ 87 ff regeln das "Disziplinarrecht"

Gemäß § 87 (in der Fassung der LBG - Novelle 1984, LGBl. Nr. 33) ist der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, nach diesem Abschnitt zur Verantwortung zu ziehen.

Nach § 99 Z. 1 in der Fassung der LBG - Novelle 1993, LGBl. Nr. 98, sind auf das Disziplinarverfahren, soweit in diesem Abschnitt nicht anderes bestimmt ist, das AVG mit Ausnahme der §§ 2 bis 4, 12, 42 Abs. 1 und 2, 51, 51a 57, 63 Abs. 1 und 5 erster Satz zweiter Halbsatz. 64 Abs. 2, 67a bis 67g, 68 Abs. 2 und 3 und 75 bis 80 anzuwenden.

Parteien im Disziplinarverfahren sind der Beschuldigte und der Disziplinaranwalt (§ 100 in der Fassung der LBG - Novelle 1984).

Nach § 109 (in der Fassung der LBG - Novelle 1984) kann im Falle eines Schuldspruches von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden, wenn dies ohne Verletzung dienstlicher Interessen möglich ist und nach den Umständen des Falles nach der Persönlichkeit des Beamten angenommen werden kann, dass ein Schuldspruch allein genügen wird, den Beamten von weiteren Verfehlungen abzuhalten.

Besondere Verfahrensvorschriften für das Disziplinarverfahren treffen die §§ 117 ff.

§ 118 regelt den Verhandlungsbeschluss und die mündliche Verhandlung. Nach § 118 Abs. 3 (in der Fassung der LBG - Novelle 1984) ist dem Beschuldigten im Verhandlungsbeschluss die Zusammensetzung des Senates einschließlich der Ersatzmitglieder bekannt zu geben. Der Beschuldigte hat das Recht, binnen einer Woche nach Zustellung des Verhandlungsbeschlusses ein Mitglied des Senates ohne Angabe von Gründen abzulehnen.

§ 119a - eingefügt durch die LBG - Novelle 1989 - lautet:

"§ 119a

Absehen von der mündlichen Verhandlung

(1) Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Disziplinaroberkommission kann Abstand genommen werden, wenn der Sachverhalt nach der Aktenlage hinreichend geklärt und die Parteien nicht ausdrücklich in der Berufung die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt haben.

(2) Ungeachtet eines Parteienantrages kann die Disziplinaroberkommission von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn die Berufung zurückzuweisen, die Angelegenheit an die erste Instanz zu verweisen oder ausschließlich über eine Berufung gegen die Auferlegung eines Kostenersatzes zu entscheiden ist."

Nach § 120 Abs. 1 (in der Fassung der LBG - Novelle 1989) hat die Disziplinarkommission bei der Beschlussfassung über das Disziplinarerkenntnis nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in der mündlichen Verhandlung vorgekommen ist. Dies gilt auch für die Disziplinaroberkommission, wenn eine mündliche Verhandlung durchgeführt worden ist.

Nach Abs. 2 (in der Fassung der LBG - Novelle 1984) hat das Disziplinarerkenntnis auf Schuldspruch oder Freispruch zu lauten und im Falle eines Schuldspruches, sofern nicht nach § 91 Abs. 3 oder § 109 von einem Strafausspruch abgesehen wird, die Strafe festzusetzen.

2. AVG

§ 65 AVG lautet:

"Werden in einer Berufung neue Tatsachen oder Beweise, die der Behörde erheblich scheinen, vorgebracht, so hat sie hievon unverzüglich den etwaigen Berufungsgegnern Mitteilung zu machen und ihnen Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist vom Inhalt der Berufung Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern."

II. Beschwerdeausführungen

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit und einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer geltend, er sei dadurch in seinen Verteidigungsrechten auf das Äußerste beschränkt worden, dass ihm weder die Tatsache der Erhebung einer Berufung durch den Disziplinaranwalt noch deren Inhalt bekannt gegeben worden sei. Dies wiege umso schwerer, als die belangte Behörde dem angefochtenen Bescheid einen anderen Sachverhalt zugrundegelegt habe als die DK. Im Verfahren vor der DK sei es ausschließlich darum gegangen, ob der Beschwerdeführer dadurch, dass Akten verschwunden seien, schuldhaft gehandelt habe. Der Vorwurf des Verjährenlassens der Akten sei nicht Verfahrensgegenstand gewesen. Die belangte Behörde sei hingegen von einem anderen Sachverhalt ausgegangen, ohne das Verfahren entsprechend zu ergänzen und den Sachverhalt überhaupt klarzulegen. Sie habe auch entgegen § 118 keine mündliche Verhandlung durchgeführt und ihm auch keine Möglichkeit eingeräumt, von dem ihm gesetzlich eingeräumten Ablehnungsrecht eines Kommissionsmitgliedes Gebrauch zu machen. Auf Grund des von der belangten Behörde zugestandenen ständig hohen Arbeitsanfalls und dem Erfordernis genereller organisatorischer Vorkehrungen gegen den unerklärlichen Aktenschwund hätte die belangte Behörde nicht bloß von einer Strafe absehen dürfen, sondern hätte die Schuldhaftigkeit seines Verhaltens verneinen müssen. Außerdem sei in 4 Fällen (Anmerkung: die Aktenzahlen werden angeführt) nach § 90 Verjährung eingetreten, weil die Disziplinaranzeige dazu erst nach Ablauf von drei Jahren erstattet worden sei. Da infolge Verfolgungsverjährung fast 50 Prozent der Fälle nicht zu berücksichtigen gewesen seien, hätte sich die belangte Behörde - abgesehen, dass ein disziplinäres Verhalten gar nicht gesetzt worden sei - mit der Frage der mangelnden Strafwürdigkeit auseinander setzen müssen.

III. Erwägungen

1. Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt

2.1. Bei dem über den Beschwerdeführer verhängten Schuldspruch ohne Strafe nach § 109 handelt es sich um eine Disziplinarstrafe (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2000, Zl. 97/09/0289 mwN).

2.2. Die belangte Behörde geht nach der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, dass der dem Beschwerdefall zu Grunde liegende Sachverhalt unbestritten und durch das durchgeführte Beweisverfahren klargestellt sei und in der Berufung keine neue Fakten geltendgemacht worden seien, sodass sie sich bloß auf die rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes habe beschränken müssen.

2.3. Diese Annahmen der belangten Behörde treffen indessen nicht zu.

2.3.1. Die belangte Behörde legt dem Beschwerdeführer im Ergebnis (das heißt unter Heranziehung der Begründung zur Auslegung des unbestimmten Spruches) zur Last, er habe es schuldhaft unterlassen, in seinem Bereich organisatorische Maßnahmen zu setzen, die geeignet gewesen wären, das Verschwinden von Strafakten, das ihm hätte auffallen müssen, festzustellen, und solcherart (durch nicht rechtzeitige Aufklärung) den Eintritt der (Strafbarkeits) Verjährung von bestimmten Beschuldigten vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen herbeigeführt.

Damit hat die belangte Behörde erstmals den bloß allgemeinen Vorwurf, der Beschwerdeführer habe Akten verjähren lassen (so bereits im Einleitungsbeschluss, aber auch im Verhandlungsbeschluss - in letzterem konkretisiert durch die Angabe bestimmter Akten), der eine Bandbreite von Handlungen(Unterlassungen) von unterschiedlicher Schwere erfasst - vom als Missbrauch der Amtsgewalt (vgl. dazu näher § 302 StGB) zu wertendem Verhalten bis zum Fall einer sonstigen unzulänglichen Amtsführung, die der Beamte z.B. auf Grund seiner schlampigen Arbeitsweise zu vertreten hat, näher umschrieben. Sie ist damit im Bereich des durch den Einleitungs- und Verhandlungsbeschluss abgesteckten Verfahrensgegenstandes geblieben. Zu prüfen ist aber, ob die belangte Behörde dabei nicht (auch) von Sachverhaltsannahmen ausgegangen ist, die im bisherigen Verfahren nicht festgestellt wurden.

2.3.2. Die DK hat im erstinstanzlichen Verfahren festgestellt, dass neun näher bezeichnete Verwaltungsstrafakten bei der belangten Behörde eingelangt (protokolliert worden) seien. Deren Referent sei der Beschwerdeführer gewesen. Wann diese Akten verschwunden (in Verlust geraten) seien, habe nicht geklärt werden können. Es sei nach Auffassung der DK kein Indiz aufgetaucht, wonach der Beschwerdeführer das Verschwinden der Akten zu verantworten habe. Festzuhalten ist auch, dass sich aus der Zeugeneinvernahme des S. ergibt, dass in der Abteilung eine Registrierung (Protokollierung) einlangender (Straf)Akten eingerichtet war, deren Besorgung in den Aufgabenbereich eigener Bediensteter fiel.

2.3.3. Diese Feststellungen lassen die (Rechts)Frage offen, ob bzw. wann und in welchem Umfang der Beschwerdeführer (u.a. Sachbearbeiter für Berufungen in Verwaltungsstrafsachen) verpflichtet ist, von sich aus zu prüfen, ob die ihm laut Register zur Erledigung zugewiesenen Strafakten auch tatsächlich zugekommen sind. Zwar wird eine solche Verpflichtung grundsätzlich vor dem Hintergrund der Dienstpflichten des Beamten (auch in Verbindung mit den im Beschwerdefall in Betracht kommenden Verjährungsbestimmungen nach § 31 VStG) zu bejahen sein. Doch hängt das Ausmaß dieser Verpflichtung und damit das Ergebnis, ob im Fall einer Unterlassung einer solchen "internen Kontrolle" das Zutreffen einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung des Sachbearbeiters für derartige Berufungen bejaht werden kann, von den Umständen (Sachverhaltselementen) des Einzelfalles ab (wie z. B. der Anzahl der anfallenden Akten, der Einrichtung einer arbeitsteiligen Organisation, die für die Registrierung von Akten zuständig ist und die Vorgaben für deren Aufgabenbesorgung, insbesondere auch der Frage, ob periodische Rückstandsausweise erstellt werden oder auch dem Umstand, ob dem Referenten das Nichtzukommen von Akten trotz deren Registrierung z.B. auf Grund von Nachfragen der Behörden erster Instanz bekannt wurde usw.) ab, sodass insofern zumindest eine "gemischte" Frage (quaestio mixta) vorliegt. Insofern hat der Disziplinaranwalt in seiner Berufung zutreffend formuliert, es gehe im Beschwerdefall darum, ob dem Beschwerdeführer das Verschwinden von Akten hätte auffallen müssen (und sich daraus ein entsprechender Vorwurf ableiten lasse), nicht aber darum, ihm das Verschwinden von Akten vorzuhalten (d.h. wohl ihn dafür verantwortlich zu machen; Letzteres war von der DK ausdrücklich verneint worden und wurde auch in der Berufung nicht behauptet). Unzutreffend war es aber, wenn die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage davon ausging, im Beschwerdefall sei allein auf Grund der Erfahrung des Beschwerdeführers von einer schuldhaften Unterlassung eines gebotenen "internen Kontrollsystems" auszugehen, ohne dass es einer Prüfung der sonstigen Umstände des Einzelfalles - wie sie oben beispielsweise angeführt wurden - im Sachverhaltsbereich bedürfe, um das Zutreffen dieses Vorwurfes festzustellen.

Derartige Sachverhaltsfeststellungen hat die DK in ihrem Verfahren nicht getroffen. Die belangte Behörde wäre daher im Fall einer Sachentscheidung, wie sie im angefochtenen Bescheid getroffen wurde, zur Ermittlung neuer Sachverhaltselemente verpflichtet gewesen und hätte eine mündliche Verhandlung durchführen müssen. Sie konnte sich daher im Beschwerdefall nicht auf § 119a Abs. 1 berufen. Bei Anberaumung einer mündlichen Verhandlung hätte sie dem Beschwerdeführer jedenfalls auch nach § 118 Abs. 3 die Zusammensetzung des erkennenden Senates bekannt geben müssen, um dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zur Geltendmachung seines Ablehnungsrechtes zu ermöglichen. In diesem Fall, in dem eine Verpflichtung der belangten Behörde zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung besteht, ergibt sich in Bezug auf § 118 Abs. 3 kein Anhaltspunkt für eine Differenzierung etwa dahin, dass das Ablehnungsrecht dem beschuldigten Beamten nur im Verfahren vor der DK zustünde (so zur - mit dieser Einschränkung - vergleichbaren Bestimmung nach § 124 Abs. 3 BDG 1979 die hg. Erkenntnisse vom 16. September 1981, Zl. 81/09/0019 = Slg NF Nr. 10.537/A, sowie vom 11. Jänner 1984, Zl. 82/09/0039). Im Hinblick auf das Erfordernis der Klärung neuer Sachverhaltselemente auf Grund der Berufung des Disziplinaranwaltes wäre die belangte Behörde aber auch nach § 65 AVG verpflichtet gewesen, die Berufung des Disziplinaranwaltes dem Beschwerdeführer zuvor zur Kenntnis zu bringen (zu einer solchen Auslegung des § 65 AVG, die nicht bloß auf vom Berufungswerber vorgebrachte neue Tatsachen und Beweismittel abstellt, sondern in dieser Bestimmung den Ausdruck des fundamentalen Grundsatzes des Parteiengehörs auch für das Berufungsverfahren erblickt, siehe VfSlg. 2111/1951 mwN).

3. Schon deshalb war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes nach § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Im fortgesetzten Verfahren wird (allenfalls) auch die vom Beschwerdeführer in Bezug auf einige Akten aufgeworfene Frage der Verjährung nach § 90 Abs. 1 Z 2 DP/Stmk (drei Jahre, gerechnet von dem Zeitpunkt der Beendigung der Dienstpflichtverletzung) zu prüfen sein, die hier mangels konkreter Feststellungen, wann die Strafbarkeitsverjährung der diesen Verwaltungsstrafakten zu Grunde liegenden Verwaltungsübertretungen eingetreten ist, nicht beurteilt werden kann. In diesem Zusammenhang könnte allerdings auch die Frage von Bedeutung sein, ob ein fortgesetztes Delikt vorliegt, was gleichfalls mangels entsprechender Feststellungen nicht geprüft werden kann.

4. Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z 1 und 2 und 49 VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 4. April 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1995090088.X00

Im RIS seit

13.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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