TE AsylGH Bescheid 2008/09/09 C10 243553-0/2008

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Veröffentlicht am 09.09.2008
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Spruch

C10 243553-0/2008/15E

 

B. F.,

 

geb.00. 00.1980

 

Staatsangehöriger von Afghanistan

 

Schriftliche Ausfertigung des am 15. 11. 2006 mündlich verkündeten Bescheides

 

SPRUCH

 

Der Unabhängige Bundesasylsenat hat durch das Mitglied Dr. LEHOFER gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 38 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. 76/1997 (AsylG), i.d.g.F. Nr. 126/2002 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 15. 11. 2006 verkündet:

 

In Erledigung der Berufung vonB. F. vom 03.11.2003 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.10.2003, Zahl: 02 04.030-BAS, wird dieser Bescheid behoben und gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

BEGRÜNDUNG

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der Berufungswerber brachte am 12.02.2002 einen Antrag auf internationalen Schutz ein und gab an, Staatsangehöriger von Afghanistan, sowie am 00. 00.1980 geboren zu sein. Er wurde am 11.02.2002 durch die BH Gänserndorf niederschriftlich befragt, wobei er erklärte, dass er Afghanistan vier Monate zuvor verlassen habe. Über welche Länder er nach Österreich gekommen sei, wisse er nicht. In seiner Heimat habe sein Vater für ihn gesorgt, er sei Student. Er verfüge über keinen Reisepass und sei schlepperunterstützt nach Österreich eingereist.

 

Am 21.02.2002 wurde aufgrund des unbekannten Aufenthaltes des Bw. das Verfahren gemäß § 30 AsylG 1997 eingestellt. Am 25.06.2003 wurde der Antragsteller gemäß dem Dubliner Übereinkommen BGBl. III 1997/165 zwecks Durchführung des Asylverfahrens aus dem Vereinigten Königreich nach Österreich rücküberstellt.

 

Am 01.09.2003 fand eine niederschriftliche Einvernahme des nunmehrigen Berufungswerbers durch einen Organwalter des Bundesasylamtes, im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari statt.

 

Mit Schreiben vom 05.03.2004 langte bei der Berufungsbehörde die fachärztliche Bestätigung von Dr. W., Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie ein, gemäß welcher der Antragsteller an einem massiven Cervicalsyndrom bei Bandscheibenvorwölbungen, sowie an Begleitentzündungen vor allem der rechten Schulter leide. Zudem leide der Antragsteller an einer reaktiven Depression. Seine Behandlung werde noch längere Zeit in Anspruch nehmen.

 

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.10.2003, Zahl: 02 04.030-BAS, wurde der Asylantrag des Asylwerbers gemäß § 7 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 AsylG wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan für zulässig erklärt (Spruchteil II). Die Entscheidung wurde zusammengefasst damit begründet, dass die Angaben des Antragstellers zu seinem Fluchtgrund unglaubwürdig seien. Der Genannte habe angegeben, dass sein Vater, ein ehemaliger Militärrichter, ermordet worden sei. Unter der Taliban Herrschaft habe er den vermeintlichen Mörder seines Vaters (einen Mann namens M.) verraten, dieser sei gefoltert worden und an den Folgen der Folter verstorben. Die Angehörigen von

M. (Zugehörige des Jamiat-e Islami) hätten den Antragsteller als Verräter betrachtet und Blutrache angedroht. Mit dem Sturz der Taliban seien die Jamiat-e Islami an die Macht gekommen und der Antragsteller bereits einen Tag nach der Vertreibung der Taliban aus Kabul von einem Kommandanten der Jamiat -e Islami, einem Bruder von M., festgenommen und 17 Tage inhaftiert worden. Erst durch Bezahlung von Bestechungsgeld sei es ihm möglich gewesen aus dem Gefängnis zu entkommen. Die Erstbehörde führte aus, dass die Angaben des Antragstellers unglaubwürdig seien, weil gemäß dessen Darstellung die Angehörigen von M. über die Jahre hinweg auf eine Gelegenheit gewartet hätten, sich zu rächen. Es sei nicht glaubwürdig, dass der Antragsteller drei Wochen lang angehalten worden sei, ohne dass dabei die Blutrache vollzogen worden sei. Die Familie des Antragstellers lebe nach wie vor in Afghanistan, von einer allfällig bestehenden Gefahr durch Blutrache müssten daher auch die Verwandten des Antragstellers bedroht sein. Weil sich die Familie des Antragstellers nach wie vor in Afghanistan befinde und diese auch nach der Ausreise des Antragstellers nicht den Aufenthaltsort gewechselt habe, sei davon auszugehen, dass dessen Vorbringen nicht den Tatsachen entspreche.

 

3. Gegen diese Entscheidung erhob der Antragsteller fristgerecht Berufung, verwies in dieser auf sein bisheriges Vorbringen und führte ergänzend hiezu aus, dass er den entscheidungsrelevanten Sachverhalt bereits ausführlich in seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt vorgebracht habe. Seine Glaubwürdigkeit sei von der Erstbehörde falsch beurteilt worden, die Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung der Unglaubwürdigkeit sei vollkommen mangelhaft. Zur Ansicht der Erstbehörde, es sei absolut unglaubwürdig, dass er drei Wochen angehalten worden sein soll, ohne dass die Blutrache vollzogen worden wäre, sei dadurch erklärbar, dass man ihm nicht die Gunst eines schnellen Todes habe gewähren wollen. Die Erstbehörde habe sich zudem mit dem Vorbringen nicht ausreichend auseinander gesetzt. Er habe ausführliche Angaben zur Tätigkeit und Position seines Vaters während des kommunistischen Regimes dargelegt, dennoch habe es die belangte Behörde als nicht nachvollziehbar erachtet, dass dem Antragsteller vorgeworfen worden sei, Kommunist, Ungläubiger und Christ zu sein. Die Feststellungen des erstinstanzlichen Bescheides über die Lage in Afghanistan seien unzureichend, die belangte Behörde habe keinerlei Ermittlungstätigkeit in Bezug auf allfällige Bedrohungen von Personen, die mit dem kommunistischen Regime in Verbindung gebracht werden, bzw. hinsichtlich der nach wie vor weit verbreiteten Blutrache angestellt.

 

Der Unabhängige Bundesasylsenat führte in der ggst. Rechtssache am 11.05.2005 sowie am 15.11.2006 mündliche Verhandlungen durch und verkündete nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung am 15. 11. 2006 sogleich den Berufungsbescheid mit oben angeführten Spruch. Das zuständige Senatsmitglied, Dr. LEHOFER begründete die zurückverweisende Entscheidung mit der mangelhaften Einvernahme sowie der rudimentären Befragung durch die erstinstanzliche Behörde.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Bestimmungen bezüglich der Einrichtung des Asylgerichtshofes befinden sich in den Art. 129c ff. B-VG. Gemäß Art. 151 Abs. 39 Z. 1 B-VG wird mit 01.07.2008 der bisherige Unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof. Laut Z. 4 leg. cit. sind am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Die Übergangsbestimmungen des § 75 Abs. 7 AsylG 2005 idgF lauten:

 

"Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängige Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichthofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständen Senat weiterzuführen."

 

Im gegenständlichen Verfahren wurden durch ein Mitglied des Unabhängigen Bundesasylsenates, das nicht zu einem Richter des Asylgerichtshofes ernannt wurde, mündliche Verhandlungen geführt und der Berufungsbescheid durch Verkündung am 15.11.2006 erlassen. Der Spruch und die wesentliche Begründung wurden in der Verhandlungsschrift festgehalten.

 

Da im Falle einer Bescheidverkündung nach Schluss der Verhandlung den Parteien eine schriftliche Ausfertigung des Bescheides zuzustellen ist und diese Ausfertigung bislang noch nicht erfolgte, ist das gegenständliche Verfahren als ein beim Unabhängigen Bundesasylsenat am 1. Juli 2008 anhängig gewesenes Verfahren zu sehen, das gemäß § 75 Abs. 7 Z. 3 AsylG 2005 idgF vom zuständigen Senat laut erster Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes weiterzuführen ist.

 

An den mündlich verkündeten Bescheid knüpfen sich nach der Rechtsprechung des VwGH die Rechtwirkungen eines Bescheides, insbesondere dessen Unwiderrufbar- und Unabänderlichkeit (vgl. Hengstschläger - Leeb, AVG Kommentar, 2. Teilband § 62).

 

Im vorliegenden Fall kann der Asylgerichtshof in Hinblick auf die Rechtswirkungen des bereits erlassenen und mündlich verkündeten Bescheides keine Entscheidung gemäß § 61 AsylG 2005 treffen, da die Entscheidung in der Sache - konkret die Behebung des erstinstanzlichen Bescheides und die Zurückverweisung gemäß § 66 Abs. 2 AVG - bereits am 15.11.2006 durch das zuständige Mitglied des Unabhängigen Bundesasylsenates rechtswirksam erfolgte.

 

Die Ausfertigung des mündlich erlassenen und verkündeten Bescheides ist daher vom Vorsitzenden des zuständigen Senates laut erster Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vorzunehmen.

 

Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG idF. BGBl. I Nr. 100/2005 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetztes 1997 zu Ende zu führen; § 44 AsylG 1997 gilt. Da der gegenständliche Asylantrag vor dem 01.05.2004 gestellt wurde, kommt im gegenständlichen Verfahren das Asylgesetz 1997 in der Fassung BGBl. I. Nr. 126/2002 zur Anwendung.

 

2. Gemäß § 62 Abs. 4 AVG kann die Behörde jederzeit von Amts wegen Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten in Bescheiden berichtigen.

 

Die Anwendung des § 62 Abs. 4 setzt einen fehlerhaften Verwaltungsakt mit der Maßgabe voraus, dass eine auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit sowie die Offenkundigkeit gegeben ist (VwSlg 8545A/1974). Die Berichtigung ist auf jene Fälle ihrer Fehlerhaftigkeit eingeschränkt, in denen die Unrichtigkeit eine offenkundige ist, d.h. dass die Unrichtigkeit des Bescheides von der Behörde - bei entsprechender Aufmerksamkeit - bei Erlassung hätte vermieden werden können (VwGH vom 23.10.1985, 85/02/0248, VwGH vom 23.4.1996, 96/04/0018; Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren 2, 1128 mit weiteren Hinweisen). Ein Versehen ist dann klar erkennbar, wenn zu dessen Erkennung kein längeres Nachdenken und keine Nachschau in Gesetzeswerken notwendig ist, wobei vom Maßstab eines mit der zu behandelten Materie vertrauten Durchschnittsbetrachters auszugehen ist (VwGH vom 13.9.1991, Zahl 90/18/0248).

 

3. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Auch der Unabhängigen Bundesasylsenat ist zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG berechtigt (vgl. dazu VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315 und 21.11.2002, 2000/20/0084). Eine kassatorische Entscheidung darf von der Berufungsbehörde nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann getroffen werden, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Berufungsbehörde hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als "unvermeidlich erscheint". Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa VwGH 14.3.2001, 2000/08/0200; zum Begriff "mündliche Verhandlung" im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG siehe VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084).

 

4. Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit aktuellen Länderberichten verlangt (VwGH vom 26.11.2003, Zl.: 2003/20/0389).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnissen vom 21. November 2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im letztgenannten Erkenntnis insbesondere ausgeführt:

 

"Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, Zl. 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommende Rolle einer ¿obersten Berufungsbehörde' (Art. 129c 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen."

 

In Erkenntnis vom 17.10.2006 (Zl 2005/20/0459) hat der VwGH betont, dass eine Behebung nach § 66 Abs 2 AVG nur zulässig ist, wenn eine weitere Verhandlung/Einvernahme erforderlich ist, was nicht der Fall wäre, wenn die Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens durch schriftliches Parteiengehör saniert hätten werden können.

 

5. Der Verwaltungsgerichtshof hat nun zusammengefasst in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist. Im vorliegenden Fall ist dies in qualifizierter Weise unterlassen worden, dies aus folgenden Erwägungen:

 

5.1. Die Länderfeststellungen bestehen aus kursorischen unzusammenhängenden Informationen ohne konkreten Zusammenhang zum Vorbringen des Berufungswerbers. Insbesondere bezieht sich der Antragsteller in seinem Vorbringen darauf, dass sein Vater, sowie auch seiner gesamten Familie eine kommunistische Gesinnungshaltung unterstellt worden wäre und er (auch) aus diesem Grund verfolgt und gefoltert worden sei. Die erstinstanzliche Behörde ist in ihren Länderfeststellungen auf dieses Vorbringen in keiner Weise eingegangen, im Gegenteil beschränken sich diese lediglich auf allgemeine (lediglich rudimentäre und kurze) Ausführungen zur Sicherheitslage, die Bewegungsfreiheit (innerstaatliche Fluchtalternative), sowie den Wiederaufbau. Des weiteren bezieht sich das Vorbringen des Antragstellers darauf, dass er aufgrund von Blutrache und seiner Zugehörigkeit zur christlichen Religion Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen sei. Auch diesbezüglich fehlen Länderfeststellungen, welche auf dieses Vorbringen Bezug nehmen zur Gänze.

 

5.2. Zudem führte das Bundesasylamt führte in seiner Refoulement - Entscheidung aus, dass der Antragsteller "....nichts vorzubringen vermochte, was auf eine Verfolgung oder drohende Verfolgung im Konventionssinn hinweise und andererseits sein Vorbringen nichts konkret enthält oder hervorkommen ließ, was im Rückkehrfall nach Afghanistan eine konkrete, individuelle Gefährdung.... erkennen ließe." Die Erstbehörde kommt zu dieser Rechtsansicht, ohne aber ausreichende Feststellungen zu treffen, welche ihre Ansicht argumentativ stützen würden. Zwischen den Begriffen " Subsidiärer Schutz" oder "Non-Refoulementschutz" und "Asyl" bestehen zwar enge Beziehungen, weshalb sich in weiten Bereichen die rechtliche Prüfung überschneidet, der Prüfungsumfang ist aber nicht ident. Die Erstbehörde hat sich bei deren Refoulement-Entscheidung keine Feststellungen zur konkreten Rückkehrsituation im Herkunftsstaat des Berufungswerbers getroffen. Solche wären allerdings unter dem Gesichtspunkt der Entscheidung gemäß § 8 Asylgesetz notwendig gewesen, wie oben bereits dargelegt.

 

Zusammengefasst bleibt anzumerken, dass die Erstbehörde sich auf Feststellungen zu Afghanistan beschränkt hat, die auf eine Entscheidung gemäß § 8 AsylG nicht hinreichend abgestellt sind. Korrekterweise hätte sie sich mit Hilfe aktueller Länderberichte unter anderem mit der Frage der Situation von Rückkehrern, der Versorgungslage in Afghanistan auseinander zu setzen gehabt. Da dies unterblieb, liegt ein wesentlicher Begründungsmangel vor. Nochmals wird festgehalten, dass die Aufnahme von aktuellen Feststellungen zu diesen Fragen jedenfalls hinsichtlich des Spruchpunktes II des bekämpften Bescheides entscheidungsrelevant ist. Dabei wird die Erstbehörde auf die Heranziehung aktueller Quellen zu achten haben.

 

5.3. Es hätte jedenfalls im Sinne des § 45 Abs 3 AVG auch einer Konfrontation der Partei mit dem (wie oben aufgezeigt) amtswegig zu ermittelnden Sachverhalt und den diesbezüglichen Beweismitteln bedurft. Den Parteien ist das Ergebnis der behördlichen Beweisaufnahme in förmlicher Weise zur Kenntnis zu bringen und ausdrücklich unter Setzung einer angemessenen Frist Gelegenheit zu geben, zu diesen Ergebnissen Stellung zu nehmen (VwGH 05.09.1995, Zl. 95/08/0002), was nicht geschehen ist. Gegenstand des Parteiengehörs sind sämtliche Ergebnisse der Beweisaufnahme. Auch soweit die Behörde bestimmte Tatsachen als offenkundig behandelt, ist dies der Partei bekannt zu geben (VwGH 17.10.1995, Zl. 94/08/0269). Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 27.02.2003, Zl. 2000/18/0040) ist die Verletzung des Parteiengehörs zwar saniert, wenn im Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens dargelegt werden und die Partei die Möglichkeit hat, in ihrer Berufung dagegen Stellung zu nehmen - Voraussetzung einer solchen Sanierung ist aber, dass in der erstinstanzlichen Bescheidbegründung tatsächlich alle Beweisergebnisse dargelegt werden, da ansonsten die Berufungsbehörde das Parteiengehör einräumen müsste (VwGH 25.03.2004, Zl. 2003/07/0062). Durch die mangelhafte Bescheidbegründung ist dieses Erfordernis aber mit Sicherheit nicht erfüllt.

 

Diese Umstände müssen in ihrer Gesamtheit bei einer Spezialbehörde als maßgeblicher Mangel angesehen werden. Notwendig wäre es, im individuellen Fall zunächst auf Basis einer eingehenderen Befragung des Berufungswerbers dessen Glaubwürdigkeit substantiiert zu prüfen, sowie entsprechend dem individuellen Vorbringen des Antragstellers Länderfeststellungen zu treffen.

 

6. Das erstinstanzliche Verfahren wurde somit in einer Art und Weise mangelhaft geführt, dass sämtliche Erhebungen, welche grundsätzlich von der Erstbehörde durchzuführen sind, von der Berufungsbehörde zu tätigen wären, sohin verbietet sich unter Berücksichtigung der oben dargestellten Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes und unter Effizienzgesichtspunkten eine Heranziehung des § 66 Abs 3 AVG. Zusammenfassend ist auszuführen, dass sich der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft darstellt, dass die Berufungsbehörde gezwungen war gemäß § 66 Absatz 2 AVG vorzugehen.

 

Die Rechtssache war daher spruchgemäß an die Behörde erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Die Erstbehörde wird im fortzusetzenden Verfahren die dargestellten mangelhaften Verfahrensschritte zu verbessern haben.

 

7. Ausgehend von diesen Überlegungen war das dem unabhängigen Bundesasylsenat gemäß § 66 Abs. 2 und 3 AVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung auszuüben. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass im Fall eines gemäß § 66 Abs. 2 AVG ergangenen aufhebenden Bescheides die Verwaltungsbehörden (lediglich) an die die Aufhebung tragenden Gründe und die für die Behebung maßgebliche Rechtsansicht gebunden sind (vgl. z.B. VwGH 22.12.2005, Zl. 2004/07/0010, VwGH 08.07.2004, Zl. 2003/07/0141); durch eine Zurückverweisung nach § 66 Abs. 2 AVG tritt das Verfahren aber in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befand (VwGH 22.05.1984, Zl. 84/07/0012), sodass das Bundesasylamt das im Rahmen des Berufungsverfahrens erstattete weitere Parteivorbringen zu berücksichtigen und gemäß § 18 Abs. 1 AsylG gegebenenfalls darauf hinzuwirken haben wird, dass dieses ergänzt bzw. vervollständigt wird.

 

8. Abschließend bleibt im vorliegenden Fall anzumerken, dass in der mündlichen Verhandlung vom 15.11.2006 der Bescheid (gemäß Niederschrift vom 15.11.2006) wie folgt verkündet wurde:

 

"Der Unabhängige Bundesasylsenat hat durch das Mitglied Dr. Lehofer gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm §38 Abs. 1 des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG), i.d.g.F. Nr. 126/2002 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 11.05.2005 und 15.11.2006 entschieden: Die Berufung am 31.10.2003 von B. F gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.10.2003, Zl. 02 04.030-BAS, wird gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen"

 

Bei der Formulierung "die Berufung (....) wird gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen" handelt es sich um ein offenkundiges Versehen, dass statt dem Wort "Bescheid" das Wort "Berufung" dokumentiert wurde. Aus dem Gesamttext ergibt sich, dass vom entscheidenden Senatmitglied Dr. LEHOFER offenkundig beabsichtigt war, den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.10.2003, Zl. 02 04.030-BAS gemäß § 66 Abs. 2 AVG an die Erstbehörde zurückzuverweisen. In der gegenständlichen schriftlichen Ausfertigung war auf dieses Versehen Bedacht zu nehmen weshalb der Spruch wie oben angeführt auszufertigen war.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, Parteiengehör
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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