TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/09 S2 400134-1/2008

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Veröffentlicht am 09.09.2008
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Spruch

S2 400.134-1/2008/3E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Schnizer-Blaschka als Einzelrichterin über die Beschwerde der O.J., geb. 00.00.1984, StA. Nigeria, vertreten durch RA Mag. Nikolaus Rast, Schmerlingplatz 3, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.06.2008, Zahl: 08 02.192-BAL, zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird gemäß § 41 Absatz 3 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I.1. Die Beschwerdeführerin brachte am 03.03.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz beim Bundesasylamt ein, das Verfahren wurde nach ihrer Einvernahme vom 03.03.2008 zugelassen (AS 43). Aufgrund der Aussagen des Asylwerbers N.C. (AIS- Zahl 08 03.116- EAST OST) im Zuge seiner Einvernahme zu seinem eigenen Asylantrag, wonach dieser mit der Beschwerdeführerin gemeinsam mit einem rumänischen Visum in die EU eingereist sei, wurde seitens des Bundesasylamtes am 28.05.2008 ein Konsultationsverfahren mit Rumänien eingeleitet (AS 59), worüber die Beschwerdeführerin in ihrer Einvernahme am 17.06.2008 informiert wurde (AS 87ff). Am 06.06.2008 langte die Zustimmung zur Übernahme der Beschwerdeführerin durch die rumänische Behörde auf Grundlage des Art. 9 Abs. 2 und 4 Dublin II-VO ein (AS 67).

 

Am 17.06.2008 wurde die Beschwerdeführerin durch das Bundesasylamt, Außenstelle Linz, einvernommen und gab dabei im Wesentlichen an, ihre bisherigen Angaben seien richtig. Konfrontiert mit den Aussagen des N.C., bzw. auf Vorhalt, sie sei in Rumänien aufhältig gewesen und habe entgegen ihren Angaben auch ein Visum für Rumänien erhalten, vermeinte die Beschwerdeführerin, dazu nichts zu sagen zu haben. Österreich sei das erste Land, in dem sie einen Asylantrag gestellt habe, gefragt, ob sie etwas gegen die Zustimmungserklärung Rumäniens vorbringen wolle, erwiderte sie, sie könne dazu keine Angaben machen.

 

Das Bundesasylamt hat mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und gleichzeitig ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Asylantrages gemäß Artikel 9 Abs. 2 der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.2.2003 Rumänien zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Rumänien ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung nach Rumänien zulässig sei.

 

2. Die Beschwerdeführerin hat am 00.00.2008 in Österreich eine Tochter (O.S., hg. Zl. 400.133, Familienverfahren) zur Welt gebracht, weitere Familienangehörige der Beschwerdeführerin sind in Österreich nicht aufhältig,

 

3. Die Beschwerdeführerin führte in ihrer Beschwerde ua neuerlich an, niemanden mit dem Namen N.C. zu kennen und bestritt erneut, ein rumänisches Visum beantragt zu haben, bzw. jemals in Rumänien aufhältig gewesen zu sein. Es müsse sich um eine Verwechslung handeln. Auch brachte sie vor, dass die Frist des § 28 Abs. 2 AsylG nicht eingehalten und sie von den geführten Konsultationen mit Rumänien nicht unterrichtet worden sei.

 

3. Die Beschwerdevorlage langte laut Eingangsstempel des Asylgerichtshofes am 08.07.2008 bei diesem Gerichtshof ein, mit hg. Beschluss vom 11.07.2008, S2 400.134-1/2008/2E, wurde der gegenständlichen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Mit 01.01.2006 ist das neue Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005) und ist somit auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge anzuwenden.

 

Im gegenständlichen Fall wurde der Antrag im Mai 2008 gestellt, weshalb § 5 AsylG idF BGBI. I Nr. 100/2005 zur Anwendung gelangt.

 

2. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.2.2003 zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe der § 10 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden.

 

Die Dublin II-VO sieht in den Art. 6 bis 14 des Kapitels III Zuständigkeitskriterien vor, die gemäß Art. 5 Abs. 1 Dublin II-VO in der im Kapitel III genannten Reihenfolge Anwendung finden. Gemäß Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO wird bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen.

 

In Artikel 9 sieht die Dublin II-VO in den hier relevanten Bestimmungen Folgendes vor:

 

"(1) Besitzt der Asylbewerber einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Asylantrags zuständig.

 

(2) Besitzt der Asylbewerber ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Asylantrags zuständig, es sei denn, dass das Visum in Vertretung oder mit schriftlicher Zustimmung eines anderen Mitgliedstaats erteilt wurde. In diesem Fall ist der letztgenannte Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Konsultiert ein Mitgliedstaat insbesondere aus Sicherheitsgründen zuvor die zentralen Behörden eines anderen Mitgliedstaats, so ist dessen Antwort auf die Konsultation nicht gleich bedeutend mit einer schriftlichen Genehmigung im Sinne dieser Bestimmung.

 

(3) Besitzt der Asylbewerber mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Asylantrags in folgender Reihenfolge zuständig:

 

a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;

 

b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;

 

c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.

 

(4) Besitzt der Asylbewerber nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.

 

Besitzt der Asylbewerber einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag gestellt wird.

 

(...)

 

Dem Verwaltungsakt ist kein konkreter Beleg über eine Visumserteilung an die Beschwerdeführerin für Rumänien zu entnehmen. Es liegt zwar eine Zustimmungserklärung Rumäniens, die Beschwerdeführerin nach "Art. 9 Abs. 2 und 4" Dublin II-VO aufzunehmen, vor, jedoch ist aus dem Schreiben nicht ersichtlich, wann und wo das Visum sowie für welchen Zeitraum es ausgestellt wurde. Es steht daher nicht fest, ob und für welchen Zeitraum tatsächlich ein (gültiges) rumänisches Visum vorliegt. Die Ausstellung eines solchen wurde von der Beschwerdeführerin jedoch ausdrücklich bestritten, ihre Verwechslung mit einer anderen Person behauptet.

 

Ungeachtet dessen wurde der Beschwerdeführerin dieses rumänische Visum bzw. nähere Details (Ausstellungsort, -zeitpunkt, angeführte Identität des Antragstellers, Gültigkeitszeitraum, allenfalls beigebrachte Unterlagen) nicht vorgehalten. Sie wurde im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 17.06.2008 lediglich darüber informiert und um eine Stellungnahme dazu gebeten, wobei sie schon dort den Sachverhalt nicht einräumte, sondern verneinte und angab, dass Österreich das erste Land sei, in dem sie Asyl beantragt habe. Dies freilich besagt für sich genommen noch nicht, dass sie nicht tatsächlich (allenfalls nach Visumserteilung und ohne dortige Asylantragstellung) in Rumänien aufhältig gewesen sei, doch ist ihre schon dort abgegebene Äußerung - auch vor dem Hintergrund der Beschwerdeausführungen - nur so zu verstehen, dass sie die Visumserteilung und den Aufenthalt in Rumänien, sowie auch eine nähere Bekanntschaft zu N.C. (dieser behauptet in seiner Einvernahme auch die Vaterschaft zu dem in Österreich geborenen Kind der Beschwerdeführerin, welche sie in ihrer Einvernahme jedoch nicht einräumte) bestreitet. Aus diesem Grund hätte es einer eingehenderen Befragung und Beweisführung zu dieser Frage bedurft (siehe in diesem Zusammenhang das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.01.2007, Zl. 2005/01/0841, wonach bei Bestreitung der Visumserteilung weitere Ermittlungen erforderlich sind).

 

Ausgehend davon hat die Erstbehörde nicht schlüssig begründet, warum sie - trotz diesbezüglicher Bestreitung und ohne weitere Ermittlungen - vom Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 Dublin II-VO ausgegangen ist.

 

Gemäß § 41 Abs. 3 erster Satz AsylG ist in einem Verfahren über eine Beschwerde gegen eine zurückweisende Entscheidung und die damit verbundene Ausweisung § 66 Abs. 2 AVG nicht anzuwenden. Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesasylamts im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren gemäß § 41 Abs. 3 zweiter Satz AsylG zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist gemäß § 41 Abs. 3 letzter Satz AsylG auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

 

Angesichts der oben dargestellten Umstände erweist sich der vorliegende Sachverhalt als so mangelhaft, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

 

Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Familienverfahren, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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