TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/10 C3 313226-1/2008

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Veröffentlicht am 10.09.2008
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Spruch

C3 313.226-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. van Best-Obregon als Vorsitzende und den Richter Mag. Schlaffer als Beisitzer über die Beschwerde des S.V., geb. 00.00.1984, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.06.2007, Zahl: 05 12.722-BAW, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gem. §§ 7,8 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr.101/2003 AsylG abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 17.08.2005 einen Asylantrag und wurde hierauf im Rahmen der Ersteinvernahme am 23.08.2005 vor der Erstaufnahmestelle Ost niederschriftlich zu seinen Fluchtgründen befragt. Dabei gab er an:

"Ich hatte ein Callcenter in A.. Ich hatte auch einen Angestellten. In meinem Callcenter haben auch Sikh Extremisten telefoniert. Die Polizei hat aber die Telefonate in meinem Callcenter abgehört. Die Polizei kam zu mir ins Geschäft und warf mir vor mit den Extremisten zusammen zu arbeiten, deshalb wurde ich am 00.00.2005 für fünf Tage festgenommen. Am 00.00.2005 wurde ich dann wieder für drei Tage festgenommen. Beide Male konnte mich mein Vater gegen die Zahlung von 50.000,-- indischen Rupien von der Polizei freikaufen. Ich wurde beide Male von der Polizei geschlagen, weil ich keine Auskunft über die Sikh Extremisten geben konnte. Beim zweiten Mal hat dann mein Vater meine Ausreise organisiert, damit mir nicht wieder etwas vorgeworfen wird."

 

Am 15.06.2007 fand eine weitere Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Wien, statt. Sein damaliges Vorbringen wurde im Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.06.2007, Zahl: 05 12.722-BAW, richtig und vollständig wiedergegeben, sodass der diesbezügliche Teil des erstinstanzlichen Bescheides auch zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses erhoben wird.

 

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Asylwerbers mit Bescheid vom 19.06.2007, Zahl: 05 12.722-BAW, ab (Spruchpunkt I.), stellte fest, dass die Zurückweisung Zurückschiebung und Abschiebung nach Indien zulässig ist (Spruchpunkt II.) und wies den Asylwerber aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien aus (Spruchpunkt III.).

 

Begründend führte das Bundesasylamt im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe sein Vorbringen äußerst vage, unkonkret und oberflächlich dargestellt und habe - selbst nach ausdrücklicher Aufforderung - keine detailgetreuen bzw. substantiierte Angaben machen können. Die Zeit- bzw. Datumsangaben des Beschwerdeführers seien widersprüchlich gewesen, was darauf hinweise, dass die Fluchtgeschichte eine vollständige gedankliche Konstruktion darstelle. Es sei gänzlich unplausibel, dass die Polizei dem Beschwerdeführer wegen des Betreibens eines Callshops auch nur irgendeinen Vorwurf machen könnte. Bestenfalls würde seine Befragung als Zeuge in Frage kommen. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführer nach den angeblich erlittenen Repressalien im September/Oktober 2004 noch über ein halbes Jahr im Heimatort an seiner eigenen Wohnadresse verweilt sei. Angesichts des nachvollziehbaren Fluchtweges von etwa einem Monat bis zur Asylantragstellung, seien auch die späteren Angaben zur Ausreise am 00.00.2005 völlig unglaubhaft. Insgesamt betrachtet gelangte die Erstbehörde daher zu dem Schluss, dass der maßgebende, vom Asylwerber behauptete und den Fluchtgrund betreffende Sachverhalt nicht der Wahrheit entspreche.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Asylwerber fristgerecht das Rechtsmittel der "Berufung" (nunmehr "Beschwerde") und führte aus, die belangte Behörde sei ihrer Ermittlungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Es entspreche nicht den Tatsachen, dass er die Gründe seiner Flucht nicht ausreichend geschildert habe. Dazu verweise er auf die im angefochtenen Bescheid abgedruckten Interviews. Entgegen der Ansicht der Erstbehörde seien polizeiliche Übergriffe in Indien durchaus plausibel. Dazu verweise er auf den US State Department Country Report on India vom 06.03.2007. Zu dem Vorwurf, der Beschwerdeführer habe nicht erklären können, warum er erst ca. ein halbes Jahr später ausgereist sei, gab er in der Beschwerdeschrift an, er sei dazu nie befragt worden. Die Zeitspanne sei dadurch zu erklären, dass die Beschaffung des Visums, mit dem er bis nach Moskau gereist sei, einige Zeit in Anspruch genommen habe, sodass er nicht sofort habe ausreisen können. Des Weiteren verwies der Beschwerdeführer auf einen Bericht vom IDMC vom 03.05.2007 und gab an, es bestünde für ihn keine innerstaatliche Fluchtalternative.

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß § 75 Abs. 7 des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 (AsylG 2005) sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gemäß § 23 des Asylgerichtshofgesetzes, BGBl. I 4/2008 (AsylGHG), sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. Da das gegenständliche Verfahren zu obgenanntem Zeitpunkt anhängig war, ist es sohin nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen.

 

Gemäß § 44 Abs. 2 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG 1997) werden Asylanträge, die ab dem 1. Mai 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 BGBl. I Nr. 76/1997 in der jeweils geltenden Fassung geführt.

 

Flüchtling im Sinne des AsylG 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorherigen Aufenthalts zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet das sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits Gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende pro futuro zu erwartende Verfolgungsgefahr dar.

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG hat die Behörde im Falle einer Abweisung eines Asylantrages, von amtswegen bescheidmäßig festzustellen, ob eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist.

 

§ 8 Abs. 1 AsylG verweist auf § 57 Fremdengesetz (FrG). Gem. § 124 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl I Nr. 100/2005, treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.

 

Gem. § 50 Abs.1 FPG ist die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Überdies ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG die Zurückweisung oder die Zurückschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 1955/55, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 1974/78).

 

Der Prüfungsrahmen des § 50 FPG wurde durch § 8 AsylG auf den Herkunftsstaat beschränkt.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG hat die Behörde den Bescheid mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Asylantrag abgewiesen ist und die Überprüfung gem. § 8 Abs. 1 AsylG ergeben hat, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat zulässig ist.

 

Das Bundesasylamt hat sowohl betreffend Spruchteil I., Spruchteil II. als auch betreffend Spruchteil III. in der Begründung des Bescheides vom 19.06.2007, Zahl: 05 12.722-BAW, die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Der Asylgerichtshof als Rechtsmittelbehörde schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

Wie das Bundesasylamt richtig ausgeführt hat, mangelt es dem Vorbringen des Beschwerdeführers an Details. Der Asylwerber vermochte die von ihm behaupteten Geschehnisse nicht zu konkretisieren und machte - trotz eingehender Aufforderung Einzelheiten zu nennen - äußerst vage Angaben. "Einige Leute" seien in seinen Callshop gekommen, hätten Telefonate getätigt und die Polizei würde den Beschwerdeführer nun verdächtigen, dass er "mit diesen Personen unter einer Decke" stecke. Er beschränkte sich darauf oberflächlich zu beschreiben, dass sein Leben in Gefahr sei "von diesen Terroristen" und er "andererseits Angst vor der Polizei" hatte. Es seien auch immer wieder Fremde zu seinen Eltern gekommen. Mehr könne er dazu nicht sagen. Der Beschwerdeführer konnte weder angeben, wer diese "Leute" bzw. diese "Fremden" waren, noch warum gegen sie durch die Polizei vorgegangen werden sollte. Die vom Beschwerdeführer aufgestellten Pauschalbehauptungen sind keinesfalls geeignet, eine konkrete, auf die Person des Asylwerbers bezogene Gefahr glaubhaft zu machen. Zudem ist der Erstbehörde darin beizupflichten, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers - selbst wenn man von den fehlenden Details absehen würde - jeglicher Logik entbehrt, da ein Betreiber eines Callshops niemals Einfluss darauf haben kann, welche Kunden in seinem Geschäft Anrufe tätigen, geschweige denn, wen diese Kunden anrufen und um welche Gesprächsinhalte es sich handelt. Zusammenfassend erscheint das Vorbringen des Asylwerbers realitätsfremd und konstruiert, nicht zuletzt auch deshalb, weil der Beschwerdeführer völlig divergierende zeitliche Angaben zu den angeblich stattgefundenen Festnahmen durch die Polizei sowie zu seiner Ausreise machte. So gab der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vom 23.08.2005 an, dass er am 00.00.2005 für 5 Tage und am 00.00.2005 für 3 Tage festgenommen worden sei und am 15.07.2005 sein Heimatland verlassen habe, hingegen in der Einvernahme vom 15.06.2007 gab dieser an, dass er im September 2004 für 2-3 Tage und im Oktober 2004 für 3-4 Tage festgenommen worden sei sowie am 00.00.2005 das Land verlassen habe. Die Widersprüche, Ungereimtheiten, vagen Aussagen und unglaubwürdigen Klärungsversuchen des Beschwerdeführers lassen einzig und allein den Schluss zu, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend eine konkrete ihn selbst betreffende Verfolgungsgefahr nicht den Tatsachen entspricht.

 

Den Ausführungen in der Beschwerde ist entgegen zu halten, dass das Bundesasylamt in völlig schlüssiger Weise ausgeführt hat, dass das Vorbringen des Asylwerbers betreffend eine individuelle Bedrohungssituation nicht den Tatsachen entspricht. In der Beschwerde wurde dem auch nicht in ausreichend konkreter Weise entgegengetreten, womit der Asylwerber die vom Bundesasylamt aufgezeigten Widersprüche und Ungereimtheiten nicht entkräften und sohin die schlüssige Beweiswürdigung durch das Bundesasylamt letztlich nicht in Zweifel ziehen konnte. Es kann nicht ausreichend sein, dass der Asylwerber in der Beschwerde auf seine Einvernahmen verweist, aus denen doch gerade hervorgeht, dass es dem Vorbringen an Details mangelt sowie das Vorbringen zahlreiche Widersprüche aufweist.

 

Aus der allgemeinen Situation allein lässt sich aber keine asylrelevante bzw. im Bereich des § 50 FPG relevante Verfolgungsgefahr betreffend den Asylwerber erkennen. Daran vermögen auch die in der Beschwerdeschrift vorgelegten Berichte nichts zu ändern.

 

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass das Vorbringen des Asylwerbers nicht den Tatsachen entspricht, womit weder die Gewährung von Asyl noch eine Schutzgewährung iSd § 50 FPG in Betracht kommt. Weiters bestehen auch keine Hinweise dafür, dass sich aus der allgemeinen Situation allein etwas für den Beschwerdeführer gewinnen ließe, und ist sohin die durch das Bundesasylamt ausgesprochene Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien nicht zu beanstanden.

 

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, non refoulement
Zuletzt aktualisiert am
10.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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