TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/10 A10 222786-2/2008

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Veröffentlicht am 10.09.2008
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Spruch

A10 222.786-2/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Pipal als Einzelrichter über die Beschwerde von O.J., geb. 00.00.1983, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.07.2008, GZ 08 05.457-EAST West, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG und § 10 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:

 

Der Beschwerdeführer brachte nach seiner illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 27.03.2001 einen (ersten) Asylantrag ein. Bei seiner Einvernahme am 23.05.2001 gab er zu seinen Fluchtgründen an, sein Vater sei am 00.00.2000 während der gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Christen und Moslems ermordet worden. Er selbst sei bei diesem Vorfall nicht anwesend gewesen, weil er sich an diesem Tag auf der Farm befunden habe. Seine Mutter habe er auch nicht mehr finden können. Zuflucht habe er bei einer muslimischen Frau namensH.gefunden, welche etwa 30 Minuten mit dem Moped vom Ort der Geschehnisse entfernt wohne. Bis zu seiner Flucht Anfang März sei er bei ihr geblieben. Im Fall der Rückkehr drohe ihm Verfolgung durch Moslems.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.05.2001, GZ 01 06.915-BAG, wurde I. der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG abgewiesen und II. gemäß § 8 AsylG festgestellt, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria zulässig ist.

 

Die Berufung gegen diesen Bescheid wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 30.05.2003, GZ 222.786/7-III/07/03, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Spruchpunkt I. gemäß § 7 AsylG abgewiesen; zu Spruchpunkt II. wurde gemäß § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 FrG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig ist. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers aus näher dargelegten Gründen nicht glaubwürdig sei. Es seien auch keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in seine Heimat in eine ausweglose Situation geriete. Dieser Bescheid erwuchs mit seiner Zustellung am 19.06.2003 in Rechtskraft.

 

Mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 00.00.2004 wurde der Beschwerdeführer nach §§ 27, 28 SMG zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, davon sechs Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt. Sodann wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 00.00.2008 nach § 27 SMG und § 231 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten rechtskräftig verurteilt. Der Beschwerdeführer befindet sich derzeit zur Verbüßung seiner Freiheitsstrafe im Gefangenenhaus in Ried im Innkreis.

 

In weiterer Folge stellte der Beschwerdeführer am 25.06.2008 in der Strafhaft den gegenständlichen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz.

 

Im Rahmen seiner niederschriftlichen Befragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 25.06.2008 gab der Beschwerdeführer zu den Gründen für seine neuerliche Antragstellung an, er sei aus Nigeria wegen der gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen religiösen Gruppen geflüchtet.

 

Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 08.07.2008 führte der Beschwerdeführer aus, er stelle den zweiten Antrag, weil er nicht wisse, ob sein erstes Asylverfahren abgeschlossen sei. Vor circa fünf Jahren sei ihm von der Polizei mitgeteilt worden, dass er in Österreich kein Asyl erhalten werde. Ihm sei die weiße Asylkarte abgenommen worden. Er habe sich bis zu seiner Inhaftierung in Wien aufgehalten. An seinen Fluchtgründen habe sich nichts geändert. Im Jahr 2000 seien während der gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Christen und Moslems sein Vater, ein christlicher Assistenzpfarrer und seine jüngere Schwester getötet worden, woraufhin er mit seiner Mutter in einen anderen Bundesstaat geflohen sei. Nach einigen Monaten seien sie zurückgekehrt und hätten Unterschlupf im Pfarrgebäude gefunden. Drei Wochen nach der Ankunft seien erneut Unruhen ausgebrochen; das Pfarrgebäude sei angezündet worden; darin habe sich seine Mutter aufgehalten und sei dabei ums Leben gekommen. Er selbst sei mit dem Leben davon gekommen, weil er sich zum Zeitpunkt des Brandanschlages nicht im Pfarrgebäude aufgehalten habe. Daraufhin habe er sich in das Hauptquartier der Kirche in K. begeben. Dort habe er einen Priester kennengelernt, mit dessen Hilfe er das Land verlassen habe. Er befürchte, im Fall seiner Rückkehr von militanten Moslems misshandelt zu werden.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der (zweite) Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und II. der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG in Verbindung mit § 23 AsylGHG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Beschwerde nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Bestimmung (z. B. VwGH 25.04.2007, 2004/20/0100; 30.6.2005, 2005/18/0197; 25.4.2002, 2000/07/0235) liegen verschiedene "Sachen" im Sinn des § 68 Abs. 1 AVG vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. In Bezug auf wiederholte Asylanträge muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylwerbers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinanderzusetzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen. Aus § 69 Abs. 1 AVG ergibt sich, dass eine neue Sachentscheidung nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes, sondern auch im Falle desselben Begehrens auf Grund von Tatsachen und Beweismitteln ausgeschlossen ist, die bereits vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben, aber erst nachträglich hervorgekommen sind. Demnach sind aber auch Bescheide, die - auf einer unvollständigen Sachverhaltsbasis ergangen - in Rechtskraft erwachsen sind, verbindlich und nur im Rahmen des § 69 Abs. 1 AVG einer Korrektur zugänglich. Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des über den ersten Antrag absprechenden Bescheides entgegen.

 

Im vorliegenden Fall ging das Bundesasylamt zu Recht davon aus, dass der Behandlung des zweiten Antrages des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegensteht. Denn das Vorbringen zu dem zweiten Antrag enthält keinen glaubhaften asylrelevanten Kern, der sich auf den Zeitraum nach dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Asylverfahrens am 19.06.2003 bezöge. Der Beschwerdeführer behauptete in diesem zweiten Verfahren wiederum eine Bedrohung durch Moslems. Diese Schilderungen enthalten jedoch keinesfalls einen glaubhaften Kern, sondern stellen vielmehr nur schlichte Behauptungen des Beschwerdeführers dar, die überdies den Zeitraum vor dem Abschluss des ersten Asylverfahrens betreffen. Nach diesen im Widerspruch zu den früheren Angaben des Beschwerdeführers stehenden Behauptungen wäre bei den Auseinandersetzungen nicht nur sein Vater, sondern auch seine Schwester getötet worden, hätte er im Hauptquartier der Kirche in K.und nicht bei einer Muslimin namens H. Zuflucht gefunden und wäre seine Ausreise von einem Pfarrer organisiert worden. Im Übrigen kann auf die Begründung des angefochtenen Bescheides verwiesen werden.

 

Auch zur Entscheidung über den subsidiären Schutz wird auf die zutreffende Begründung im angefochtenen Bescheid verwiesen, dass nach dem 19.06.2003 keine maßgebliche Sachverhaltsänderung eingetreten ist. Diese Feststellungen stehen auch im Einklang mit der aktuellen Dokumentation des Asylgerichtshofes, wonach insbesondere die allgemeine Lage für Rückkehrer nach Nigeria keine reale Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung glaubhaft erscheinen lässt. Auch die Beschwerde vermochte diesen Feststellungen nicht in substanziierter Weise entgegenzutreten und eine dem Beschwerdeführer drohende reale Gefahr aufzuzeigen.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn

 

1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder

 

2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Nach Abs. 3 dieser Bestimmung idF BGBl I Nr. 75/2007 ist dann, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

 

Nach Abs. 4 dieser Bestimmung gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Auch zur Ausweisungsentscheidung wird auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheides verwiesen. Den Feststellungen des Bundesasylamtes, dass kein Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben vorliegt, trat die Beschwerde nicht konkret entgegen.

Schlagworte
Ausweisung, Prozesshindernis der entschiedenen Sache
Zuletzt aktualisiert am
10.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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