TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/10 D15 316984-1/2008

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Veröffentlicht am 10.09.2008
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Spruch

D15 316984-1/2008/5E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Riepl als Vorsitzende und durch den Richter Mag. Windhager als Beisitzer über die Beschwerde des M.M., geb. 00.001984, StA. von Moldawien, vertreten durch Dr. Josef Unterweger, Mag. Doris Einwallner, Rechtsanwälte, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.01.2008, FZ. 06 10.727-BAW, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde von M.M. vom 15.01.2008 wird der bekämpfte Bescheid des Bundesasylamtes behoben und die Angelegenheit gem. § 66 Abs. 2 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung einer neuen Entscheidung an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

Der Beschwerdeführer brachte am 08.10.2006 nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet einen Asylantrag gem. § 3 des AsylG 2005 ein.

 

Die belangte Behörde wies mit Bescheid vom 03.01.2008, FZ 06 10.727-BAW, den Asylantrag gem. § 3 Abs. 1 AsylG ab, erklärte gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Moldawien für zulässig und verband diese Entscheidung gem. § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG mit einer Ausweisung nach Moldawien.

 

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde. Mit 01.07.2008 wurde gegenständliche Beschwerdeangelegenheit dem nunmehr erkennenden Senat des Asylgerichtshofes zur Entscheidung zugewiesen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Moldawien. Seine Identität steht durch Vorlage eines moldawischen Identitätsausweises fest.

 

Der Beschwerdeführer reiste am 08.10.2006 gemeinsam mit seiner Ehefrau M.E., 00.00.1987 geb., (Antrag zu FZ. 06 10.728-BAW) illegal nach Österreich ein und stellte nach Aufgriff durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz.

 

Der Beschwerdeführer wurde am selben Tag von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Dabei gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass er beim Bundesheer an der Grenze in Transnistrien stationiert war und von Vorgesetzten dazu genötigt worden sei, auf Zivilisten zu schießen. Da er das "nicht kann", sei er weggelaufen. Nach einem Monat sei er wieder festgenommen und eingesperrt worden. Er sei von Polizisten geschlagen worden. Auf Grund seiner Verletzungen sei er in ein Krankenhaus gebracht worden und von dort im April 2006 weggelaufen. Seitdem werde er von der Polizei und dem Bundesheer gesucht.

 

Am 17.10.2006 führte die belangte Behörde mit dem Beschwerdeführer eine niederschriftliche Einvernahme durch. Der Beschwerdeführer gab an, dass in seinem Heimatland ein Haftbefehl gegen ihn vorliege, weil er den Militärdienst verweigert habe bzw. vom Militär geflüchtet sei. Er sei am 00.00.2005 eingerückt und an die Grenze nach D. geschickt worden. Im November 2005 sei er geflüchtet. Drei Wochen später sei er von der Militärpolizei aufgegriffen und geschlagen worden. Dabei habe man ihm mit Eisenstangen auf die Finger und auf die Fußsohlen geschlagen, sodass er in das Militärspital eingeliefert werden musste. Nach einem Aufenthalt von drei Wochen sei er über ein Toilettenfenster geflüchtet. Von Ende April bis Ende September habe er sich im Haus eines Freundes versteckt und in weiterer Folge seine Flucht organisiert. Im Falle seiner Rückkehr werde er eingesperrt werden. Zum Fluchtgrund seiner Ehefrau befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass sie selbst keine Probleme habe, jedoch wegen ihm bedroht worden sei.

 

Die belangte Behörde führte am 09.11.2007 eine weitere niederschriftliche Einvernahme mit dem Beschwerdeführer durch. Über Befragung zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, dass er zur Armee einberufen worden sei, obwohl er eine Krankheit habe. Auch habe er deshalb geheiratet, um dem Militärdienst zu entgehen. Trotzdem sei er einberufen worden. In weiterer Folge sei er in die Stadt D. an der Grenze zu Transnistrien gebracht worden, wo er Menschen, die dort lebten, von Eindringlingen schützen musste. Auch habe er die Erlaubnis erhalten auf die Eindringlinge zu schießen. Dies sei auch der Grund seiner Flucht gewesen, da er nicht auf Menschen, die auf den Feldern arbeiteten, schießen wollte. Auf Vorhalt, dass der Beschwerdeführer absichtlich sein Ziel hätte verfehlen können, gab er an, dass er immer in Begleitung anderer Menschen gewesen wäre. Nach seiner Flucht und nach Aufgriff durch die Militärpolizei, habe man ihn geschlagen und gequält, den genauen Wochentag könne er aber nicht mehr nennen. Auch habe man ihn auf den Kopf geschlagen, weshalb er in ein Krankenhaus eingeliefert werden musste. Nach Überstellung in ein weiteres Krankenhaus sei er geflüchtet und habe er sich in weiterer Folge im Haus eines Freundes versteckt gehalten. Gegen die Misshandlungen habe er nichts unternommen, weil einem dort auch nicht geholfen werde. Zu den Dienstgraden in der Armee befragt konnte der Beschwerdeführer lediglich fünf Dienstgrade nennen. Weitere Abstufungen waren ihm nicht bekannt. Zum Emblem der moldawischen Armee befragt erstellte der Beschwerdeführer eine Skizze. Die militärische Grundausbildung habe eine Woche gedauert, wobei er dort Schießen und Exerzieren lernte.

 

Über Vorhalt der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer keine Kenntnissen über die Dienstgrade habe und es daher unglaubwürdig sei, dass der Beschwerdeführer den Militärdienst versehen habe, bekräftigte der Beschwerdeführer seine vorangegangenen Ausführungen und legte als Beweis ein Einberufungsschreiben vor.

 

Abschließend wurden dem Beschwerdeführer Länderfeststellungen vorgehalten, zu denen er sich nicht grundlegend äußern wollte.

 

Die belangte Behörde wies den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von internationalen Schutz ab und begründete ihre Entscheidung zusammengefasst mit der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers. Im Wesentlichen stützte sich die belangte Behörde auf Widersprüche bei den Einvernahmen, wobei diese Widersprüche vor allem seine Unkenntnis der unterschiedlichen Dienstgrade und des Emblems der moldawischen Armee betreffen, sowie den Ort seiner Stationierung in der Stadt D., obwohl sich diese Stadt in Transnistrien befindet und nicht unter Kontrolle der moldawischen Armee stehe. Insgesamt sei es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen, diese Ereignisse detailliert und konkret zu schildern. Schließlich könne die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Verletzung in Form einer Narbe nicht diesen Ereignissen zugeordnet werden und könne die Entstehung dieser Verletzung unterschiedlichste Ursachen haben.

 

Der Beschwerdeführer legte mehrere Dokumente, wie eine Heiratsurkunde, einen Identitätsausweis, einen Einberufungsbefehl sowie eine Bestätigung eines Krankenhauses vor. Übersetzungen vor allem der beiden letztgenannten Dokumente liegen dem Akt nicht bei.

 

Der Beschwerdeführer bekämpfte die Entscheidung der belangten Behörde fristgerecht mittels Berufung (ab 01.07.2008: Beschwerde).

 

II.2. Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung

 

Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz nimmt der Asylgerichtshof mit 01.07.2008 seine Tätigkeit auf. Das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, tritt mit 01.07.2008 außer Kraft.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, sofern sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, dem AsylG 2005, BGBl. Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 9 leg. cit. entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, sofern bundesgesetzlich nicht die Entscheidung durch Einzelrichter oder verstärkte Senate (Kammersenate) vorgesehen ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes. Gemäß Abs. 3 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen Drittstaatssicherheit gem. § 4, wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gem. § 5 und wegen entschiedener Sache gem. § 68 Abs. 1 AVG sowie über die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 01.07.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Auch der Asylgerichtshof ist zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG berechtigt (vgl. dazu VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315, und VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084). Eine kassatorische Entscheidung darf von der Berufungsbehörde nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann getroffen werden, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Berufungsbehörde hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als "unvermeidlich erscheint". Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung i.S.d. § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa VwGH v. 14.03.2001, Zl. 2000/08/0200; zum Begriff "mündliche Verhandlung" i.S.d. § 66 Abs. 2 AVG s. VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084).

 

Der Beschwerdeführer hat im Zuge der Einvernahme vor der belangten Behörde am 09.11.2007 angegeben, dass er am Kopf verletzt worden sei und im Krankenhaus behandelt worden wäre. Er sei dort aber "nicht nur wegen dem Kopf" behandelt worden. Als Nachweis wurde seitens des Beschwerdeführers eine Bestätigung eines Krankenhauses vorgelegt.

 

Eine nähere Befragung zum Gesundheitszustand und einer möglichen Behandlungsbedürftigkeit des Beschwerdeführers beziehungsweise eine Würdigung dieses Vorbringens erfolgte nicht. Angesichts der vorgelegten Krankenhausbestätigung sah sich die belangte Behörde zwar veranlasst, dieses Schreiben von einem amtsärztlichen Sachverständigen nach möglichen Krankheitsbildern überprüfen zu lassen. Indem die belangte Behörde aber die unübersetzt gebliebene Bestätigung an den beigezogenen Amtsarzt übermittelte und um Klärung der dort attestierten Krankheitsbilder ersuchte, kann diese Vorgehensweise der belangten Behörde aber lediglich als "untauglicher Versuch" qualifiziert werden. Der einbezogene Amtsarzt konnte nämlich daraus lediglich den Begriff "Hepatita cronica" herauslesen und ersuchte um Einbeziehung eines Dolmetschers. Die belangte Behörde hat allerdings keine weiteren Schritte unternommen. Auch hat die belangte Behörde zur vorgebrachten Verletzung des Beschwerdeführers, welche durch eine Narbe noch sichtbar war, keine weiteren Ermittlungen angestellt und sich darüber im angefochtenen Bescheid einfach hinweggesetzt, indem sie selbst eine medizinische Würdigung dieser "Narben" vorgenommen hat.

 

Im vorliegenden Fall liegt nach Ansicht des Asylgerichtshofes jedenfalls eine Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens vor, weil es die Behörde offensichtlich unterlassen hat, sich erkennbar mit der konkreten - möglichen - Situation des Beschwerdeführers in Bezug auf die von ihm vorgelegte Krankenhausbestätigung und die von ihm ins Treffen geführte Kopfverletzung auseinanderzusetzen. So enthält der angefochtene Bescheid zwar Feststellungen betreffend das politische System sowie die Innenpolitik Moldawiens, es fehlt jedoch gänzlich jeglicher Bezug zum individuellen Vorbringen des Beschwerdeführers, eine Kopfverletzung zu haben bzw. auf das im Krankenhausbefund attestierte Krankheitsbild einer "Hepatita cronica". Überdies ist es mangels Übersetzung des Krankenhausbefundes nach wie vor fraglich, ob nicht noch weitere Erkrankungen des Beschwerdeführers dort festgehalten wurden oder ob sich daraus etwa auch ein Bezug zu den vorgebrachten Fluchtgründen des Beschwerdeführers herstellen lässt.

 

Die belangte Behörde hat es daher zur Gänze unterlassen, den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers etwa durch Einholung eines amtsärztlichen/fachärztlichen Gutachtens zu überprüfen. Darüber hinaus hat sie den Krankenhausbefund in der bekämpften Entscheidung für das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers offensichtlich als völlig irrelevant gewertet.

 

Selbst wenn man - wie die belangte Behörde dies offenkundig getan hat - von der Unglaubwürdigkeit der Angaben der nunmehrigen Beschwerdeführers in Bezug auf die behaupteten Schwierigkeiten mit dem Militärdienst ausgeht und eine Asylrelevanz des vorgebrachten Sachverhalts verneint, wäre die belangte Behörde im Zusammenhang mit der Beurteilung der Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten verpflichtet gewesen, die Frage des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers näher zu erörtern bzw. auf die medizinische Versorgungslage in Moldawien näher einzugehen.

 

Tatsächlich kann aber eine abschließende Beurteilung, ob und inwieweit eine Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung des Beschwerdeführers im Lichte des Art. 3 EMRK problematisch ist, ohne die oben genannten Entscheidungsgrundlagen nach dem Dafürhalten des Asylgerichtshofes nicht erfolgen.

 

Der angefochtene Bescheid stützt sich letztlich im Wesentlichen darauf, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen unglaubwürdig ist.

 

Die seitens der belangten Behörde getroffene Beweiswürdigung ist aber grundsätzlich unschlüssig. Die Ausführungen in der Beweiswürdigung, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers unglaubwürdig sei, wobei die aufgelistete Unglaubwürdigkeit größtenteils detaillierte Dienstgradbenennungen sowie die Stationierung außerhalb der moldawischen Hoheitsgewalt der Armee betreffen, sind allein für sich genommen nicht geeignet die Glaubwürdigkeit des Vorbringens per se in Zweifel zu ziehen. Die belangte Behörde hat es nämlich auch unterlassen, näher auf das vorgelegte und unübersetzt gebliebene Einberufungsschreiben einzugehen und dieses entsprechend zu würdigen. Zumindest hätte sich auch daraus die Möglichkeit zur Feststellung ergeben, dass es sich beim Beschwerdeführer möglicherweise um einen Wehrdienstverweigerer gehandelt haben könnte und er sich deshalb auf der Flucht befunden hat. Nachdem der Beschwerdeführer offensichtlich nicht in der von ihm benannten Stadt D. stationiert gewesen sein kann, wäre im Zusammenhang mit einer Wehrdienstverweigerung diese Unkenntnis, aber auch die nähere Unkenntnis über die militärischen Dienstgrade, erklärbar.

 

Das erstinstanzliche Verfahren erweist sich daher insgesamt als mangelhaft, so dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, wobei es für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung i.S.d. § 66 Abs. 2 AVG unerheblich ist, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine bloße Einvernahme erfolgt (VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084, mwN; VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315; VwGH v. 11.12.2003, Zl. 2003/07/0079).

 

Im Rahmen einer solchen Verhandlung bzw. Einvernahme wäre zur vollständigen Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes auch die Erörterung der Ermittlungsergebnisse mit dem Beschwerdeführer notwendig, um diesem auch das in § 43 Abs. 4 AVG verbürgte Recht zur Stellungnahme zu gewährleisten.

 

Von der durch § 66 Abs. 3 AVG eingeräumten Möglichkeit, die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme selbst durchzuführen, wenn "hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist", war im vorliegenden Fall schon deshalb nicht Gebrauch zu machen, weil das Verfahren vor dem Asylgerichtshof - anders als das erstinstanzliche Asylverfahren - sich als Mehrparteienverfahren darstellt (vgl. § 67b Z 1 AVG), sodass schon aufgrund der dadurch bedingten Erhöhung des administrativ-manipulativen Aufwandes bei Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung, dies unter Berücksichtigung der §§ 51a bis d AVG und der Notwendigkeit der Ladung mehrerer Parteien, keine Kostenersparnis zu erzielen wäre. Hinzu kommt, dass die Vernehmung vor dem Bundesasylamt dezentral durch die Außenstellen in den Bundesländern erfolgt, während der Asylgerichtshof als zentrale Bundesbehörde in Wien (mit einer Außenstelle in Linz) eingerichtet ist, sodass auch diesbezüglich eine Kostenersparnis nicht ersichtlich ist. Im Übrigen liegt eine rechtswidrige Ausübung des Ermessens durch eine auf § 66 Abs. 2 AVG gestützte Entscheidung schon dann nicht vor, wenn die beteiligten Behörden ihren Sitz am selben Ort haben (VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084; unter Verweis auf VwGH v. 29.01.1987, Zl. 86/08/0243).

 

II.2.11. Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall dem diesbezüglichen Antrag in der Beschwerde Rechnung zu tragen und das dem Asylgerichtshof gem. § 66

 

Abs. 2 und 3 AVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung zu üben. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass im Fall eines gem. § 66 Abs. 2 AVG ergangenen aufhebenden Erkenntnisses die Verwaltungsbehörden (lediglich) an die die Aufhebung tragenden Gründe und die für die Behebung maßgebliche Rechtsansicht gebunden sind (vgl. z.B. VwGH v. 22.12.2005, Zl. 2004/07/0010; VwGH v. 08.07.2004, Zl. 2003/07/0141); durch eine Zurückverweisung nach § 66 Abs. 2 AVG tritt das Verfahren aber in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befand (VwGH v. 22.05.1984, Zl. 84/07/0012), sodass das Bundesasylamt das im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erstattete weitere Parteivorbringen zu berücksichtigen und gem. § 28 Abs. 1 AsylG gegebenenfalls darauf hinzuwirken haben wird, dass dieses ergänzt bzw. vervollständigt wird.

 

Die Rechtssache war daher spruchgemäß an die belangte Behörde zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Schlagworte
gesundheitliche Beeinträchtigung, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
23.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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