TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/10 C1 227948-18/2008

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Veröffentlicht am 10.09.2008
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Spruch

C1 227948-18/2008/34E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Fischer-Szilagyi als Einzelrichterin über die Beschwerde des S.G., 00.00.1978 geb., StA. Indien, vom 22.11.2005 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.11.2005, FZ. 05 16.495-EAST West, zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idgF, zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Am 21.08.2001 stellte der nunmehrige Beschwerdeführer einen Asylantrag, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.03.2002, Zahl: 01 19.092-BAW, gemäß § 7 AsylG abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Indien gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt worden ist.

 

Die dagegen eingebrachte Berufung wurde mit Bescheid der erkennenden Behörde vom 26.08.2004, Zl. 227.948/0-XIV/39/02, gemäß §§ 7, 8 AsylG abgewiesen.

 

Die Behandlung der dagegen eingebrachten Beschwerde wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.01.2005, Zl. 2004/20/0445-6, abgelehnt.

 

Am 06.10.2005 stellte der Beschwerdeführer neuerlich einen Asylantrag, worin er neue Asylgründe geltend machte und ausführte, dass er laufend von der Polizei gesucht werde, diese beim Haus seines Vaters patrouilliere und dort auch eine Razzia durchgeführt habe. Als Beweis hiezu legte er vor:

 

eidesstattliche Erklärung des Vaters des Beschwerdeführers, datiert mit 14.07.2005;

 

eidesstattliche Erklärung des Dorfvorstandes, datiert mit 14.07.2005;

 

Schreiben einer Rechtsanwaltskanzlei in Indien, datiert mit 14.07.2005.

 

Im Zuge der Erstbefragung gab der Asylwerber an, dass er bei seiner Einvernahme am 19.03.2002 Angst gehabt habe, abgeschoben zu werden. Heute wisse er über die Gesetzeslage bescheid und werde daher die wahren Gründe nennen. Verschiedene Sachen habe er damals geheim gehalten. Darüber hinaus führte er an, dass er wegen Mordes angeklagt worden und vor der Hauptverhandlung geflüchtet sei.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.11.2005, Zl. 05 16.495 EAST-West, wurde dieser Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

 

Das dagegen eingebrachte Rechtsmittel der Berufung wurde nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 22.03.2007 mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 03.04.2007, Zahl:

227.948/18/26E-XIV/39/05, gemäß § 68 Abs. 1 AVG abgewiesen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat diesen Bescheid mit Erkenntnis vom 26.09.2007, Zl. 2007/19/0342-8, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. In der Begründung wurde ausgeführt, "dass der Beschwerdeführer in seinem zweiten Asylantrag vom 6. Oktober 2005 u. a. ausgeführt hatte, "jetzt nunmehr laufend von der Polizei gesucht" zu werden. Damit macht der Beschwerdeführer Verfolgungshandlungen geltend, die dem Vorbringen zufolge nach Abschluss des ersten Asylverfahrens stattgefunden haben sollen und deshalb zusammen mit den von ihm vorgelegten Dokumenten von der belangten Behörde auf ihren "glaubhaften Kern" hin untersucht hätten werden müssen".

 

Festgehalten wird, dass der Beschwerdeführer seit seiner ersten Asylantragstellung im Jahr 2001 das Bundesgebiet nicht verlassen hat.

 

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 00.00.2004, wurde der Beschwerdeführer wegen § 87 Abs. 1 und 2, 1. Fall, sowie § 83 Abs. 1 StGB zu 2 1/2 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

 

Mit Urteil vom 00.00.2006 wurde er wegen §§ 127, 15, 129 Ziffer 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, Probezeit 3 Jahre, verurteilt.

 

Rechtlich ist auszuführen:

 

Gemäß § 66 Abs. 1 AVG hat die Berufungsbehörde notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen.

 

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

 

Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren eingerichtet, in welchem es dem Asylgerichtshof zukommt, die Rechtmäßigkeit der Verwaltung zu sichern (Art. 129

 

B-VG).

 

In einem Asylverfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln. Diese Anordnungen würden unterlaufen, wenn ein Ermittlungsverfahren in erster Instanz unterbliebe und somit nahezu das gesamte Verfahren vor die Berufungsbehörde - nunmehr der Asylgerichtshof - verlagert würde, sodass die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen zur bloßen Formsache würde. Das wäre etwa der Fall, wenn es das Bundesasylamt ablehnte, auf das Vorbringen des Asylwerbers sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen. Es liegt nicht im Sinne des Gesetzes, wenn es die Berufungsbehörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass sie ihre umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Eine ernsthafte Prüfung des Antrages soll nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich enden, sieht man von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle ihrer Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof ab. Dies spricht auch bei Bedachtnahme auf eine mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens dafür, nach § 66 Abs. 2 AVG vorzugehen (vgl. VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084; VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315; ähnlich auch VwGH 12.12.2002, 2000/20/0236; VwGH 30.09.2004, 2001/20/0135).

 

Die Asylbehörde ist als Spezialbehörde für das Asylwesen von sich aus verpflichtet, ihren Feststellungen des maßgeblichen Sachverhaltes jeweils aktuelle Beweismittel zu Grunde zu legen (VwGH 04.04.2001, 2000/01/0348; VwGH 14.01.2003, 2001/01/0604, mwN).

 

Im Sinne des zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 25.10.2005 sind die Behauptungen und die vom Asylwerber vorgelegten Urkunden auf Glaubwürdigkeit zu überprüfen. Um das in Asylverfahren eingerichtete zweiinstanzliche Verfahren nicht auszuschalten, hat die Erstbehörde brauchbare Ermittlungsergebnisse im Hinblick auf das Vorbringen und die vorgelegten Beweismitteln in das Verfahren einzuführen, insbesondere die Dokumente einer Überprüfung, z.B. durch Einschalten eines Vertrauensanwaltes in Indien, einer eingehenden Prüfung zu unterziehen, und diese Ergebnisse mit dem Asylwerber zu erörtern, um eine Gesamtbeurteilung des vorliegenden Falles abschließen zu können.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Das Verfahren war gemäß der Bestimmung des § 75 Abs. 1 AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005, des § 75 Abs. 7 Z 1 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 und der Bestimmung des § 23 Asylgerichtshofgesetz, BGBl I Nr. 4/2008, zu führen.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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