TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/10 D15 316986-1/2008

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Veröffentlicht am 10.09.2008
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Spruch

D15 316986-1/2008/3E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Riepl als Vorsitzende und durch den Richter Mag. Windhager als Beisitzer über die Beschwerde der M.E., geb. 00.00.1987, StA. von Moldawien, vertreten durch Dr. Josef Unterweger, Mag. Doris Einwallner, Rechtsanwälte, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.01.2008, FZ. 06 10.728-BAW, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde von M.E. vom 15.01.2008 wird der bekämpfte Bescheid des Bundesasylamtes behoben und die Angelegenheit gem. § 66 Abs. 2 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung einer neuen Entscheidung an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

Die Beschwerdeführerin brachte am 08.10.2006 nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet einen Asylantrag gemäß § 3 des AsylG 2005 ein.

 

Die belangte Behörde wies mit Bescheid vom 03.01.2008, FZ. 06 10.728-BAW, den Asylantrag gem. § 3 Abs. 1 AsylG ab, erklärte gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Moldawien für zulässig und hat diese Entscheidung gem. § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG mit einer Ausweisung nach Moldawien verbunden.

 

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde. Mit 01.07.2008 wurde gegenständliche Beschwerdeangelegenheit dem nunmehr erkennenden Senat des Asylgerichtshofes zur Entscheidung zugewiesen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Moldawien. Ihre Identität steht durch Vorlage eines moldawischen Identitätsausweises fest.

 

Die Beschwerdeführerin reiste am 08.10.2006 gemeinsam mit ihrem Ehemann M.M., 00.00.1984 geb., (Antrag zu FZ. 06 10.727-BAW)) illegal nach Österreich ein und stellte noch am selben Tag einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz.

 

Die Beschwerdeführerin wurde am selben Tag von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Dabei gab die Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass sie keine eigenen Fluchtgründe hätte und sie nur wegen der Schwierigkeiten ihres Ehemannes, ausgereist sei.

 

Am 17.10.2006 führte die belangte Behörde mit der Beschwerdeführerin eine niederschriftliche Einvernahme durch. Die Beschwerdeführerin gab an, dass sie verheiratet und wegen der Probleme ihres Ehegatten geflüchtet sei. Er habe im September 2005 mit der Ableistung seines Wehrdienstes begonnen, sei dann aber geflüchtet, weil er an der Grenze zu Transnistrien stationiert worden wäre. Er sei dann aber aufgegriffen worden. Im April des Folgejahres sei ihm allerdings erneut die Flucht gelungen. Von April bis September habe er sich bei einem Freund versteckt gehalten und habe nur gelegentlichen Kontakt mit ihr gehabt. Beim Militär soll er oft geschlagen worden sein und habe Probleme mit den Fußsohlen, den Nieren und der Leber.

 

Die belangte Behörde führte am 09.11.2007 eine weitere niederschriftliche Einvernahme mit der Beschwerdeführerin durch. Über Befragung zu ihren Fluchtgründen gab die Beschwerdeführerin an, dass sie nicht in ihren Herkunftsstaat zurück könne, weil sie fürchte, dass die beinahe täglichen Einvernahmen zum Aufenthaltsort ihres Ehemannes, denen sie vor ihrer Flucht ausgesetzt gewesen sei, wieder beginnen würden. Ihr sei durch die Polizei auch die Verhaftung angedroht worden, um so ihres Mannes habhaft zu werden. Sie könne dies auch durch Vorlage des Einberufungsbefehls ihres Mannes, sowie eines Spitalsbefundes, der die Misshandlungen ihres Ehemannes belegen solle, beweisen.

 

Die belangte Behörde wies den Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung von internationalem Schutz ab und begründete ihre Entscheidung zusammengefasst damit, dass die Beschwerdeführerin ihren Antrag ausschließlich auf die durch Desertion begründete staatliche Verfolgung ihres Ehegatten stütze. Diese könne allerdings weder durch die Beschwerdeführerin, noch durch ihren Ehemann selbst glaubhaft gemacht werden, da die betreffenden Angaben äußerst vage, unkonkret und oberflächlich gewesen seien und aufgrund der logischen Nichtnachvollziehbarkeit dem Vorbringen die Plausibilität versagt werden müsse. Den Angaben der Beschwerdeführerin zur ihrer Verfolgung durch die Polizei sei daher ebenfalls die Glaubwürdigkeit zu versagen. Im Wesentlichen stützte sich die belangte Behörde bei der Beurteilung auf die Erfahrung, dass Asylwerber gerade bei ihrer ersten Befragung diejenigen Angaben machen würden, die der Wahrheit am nächsten kämen und ein Vorbringen von Fluchtgründen im allgemeinen nicht als glaubwürdig angenommen werden könne, wenn das Vorbringen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich bzw. widersprüchlich dargestellt werde, die Angaben unwahrscheinlich erscheinen oder wenn maßgeblich Tatsachen erst sehr spät vorgebracht werden.

 

Die Beschwerdeführerin bekämpfte die Entscheidung der belangten Behörde fristgerecht mittels Berufung (ab 1.7.2008: Beschwerde).

 

II.2. Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung

 

Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz nimmt der Asylgerichtshof mit 01.07.2008 seine Tätigkeit auf. Das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, tritt mit 01.07.2008 außer Kraft.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, sofern sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, dem AsylG 2005, BGBl. Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 9 leg. cit. entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, sofern bundesgesetzlich nicht die Entscheidung durch Einzelrichter oder verstärkte Senate (Kammersenate) vorgesehen ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes. Gemäß Abs. 3 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen Drittstaatssicherheit gem. § 4, wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gem. § 5 und wegen entschiedener Sache gem. § 68 Abs. 1 AVG sowie über die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Auch der Asylgerichtshof ist zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG berechtigt (vgl. dazu VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315, und VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084). Eine kassatorische Entscheidung darf von der Berufungsbehörde nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann getroffen werden, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Berufungsbehörde hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als "unvermeidlich erscheint". Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung i.S.d. § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa VwGH v. 14.03.2001, Zl. 2000/08/0200; zum Begriff "mündliche Verhandlung" i.S.d. § 66 Abs. 2 AVG siehe VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084).

 

Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.

 

Gemäß § 36 Abs. 3 AsylG 2005 gilt eine von einem betroffenen Familienmitglied im Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 erhobene Beschwerde, die wegen einer zurückweisenden oder abweisenden Entscheidung ergriffen wurde, gegen die die anderen Familienangehörigen betreffenden Entscheidungen; keine dieser Entscheidungen ist dann der Rechtskraft zugänglich.

 

Der erstinstanzliche Bescheid des im Familienverfahren geführten Verfahrens des Ehegatten der Beschwerdeführerin, M.M., geb. 00.00.1984, GZ. D15 316984-1/2008, wurde mit Erkenntnis vom heutigen Tag behoben, weil nach Ansicht des Asylgerichtshofes eine Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens gegeben war. Die belangte Behörde hat es verabsäumt, sich im erforderlichen Umfang mit dem vom Ehegatten der Beschwerdeführerin erstatteten Vorbringen und den dazu vorgelegten Beweismitteln auseinander zusetzen und die zur Beurteilung des individuellen Vorbringens notwendigen Entscheidungsgrundlagen beizuschaffen. So ging die belangte Behörde beispielsweise überhaupt nicht auf die Gesundheitssituation des Ehegatten ein. Neben der mangelhaften Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sacheverhaltes war auch die Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung gegeben, sodass nur mit einer Behebung und Zurückverweisung des Bescheides vorgegangen werden konnte.

 

Da die Familienverfahren gem. § 34 Abs. 4 AsylG 2005 unter einem zu führen sind, war gegenständlicher Bescheid ebenfalls zu beheben.

 

Hinzuweisen ist auf den Umstand, dass es die belangte Behörde auch vollständig unterlassen hat, auf die von der Beschwerdeführerin in ihrer niederschriftlichen Einvernahme vom 09.11.2007 dargelegte Verfolgung ihrer Person durch die moldauischen Behörden einzugehen. Die Beschwerdeführerin hat im Zuge dieser Einvernahme angegeben, dass sie beinahe täglich von der Polizei aufgesucht worden wäre und ihr mit einer Verhaftung auf unbestimmte Zeit gedroht worden wäre, die mindestens so lange dauern sollte, bis die Behörden ihres desertierten Ehemannes habhaft geworden wären. Hier wäre es von Nöten gewesen, die genauen Umstände des Vorbringens zu ermitteln, um diese vor dem Hintergrund von einzuholenden Informationen über die Behandlung von Angehörigen von Deserteuren bzw. straffälligen Personen durch die moldauischen Behörden auf ihre Glaubhaftigkeit überprüfen zu können.

 

Die Rechtssache war daher spruchgemäß an die belangte Behörde zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Schlagworte
Familienverfahren, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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