TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/10 E1 318325-1/2008

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Veröffentlicht am 10.09.2008
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Spruch

E1 318.325-1/2008-5E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. FAHRNER als Vorsitzende und den Richter Mag. HUBER-HUBER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Frau Auberger über die Beschwerde des A. auch A.H., geb. am 00.00.1978, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.02.2008, FZ. 07 06.566-BAW, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 Abs 1 Z 1, 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2008/4 als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. VERFAHRENSGANG

 

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, stellte am 18.07.2007 beim Bundesasylamt einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er erstbefragt und am 10.08.2007 und 21.02.2008 von einem Organwalter des Bundesasylamtes niederschriftlich einvernommen.

 

Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates brachte er im Wesentlichen vor, er sei im Heimatland von der kurdischen Sippe eines Mädchens verfolgt worden, welches er während seiner Arbeit als Barkeeper in Ankara kennen gelernt habe. Er habe mit diesem Mädchen eine dreimonatige Freundschaft gehabt. Er sei mit dieser in Ankara in einem Kaffeehaus gewesen, als zwei Männer, die Brüder des Mädchens, auf sie zugegangen wären und seine Freundin ihn plötzlich aufgefordert habe, umgehend zu verschwinden. Die Brüder des Mädchens hätten geglaubt, er habe mit dieser geschlafen. Ein paar Stunden später habe er von diesen eine Droh-SMS erhalten, worauf er vorerst in Ankara und anschließend in Istanbul untergetaucht sei. Als er auch dort Droh-SMS erhalten habe, sei er aus Angst davor, von der Sippe seiner Freundin umgebracht zu werden, aus der Türkei geflüchtet.

 

2. Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich mit angefochtenem Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.02.2008, Zahl: 07 06.566-BAW, rechtswirksam zugestellt am 28.02.2008, gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei verfügt (Spruchpunkt III.).

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen des Beschwerdeführers als unglaubwürdig. Aufgrund von - von der Erstbehörde im Einzelnen aufgezeigten - widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers in seinen Einvernahmen sei davon auszugehen, dass dessen Vorbringen eine gedankliche Konstruktion darstelle.

 

Mangels Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers seien dessen behauptete Fluchtgründe nicht der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen.

 

Mangels Glaubhaftmachung der Fluchtgründe könne auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr iSd § 50 FPG 2005 ausgegangen werden.

 

Weiters liege kein Privat- und Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK vor, welches die Ausweisung des Beschwerdeführers in dessen Herkunftsstaat unzulässig machen würde.

 

3. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 13.03.2008 innerhalb offener Frist Berufung (nunmehr als Beschwerde bezeichnet) erhoben, in welcher die Ergänzung des Ermittlungsverfahrens, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Gewährung von Asyl oder in eventu die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten beantragt wurde. Beim bekämpften Bescheid liege Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit seines Inhalts vor. Insbesondere verstoße er gegen Art 8 EMRK.

 

Hinsichtlich des weiteren Verfahrensherganges bzw. des Vorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

II. DER ASYLGERICHTSHOF HAT ERWOGEN:

 

1. Mit 01.01.2006 ist das Asylgesetz 2005, BGBl. I 100/2005 (AsylG), gemäß § 73 Absatz 1 leg. cit. in Kraft getreten.

 

Am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof nach Maßgabe des § 75 AsylG 2005 idF. BGBl. I Nr. 4/2008 weiterzuführen.

 

Gemäß § 75 Abs 7 Z 2 leg. cit. sind am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Im Rahmen der Interpretation des § 75 (7) ist mit einer Anhängigkeit der Verfahren beim Unabhängigen Bundesasylsenat mit 30.6.2008 auszugehen (vgl. Art. 151 Abs. 39 Z.1 B-VG). Der in der genannten Übergangsbestimmung genannte 1. Juli 2008 ist im Sinne der im oa. Klammerausdruck genannten Bestimmung des B-VG zu lesen.

 

Das gegenständliche Asylverfahren wurde mit Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vom 18.07.2007 eingeleitet und war am 30.06.2008 bzw. am 01.07.2008 vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat anhängig. Eine mündliche Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat hat nicht stattgefunden. Die Zuteilung der Rechtssache an den erkennenden Senat erfolgte am 25.06.2008. Das gegenständliche Verfahren ist daher vom erkennenden Senat nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 zu entscheiden.

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die erkennende Behörde, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

2. Das erkennende Gericht ist berechtigt, näher bezeichnete Teile des angefochtenen Bescheides zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses zu erheben, ohne sie wiederholen zu müssen (vgl. z.B. das Erk. d. VwGH vom 4. 10. 1995, 95/01/0045; VwGH 24. 11. 1999, 99/01/0280; auch VwGH 8. 3. 1999, 98/01/0278).

 

Hinsichtlich der Sachverhaltsfeststellungen und der Beweiswürdigung wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid verwiesen, zumal das Bundesasylamt ein mängelfreies und ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammengefasst hat (zur Zulässigkeit dieses Vorgehens vgl. VwGH 04.10.1995, Zahl 95/01/0045; VwGH 25.3.1999, Zahl 98/20/0559; VwGH 24.11.1999, Zahl 99/01/0280; VwGH 8.6.2000, Zahl 99/20/0366; VwGH 30.11.2000, Zahl 2000/20/0356; VwGH 22.2.2001, Zahl 2000/20/0557; VwGH 21.6.2001, Zahl 99/20/0460).

 

Die von der Erstbehörde vorgenommene Beweiswürdigung ist im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig. Insbesondere überzeugt die Ansicht der Erstbehörde, dass aufgrund der widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers in zeitlicher Hinsicht auf die Unglaubwürdigkeit der von diesem behaupteten Fluchtgeschichte zu schließen war, ist es doch keineswegs nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer im Zuge seiner Erstbefragung am 18.07.2007 angab, jener letztlich ausreisekausale Vorfall in einem Kaffeehaus in Ankara, bei dem der Beschwerdeführer den Brüdern seiner Freundin gerade noch entwischen konnte, habe sich im April 2007 zugetragen, während er am 10.08.2007 bei einer weiteren Einvernahme zu Protokoll gab, dieser Vorfall sei im Juni 2007 passiert.

 

Des Weiteren ist dem Bundesasylamt auch nicht zu widersprechen, wenn es aufgrund der mangelnden Kenntnis des Beschwerdeführers vom Familien- bzw. Sippennamen seiner Freundin darauf schließt, dass die vom Beschwerdeführer angegebene Fluchtgeschichte nicht der Wahrheit entspricht. Der Beschwerdeführer gab im Zuge seiner Einvernahmen an, er sei drei Monate mit dem Mädchen zusammen gewesen, sie wären gemeinsam in Cafes gegangen und hätten viel Zeit miteinander verbracht. Der Beschwerdeführer war aber dennoch nicht in der Lage den Familien- oder Sippennamen seiner Freundin zu nennen. Entspräche das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers tatsächlich der Wahrheit, könnte man erwarten, dass dieser - in Anbetracht einer dreimonatigen Freundschaft mit besagtem Mädchen während derer es zu mehreren gemeinsamen Kaffeehausbesuchen gekommen wäre - in der Lage wäre, zumindest deren Nachnamen zu nennen.

 

Die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich darüber hinaus - wie die Erstbehörde bereits ausführte - aus der Tatsache, dass dieser die Telefonnummer seines Mobiltelefons nicht ausgewechselt hat, obwohl die vom Beschwerdeführer behaupteten Bedrohungen ausschließlich über sein Mobiltelefon stattgefunden hätten. Wäre der Beschwerdeführer tatsächlich per SMS von Angehörigen der Sippe seiner Freundin so bedroht worden, dass dieser ein Verlassen seines Heimatlandes in Erwägung zieht, hätte er als ersten Schritt gegen seine Bedrohung jedenfalls die Möglichkeit eines Rufnummernwechsels ausgeschöpft, zumal sich die angebliche Bedrohung durch die Familienangehörigen seiner Freundin ausschließlich über sein Mobiltelefon manifestiert hat. Es ist für den Asylgerichtshof unplausibel und nicht nachvollziehbar, wenn der Beschwerdeführer einerseits behauptet, man hätte ihn per SMS mit dem Erschießen gedroht (AS. 141) und andererseits angibt die Handynummer hätte er nicht wechseln können, da er ja wissen wollte, was da vor sich ginge (AS. 143). Das Verhalten des Beschwerdeführers spricht jedenfalls auch gegen eine subjektiv bestehende Furcht oder Unruhe und wäre es zweifellos naheliegend gewesen, zumindest den Versuch der Inanspruchnahme polizeilicher Hilfe zumachen, da diese über die behauptete Freundin des Beschwerdeführers den Namen der Sippe leicht hätte ausfindig machen können. Das Verhalten des Beschwerdeführers lässt viel mehr wie dies bereits die Erstbehörde festgehalten hat nicht darauf schließen, dass eine derartige Bedrohung tatsächlich gegenüber dem Beschwerdeführer stattgefunden hat.

 

Ungeachtet der Stimmigkeit und Schlüssigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung und der Folgerichtigkeit der daraus resultierenden Sachverhaltsfeststellungen wurden diese in der Beschwerde auch in keiner Art und Weise substantiiert bekämpft. Unterzieht man die soeben zur Darstellung gebrachten und von der Erstbehörde herangezogenen Angaben des Beschwerdeführers einer Gesamtschau, so vermag der erkennende Senat nicht zu erkennen, wie man im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu der Beurteilung gelangen kann, diese Angaben würden der Wahrheit entsprechen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof führt zum Grundsatz der freien Beweiswürdigung präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für einer derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispeilsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)". Aus Sicht des erkennenden Senates ist unter Heranziehung dieser von der höchstgerichtlichen Judikatur festgelegten Prämissen für den Vorgang der freien Beweiswürdigung dem Bundesasylamt nicht entgegenzutreten, wenn es das Vorbringen des Beschwerdeführers im Ergebnis als unglaubwürdig qualifiziert und davon ausgeht, dass die Angaben des Beschwerdeführers nicht den Tatsachen entsprechen.

 

3. Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz idF BGBL. I Nr. 100/2005 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011, VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131, VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011, VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131).

 

Zumal der erkennende Senat der Beweiswürdigung der Erstbehörde nicht entgegenzutreten vermag und auch die vorgenommene Subsumtion des festgestellten Sachverhalts nicht zu beanstanden ist, schließt sich dieser auch hinsichtlich der rechtlichen Würdigung den Ausführungen der Erstbehörde an und erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides (vgl. VwGH 25.03.1999, Zahl 98/20/0559; VwGH 30.11.2000, Zahl 2000/20/0356).

 

Der erkennende Senat geht wie bereits die Behörde erster Instanz davon aus, dass die Angaben des Beschwerdeführers zu dessen Fluchtgründen grundsätzlich unglaubwürdig sind. Das Bundesasylamt hat in diesem Zusammenhang zu Recht auf die in sich widersprüchlichen Darlegungen verwiesen. Folglich ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, mit ausreichender Wahrscheinlichkeit das Vorliegen asylrelevanter Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) glaubhaft zu machen. In Ermangelung des Vorliegens dieser conditio sine qua non in Hinblick auf die Gewährung von Asyl iS des § 3 Asylgesetz kann daher der Asylantrag vom 18.07.2007 in dieser Hinsicht nicht positiv beschieden werden, zumal auch in der Beschwerde keine weiteren asylrelevanten Fluchtgründe zulässiger Weise vorgebracht wurden.

 

Selbst wenn man dem Vorbringen entgegen der Ansicht der Erstbehörde Glauben schenken würde, läge kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Beschwerdeführers aus in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen vor, da ein solcher nur gegeben wäre, wenn die Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. die Rückkehr in das Heimatland unzumutbar wäre.

 

Würde man das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei von den Brüdern seiner Freundin per SMS bedroht worden, da diese glaubten, er habe mit dieser eine sexuelle Beziehung gehabt, für wahr erachten, wäre es dem Beschwerdeführer jedenfalls zumutbar gewesen, Schutz bei den türkischen Sicherheitsbehörden zu suchen. Dem Beschwerdeführer wäre es offen gestanden Jandarma oder Polizei, welche nach den Länderfeststellungen für die innere Sicherheit und die Strafverfolgung zuständig sind, aufzusuchen und deren Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dies hat der Beschwerdeführer jedoch unterlassen.

 

Darüber hinaus läge der dem Beschwerdeführer drohenden Verfolgung durch die Angehörigen der Sippe seiner Freundin kein in der Genfer Flüchtlingskonvention genannter Grund zugrunde, zumal der Beschwerdeführer weder aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe noch aus Gründen der politischen Gesinnung verfolgt würde.

 

4. Die Voraussetzungen dafür, einem Asylwerber subsidiären Schutz zu gewähren, unterscheiden sich im Kern nicht von jenen, nach denen dies § 8 Absatz 1 Asylgesetz 1997 idF BGBl. I 101/2003 in Verbindung mit § 57 Absatz 1 Fremdengesetz 1997 BGBl. I 75/1997 folgend zu geschehen hatte. Unterschiede sind lediglich dahingehend festzustellen, dass einerseits die nunmehrige Refoulementprüfung - um nichts anderes handelt es sich im Ergebnis bei der Prüfung des Status des subsidiär Schutzberechtigten - hinsichtlich deren Prüfungsumfanges um die auf Verfolgungsgründe nach der Genfer Flüchtlingskonvention bezogene Szenarien verkürzt wurde. So besehen handelte es sich bei der Prüfung nach § 8 Absatz 1 Asylgesetz 2005 um eine - gemessen an § 57 Fremdengesetz und an der Nachfolgebestimmung des § 50 Fremdenpolizeigesetz - partielle Refoulementprüfung, was insoweit auch sachgerecht erscheint, zumal eine Refoulementprüfung nach § 57 Absatz 2 Fremdengesetz, vor dem Hintergrund einer dieser zwingend vorausgehenden (abweisenden) Asylentscheidung, ohnehin lediglich redundanten Charakter hat. Andererseits wurde durch die Einführung des neuen § 8 Absatz 1 Asylgesetz 2005 die unter dem Terminus des Status des subsidiär Schutzberechtigten vorzunehmende Refoulmentprüfung um den Aspekt einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Gesundheit des Asylwerbers als Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes erweitert. Ungeachtet dieser terminologischen Erweiterung ist eine Ausdehnung des materiellen Schutzgehaltes dieser Bestimmung gegenüber § 57 Absatz 1 Fremdengesetz vordergründig allerdings nicht erkennbar, zumal die unter diese Schutzklausel zu subsumierenden Fälle wohl auch regelmäßig den angeführten Konventionsbestimmungen unterfallen werden.

 

Nach Ansicht des erkennenden Senates unterscheiden sich daher die Regelungsgehalte der beiden Vorschriften (§§ 8 Absatz 1 Asylgesetz 2005 und § 57 Absatz 1 Fremdengesetz 1997) nicht in einer solchen Weise, dass es für den vorliegenden Fall von Bedeutung wäre, weshalb sich die - maßgeblich auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) stützende - Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den § 8 Absatz 1 Asylgesetz 1997 in Verbindung mit § 57 Absatz 1 Fremdengesetz 1997 auch auf § 8 Absatz 1 Asylgesetz 2005 übertragen lässt.

 

Demnach hat der Fremde glaubhaft zu machen, dass er im Sinne des § 57 Absatz 1 Fremdengesetz aktuell bedroht ist, dass die Bedrohung also im Falle, dass er abgeschoben würde, in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewandt werden kann. Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 21.8.2001, Zahl 2000/01/0443; VwGH 26.2.2002, Zahl 99/20/0509). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 2.8.2000, Zahl 98/21/0461). Dies ist auch im Rahmen des § 8 Absatz 1 Asylgesetz zu beachten (VwGH 25.1.2001, Zahl 2001/20/0011, damals noch zu § 8 Asylgesetz vor der Novelle 2003). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, Zahl 93/18/0214). Der Prüfungsrahmen des § 57 Fremdengesetz ist durch § 8 (ab der Asylgesetznovelle 2003: § 8 Absatz 1) Asylgesetz auf den Herkunftsstaat des Fremden beschränkt (VwGH 22.4.1999, Zahl 98/20/0561).

 

Auf den konkreten Fall des Beschwerdeführers bezogen sind keine Hinweise auf solch außergewöhnliche Umstände bekannt bzw bekannt geworden, die eine Abschiebung unzulässig machen könnten. Zum einen herrscht in der Türkei aktuell keine solch extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Artikel 2 und 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention ausgesetzt wäre. Zum anderen hat der Beschwerdeführer in seinem Asylverfahren nichts glaubhaft vorgebracht, worin eine reale Gefahr einer dem Schutzzweck des § 8 Absatz 1 Asylgesetz 2005 widersprechenden Behandlung zu erblicken wäre.

 

Wie bereits die Erstbehörde ausführte, verfügt der Beschwerdeführer über eine höhere Schulausbildung und Berufserfahrung in seinem Herkunftsland sowie über soziale und familiäre Beziehungen. Es ist daher zu erwarten, dass dieser in der Lage sein wird, seinen Lebensunterhalt zu sichern.

 

Der erkennende Senat vermag daher der Behörde erster Instanz in Hinblick auf die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht entgegenzutreten.

 

5. Die Behörde erster Instanz verfügte hinsichtlich des Beschwerdeführers die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei. Im Ergebnis kann der Erstbehörde diesbezüglich aus Sicht des erkennenden Senates auf Grund der zum ho. Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Sachlage im Lichte des Artikel 8 Absatz 1 EMRK nicht entgegengetreten werden.

 

5.1. Der Begriff des "Familienlebens" in Artikel 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern - im Falle von minderjährigen Kindern selbst dann, wenn kein Zusammenleben vorliegt (VfGH 28.06.2003, G 78/00 mit Hinweisen auf die EGMR-Judikatur) -, sondern auch zB Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben im Sinne des Artikel 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Artikel 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus. Die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. dazu EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981,118; EKMR 14.3.1980, 8986/80 EuGRZ 1982,311; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1).

 

Auch der Verwaltungsgerichtshof führt beispielsweise in seinem Erkenntnis vom 21.01.2006, Zahl 2002/20/0423, aus, dass die Beantwortung der Frage, "ob außerhalb des Bereiches des insbesondere zwischen Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern ipso iure zu bejahenden Familienlebens iSd Art. 8 MRK ein Familienleben vorliegt, [...] nach der Rechtsprechung des EGMR jeweils von den konkreten Umständen ab[hängt], wobei für die Prüfung einer hinreichend stark ausgeprägten persönlichen Nahebeziehung gegebenenfalls auch die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung sind (Hinweis Entscheidung EGMR 13. Juni 1979, Marckx gegen Belgien; Entscheidung EGMR 12. Juli 2001, K. und T. gegen Finnland; E VfGH 15. Oktober 2004, G 237/03; E VfGH 1. März 2005, B 1242/04)." Weiters hob der Verwaltungsgerichtshof jüngst in seinen Erkenntnissen VwGH 08.06.2006, Zahl 2003/01/0600 und VwGH 29.03.2007, Zahl 2005/20/0040 bis 0042, hervor, dass die Aufnahme oder auch die finanzielle Unterstützung eines (volljährigen) Asylwerbers durch einen in Österreich lebenden Cousin oder eine Schwester für sich genommen noch kein schützenswertes Familienleben begründen vermögen, wenn ein solches nicht auch zum Zeitpunkt der Ausreise des Asylwerbers aus dem Heimatland dort bestanden habe.

 

Im Lichte der dargestellten Judikatur reicht also die bloße Verwandtschaft zwischen Erwachsenen nicht aus, um von einem nach Artikel 8 EMRK geschützten Familienleben zu sprechen. Hiezu bedarf es der Existenz jener weitergehenden Bindungsfaktoren, wie sie die (restriktive) Rechtssprechung der Straßburger Instanzen und der nationalen Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts berücksichtigt, und die über die normalen emotionalen Bindungen von erwachsenen Verwandten hinausgehen. Allerdings darf das Kriterium der "Abhängigkeit" nicht isoliert betrachtet oder zu eng ausgelegt werden, sondern bedarf es einer ganzheitlichen Bewertung (siehe hiezu ebenfalls VwGH 21.01.2006, Zahl 2002/20/0423; zur Reichweite von Artikel 8 EMRK vgl. die bereits zitierten Erkenntnisse VwGH 08.06.2006, Zahl 2003/01/0600 und VwGH 29.03.2007, Zahl 2005/20/0040 bis 0042).

 

Erst jüngst hat der Verfassungsgerichtshof seinem Erkenntnis vom 29.09.2007, Zahl B 1150/07-9, unter Bezugnahme auf die Judikatur des EGMR hervorgestrichen, dass etwa die Aufenthaltsdauer - die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird -, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden - der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert -, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung und nicht zuletzt die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, maßgebliche Parameter für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Ausweisung in Hinblick auf das durch Artikel 8 EMRK geschützte Familien- und Privatleben eines Fremden sind.

 

Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme allerdings die gesamte Familie betroffen, greift diese lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in deren Familienleben ein, sofern keine Hindernisse an der Fortsetzung des Familienlebens im Zielstaat erkennbar sind (vgl. dazu EGMR CRUZ VARAS u.a. gg. Schweden, 20.03.1991, Bs.Nr. 15576/89 [unter diesen Voraussetzungen liegt selbst dann kein Eingriff in das Familienleben vor, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen]; siehe auch EGMR GÜL gg. Schweiz, 19.02.1996, Bs.Nr. 23218/94).

 

Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00).

 

Der Begriff des Familienlebens ist jedoch nicht nur auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua).

 

Im gegenständlichen Fall hält sich der Bruder des Beschwerdeführers, welcher über eine unbeschränkte Niederlassungsbewilligung, gültig bis zum 24.09.2008, verfügt, in Österreich auf. Nach der Einreise des Beschwerdeführers in Österreich hat dieser auch vorübergehend mit seinem Bruder in einer Wohnung zusammengelebt, doch ist dieser - dem Zentralen Melderegister zufolge - nach 6 Monaten Wohngemeinschaft verzogen. In Anbetracht der kurzen Dauer des Zusammenlebens mit dem Bruder und og. Rechtsprechung des VwGH, wonach die Aufnahme eines (volljährigen) Asylwerbers durch einen in Österreich lebenden Bruder für sich genommen noch kein schützenswertes Familienleben zu begründen vermag, wenn ein solches nicht auch zum Zeitpunkt der Ausreise des Asylwerbers aus dem Heimatland dort bestanden hat, liegt im gegenständlichen Fall kein Familienleben iSd Art 8 EMRK vor, zumal der Beschwerdeführer bei seinen Einvernahmen angegeben hat, vor seiner Einreise in Österreich 5 Jahre keinerlei Kontakt zu seinem Bruder gehabt zu haben und daher keine hinreichend stark ausgeprägte Nahebeziehung zu diesem vorliegt.

 

Auch die vom Beschwerdeführer in Österreich eingegangene Beziehung zu seiner Lebensgefährtin, einer in Österreich studierenden türkischen Staatsbürgerin, vermag kein Familienleben iSd Art 8 EMRK zu begründen, welches eine Ausweisung des Beschwerdeführers in die Türkei unzulässig machen würde. Zwar haben der Beschwerdeführer und seine Freundin laut dem Zentralen Melderegister bereits vom 00.08.2007 bis 00.08.2007, somit für 12 Tage, gemeinsam mit dem Bruder des Beschwerdeführers in einer Wohnung gelebt, doch hat seine Lebensgefährtin - wie aus dem Zentralen Melderegister ersichtlich - an letztgenanntem Datum ohne den Beschwerdeführer eine andere Wohnung bezogen und ist daher zu diesem Zeitpunkt von keiner dermaßen intensiven Beziehung auszugehen, die ein Familienleben iSd Art 8 EMRK begründen könnte. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 21.02.2008 gab der Beschwerdeführer an, er werde in Kürze mit seiner Freundin in eine Wohnung ziehen. Tatsächlich haben diese erst am 18.03.2008 an derselben Adresse einen Hauptwohnsitz begründet. Auch wenn man annimmt, die Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Lebensgefährtin habe sich durch den Bezug einer gemeinsamen Wohnung intensiviert, ist in Anbetracht der kurzen Dauer des Zusammenlebens von keinem Familienleben iSd Art 8 EMRK auszugehen, zumal die gegenseitige Verbundenheit bisher weder durch gemeinsame Kinder noch auf andere Weise zu Tage getreten ist.

 

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Beziehung zu einem Zeitpunkt eingegangen wurde, in dem sich der Beschwerdeführer seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war, und diese daher weniger schützenswert ist.

 

Dem Bundesasylamt ist daher nicht entgegenzutreten, wenn es keinen Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers feststellt.

 

5.2. Ist im gegenständlichen Fall ein Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers zu verneinen, so bleibt noch zu prüfen, ob mit dessen Ausweisung ein Eingriff in dessen Privatleben einhergeht und bejahendenfalls, ob dieser Eingriff eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Art 8 Absatz 2 EMRK).

 

Nach der Rechtssprechung des EGMR (vgl. zB. SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat, unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u. a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

 

Der Judikaturentwicklung des EGMR Rechnung tragend, hat der Verfassungsgerichtshof in seinem bereits zuvor dargelegten Erkenntnis vom 29.09.2007, Zahl B 1150/07-9, auch in Hinblick auf das nach Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben den entscheidenden Beurteilungsmaßstab skizziert.

 

Folgende Faktoren sind im Rahmen der Interessensabwägung zu berücksichtigen:

 

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Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.9.2004, Fall Ghiban, Appl. 11.103/03, NVwZ 2005, 1046),

 

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das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.5.1985, Fall Abdulaziz ua., Appl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.6.2002, Fall Al-Nashif, Appl. 50.963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.4.1997, Fall X, Y und Z, Appl. 21.830/93, ÖJZ 1998, 271)

 

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und dessen Intensität (EGMR 2.8.2001, Fall Boultif, Appl. 54.273/00),

 

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die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

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den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582;

9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560;

16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124; 11.10.2005, 2002/21/0124),

 

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die Bindungen zum Heimatstaat,

 

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die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch

 

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Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und

 

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Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 11.4.2006, Fall Useinov, Appl. 61.292/00) für maßgeblich erachtet.

 

Auch

 

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die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 5.9.2000, Fall Solomon, Appl. 44.328/98; 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562).

 

Im Falle des am 16.07.2007 nach Österreich eingereisten Beschwerdeführers hat das bisherige Verfahren keine Anhaltspunkte für die Annahme besonderer sozialer oder wirtschaftlicher Beziehungen in Österreich ergeben. Aber auch eine anderweitige Aufenthaltsverfestigung, wie sie der Verfassungsgerichtshof in dem obzitierten Erkenntnis in Prüfung zieht und welche die Annahme einer Prävalenz der ho. Bindungen gegenüber jenen zum Herkunftsstaat rechtfertigen würde, wird durch den gerade einmal rund einjährigen Aufenthalt hier in Österreich, während dessen sich der Beschwerdeführer seines ungesicherten Aufenthaltsstatus immer bewusst sein musste, geradezu kontraindiziert.

 

Dem Bundesasylamt ist nicht zu widersprechen, wenn es in einer Gesamtabwägung der Interessen und unter Beachtung aller bekannten Umstände zum Ergebnis kommt, dass die Ausweisung trotz familiärer oder privater Anknüpfungspunkte in Österreich zur Erreichung der in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele gerechtfertigt ist, zumal die unbefugte Einreise bzw. Aufenthaltnahme nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes einen nicht bloß geringfügigen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung darstellt.

 

Zwar bestehen beim Beschwerdeführer private Anknüpfungspunkte in Österreich, da er eine Beziehung zu einer in Österreich studierenden türkischen Staatsbürgerin eingegangen ist, doch wiegt das öffentliche Interesse an einer effektiven Zuwanderungskontrolle deutlich höher.

 

Diesbezüglich ist auch auf Chvosta, ÖJZ 2007/74, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 857 mwN, zu verweisen, welcher ausführt, dass der Asylwerber während seines Asylverfahrens nicht darauf vertrauen kann, dass ein in dieser Zeit entstehendes Privat- bzw. Familienleben auch nach der Erledigung seines Asylantrages fortgesetzt werden kann. Die Rechte aus der GFK dürfen nicht dazu dienen, die Einwanderungsregeln zu umgehen.

 

Im Fall einer seit mehreren Jahren im Vereinigten Königreich aufhältigen ugandischen Staatsangehörigen, die sich im Beschwerdezeitpunkt nach Ausschöpfung sämtlicher Rechtsmittel (sowohl im Rahmen ihres Asylverfahrens als auch im humanitären Bereich) in Abschiebehaft befunden hat und der letztlich nur aufgrund ihrer Beschwerde beim EGMR der vorläufige Aufenthalt im Vereinigten Königreich gestattet wurde, setzte sich der EGMR in seinem Urteil vom 8. April 2008, Nr. 21878/06 (NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich) erstmals mit der Frage der Interessenabwägung zwischen einem während des Asylverfahrens begründeten Privatleben und dem öffentlichen Interesse an einer effektiven Zuwanderungskontrolle und der damit verbundenen Abschiebung erfolgloser Asylwerber im Hinblick auf Art 8 EMRK auseinander. Der EGMR sprach in diesem Urteil aus, dass jegliches während ihres Aufenthalts im Vereinigten Königreich etabliertes Privatleben der Beschwerdeführerin, der niemals ein Aufenthaltsrecht erteilt wurde, im Rahmen einer Interessenabwägung gegen das legitime öffentliche Interesse an einer effektiven Einwanderungskontrolle nicht dazu führen könne, dass ihre Abschiebung als unverhältnismäßiger Eingriff zu werten wäre, zumal ihr Aufenthalt im Vereinigten Königreich während der gesamten Dauer ihres Asylverfahrens und ihrer humanitären Anträge unsicher gewesen sei.

 

Folglich war spruchgemäß zu entscheiden.

 

6. Gemäß § 41 Abs 7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67 d AVG.

 

Im gegenständlichen Fall konnte der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt erachtet werden, da dieser nach einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde, nach schlüssiger Beweiswürdigung festgestellt und dieser in der Beschwerde auch nicht substantiiert entgegen getreten wurde. Weder war der Sachverhalt ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Rechtlich relevante und zulässige Neuerungen wurden nicht vorgetragen.

 

Der Beschwerdeführer beantragte in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, führte aber nicht aus, warum er eine solche für nötig erachtet. Zwar brachte der Beschwerdeführer in der Beschwerde vor, die Erstbehörde habe ihre behördliche Ermittlungspflicht vernachlässigt, indem sie keinerlei konkret auf seine Person und sein individuelles Vorbringen bezogene Ermittlungen durchgeführt habe, führte aber nicht aus, was die belangte Behörde zu ermitteln verabsäumt habe und was in der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichthof zu erörtern wäre. Darüber hinaus sei erwähnt, dass die Angaben des Beschwerdeführers im Asylverfahren nicht geeignet waren, weitergehendere Ermittlungspflichten auszulösen, zumal der BF nicht einmal in der Lage war den Namen jener Familie bzw. Sippe zu nennen, die ihn in seinem Heimatland verfolgen würde.

Schlagworte
Ausweisung, EMRK, familiäre Situation, Glaubwürdigkeit, Intensität, Lebensgrundlage, mangelnde Asylrelevanz, non refoulement, private Verfolgung, Privatleben, soziale Verhältnisse, staatlicher Schutz, Zumutbarkeit
Zuletzt aktualisiert am
23.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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