TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/10 C2 304991-1/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.09.2008
beobachten
merken
Spruch

C2 304991-1/2008/22E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Marth als Einzelrichter über die Beschwerde des M.I., geb. 00.00.1972, StA. Pakistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.08.2006, FZ. 04 16.917-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.04.2008 zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung von M.I. vom 05.09.2006 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.08.2006, Zahl: 04 16.917-BAT wird stattgegeben und M.I. gemäß § 7 AsylG Asyl gewährt. Gemäß § 12 leg.cit. wird festgestellt, dass M.I. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

II. Spruchteil II des bekämpften Bescheides vom 22.08.2006, Zahl: 04 16.917-BAT, wird ersatzlos behoben.

 

III. Spruchteil III des bekämpften Bescheides vom 22.08.2006, Zahl:

04 16.917-BAT, wird ersatzlos behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I.

 

I.1. Verfahrensgang

 

Die nunmehr berufende Partei hat am 23.8.2004 einen Asylantrag gestellt.

 

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wurde der unter i. bezeichnete Asylantrag der berufenden Partei mit im Spruch bezeichneten Bescheid vom 22.8.2006, erlassen am 25.8.2006, abgewiesen. Unter einem wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der berufenden Partei nach Pakistan zulässig sei. Die berufende Partei wurde darüber hinaus aus dem Bundesgebiet in diesen Staat ausgewiesen. Zur Begründung wird auf jenen Bescheid verwiesen.

 

Mit am 5.9.2006 bei der Behörde eingebrachter Berufung wurde gegen den im Spruch bezeichneten Bescheid berufen.

 

Vom entscheidenden Richter des Asylgerichtshofes wurde - noch als Mitglied des Unabhängigen Bundesasylsenates - am 26.6.2007 eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer Dolmetscherin und am 10.4.2008 eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung eines Dolmetschers und einer länderkundlichen Sachverständigen abgehalten.

 

Im Verfahren vor dem Asylgerichtshof wurden folgende Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des Berufungswerbers in das Verfahren als Beweismittel eingeführt:

 

U.S. Department of State, International Religious Freedom Report, 2007

 

Karte Pakistan

 

Human Rights Watch, Pakistan, Jänner 2007

 

U.S. Department of State, Country Report on Human Rights Practices, März 2006

 

Home Office , Operational Guidance Note Pakistan, März 2007

 

Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan, April 2007

 

Amnesty International, Islamic Republic of Pakistan,

 

Amnesty International Deutschland, Todesstrafe nicht abgeschafft, 01.01 bis 31.12.2006

 

Home Office, Country Report of Origin Information Report Pakistan, April 2007

 

Weiters wurden im Verfahren vor dem Bundesasylamt bzw. vor dem Asylgerichtshof folgende Beweismittel vorgelegt oder von Amts wegen beigeschafft:

 

Diverse Zeitungsartikel, verfasst vom Berufungswerber, zum Teil mit Foto des Berufungswerbers;

 

Diverse Fotos des Berufungswerbers bei der Berufsausübung;

 

Presseausweise, lautend auf den Berufungswerber;

 

Eine berufliche Visitenkarte des Berufungswerbers;

 

Eine Arbeitsbestätigung der XY über den Berufungswerber;

 

Eine Arbeitsbestätigung von N. über den Berufungswerber;

 

Ein pakistanischer Personalausweis, lautend auf den Berufungswerber;

 

Ein pakistanischer Führerschein, lautend auf den Berufungswerber;

 

Verschiedene Berichte und Zeitungsberichte über die Verfolgung von Journalisten in Pakistan und die Situation in Pakistan und

 

Ein länderkundliches Gutachten der bestellten Sachverständigen.

 

I.2. Feststellungen und Beweiswürdigung

 

Die nachfolgenden Feststellungen gründen sich auf die oben erwähnten Beweismittel und auf den gesamten erstinstanzlichen Verwaltungsakt sowie auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof.

 

Die berufende Partei führt den Namen M.I., ist am 00.00.1972 geboren und pakistanischer Staatsangehöriger.

 

Die Identität der berufenden Partei steht auf Grund eines vorgelegten, unbedenklichen Identitätsdokuments fest.

 

Die berufende Partei hat eine Verfolgung wegen ihrer politischen Gesinnung durch staatliche Organe glaubhaft gemacht.

 

Der Berufungswerber gab an in Pakistan Journalist gewesen zu sein und gemeinsam mit einem Schulfreund schon immer gegen die Korruption und Unterdrückung von Seiten der pakistanischen Regierung geschrieben zu haben. Der Schulfreund hatte für eine große Tageszeitung gearbeitet, während der Berufungswerber selbst für eine kleine Bezirkszeitung tätig war. Da die Zeitung die zum Teil regierungskritischen Berichte nicht veröffentlicht hätten, hätten sie eine eigene Zeitung namens XYgegründet. Mit der Zeit hätten sie Schwierigkeiten wegen der Veröffentlichungen bekommen und vom Geheimdienst wäre man an sie herangetreten und hätte ihnen gesagt, dass man mit den Veröffentlichungen aufhören solle. Allerdings hätten die beiden Freunde weiterhin entsprechende Berichte veröffentlicht. In weiterer Folge sei sein Freund umgebracht worden, da man auf sein Auto geschossen hätte und er dabei ums Leben gekommen sei. Daraufhin sei es zu vom Berufungswerber organisierten Protesten gegen die Regierung gekommen. Der Berufungswerber selbst hatte im Verfahren verschiedenste Zeitungsartikel vorgelegt, mit denen zu Beweisen war, dass er ebenfalls als Journalist in Pakistan tätig war. Die Übersetzung dieses Zeitungsartikels brachte durchaus regierungskritische Inhalte zum Vorschein unter anderem wurde auch kritisch über den Geheimdienst berichtet. Zwar hat das Gutachten der länderkundlichen Sachverständigen lediglich ergeben, dass der Berufungswerber wirklich für verschiedene Zeitungen und Nachrichtenagenturen tätig war, allerdings war der Rechtsanwalt der von der länderkundlichen Sachverständigen beauftragt wurde nicht in der Lage das Vorbringen des Berufungswerbers nachzuvollziehen, da dieser nicht für sehr bedeutende Zeitungen geschrieben hätte. Die Familie des Berufungswerbers sei wohlhabend und hätte politischen Einfluss und würde von der Polizei auch nicht verfolgt werden. Der Berufungswerber hätte Pakistan lediglich verlassen, da er mit der Situation in Pakistan nicht zufrieden gewesen sei. Der Berufungswerber und seine Familie seien - wie schon ausgeführt - wohlhabend. Der Berufungswerber selbst hätte eine Firma in seinem Heimatort. Der Anwalt selbst hätte keine Gründe für eine Verfolgung des Berufungswerbers vorfinden können. Diesem Schluss kann sich allerdings der erkennende Richter nicht anschließen. Der Berufungswerber hat die Veröffentlichung regierungskritischer Texte nachgewiesen und veröffentlicht solche auch von Österreich aus immer noch. Der Tod des Journalisten ist nachgewiesen und ergibt sich aus den Länderquellen, dass die pakistanischen Geheimdienste immer noch auch nach den Wahlen, ein gewisses Eigenleben führen. Der Berufungswerber hat die Geheimdienste in seinen Berichten zum Teil direkt angegriffen. Es ist daher objektiv nachvollziehbar, dass der Berufungswerber zumindest subjektiv die Rache der Geheimdienste fürchtet. Das sich diese nicht der Polizei bedienen würden ist ebenfalls immanent, daher würde die Polizei auch über eine Verfolgung des Berufungswerbers nichts wissen. Die Geheimdienste in Pakistan neigen nach den Länderberichten eher dazu, solche Angelegenheiten selbst zu erledigen. Sie nehmen die "Hilfe" der Justiz nur dann an, wenn es gar nicht anders geht, in dem etwa falsche Anzeigen erstattet werden. Es ist nachvollziehbar, dass der Berufungswerber bei seiner Lebenserfahrung bei seiner Bildung und seiner Beschäftigung mit der Situation in Pakistan Strafaktionen der Geheimdienste gegen ihn fürchtet, die jedenfalls die Intensität einer Verfolgung erreichen. Unbestritten ist, dass diese Verfolgung lediglich aufgrund seiner Berichterstattung, also jedenfalls einer unterstellten politischen Gesinnung, die aber nach Eindruck des erkennenden Richters ebenfalls wirklich vorhanden ist, erfolgen würde. Der Berufungswerber selbst ist ein demokratisch orientierter Mensch, der sich danach sehnt, in Pakistan eine entsprechende Veränderung der Situation herbeiführen zu können. Daher ist es dem Berufungswerber in einer Gesamtschau aller vorliegenden Beweismittel, seiner Situation als reicher gebildeter Mensch, der wohl Pakistan nicht grundlos verlassen hatte um in Österreich ein Leben in Ungewissheit zu führen, der hinsichtlich seiner Tätigkeit als Journalist entsprechende Beweismittel vorgelegt hatte und die erhobenen Tatsachen der Sachverständigen seinem Vorbringen nicht entgegensprechen sondern deren Schluss nur ein anderer ist, insgesamt gelungen, eine subjektiv bestehende objektiv nachvollziehbare Furcht vor Verfolgung durch staatliche Stellen Pakistans nämlich den Geheimdienst wegen seiner zumindest unterstellten politischen Gesinnung glaubhaft zu machen.

 

Dem Berufungswerber steht eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative nicht zur Verfügung.

 

Der Berufungswerber hätte in Pakistan nicht die Möglichkeit eine innerstaatliche Fluchtalternative in Anspruch zu nehmen. Er wäre für den Geheimdienst in Pakistan jedenfalls auffindbar, wenn er sich weiterhin seiner Passion nämlich dem Schreiben von regimekritischen Texten widmen würde. Diesfalls wäre er nämlich über die publizierenden Organe jedenfalls ausforschbar. Dem Berufungswerber allerdings verbieten zu wollen solche Texte zu schreiben erscheint im Hinblick darauf, dass diese aus einer demokratischen und liberalen Gesinnung heraus entstehen nicht zumutbar. Daher steht dem Berufungswerber eine innerstaatliche Fluchtalternative die ihm auch zumutbar ist nicht zur Verfügung.

 

Es liegen keine Gründe vor, nach denen ein Ausschluss der berufenden Partei hinsichtlich der Asylgewährung zu erfolgen hat.

 

Solche Gründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

 

II.

 

II.1.: Zur Berufung gegen Spruchpunkt I des im Spruch genannten Bescheides

 

Anzuwenden war das AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76 in der Fassung BGBl. I Nr. 126/2002, die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 (im Folgenden: "AsylG 1997"), das AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung und das ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung. Hinsichtlich des Verfahrens vor dem Asylgerichthof waren die einschlägigen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100 in der geltenden Fassung (im Folgenden: "AsylG 2005")? anzuwenden.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Gemäß § 60 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter; ebenso entscheidet der Asylgerichtshof gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 AsylG 2005 durch Einzelrichter, wenn im vor dem 1.7.2008 anhängigen Verfahren bereits vor diesem Zeitpunkt eine Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat stattgefunden hatte; dies ist im vorliegenden Verfahren der Fall, sodass der erkennende Richter als Einzelrichter zur Entscheidung zuständig war.

 

Gemäß § 7 AsylG 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (in Folge: GFK), droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Der Berufungswerber hat eine zum Entscheidungszeitpunkt bestehende, subjektive und zumindest objektiv nachvollziehbare Angst vor Verfolgung durch staatliche Stellen, nämlich den pakistianischen Geheimdienst, glaubhaft gemacht. Der Grund für die Verfolgung ist die demokratische, also politische Gesinnung des Berufungswerbers, wegen der er in den Blickpunkt des Geheimdienstes gekommen ist. Da eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht zur Verfügung steht und Asylausschlussgründe nicht hervorgekommen sind, war Asyl zu gewähren; gemäß § 12 AsylG war auszusprechen, dass dem Berufungswerber somit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

II.2.: Zur Berufung gegen Spruchpunkt II des im Spruch genannten Bescheides

 

Zur Anwendbarkeit der relevanten Rechtsvorschriften und zur Zuständigkeit des entscheidenden Senates siehe oben II.1. i. und ii..

 

Da der Berufung gegen Spruchpunkt I des im Spruch bezeichneten Bescheides statt zu geben war, war Spruchpunkt II des im Spruch bezeichneten Bescheides pro forma zu beheben.

 

II.3.: Zur Berufung gegen Spruchpunkt III des im Spruch genannten Bescheides

 

Zur Anwendbarkeit der relevanten Rechtsvorschriften und zur Zuständigkeit des entscheidenden Senates siehe oben II.1. i. und ii..

 

Da der Berufung gegen Spruchpunkt I des im Spruch bezeichneten Bescheides statt zu geben war, war Spruchpunkt III des im Spruch bezeichneten Bescheides pro forma zu beheben.

 

II.4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Geheimdienst, gesamte Staatsgebiet, Intensität, Journalismus, politische Gesinnung, Racheakt
Zuletzt aktualisiert am
11.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten