TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/10 C13 400312-1/2008

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Veröffentlicht am 10.09.2008
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Spruch

C13 400.312-1/2008/4E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. ROSENAUER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. NEUMANN als Beisitzerin über die Beschwerde des S.G. alias G., geb. 00.00.1976, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.06.2008, Zahl: 08 01.778 - EAST West, gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 61 AsylG 2005 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 und § 10 AsylG als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

1. Verfahrensgang

 

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt und stellt sich im Wesentlichen wie folgt dar:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Antrag des BFs (in der Folge BF) auf internationalen Schutz vom 19.02.2008 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008 (in der Folge AsylG) abgewiesen, ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und diese Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG mit einer Ausweisung verbunden.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte, nunmehr als Beschwerde geltende Berufung.

 

1.3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 41 Abs. 7 AsylG in Verbindung mit § 67d Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) abgesehen.

 

2. Folgender Sachverhalt liegt der Entscheidung zugrunde:

 

2.1. Zu Person, Reiseroute und Fluchtgründen des BF:

 

Der BF S.G. alias G. ist indischer Staatsbürger und gehört der Volksgruppe Punjabi an. Er wurde von der Bundespolizeidirektion Villach wegen illegaler Einreise und illegalen Aufenthalts in Schubhaft genommen und in das Polizeianhaltezentrum Villach überstellt, wo er am 18.02.2008 einen Asylantrag stellte.

 

Bei der niederschriftlichen Erstbefragung vor der Polizeiinspektion Anhaltezentrum Villach am 20.02.2008 gab der BF im Wesentlichen Folgendes an:

 

Er hätte ungefähr 20 Tage zuvor Indien mit dem Flugzeug von New Delhi aus verlassen. Die Reise habe sein Bruder S.U. organisiert. Den Reisepass, nach Vermutung des BF ein gefälschter, habe ein Begleiter gehabt. Da die Reise immer nachts in verschiedenen Fahrzeugen erfolgt sei, könne er über die Reiseroute nichts aussagen.

 

Als Fluchtgrund gab er an, er wäre im Zuge von Nachbarschaftsstreitigkeiten unter Druck gesetzt worden. Die Nachbarn seien Großbauern, sie hätten ihn geschlagen und verletzt. Er hätte am Kopf Schnittwunden gehabt und sei genäht worden. Die Nachbarn hätten ihn bei den Behörden falsch beschuldigt. Er sei daher wegen versuchten Totschlags verhaftet worden. Die Polizei hätte ihn des öfteren einvernommen und auch schon 5 Tage eingesperrt, sie halte zu den Nachbarn. Er sei auf Kaution freigelassen worden, wodurch ihm die Flucht gelungen sei. Einen Teil seines Grundstückes hätten die Nachbarn bereits beschlagnahmt.

 

2.2. Am 22.02.2008 wurde ein Informationsersuchen gemäß Art. 21 der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates (in der Folge Dublin II VO) an Tschechien gestellt, worüber der BF nachweislich informiert wurde. Am 19.03.2008 wurde seitens der tschechischen Behörden mitgeteilt, dass keine Daten betreffend den BF vorhanden seien.

 

2.3. Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 04.04.2008 gab der BF Folgendes an:

 

Er leide manchmal an Schlafstörungen und Migräne und habe von der Polizei Medikamente bekommen, wodurch eine Besserung eingetreten sei. Er sei verheiratet, habe drei Kinder und besitze eine Landwirtschaft in K. in Indien, die er verpachtet habe. Er habe bisher keinen Asylantrag gestellt und habe auch keine Personen im Bereich der Europäischen Union, in Norwegen oder in Island, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis oder eine besonders enge Beziehung bestehe. Zu Wohnsituation und allfälligen Kontaktaufnahmen befragt gab der BF an, dass er nur postalischen Kontakt habe, die Landwirtschaft zur Hälfte (15 Hektar) auch seinem Bruder gehöre und seine Mutter zuerst bei ihm gewohnt hätte, nun aber bei seinem Bruder wohne. Er besitze ein großes Haus, sein Agrarland besitze auch beträchtlichen Wert, und durch den Verkauf der Kühe und des Hofes habe er auch viel Geld bekommen. Auf Nachfrage gab der BF an, dass nach dem Tod seines Vaters die Mutter den vom BF angesprochenen Besitz von 15 Hektar überschrieben bekommen hätte, eines Tages werde es aber der BF erben.

 

Der BF wurde aufgefordert, seinem Bruder unverzüglich einen Brief zu schreiben und seine Dokumente im Original binnen fünf Wochen, wenn möglich umgehend Kopien per Telefax, vorzulegen.

 

Zur Reiseroute gab der BF an, er hätte in Moskau das Flugzeug verlassen, zum restlichen Weg nach Österreich könne er keine Aussagen machen.

 

Weiters gab der BF an, dass der Nachbarssohn S.K. sich selber in den Arm geschnitten hätte und gesagt hätte, der BF hätte dies getan. S.K. und seine Familie hätten den Arzt bestochen und den BF wegen Mordversuch angezeigt. Der Grund dafür seien Grundstücksprobleme, die unter seinem Vater ca. 1996 oder 1997 angefangen hätten, schlimm sei es 2005 geworden. Er sei eingesperrt worden und hätte sich auf Kaution freigekauft. Auf Nachfrage brachte der BF unter anderem weiters vor, die Polizei und die Nachbarn hätten auch Gangster angeheuert, um ihn umzubringen.

 

2.4. Am 03.04.2008 wurde der BF aus der Schubhaft entlassen und in der Betreuungsstelle West in Thalham einquartiert. Am 05.04.2008 verließ er unangemeldet die Betreuungsstelle, reiste illegal nach Deutschland, wo er am 00.04.2008 in Piding festgenommen und am 00.04.2008 gemäß Dublin II VO von der BPD Salzburg zurück überstellt und neuerlich in Schubhaft genommen wurde.

 

2.5. Am 14.04.2008 wurde mit Zustimmung des BF im Wege der Staatendokumentation der Grundsatz- und Dublinabteilung des Bundesasylamtes und der österreichischen Botschaft in New Delhi die Überprüfung der Angaben des BFs im Herkunftsstaat veranlasst. Am 17.6.2008 langte der Erhebungsbericht ein.

 

2.6. Bei der Einvernahme am 20.06.2008 wurden dem BF die Ermittlungsergebnisse der österreichischen Botschaft in New Delhi vorgehalten. Es wurde Einsicht in Akten der Polizeistation B. genommen sowie Familienmitglieder (Mutter, Ehefrau und Großvater) sowie Nachbarn des BFs befragt. Dabei konnten die Identität und die Familienverhältnisse des BF verifiziert werden. Es wurden jedoch keine Hinweise gefunden, die die vom BF geschilderten Vorfälle bestätigten. Weder konnten Hinweise auf Nachbarschaftsstreitigkeiten noch auf polizeiliche oder gerichtliche Anzeigenlegungen oder auf Verfolgung gefunden werden. Eine Personen mit Namen S.K. würde in B. nicht existieren. Nach Aussagen des Leiters der Stationspolizei sei die in Österreich vorgetragene Geschichte des BF dem Anschein nach erfunden, wahrscheinlich um einen dauernden Aufenthaltstitel in Österreich zu bekommen.

 

Dazu erklärte der BF, die gegnerische Partei wäre ziemlich mächtig, daher würden die Nachbarn und die Polizei lügen. Hätte er selbst gelogen, so hätte er nicht seine richtige Adresse in der Heimat bekannt gegeben. Zur Feststellung, dass den Herrn S.K. niemand kennt, meinte der BF, das gäbe es nicht und das wäre alles geplant.

 

Zur Frage, warum er entgegen dem Auftrag zur Vorlage der angesprochenen Beweismitteln diese nach Ablauf der gewährten Frist von 5 Wochen noch nicht vorgelegt habe, erklärte der BF, ein Sozialberater in Salzburg habe ihm gesagt, dass, da eine Überprüfung im Herkunftsstaat gemacht werde, die Vorlage nicht erforderlich sei.

 

Die belangte Behörde wies den Asylantrag des BFs ab und begründete ihre Entscheidung zusammengefasst damit, dass nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens das Vorbringen des BF nicht glaubwürdig erscheine. Die umfangreich getätigten Ermittlungen hätten keinerlei Hinweise auf die Wahrheit des Vorbringens des BF gebracht, während er umgekehrt trotz wiederholter Aufforderung keinerlei Beweismittel zum Beweis seiner Vorbringen vorlegte.

 

2.7. Zur Lage in Indien:

 

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur Lage in Indien decken sich mit dem Amtswissen des Asylgerichtshofes und werden vollinhaltlich diesem Erkenntnis zugrundegelegt.

 

2.8. Der BF brachte mittels Telefax am 26.06.2008 gegen den Bescheid der belangten Behörde fristgerecht Berufung ein, wobei er im Wesentlichen sein Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren wiederholte. Diese Berufung gilt gilt gemäß Asylgerichtshofeinrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 4/2008, als Beschwerde.

 

3. Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung:

 

3.1. Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005 BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 4/2008) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

 

Mit dem Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 4/2008, mit dem unter anderem das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) erlassen und das Asylgesetz 2005 und das Bundesverfassungsgesetz (B-VG) geändert worden sind, ist der Asylgerichtshof eingerichtet worden.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AV) mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 41 Abs. 7 AsylG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67d AVG.

 

Gemäß § 61 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes, soweit nicht etwas anders in § 61 Abs. 3 AsylG vorgesehen ist.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 AsylG sind beim Unabhängigen Bundesasylsenat am 01.07.2008 anhängige Verfahren, in denen bis zu diesem Zeitpunkt keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, vom dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senat des Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, - außer in dem im Abs. 2 angeführten Fall - immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gemäß § 67d AVG kann der Asylgerichtshof ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und dem nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK), entgegensteht.

 

Gemäß § 15 AsylG hat der Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken und insbesondere ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen.

 

Gemäß § 18 AsylG hat die Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für die Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen.

 

3.2. Dem angefochtenen Bescheid ist ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch das Bundesasylamt vorangegangen und schließt sich die Berufungsbehörde den dort getroffenen Feststellungen an.

 

3.3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde abgesehen, da gemäß § 67d AVG iVm. § 23 AsylGHG und § 41 Abs. 7 AsylG der Sachverhalt im Verfahren vor dem Asylgerichtshof dann als aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt anzusehen ist, wenn er nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz festgestellt wurde und in der Beschwerde kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt in konkreter Weise behauptet wird.

 

Die Berufungsbehörde erachtet diese Voraussetzungen als erfüllt, da die Betrachtung des von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens keinen Zweifel an der Unglaubwürdigkeit der Angaben des BFs aufkommen lassen und dieser auch im Beschwerdeschriftsatz keine Angaben machte, die geeignet gewesen wären, dieses Bild zu entkräften oder die Beurteilung der belangten Behörde zweifelhaft erscheinen zu lassen (vgl. VwGH 17.10.2006, 2005/20/0329; 23.11.2006, 2005/20/0406; 23.11.2006, 2005/20/0477; 23.11.2006, 2005/20/0517; 23.11.2006, 2005/20/0551; 23.11.2006, 2005/20/0579).

 

Auch auf Art. 6 Abs. 1 EMRK basierende Hinderungsgründe liegen nicht vor.

 

3.4. Zu den Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides

 

3.4.1. Zu § 3 AsylG ( Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides):

 

Gemäß § 3 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich eine Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist und glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

 

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4. 1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.2.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

 

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

 

Der Asylgerichtshof schließt sich den Ausführungen der belangten Behörde zur Frage der Glaubwürdigkeit der Angaben des BF an. Den Ergebnissen der Nachforschungen im Heimatstaat, die zu einer eindeutigen Widerlegung seiner vorgebrachten Geschichte geführt haben, konnte der BF nicht in substantiierter Art und Weise entgegentreten. Es konnten weder Hinweise auf den fluchtauslösenden Vorfall, noch über eine drohende polizeiliche Verfolgung gefunden werden. Ebenso wenig konnte der Nachbarsohn namens S.K., jene Person, von der nach den Aussagen des BF die größte Bedrohung ausging, ausfindig gemacht werden, eine Person dieses Namens war den befragten Familienangehörigen und Nachbarn unbekannt. Auch die im erstinstanzlichen Verfahren angesprochenen Beweismittel sind trotz nochmaliger Aufforderung nicht vorgelegt worden. Den Ausführungen des BF bezüglich seiner angegebenen Fluchtgründe war daher nicht zu folgen.

 

3.4.2. Zu § 8 AsylG ( Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides):

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Der Asylgerichtshof hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Berufungswerbers in sein Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

Wie schon unter 3.4.1. zu Spruchpunkt I ausgeführt, haben sich im gesamten Verfahren keine Anhaltspunkte gefunden, die zu einem anderen Ergebnis als im erstinstanzlichen Bescheid führen würden.

 

3.4.3. Zu § 10 AsylG (Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides):

 

Gemäß § 10 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Der BF ist in seiner Beschwerde der vom Bundesasylamt zu Spruchteil III des angefochtenen Bescheides gegebenen Begründung nicht substantiiert entgegengetreten. Eine Rechtswidrigkeit dieses Spruchteiles ist nicht zu erkennen, zumal der BF auch während des Beschwerdeverfahrens keine allfällige relevante Änderung seiner diesbezüglichen Lebensumstände angezeigt hat.

 

Somit haben sich im Fall des BF keine Anhaltspunkte ergeben, die bei einer Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK zur Annahme einer Verletzung der genannten Bestimmung und somit zu einer Unzulässigkeit der Ausweisung führten. Familiäre Anknüpfungspunkte des BF in Österreich sind zum Entscheidungszeitpunkt ebenso wenig erkennbar wie eine außergewöhnliche Integration (dies auch angesichts der bisher relativ kurzen Aufenthaltsdauer, die der BF überdies zu einem relativ großen Teil in Schubhaft verbracht hat). Die Ausweisung stellt daher keinen unzulässigen Eingriff in eine gemäß Art. 3 oder Art. 8 EMRK geschützte Rechtsposition dar. Aufgrund der illegalen Einreise des BF in das österreichische Bundesgebiet sowie überwiegt im vorliegenden Fall vielmehr das öffentliche Interesse am Vollzug eines geordneten Fremdenwesens.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, non refoulement
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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