D6 306188-1/2008/3E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Peter CHVOSTA als Vorsitzenden und die Richterin Dr. Christine AMANN als Beisitzerin über die Beschwerde des U.A., geb. 00.00.2003, StA. Russische Föderation, vom 11.10.2006 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.9.2006, Zahl: 05 10.214-BAT, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird stattgegeben und U.A. gemäß § 7 AsylG Asyl gewährt. Gemäß § 12 AsylG wird festgestellt, dass U.A. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I.1. Der minderjährige Beschwerdeführer, ein russischer Staatsangehöriger, stellte am 11.7.2005 - vertreten durch seine Mutter den Antrag, ihm Asyl zu gewähren.
2. Das Bundesasylamt wies den Antrag mit Bescheid vom 22.9.2006 in Spruchteil I. unter Berufung auf § 7 Asylgesetz, BGBl. I Nr. 76/1997 idF der AsylG-Novelle 2003 (im Folgenden AsylG) ab; in Spruchteil
II. stellte es fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG (idF der AsylG-Novelle 2003) nicht zulässig sei; unter einem wurde dem Beschwerdeführer in Spruchteil III. des Bescheides unter Berufung auf § 8 Abs. 3 iVm § 15 Abs. 2 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 15.9.2007 erteilt. Gegen diesen am 27.9.2006 der Mutter des Beschwerdeführers zugestellten Bescheid wurde von dieser mit dem am 11.10.2006 mittels Telefax übermittelten Schriftsatz fristgerecht Berufung hinsichtlich Spruchpunkt I. erhoben. Daher ist Spruchpunkt II. und III. des Bescheides in Rechtskraft erwachsen.
3. Mit Erkenntnis des entscheidenden Senates des Asylgerichtshofes vom DD.9.2008, Zahl: D6 306187-1/2008/3E, wurde der Mutter des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG Asyl gewährt.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen
1. Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (Art. 1 BGBl. I 4/2008; im Folgenden: AsylGHG) tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I 100/2005, außer Kraft.
Gemäß § 23 AsylGHG sind - soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG und dem VwGG nicht anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Gemäß § 75 Abs. 7 Z 2 AsylG sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, vom zuständigen Senat des Asylgerichtshofes weiterzuführen.
Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen - hier gemäß § 44 Abs. 2 AsylG 1997 idF AsylG-Novelle 2003.
Das AsylG 1997 sieht in § 38 den unabhängigen Bundesasylsenat als Instanz für Rechtsmittel gegen Bescheide des Bundesasylamtes vor; weder das AsylG 2005 noch das AsylGHG begründen eine Zuständigkeit des Asylgerichtshofes auch für Verfahren, die nach dem AsylG 1997 zu Ende zu führen sind. Die mit der Einrichtung des Asylgerichtshofes verbundenen Änderungen der Bundesverfassung (sowie des AsylG 2005) knüpfen stets an den Asylgerichtshof als (neues) Entscheidungsorgan an, ohne auf den Geltungsbereich der verschiedenen asylrechtlichen Gesetzeslagen Bezug zu nehmen (vgl. Art. 129c, 129e, 132a sowie Art. 151 Abs. 39 Z 1 und Z 5 B-VG). Daher ist davon auszugehen, dass der Asylgerichtshof in s ä m t l i c h e n Verfahren, somit auch in jenen Verfahren, die nach dem AsylG 1997 weiterzuführen sind, an die Stelle des unabhängigen Bundesasylsenates tritt. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich jene Bestimmungen des AsylG 1997, die von "Berufungen" sprechen, nunmehr auf Beschwerden beziehen (vgl. dazu AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E).
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Rechtsmittelinstanz, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
2. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt. Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
3. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG stellen Familienangehörige (§ 1 Z 6) eines Asylberechtigen, eines subsidiär Schutzberechtigten oder eines Asylwerbers einen Antrag auf Gewährung desselben Schutzes. Für Ehegatten gilt dies überdies nur dann, wenn die Ehe spätestens innerhalb eines Jahres nach der Einreise des Fremden geschlossen wird, der den ersten Asylantrag eingebracht hat. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG hat die Behörde auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Asylberechtigten mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist. Gemäß § 10 Abs. 5 AsylG hat die Behörde Asylanträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Dies ist entweder die Gewährung von Asyl oder subsidiärem Schutz, wobei die Gewährung von Asyl vorgeht, es sei denn alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Antragsteller erhält einen gesonderten Bescheid.
4. Gemäß § 1 Z 6 AsylG ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes, minderjähriges Kind (Kernfamilie) eines Asylwerbers oder eines Asylberechtigten ist.
5. Im vorliegenden Fall wurde der Mutter des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG Asyl gewährt; Hinweise darauf, dass dem Beschwerdeführer die Fortsetzung des bestehenden Familienlebens mit seiner Mutter in einem anderen Staat möglich wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Es war daher schon aus diesem Grund spruchgemäß Asyl zu gewähren. Gemäß § 12 AsylG war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
4.6. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Gemäß § 41 Abs. 7 AsylG hat der Asylgerichtshof § 67d AVG mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur außer Kraft getretenen Regelung des Art. II Abs. 2 lit. D Z 43a EGVG war der Sachverhalt der Sachverhalt nicht als geklärt anzusehen, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder der Berufungsbehörde ergänzungsbedürftig oder in entscheidenden Punkten nicht richtig erscheint, wenn rechtlich relevante Neuerungen vorgetragen werden oder wenn die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will (VwGH 2.3.2006, 2003/20/0317 mit Hinweisen auf VwGH 23.1.2003, 2002/20/0533; 12.6.2003, 2002/20/0336). Gemäß dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konnte im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Asylgerichtshof unterbleiben, da der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen war.