TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/11 B13 212741-2/2008

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Veröffentlicht am 11.09.2008
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Spruch

B13 212.741-2/2008/4E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Maga. Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde des P. alias R. alias K.S. alias J. auch D., geb. 00.00.1967, StA. Serbien, vertreten durch: RA Dr. Thomas KÖNIG, LL.M., vom 1. 9. 2008 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18. 8. 2008, Zl. 08 06.652 - EAST Ost, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG und § 10 Abs. 1. Z 1 Asylgesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

Text

Beg r ü n d u n g :

 

Der Beschwerdeführer hat am 28. 12. 1998 beim Bundesasylamt einen Antrag auf Gewährung von Asyl gestellt.

 

Dazu wurde der Beschwerdeführer am 15. 4. 1999 beim Bundesasylamt einvernommen und gab im Wesentlichen an, dass er in P. geboren sei, er der montenegrinischen Volksgruppe angehöre und orthodoxen Glaubens sei.

 

Bei der am 22. 4. 1999 fortgesetzten Einvernahme beim Bundesasylamt gab der Beschwerdeführer an, dass er sich seit dem Jahre 1988 nicht mehr in Jugoslawien aufgehalten habe, da er nach fünf Monaten Militärdienst desertiert sei und somit Probleme mit den jugoslawischen Behörde bekommen habe. Er habe bis jetzt 12 Einberufungsbefehle erhalten. Dies habe er über seine Mutter erfahren, mit der er telefonischen Kontakt habe. Der letzte Einberufungsbefehl sei ihm vor etwa einem Jahr in seiner Heimat zugestellt worden.

 

Im Falle seiner Rückkehr würde er von der jugoslawischen Regierung vor ein Militärgericht gestellt werden.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 15. 7. 1999, Zl 98 13.965-BAT, wurde der Asylantrag gemäß § 7 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I) und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Bundesrepublik Jugoslawien gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt (Spruchpunkt II). Das Bundesasylamt begründete seine Entscheidung damit, dass die Einberufung des Beschwerdeführers zum Militärdienst keine Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes darstelle.

 

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 1. 9. 1999 zugestellt.

 

Mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 8. 6. 2002, Zl 212.741/0-XII/36/99, wurde die gegen den Bescheid des Bundesasylamtes erhobene Berufung gemäß § 7 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I) und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Bundesrepublik Jugoslawien gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG für zulässig erklärt (Spruchpunkt II). Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 24. 6. 2002 durch Hinterlegung zugestellt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 12. 11. 2002, Zl 2002/01/0453-4, ab.

 

Der Beschwerdeführer stellte am 30. 7. 2008 beim Bundesasylamt neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Dazu fand am 30. 7. 2008 bei der Bundespolizeidirektion Wien eine Erstbefragung nach dem AsylG 2005 statt, anlässlich derer der Beschwerdeführer ausführte, dass sein Fluchtgrund nach wie vor aufrecht sei. Er habe seit seiner Einreise nach Österreich im Jahre 1991 oder 1992 Österreich nicht mehr verlassen. Er habe zweimal geheiratet, er sei mittlerweile aber wieder geschieden. Er habe zwei Kinder aus erster Ehe, welche bei ihrer Mutter leben würden.

 

Am 6. 8. 2008 wurde der Beschwerdeführer beim Bundesasylamt einvernommen und führte dazu aus, dass er früher mit dem Militär Probleme gehabt habe. Er wisse aber nicht, wie sich die Situation heute darstellen würde.

 

Am 11. 8. 2008 fand beim Bundesasylamt eine ergänzende Einvernahme statt, bei der der Beschwerdeführer anführte auch mit der Polizei Probleme gehabt zu haben. Er glaube, dass im Jahre 1991 das Volk demonstriert habe. Er sei zufällig dabei gewesen. Er werde wegen der Teilnahme an der Demonstration Probleme bekommen. Überdies habe er sich im Krieg nicht auf der serbischen Seite befunden. Zudem sei sein Vater Muslime, seine Mutter orthodoxen Glaubens. Er habe auch eine Ladung erhalten, um bei der Polizei zu erscheinen. Er glaube, diese stamme aus dem Jahre 2005. Die Ladung müsse sich bei seinem Anwalt befinden. Er glaube, dass er diese Ladung deshalb erhalten habe, da er während des Krieges im Kosovo auf Seiten der Albaner tätig gewesen sei, hingegen die Albaner aber annehmen würden, dass er auf Seiten der Serben gestanden sei.

 

Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 18. 8. 2008, Zl 08 06.652 EAST-Ost, den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I) und ihn aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Serbien ausgewiesen (Spruchpunkt II). Dieser Bescheid wurde vom Beschwerdeführer am 25. 8. 2008 im Polizeianhaltezentrum Wien persönlich übernommen.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 1. 9. 2008 durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter Beschwerde.

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß § 28 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG), BGBl. I 4/2008, tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I. Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 -VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 22 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 (AsylG 2005), ergehen Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses. Die Entscheidungen des Asylgerichtshofes haben den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 Z 1 lit c und Z 2 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG und die mit dieser Entscheidung verbundenen Ausweisung.

 

Spruchpunkt I:

 

Da das Bundesasylamt mit dem angefochtenen Bescheid den Asylantrag zurückgewiesen hat, ist Gegenstand der vorliegenden Entscheidung des Asylgerichtshofes nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht aber der zurückgewiesene Antrag selbst (vgl. VwGH 30.10.1991, Zl. 91/09/0069; 30.05.1995, Zl. 93/08/0207).

 

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Beschwerde nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, dann, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 und 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

 

Die Rechtskraft eines ergangenen Bescheides steht der meritorischen Entscheidung über einen neuerlichen Antrag nur dann nicht entgegen und berechtigt daher die Behörde nur dann nicht zur Zurückweisung des Antrages, wenn in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt eine Änderung eingetreten ist. Dabei kann nur eine solche Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung berechtigen und verpflichten, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 24.03.1993, Zl. 92/12/0149; 10.06.1998, Zl. 96/20/0266). Die objektive (sachliche) Grenze der Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", das heißt durch die Identität der Verwaltungssache, über die mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten, bestimmt. Die durch den Bescheid entschiedene Sache (i.S.d. § 8 AVG) wird konstituiert durch die Relation bestimmter Fakten (die den Sachverhalt bilden) zu bestimmten Rechtsnormen (die den Tatbestand umschreiben) [vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, (1998), Anm 12 zu § 68 AVG]. Die Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteibegehren im Wesentlichen (von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, abgesehen) mit dem früheren deckt (vgl. VwGH 10.06.1998, Zl. 96/20/0266; 21.09.2000, Zl. 98/20/0564). Eine Modifizierung des Vorbringens, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern.

 

Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann.

 

Für die Berufungsbehörde ist Sache i.S.d. § 66 Abs. 4 AVG ausschließlich die Frage, ob die erstinstanzliche Behörde mit Recht den neuerlichen Antrag gem. § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat. Die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages aufgrund geänderten Sachverhaltes darf ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind. In der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid können derartige Gründe nicht neu vorgebracht werden (vgl. VwGH 30.06.1992, Zl. 89/07/0200; 20.04.1995, Zl. 93/09/0341). Dies bezieht sich auf Sachverhaltsänderungen, welche in der Sphäre des Antragstellers gelegen sind. Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, Zl. 99/01/0400; 07.06.2000, Zl. 99/01/0321).

 

Der Beschwerdeführer hat in seinem nun zu behandelnden (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz kein neues Vorbringen erstattet, sondern das oben zitierte Vorbringen ist als Bezugnahme auf sein Vorbringen zum ersten Asylantrag zu sehen. Darüber wurde aber bereits mit dem, dem Beschwerdeführer am 24. 6. 2002 erlassenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates rechtskräftig abgesprochen.

 

Die Aufrechterhaltung derselben Verfolgungsbehauptung und die Bezugnahme darauf, stellen sich somit nicht als wesentlich geänderter Sachverhalt, sondern als Bekräftigung (bzw. als Behauptung des "Fortbestehens und Weiterwirkens", VwGH 20.3.2003, 99/20/0480) eines Sachverhalts dar, über den bereits rechtskräftig abgesprochen wurde. Sollten im Verfahren neue Tatsachen vorgebracht werden, die nach der Erlassung des Erstbescheides entstanden sind, so müssten diese, um Asylrelevanz zu besitzen, einen glaubhaften Kern beinhalten.

 

Der Beschwerdeführer brachte lediglich neu vor, im Jahre 2005 eine polizeiliche Ladung erhalten zu haben, welche seinem Anwalt in Serbien zugestellt worden sei. Er habe jedoch keine Kenntnis, um welche Angelegenheit es sich dabei handeln würde. Der Beschwerdeführer gab nämlich als Grund zum einen an, dass er zufällig im Jahre 1991 bei einer Demonstration anwesend gewesen sei. Zum anderen führte er aus, deswegen die Ladung erhalten zu haben, weil er während des Krieges auf der albanischen Seite tätig gewesen sei.

 

Den Ausführungen des Beschwerdeführers ist jedoch auf Grund der widersprüchlichen Angaben die Glaubwürdigkeit zu versagen, wobei sich auch die beiden vom Beschwerdeführer angeführten Begründungen als sehr hypothetisch erwiesen haben.

 

Zu der vom Beschwerdeführer angeführten Zustellung eines Einberufungsbefehles im Jahre 2005 ist auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Bescheides (AS 91 bis 99) zu verweisen und es werden diese zum Inhalt dieses Bescheides erhoben.

 

Da somit weder in der maßgeblichen Sachlage - und zwar weder im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist - noch im Begehren und auch nicht in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, steht die Rechtskraft des am 24. 6. 2002 erlassenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates dem neuerlichen Antrag entgegen. Mit dem zweiten Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).

 

Spruchpunkt II:

 

Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn

 

(...)

 

Z 1. der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird;

 

(...)

 

Gemäß § 10 Abs 2 AsylG ist eine Ausweisung nach Abs 1 leg cit unzulässig, wenn dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder diese eine Verletzung von Art 8 EMRK darstellen würde.

 

Der Gesetzgeber wollte durch diese - im Gegensatz zur fremdenpolizeilichen Ausweisung keinem Ermessen zugängliche - zwingende asylrechtliche Ausweisung eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Asylwerber, die bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung sich im Bundesgebiet aufhalten durften, verhindern (vgl. VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479).

 

Der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz war wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht liegt zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vor. Der Berufungswerber hält sich daher nach Erlassung dieses Bescheides nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

 

Bei Erlassung einer Ausweisung kann ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und/oder Familienleben vorliegen (Art. 8 Abs 1 EMRK). Ein unverhältnismäßiger Eingriff würde eine Ausweisung unzulässig machen.

 

Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00).

 

Der Begriff des Familienlebens ist jedoch nicht nur auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere "de facto Beziehungen" ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua).

 

Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 2006, B 1277/04, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR; des Weiteren auch das Erkenntnis des VwGH vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0423 und die darauf aufbauende Folgejudikatur, etwa die Erkenntnisse vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0235, vom 8. Juni 2006, Zl. 2003/01/0600, vom 22. August 2006, Zl. 2004/01/0220 und vom 29. März 2007, Zl. 2005/20/0040, vom 26. Juni 2007, 2007/01/0479).

 

Die Beziehung der bereits volljährigen Kinder zu den Eltern ist vor allem dann als Familienleben zu qualifizieren, wenn jene auch nach Eintritt der Volljährigkeit im Haushalt der Eltern weiterleben, ohne dass sich ihr Naheverhältnis zu den Eltern wesentlich ändert (Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 860 unter Hinweis auf Wiederin in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 8 EMRK Rz 76).

 

Alle anderen verwandtschaftlichen Beziehungen (zB zwischen Enkel und Großeltern, erwachsenen Geschwistern [vgl. VwGH 22.08.2006, 2004/01/0220, mwN; 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723-8], Cousinen [VwGH 15.01.1999, 97/21/0778; 26.6.2007, 2007/01/0479], Onkeln bzw. Tanten und Neffen bzw. Nichten) sind nur dann als Familienleben geschützt, wenn eine "hinreichend starke Nahebeziehung" besteht. Nach Ansicht der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist für diese Wertung insbesondere die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung (vgl. VfSlg 17.457/2005). Dabei werden vor allem das Zusammenleben und die gegenseitige Unterhaltsgewährung zur Annahme eines Familienlebens iSd Art 8 EMRK führen, soweit nicht besondere Abhängigkeitsverhältnisse, wie die Pflege eines behinderten oder kranken Verwandten, vorliegen.

 

Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR im Fall Cruz Varas gegen Schweden). In diesen Fällen ist nach der Judikatur des EGMR der Eingriff in das Privatleben gegebenenfalls separat zu prüfen (Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 856 mwN).

 

Nach der Rechtssprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u. a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993). Beim Privatleben spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da idR erst nach einigen Jahren eine Integration im Aufenthaltsstaat anzunehmen sein wird, die von Art 8 EMRK geschützt ist (Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 857 mwN; vlg. zB VwGH vom 26.6.2007, 2007/01/0479-7).

 

Die beiden Kinder des Beschwerdeführers sind in Österreich wohnhaft. Diese leben bei ihrer Mutter und ihrem Stiefvater in einem gemeinsamen Haushalt. Dass der Beschwerdeführer zu diesen besondere Anknüpfungspunkte besitze, wurde nicht behauptet. Auch eine anderweitige "de facto" Beziehung bzw. ein mit dieser Person vollzogenes Zusammenleben kam nicht zum Vorschein. Weitere besondere private Anknüpfungspunkte in Österreich wurden nicht behauptet. Das Bundesasylamt gelangte zur Ansicht, dass im gegenständlichen Fall kein relevantes und in den Schutzbereich des Art 8 EMRK fallendes Privat- und Familienleben gegeben sei. Dem ist der Beschwerdeführer auch in seiner Beschwerde nicht entgegen getreten.

 

Der Asylgerichtshof schließt sich der Ansicht des Bundesasylamt an und gelangt ebenfalls zum Ergebnis, dass hier kein relevantes Privat- und Familienleben gegeben ist und somit durch die Ausweisung auch nicht in diese Grundrechte in unzulässiger Weise eingegriffen wird. Der Asylgerichtshof schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen der Erstbehörde im angefochtenen Bescheid an - denen der Beschwerdeführer in der Beschwerde auch nicht konkret entgegen getreten ist - und erklärt sie zum Inhalt dieser Entscheidung.

 

Selbst wenn man durch den aktenkundigen Sachverhalt das Bestehen eines relevanten Privat- und/oder Familienlebens bejahen würde, käme es im Ergebnis zu keiner anders lautenden Entscheidung, wie die nachfolgenden Ausführungen im Rahmen einer Eventualbegründung zeigen:

 

Ob ein Eingriff in dieses verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht durch die asylrechtliche Ausweisung iSd Art 8 Abs 2 EMRK notwendig ist, bedarf einer Abwägung der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden.

 

Art 8 Abs 2 EMRK lautet:

 

"Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."

 

Die oa. und in Folge zur Annahme eines relevanten Privat- und/oder Familienlebens in Österreich führenden Umstände, sind für den Beschwerdeführer ins Treffen zu führen, welcher sein weiteres Leben in Österreich gestalten möchte. Weiters ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer überdies mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 00.00.1996 wegen § 12 Abs. 1 und § 16 Abs. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt wurde. Ein weiteres Mal wurde der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien mit dem Urteil vom 00.00.1998 wegen §§ 15, 127, 129, § 223 Abs. 2 und § 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt.

 

Gegen den Beschwerdeführer - und damit für das öffentliche Interesse - spricht, dass der Beschwerdeführer bereits im Dezember 1998 einen im Ergebnis unbegründeten Asylantrag stellte, den er durch Ergreifen von ordentlichen und außerordentlichen Rechtsmitteln erfolglos angefochten hatte. . Im Juli 2008 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz, in dem er im Wesentlichen wieder jene Gründe anführte, die schon im Erstverfahren nicht zum Erfolg führten, weshalb dieser Antrag abzuweisen ist.

 

Hinsichtlich der Abwägung der öffentlichen Interessen mit jenen des Beschwerdeführers ist der Verfassungsgerichtshof der Auffassung, dass Asylwerber und sonstige Fremde nicht schlechthin gleichzusetzen sind. Asylwerber hätten idR ohne Geltendmachung von Asylgründen keine rechtliche Möglichkeit, legal nach Österreich einzureisen. Soweit die Einreise nicht ohnehin unter Umgehung der Grenzkontrolle oder mit einem Touristenvisum stattgefunden hat, ist Asylwerbern der Aufenthalt bloß erlaubt, weil sie einen Asylantrag gestellt und Asylgründe geltend gemacht haben. Sie dürfen zwar bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung weder zurückgewiesen, zurückgeschoben noch abgeschoben werden, ein über diesen faktischen Abschiebeschutz hinausgehendes Aufenthaltsrecht erlangen Asylwerber jedoch lediglich bei Zulassung ihres Asylverfahrens sowie bis zum rechtskräftigen Abschluss oder bis zur Einstellung des Verfahrens. Der Gesetzgeber beabsichtigt durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern. Es kann dem Gesetzgeber nicht entgegen getreten werden, wenn er auf Grund dieser Besonderheit Asylwerber und andere Fremde unterschiedlich behandelt (VfGH 17. 3. 2005, G 78/04 ua).

 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat fallbezogen unterschiedliche Kriterien (vgl. dazu insbesondere VfGH B 328/07) herausgearbeitet, die bei einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

 

Er hat etwa die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.9.2004, Fall Ghiban, Appl. 11.103/03, NVwZ 2005, 1046), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.5.1985, Fall Abdulaziz ua., Appl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567;

20.6.2002, Fall Al-Nashif, Appl. 50.963/99, ÖJZ 2003, 344;

22.4.1997, Fall X, Y und Z, Appl. 21.830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 2.8.2001, Fall Boultif, Appl. 54.273/00), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124;

11.10.2005, 2002/21/0124), die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 11.4.2006, Fall Useinov, Appl. 61.292/00) für maßgeblich erachtet.

 

Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten - was bei einem bloß vorläufigen Aufenthaltsrecht während des Asylverfahrens jedenfalls als gegeben angenommen werden kann (vgl. Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 857 mwN ) -, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 5.9.2000, Fall Solomon, Appl. 44.328/98; 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562). Der Asylwerber kann während seines Asylverfahrens nicht darauf vertrauen, dass ein in dieser Zeit entstehendes Privat- bzw. Familienleben auch nach der Erledigung seines Asylantrages fortgesetzt werden kann. Die Rechte aus der GFK dürfen nicht dazu dienen, die Einwanderungsregeln zu umgehen (ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 857 mwN).

 

Das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration ist weiters dann gemindert, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf einen unberechtigten Asylantrag zurückzuführen ist (VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479 mwN). Beruht der bisherige Aufenthalt auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten (insbesondere bei Vortäuschung eines Asylgrundes [vgl VwGH 2.10.1996, 95/21/0169]), relativiert dies die ableitbaren Interessen des Asylwerbers wesentlich [vgl. die Erkenntnisse vom 28. Juni 2007, Zl. 2006/21/0114, und vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0246] (VwGH 20.12.2007, 2006/21/0168).

 

In seiner jüngsten Entscheidung (die bei der oa. Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und Verfassungsgerichtshof noch keine Berücksichtigung finden konnte) NNYANZI gg. das Vereinigte Königreich, vom 8.4.2008, erkannte der EGMR zu einem Fall einer Asylwerberin, die bereits rund 10 Jahre - für die Dauer des Verfahrens - im Vereinigten Königreich lediglich auf Grund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung durch das Asylverfahren zum Aufenthalt berechtigt war, "dass in dieser Zeit während des unsicheren Aufenthaltes begründete private Anknüpfungspunkte nicht geeignet sind ein im Rahmen des Art 8 EMRK relevantes Privatleben überhaupt entstehen zu lassen". In diesem Fall war die Asylwerberin bereit seit 10 Jahren im Vereinigten Königreich auf Grund der Asylantragsstellung aufhältig. Einen "sicheren" Aufenthaltstitel hatte sie in dieser Zeit nie erlangt. Die Beschwerdeführerin hatte dort einen Beruf erlernt, beteiligte sich an der Kirchengemeinschaft, hatte Freunde, darunter eine Beziehung zu einem Mann. Lediglich im Rahmen einer Eventualbegründung - bei hypothetischer Annahme dieser Sachverhalt würde für die Annahme eines iSd Art 8 EMRK relevanten Privatlebens gereichen - führte der EGMR im Wesentlichen aus, dass dieses Privatleben nicht geeignet sei, das öffentliche Interesse an einer geordneten Zuwanderung von Fremden zu überwiegen, zumal der Beschwerdeführerin nie ein Bleiberecht zuerkannt worden sei und der Aufenthalt zu keinem Zeitpunkt als "sicher" anzusehen war, worin auch der wesentliche Unterschied zu jenen Fremden gegeben wäre, die während eines als sicher geltenden Aufenthaltes ein Privat- bzw. Familienleben begründet haben. Auch die von der Beschwerdeführerin behauptete Verfahrensverzögerung der Behörde(n) war nicht geeignet die Ansicht des EGMR zu ändern.

 

Im vorliegenden Fall ist der Eingriff in das Recht auf Privatund/oder Familienleben gesetzlich vorgesehen und verfolgt gem. Art 8 Abs 2 EMRK legitime Ziele, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - worunter auch die geschriebene Rechtsordnung zu subsumieren ist - und das wirtschaftliche Wohl des Landes. Zu prüfen ist, ob der Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist.

 

Nach dem Urteil des EGMR im Fall Moustaquim ist eine Maßnahme dann in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, wenn sie einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht und zum verfolgten legitimen Ziel verhältnismäßig ist. Das bedeutet, dass die Interessen des Staates, insbesondere unter Berücksichtung der Souveränität hinsichtlich der Einwanderungs- und Niederlassungspolitik, gegen jene des Beschwerdeführers abzuwägen sind.

 

Der EGMR geht davon aus, dass die Konvention kein Recht auf Aufenthalt in einem bestimmten Staat garantiert. Der EGMR erkennt in stRsp weiters, dass die Konventionsstaaten nach völkerrechtlichen Bestimmungen berechtigt sind, Einreise, Ausweisung und Aufenthalt von Fremden ihrer Kontrolle zu unterwerfen, soweit ihre vertraglichen Verpflichtungen dem nicht entgegenstehen (vgl. uva. zB. Urteil Vilvarajah/GB, A/215 § 102 = NL 92/1/07 und NL 92/1/27f.). Die Schaffung eines Ordnungssystems mit dem die Einreise und der Aufenthalt von Fremden geregelt wird, ist auch im Lichte der Entwicklungen auf europäischer Ebene notwendig. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) daher ein hoher Stellenwert zu (VfGH 29.9.2007, B 328/07, VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251 uva.). Die öffentliche Ordnung, hier va. das Interesse an einer geordneten Zuwanderung, erfordert es daher, dass Fremde, die nach Österreich einwandern wollen, die dabei zu beachtenden Vorschriften einhalten. Die öffentliche Ordnung wird zB. schwerwiegend beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die Ausweisung kann in solchen Fällen trotz eines vielleicht damit verbundenen Eingriffs in das Privatleben und Familienleben erforderlich sein, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte (VwGH 21.2.1996, 95/21/1256). Dies insbesondere auch deshalb, weil als allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz grds. gilt, dass aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen. (VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007). Der VwGH hat weiters festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).

 

Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist auch für das wirtschaftliche Wohl des Landes von besonderer Bedeutung, da diese sowohl für den sensiblen Arbeitsmarkt als auch für das Sozial- und Gesundheitssystem gravierende Auswirkung hat. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass insbesondere bei nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältigen Fremden, welche daher auch grds. über keine arbeitsrechtliche Berechtigung verfügen, idR die reale Gefahr besteht, dass sie zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes in die gesellschaftlich unerwünschte, aber doch real vorhandene Schattenwirtschaft ausweichen, was wiederum erhebliche Folgewirkungen auf den offiziellen Arbeitsmarkt, das Sozialsystem und damit auf das wirtschaftliche Wohl des Landes hat (vgl. ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 857 mwN).

 

Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände und unter Einbeziehung der oa. Judikatur (vgl insbes. NNYANZI gg. das Vereinigte Königreich) der Höchstgerichte ist ein deutlich überwiegendes öffentliches Interesse - nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und das wirtschaftliche Wohl des Landes an der Aufenthaltsbeendigung des Beschwerdeführers festzustellen, das seine Interessen in Österreich überwiegt. Der bisherige Aufenthalt in Österreich gründete lediglich auf ein vorläufiges Aufenthaltsrecht auf Grund von zwei im Ergebnis als unbegründet anzusehende Asylanträge. Die in der Zeit der Verfahrensdauer allenfalls entstandenen persönlichen Interessen werden durch diese Umstände und vor allem des bloß vorläufigen Aufenthaltsrechtes durch die Asylantragstellung erheblich gemindert bzw. sind hier (in Anlehnung an den Fall NNYANZI gg. das Vereinigte Königreich) geringer zu bewerten.

Schlagworte
Ausweisung, EMRK, familiäre Situation, Glaubwürdigkeit, Identität der Sache, Intensität, Interessensabwägung, Prozesshindernis der entschiedenen Sache, strafrechtliche Verurteilung
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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