TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/11 C7 221999-0/2008

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Veröffentlicht am 11.09.2008
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Spruch

C7 221999-0/2008/10E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Hat als Vorsitzende und den Richter Mag. Felseisen als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Bernold über die Beschwerde des L.H., geb. 00.00.1977, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.03.2001, FZ. 01 02.010-BAW, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.08.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 AsylG 1997, BGBl I Nr. 76/1997 idgF, als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der erstinstanzliche Verfahrensgang ergibt sich aus dem Verwaltungsakt des Bundesasylamtes. Der nunmehrige Beschwerdeführer stellte am 01.02.2001 einen Asylantrag in Österreich. Er wurde hiezu am 21.03.2001 niederschriftlich einvernommen (As. 19 bis 29).

 

Der Beschwerdeführer brachte im Verfahren folgenden entscheidungsrelevanten Sachverhalt vor: Er sei aus Indien geflüchtet, da er seit September 2000 Probleme mit der Polizei gehabt habe, da er beschuldigt worden sei, bei der Verteilung von Banknoten durch eine Fahrschule geholfen zu haben. Der Besitzer der Fahrschule sei ein weitschichtiger Verwandter des Beschwerdeführers und der Beschwerdeführer habe für diesen Botendienste durchgeführt. Im Zuge der Festnahmen der Fälscher sei der Name des Beschwerdeführers genannt worden und dieser sei im Anschluss daran mehrmals von der Polizei zu diesem Fall befragt worden. Der Verwandte des Beschwerdeführers sei geflüchtet. Ende Oktober seien außerdem die Mitarbeiter des Verwandten des Beschwerdeführers zum Beschwerdeführer nach Hause gekommen und hätten diesem damit gedroht, ihn und seine gesamte Familie umzubringen, falls er der Polizei etwas verrate. Daraufhin habe der Beschwerdeführer zunächst sein Heimatdorf und danach Indien verlassen. Eine Anzeige gegen den Beschwerdeführer habe es nicht gegeben.

 

2. Mit Bescheid vom 22.03.2001, Zahl: 01 02.010-BAW, wies das Bundesasylamt - ohne weitere Verfahrensschritte - den Asylantrag gemäß §§ 7, 8 AsylG ab.

 

3. Dagegen wurde am 10.04.2001 Berufung (nunmehr: Beschwerde) sowie am 20.04.2001 eine Beschwerdeergänzung eingebracht.

 

4. Vor dem Asylgerichtshof wurde am 19.08.2008 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Dabei gab der Beschwerdeführer (BF) auf Befragen durch die Richterin (VL) folgendes an:

 

"....

 

VR: Ist Ihre dem bisherigen Verfahren zugrunde gelegte Identität richtig? Auf § 119 Abs. 2 FPG wird hingewiesen.

 

BF: Meine Angaben sind richtig.

 

VR: Waren Ihre Aussagen im erstinstanzlichen Verfahren richtig und bleiben diese aufrecht ?

 

BF: Ja.

 

VR: Wo haben Sie in Indien gelebt?

 

BF: Ich habe im Dorf S., in Punjab, gewohnt.

 

VR: Mit wem haben Sie dort gelebt?

 

BF: Ich habe dort mit meiner Familie gelebt, meinen Eltern, 2 Schwestern und einem Bruder.

 

VR: Wie ist der Name Ihrer Eltern und Geschwister?

 

BF: Mein Vater heißt L.S., die Mutter P., meine jüngere Schwester K.S., die andere Schwester K.M., mein Bruder heißt L.J..

 

VR: Lebt Ihre Familie noch in Ihrem Dorf?

 

BF: Ja.

 

VR: Haben Sie noch weitere Verwandte in Indien?

 

BF: Ja.

 

VR: Wo leben diese?

 

BF: Sie leben alle in verschiedenen Dörfern im Punjab.

 

VR: Haben Sie auch außerhalb des Punjab, in Indien, Verwandte?

 

BF: Nein.

 

VR: Wovon haben Sie in Indien gelebt?

 

BF: Im Jahr 1996 habe ich meine Schulausbildung abgeschlossen und habe danach als LKW-Fahrer gearbeitet.

 

VR: Wovon lebt Ihre Familie in Indien?

 

BF: Mein Vater arbeitet derzeit in Dubai, auf einer Baustelle. Meine 2 Schwestern sind verheiratet und leben bei ihren Ehemännern. Mein jüngerer Bruder und die Mutter leben zu Hause von dem Geld, das mein Vater schickt.

 

VR: Besitzt Ihre Familie Land in Indien?

 

BF: Nein.

 

VR: Arbeiten Sie hier in Österreich?

 

BF: Ja. Ich bin Zeitungsverteiler.

 

VR: Haben Sie Verwandte hier in Österreich?

 

BF: Nein.

 

VR: Warum haben Sie Indien verlassen?

 

BF: Ein Verwandter von mir hat früher auch dort gearbeitet, wo ich als LKW-Fahrer tätig war. Er hat Kontakte zu kriminellen Personen gepflegt und wegen dieser Personen habe ich Probleme mit der Polizei bekommen. Dieser Verwandter war ein Onkel von mir und lebte in der Nähe. Es gab eine Polizeirazzia, weil die Polizei ihn gesucht hat. Ich wurde im Zuge dieser Razzia auch befragt. Mein Onkel war flüchtig. Einige Tage später haben diese kriminellen Personen meinen LKW aufgehalten und haben mich gewarnt, dass ich keine Informationen, weder über meinen Onkel, noch über diese Personen, an die Polizei weiterleiten sollte. Nach diesem Vorfall habe ich aufgehört, dort zu arbeiten, weil ich mich mit diesen Personen nicht anlegen wollte. Dennoch ist die Polizei zu mir nach Hause gekommen. Die Polizei sagte zu mir, sie werden mich so lange belangen, bis sie meinen Onkel finden würden, da ich gemeinsam mit ihm gearbeitet habe. Ich wurde dann auch dreimal zur Polizeistation geladen und befragt. Ein 4. Mal wurde ich von zu Hause abgeholt und einen ganzen Tag auf der Polizeistation angehalten. Mit Hilfe der Dorfbewohner wurde ich freigelassen. 2 oder 3 Tage nach meiner Freilassung von der Polizeistation sind die Personen, die einmal früher mich angehalten und gewarnt hatten, nochmals zu mir nach Hause gekommen. Diesmal haben sie mich und meine Familie mit dem Umbringen bedroht, falls ich je etwas der Polizei bekannt geben sollte. Ich bekam Angst und bin nach H. gereist. Ich habe mich dort einige Tage aufgehalten und hatte aber telefonischen Kontakt mit meiner Familie. Sie haben mich informiert, dass die Polizei nach wie vor zu meiner Familie nach Hause kommt und nach mir fragt. Die Polizei behauptete, dass ich Kontakte zu diesen Personen habe und dass ich diese Information vor ihnen verberge. Meine Eltern haben gesagt, dass ich nicht mehr im Punjab leben sollte, weil die Polizei mich über kurz oder lang verhaften würde. Ich habe dann den Punjab verlassen und bin nach New Delhi gereist. Auch, als ich in Delhi gewohnt habe, hatte ich Kontakt mit meinen Eltern und wollte in mein Dorf zurückkehren. Aber meine Eltern haben mir gesagt, dass die Polizei weiterhin nach mir fragt und dass solange, bis diese Angelegenheit noch offen ist, sollte ich nicht zurückkommen. Ein Freund von mir riet mir, ins Ausland zu gehen, solange die Sache nicht erledigt wäre. Ich bin dann direkt von New Delhi nach Moskau ausgereist und in weiterer Folge nach Europa gereist. Seitdem wohne ich in Europa. Mein Onkel ist weiterhin unauffindbar. Da die Polizei damals gesagt hat, dass sie mich solange belangen werde, bis mein Onkel auftaucht, bin ich der Meinung, dass ich noch nicht zurückkehren kann, weil mein Onkel immer noch unauffindbar ist.

 

VR: Wie ist der Name Ihres Onkels?

 

BF: S.T..

 

VR: Wo haben Sie für ihn gearbeitet, was war das für eine Art von Betrieb?

 

BF: Ich habe im Dorf B. gearbeitet, das ich ein kleines Dorf. Ich habe nämlich in einer kleinen "Ziegelfabrik" gearbeitet.

 

VR: Diese Ziegelfabrik war im Besitz Ihres Onkels?

 

BF: Nein, er hat ebenfalls dort gearbeitet.

 

VR: Wer waren diese Kriminellen, mit denen Ihr Onkel zu tun hatte?

 

BF: Ich habe nicht gewusst, dass diese Leute kriminelle Personen sind. Ich habe nur mitbekommen, dass sich mein Onkel oft mit diesen traf und er übernahm irgendwelche Pakete von ihnen. Erst, als die Polizei mich befragt hat, habe ich mitbekommen, dass das kriminelle Personen waren. Zweimal habe ich sogar auf Bitte meines Onkels auch Pakete von diesen Personen in Empfang genommen, diese Pakete wurden später von meinem Onkel übernommen.

 

VR: Was meinen Sie mit "in Empfang genommen"? Haben Sie diese transportiert oder sonst irgendwie in Empfang genommen?

 

BF: Mein Onkel bat mich, dass ich diese Personen an einem bestimmten Ort treffen soll und ich sollte von ihnen das Paket übernehmen und an ihn weitergeben. Das habe ich auch ohne Bedenken getan.

 

VR: Was war in diesen Paketen?

 

BF: Das weiß ich nicht, da ich diese Pakete nie geöffnet habe.

 

VR: Haben Sie später erfahren, was in diesen Paketen war?

 

BF: Bei der Befragung hat die Polizei gesagt, dass es illegale "Sachen" waren. Aber ich weiß nicht, was drinnen war. Diese Pakete waren ca. 40cm x 40cm (BF zeigt die Größe mit seinen Händen) groß.

 

BR: Vorher haben Sie Ihren Onkel nie gefragt, was in diesen Paketen ist?

 

BF: Nein, ich habe nie gefragt, da ich kein Interesse an diesen Paketen hatte und auch keinen Verdacht geschöpft habe.

 

VR: Welche Geschäfte hat Ihr Onkel mit diesen Kriminellen gemacht?

 

BF: Das weiß ich nicht, ich weiß nur, dass mein Onkel sich oft mit solchen Personen getroffen hat und sie waren dann auch gemeinsam unterwegs.

 

VR: Kennen Sie Namen dieser Personen?

 

BF: Nein, ich habe von diesen die Namen nicht erfahren, weil ich sie nur begrüßt habe und mehr nicht.

 

VR: Was war das für eine Polizeirazzia, die durchgeführt wurde?

 

BF: Die Polizei hat unser Haus, welches aus 2 Zimmern bestand, durchsucht. Sie haben mich auch gefragt, ob ich etwas von der Dienststelle mitgenommen hätte. Ich habe das verneint. Danach haben sie mir gesagt, dass sie mich weiterhin belangen würden.

 

VR: Wurde bei Ihrer Dienststelle keine Razzia durchgeführt?

 

BF: Das weiß ich nicht, weil kurze Zeit später ich diese Arbeitsstelle verlassen habe.

 

VR: Wann fand diese Razzia statt?

 

BF: Das war zwischen Sept./Okt. 2000.

 

VR: Wann wurden Sie von der Polizei das 1. Mal auf dem Polizeirevier befragt?

 

BF: Das war auch im September, ein genaueres Datum kann ich nicht nennen.

 

VR: Wie lange war das nach der Razzia?

 

BF: Am 2. oder 3. Tag nach der Razzia wurde ich zur Polizeistation geholt, dort wurde ein Foto von mir gemacht und die Fingerabdrücke wurden mir abgenommen.

 

VR: Wurden Sie offiziell festgenommen?

 

BF: Nein, das haben sie nicht gesagt.

 

VR: Warum wurden dann Ihre Fingerabdrücke genommen?

 

BF: Die Polizei hat gesagt, im Zuge der Erhebungen möchten sie meine Fingerabdrücke nehmen und falls sie Beweismaterial finden, würde ich auch verhaftet.

 

VR: Wurde irgendwann Beweismaterial gefunden?

 

BF: Nicht bei mir zu Hause.

 

VR: Sonst wo?

 

BF: Das weiß ich nicht, das haben sie mir nicht gesagt, aber ich nehme an, dass sie schon etwas in der Hand hatten und deswegen die ganzen Erhebungen gestartet hatten.

 

VR: Auf welcher Polizeistation wurden Sie befragt?

 

BF: Auf der S. Polizeistation in J..

 

VR: Wurden Sie immer auf der gleichen Polizeistation befragt?

 

BF: Ja.

 

VR: Sie haben gesagt, Sie wurden insgesamt 4 Mal befragt?

 

BF: Das ist richtig, das 4. Mal wurde ich den ganzen Tag angehalten.

 

VR: Können Sie sich erinnern, in welchem Zeitraum diese Anhaltungen stattfanden?

 

BF: Im Zeitraum Sept./Okt. 2000.

 

VR: Wann ungefähr war es, als diese Kriminellen zu Ihnen kamen und Sie bedroht haben?

 

BF: Das 1. Mal haben sie mich gewarnt, direkt nachdem die Polizei mich das 1. Mal befragt hat. Und das 2. Mal war nachdem die Polizei bei mir zu Hause war und das Haus durchsucht hat.

 

VR: Haben Sie der Polizei von diesen Bedrohungen erzählt?

 

BF: Nach dem 1. Mal habe ich der Polizei schon von diesem Vorfall erzählt, als diese Personen mich gewarnt hatten. Aber nach dem 2. Mal habe ich der Polizei nichts erzählt, weil sie mich beim 2. Mal bedroht hatten, sowohl mich als auch meine Familie umzubringen, sollte ich jemals etwas der Polizei erzählen.

 

VR: Wie lange haben Sie sich in H. aufgehalten?

 

BF: Ca. 15 bis 20 Tage.

 

VR: Wie lange waren Sie in Delhi?

 

BF: 8 Tage.

 

VR: Warum sind Sie nicht beispielsweise in Delhi geblieben, um weiterhin dort zu leben?

 

BF: In Delhi habe ich in einem Hotel gewohnt und musste für meine Unterkunft selbst aufkommen, da ich keine Verwandte dort hatte. Das konnte ich mir länger nicht leisten.

 

VR: Warum hat die Polizei eine Razzia bei Ihnen zu Hause durchgeführt, hat Sie jemand beschuldigt?

 

BF: Die Polizei hat an meiner Arbeitsstelle gefragt, wer der LKW-Fahrer war und bekam somit meinen Namen und meine Adresse.

 

VR: Warum hatte die Polizei gerade am LKW-Fahrer Interesse?

 

BF: Die Polizei suchte meinen Onkel und da dieser immer mit mir im LKW war, haben sie mich dann auch befragt und gesagt, dass diese Pakete illegale "Sachen" enthielten und dass ich auch in diese Sache involviert war, gemeinsam mit dem Onkel.

 

VR: Was genau wurde Ihrem Onkel vorgeworfen?

 

BF: Sie haben nur gesagt, dass er in kriminelle Handlungen verwickelt war, welche gegen unser Land gerichtet waren.

 

VR: Wurden irgendwelche dieser Kriminellen von der Polizei festgenommen?

 

BF: Ich glaube nicht, zumindest wurde keiner festgenommen, solange ich in Indien war. Ich möchte noch anführen, dass diese Leute Teil einer Gang waren.

 

VR: Sie haben keine Idee, was für kriminelle "Sachen" das waren, in welche Ihr Onkel involviert war bzw. was sich in den Paketen befunden hat, ist das richtig?

 

BF: Wie gesagt, ich habe diese Pakete nicht aufgemacht und sie waren auch nicht sehr groß. Es kann sein, dass falsche Dokumente drinnen waren. Es könnten auch Drogen drinnen gewesen sein. Die Polizei hat mir auch diese Frage gestellt, aber ich konnte sie nicht beantworten und wollte auch keine falschen Behauptungen in den Raum stellen. Die Polizei fragte mich, ob die Packungen schwer waren, oder ob man sie leicht "drücken" konnte. Ich erzählte, dass die Packungen nicht sehr schwer waren, mehr habe ich nicht gewusst, da ich sie kurz in der Hand hatte und dann gleich auf den Nebensitz gelegt habe.

 

VR: Sie haben beim BAA ausgesagt, dass Sie beschuldigt wurden, bei der Verteilung gefälschter Banknoten geholfen zu haben. Können Sie dazu etwas sagen?

 

BF: Das ist richtig, die Polizei hat diese Behauptung aufgestellt. Wie gesagt, ich war unschuldig und wusste nicht, was in den Paketen war.

 

VR: Hat man Ihnen also doch gesagt, was in den Paketen war?

 

BF: Die Polizei hat gesagt, dass ich diese falschen Banknoten gesehen hätte, das war aber nicht richtig. Ich habe niemals etwas gesehen.

 

VR: Sie haben beim BAA auch angegeben, dass Ihr Onkel Besitzer eines Geschäftes war, für die Sie gearbeitet haben. Vorher haben Sie von einer Ziegelfabrik gesprochen?

 

BF: Das ist falsch übersetzt worden. Ich habe gesagt, dass ich von meinem Onkel gelernt habe, ein Fahrzeug zu lenken.

 

VR: Wenn es falsch übersetzt wurde, warum haben Sie es dann bei der Rückübersetzung nicht ausbessern lassen?

 

BF: Ich habe den Dolmetscher sehr wohl auf diesen Fehler aufmerksam gemacht, er hat aber gemeint, das wäre alles das gleiche. Ich habe von meinem Onkel gelernt, ein Fahrzeug zu lenken, damit ist er mein Lehrer.

 

VR: Warum haben Sie diesen Irrtum nicht in der Beschwerdeschrift richtigstellen lassen?

 

BF: Ich habe dieser Kleinigkeit keine große Beachtung geschenkt und deswegen dies nicht schriftlich ausgeführt.

 

VR: Sie haben in Ihrer erstinstanzlichen Einvernahme auch ausgeführt, dass im Zuge von Festnahmen der Fälscher der Name Ihres Onkels und Ihr Name genannt wurden und Sie deshalb von der Polizei befragt wurden. Können Sie das erklären?

 

BF: Das ist auch nicht richtig wiedergegeben worden. Ich habe damals gesagt, dass ein Fälscher von der Polizei festgenommen wurde und danach gab es auch die Razzia bei uns. Ich habe aber niemals gesagt, dass beide Vorfälle in Zusammenhang stehen.

 

VR: Sie haben vorher in der Verhandlung gerade angegeben, dass in der Zeit, in der Sie in Indien waren, keiner der Kriminellen festgenommen wurde?

 

BF: Sie haben mich gefragt, ob irgendwelche Kriminelle, die Kontakte mit meinem Onkel hatten, festgenommen wurden. Das habe ich verneint. Dieser Banknotenfälscher wurde viel früher festgenommen und hatte keine Verbindung zu unserem Fall. Deshalb habe ich ihn nicht erwähnt.

 

VR: Kennen Sie den Namen des Fälschers?

 

BF: Nein.

 

VR: Können Sie sich erklären, warum die Razzia bzw. die Durchsuchung Ihres Hauses in der erstinstanzlichen Niederschrift nicht aufscheint?

 

BF: Doch, ich habe gesagt, dass die Polizei alles untersucht hat.

 

VR: Sie haben vorher angegeben, Sie fürchten, von der Polizei verhaftet zu werden. Aus welchem Grund sollten Sie verhaftet werden bzw. welches Delikt sollte Ihnen vorgeworfen werden?

 

BF: Ich habe mitbekommen, dass eine Anzeige gegen mich erstattet wurde. In dieser stand, dass ich Kontakte zu dieser kriminellen Gang, in die auch mein Onkel involviert war, hatte und dass ich auch in kriminelle Transaktionen involviert war. Ich habe deswegen Angst gehabt, dass ich als unschuldige Person von der Polizei verhaftet werde. Bezüglich der Anzeige habe ich das nicht direkt von der Polizei, sondern einer andere Person erfahren.

 

VR: Wann wurde diese Anzeige erstattet?

 

BF: Ich glaube, August 2000.

 

VR: Von wem haben Sie von dieser Anzeige erfahren?

 

BF: Das war ein Arbeiter, dort wo ich gearbeitet habe.

 

VR: Warum haben Sie beim BAA angegeben, dass Sie nicht angezeigt wurden?

 

BF: Wie gesagt, habe ich davon nicht von offizieller Seite gehört, sondern von einer Privatperson. Ich habe das deswegen nicht weiter erwähnt.

 

Die Verhandlung wird für 10 Minuten unterbrochen.

 

BR: Hat eine Befragung Ihrer Person von Seiten der Polizei auch in Ihrer Dienststelle stattgefunden?

 

BF: Ja, das 1. Mal bin ich gerade von meiner Dienststelle mit dem LKW weggefahren, als die Polizei mich angehalten und befragt hat.

 

BR: Sie haben im Protokoll in der 1. Niederschrift angegeben, dass Sie irgendwelche "Taschen" von der Dienststelle holen hätten sollen. Was meinen Sie damit?

 

BF: Das waren keine Taschen und auch nicht von der Dienststelle. So wie ich heute erzählt habe, hat mein Onkel mich zweimal gebeten, dass ich von einigen Personen Pakete in Empfang nehmen sollte. Das habe ich auch getan, und diese meinem Onkel weitergeleitet.

 

BR: Warum haben Sie dann damals gesagt, dass Sie Taschen holen sollten?

 

BF: Ich habe damals auch gesagt, dass es Pakete waren. Diese Pakete hätte ich ca. einen Kilometer von dieser Ziegelfabrik an einer Ecke dieser Personen abholen sollen.

 

BR: Warum haben Sie dies nach Rückübersetzung nicht berichtigt?

 

BF: Ich war der deutschen Sprache damals nicht mächtig. Jetzt verstehe ich ein bisschen schon und weiß, dass das Richtige wiedergegeben wird. Beim BAA hat der Dolmetscher bei der Rückübersetzung das Protokoll nochmals schnell überflogen und hat dann gemeint, dass meine Angaben genauso weitergegeben wurden, wie ich diese gemacht habe. Ich habe ihn dennoch auf einige Fehler aufmerksam gemacht, aber er meinte dazu, dass der Sinn der gleiche wäre, auch wenn die Wortwahl anders sei. Er sagte, ich sollte keinen Aufstand machen und unterschreiben.

 

VR: Warum haben Sie das dann in der Beschwerde nicht geltend gemacht?

 

BF: Die Berufung habe ich durch eine Organisation gemacht. Dort wurde mir nur der Fluchtgrund kurz erläutert. Nachdem dies im Großen und Ganzen richtig war, habe ich die Berufung unterschrieben. Diese wurde aber von dieser Organisation verfasst, weil ich selbst nicht Deutsch schreiben oder lesen kann.

 

VR: Wie oft wurden Sie insgesamt von der Polizei befragt?

 

BF: Viermal.

 

VR: Wo haben diese Befragungen jeweils stattgefunden?

 

BF: Das 1. Mal wurde ich befragt, als ich mit dem LKW von der Dienststelle wegfuhr. Dann kamen sie auch zu mir nach Hause und einige Male wurde ich auch auf der Polizeistation befragt.

 

VR: Wie viele Male wurden Sie auf der Polizeistation befragt?

 

BF: Ich glaube, dreimal.

 

VR: Zuvor haben Sie gesagt, Sie wurden viermal befragt und jedes Mal auf der Polizeistation?

 

BF: Als sie zu mir nach Hause gekommen sind, wollten sie nur wissen, wo mein Zimmer sei und haben dann das Haus durchsucht. Die restlichen Male waren auf der Polizeistation, außer dem 1. Mal.

 

VR: Wie sieht die Lage zur Zeit bei Ihnen zu Hause aus?

 

BF: Meine Eltern haben gegen die Polizei eine Beschwerde gemacht, nachdem die Polizei meine Eltern auch einige Male nach mir gefragt hat. In dieser Beschwerde haben sie ausgeführt, dass ich eine volljährige Person und für meine Taten selbst verantwortlich bin. Daher sollte man sie in Ruhe lassen, auch wenn sie meine Eltern sind. Seither kommt die Polizei nicht mehr zu uns, außerdem lebt mein Vater jetzt außer Landes.

 

VR: Waren oder sind Sie schwer krank oder waren Sie im Spital?

 

BF: Ich war in keiner stationären Behandlung, obwohl ich vor einigen Monaten die Masern bekommen hatte. Ich wurde vom Arzt behandelt, war krankenversichert und bekam Medikamente. Einmal gab es einen Brand in meiner Wohnung und ich wurde damals mit der Rettung weggebracht, um festzustellen, ob ich irgendwelche Rauchgasvergiftungen davon getragen hätte.

 

VR: Gibt es sonst noch etwas, das Sie anführen möchten?

 

BF: Ich möchte noch anführen, dass ich einerseits Angst vor der Polizei, andererseits vor diesen Personen habe. Mein Onkel ist auch unauffindbar, vielleicht wurde er von diesen Kriminellen wegen seiner kriminellen Machenschaften getötet. Ich bitte um Asylgewährung wegen meiner bereits vorgebrachten Gründe.

 

Folgende Erkenntnisquellen werden der beschwerdeführenden Partei genannt und deren Inhalt erörtert:

 

Auswärtiges Amt, "Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien", Stand Oktober 2006

 

UK Home Office, Border & Immigration Agency (BIA), India Country Report, January 2008

 

UK Home Office, Border & Immigration Agency (BIA), Operational Guidance Note India, April 2008

 

US Department of State, India, Country Report on Human Rights Practices - 2007, 11.03.2008

 

Christian Brüser, Gutachten Indien, November 2007, Allgemeiner Teil

 

Der VR bringt dem BF nachfolgende - vorläufige - Beurteilung der politischen und menschenrechtlichen Situation im Herkunftsstaat des BF unter Berücksichtigung des Vorbringens des BF auf Grund der dem Asylgerichtshof vorliegenden Informationsunterlagen (siehe oben) zur Kenntnis:

 

Die indische Verfassungs- und Rechtsordnung garantieren die grundlegenden Menschenrechte und Freiheiten. Die Justiz ist unabhängig. Die Verfahrensdauer ist allerdings häufig extrem lang; Korruption im Einzelfall kann nicht ausgeschlossen werden. Es gibt menschenrechtsverletzende Übergriffe von Polizei- und Sicherheitskräften, eine Systematik ist dabei nicht erkennbar.

 

Was die Provinz Punjab anbelangt, so ist der Terrorismus im Punjab Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Zu Terroranschlägen kommt es nur noch vereinzelt, so im April 2005 auf ein Kino in Neu Delhi, welcher der Babbar Khalsa zugeschrieben wird.

 

Sikhs haben aufgrund ihrer religiösen oder Überzeugung oder der allgemeinen politischen Situation mit keinen staatlichen Repressalien zu rechnen.

 

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern. Volle Bewegungsfreiheit ist gewährleistet. Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem für indische Bürger. Die Bürger besitzen in der Mehrzahl keine Ausweise. Wer sich verfolgt fühlt, kann sich demnach in einem anderen Landesteil niederlassen.

 

Soweit Probleme mit der lokalen Polizei bestehen und der Asylwerber für die zentralen Behörden von keinem Interesse ist, ist eine innerstaatliche Fluchtalternative zumutbar.

 

Das Stellen eines Asylantrags allein hat keine nachteiligen Konsequenzen für abgeschobene indische Staatsangehörige.

 

In Indien lebt etwa ein Viertel der Bevölkerung unter dem veranschlagten Existenzminimum der Vereinten Nationen. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine das Überleben sichernde Nahrungsversorgung auch der untersten Schichten der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe gibt es nicht, die Rückkehrer sind auf die Unterstützung der eigenen Familie oder Privater angewiesen.

 

Was Angehörige der Sikhs betrifft, so gelten sie als mobile und unternehmerische Gemeinschaft. In ganz Indien sind Sikhs in verschiedenen Berufen (Kraftfahrer, Mechaniker, Inhaber von Restaurants, Hotels oder Reisebüros, etc.) und im öffentlichen Dienst anzutreffen. Bedürftigen Sikhs wird zumindest vorübergehend in Sikh-Tempeln (Gurudwara) Nahrung und Unterkunft gewährt.

 

VR fragt den BF um seine Stellungnahme zu dieser Beurteilung.

 

BF: Dazu habe ich keine Stellungnahme. Ich bin aber kein Sikh. Ich bin auch kein Hindu, eigentlich bin ich ohne Religion und führe auch den Namen "Singh" nicht.

 

VR: Können Sie sich erklären, warum Sie in der erstinstanzlichen Niederschrift als "Sikh" angeführt sind?

 

BF: Ich habe damals auch gesagt, dass ich kein Sikh bin, obwohl ich die Lehre der Gurus verfolge.

 

VR: Konnten Sie alles vorbringen, haben Sie die Dolmetscherin gut verstanden?

 

BF: Ja.

 

VR fragt den BF, ob er den Dolmetscher gut verstanden habe; dies wird bejaht. ..."

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Feststellungen

 

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien. Seine Identität wird entsprechend seinen Angaben festgestellt.

 

Die Familie des Beschwerdeführers lebt nach wie vor in Indien.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatland aus asylrelevanten Gründen verfolgt bzw. mit dem Leben bedroht wäre.

 

1.2. Zum Herkunftsstaat Indien:

 

Zur Lage in Indien werden aufgrund der in der Verhandlung vorgehaltenen Quellen die dort daraus getroffenen vorläufigen entscheidungsrelevanten Feststellungen zum endgültigen Gegenstand dieses Erkenntnisses erhoben.

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1 Der Asylgerichtshof hat durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt sowie durch die am 19.08.2008 durchgeführte mündliche Verhandlung Beweis erhoben.

 

2.2. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus der Einvernahme vor der Erstbehörde und den Ausführungen in der Verhandlung im Einklang mit dem Akteninhalt.

 

2.3. Die Aussage des Asylwerbers stellt im Asylverfahren zweifellos das Kernstück dar. Hierbei ist es nach Ansicht des VwGH Sache des Asylwerbers, entsprechende, seinen Antrag untermauernde Tatsachenbehauptungen aufzustellen und diese glaubhaft zu machen.

 

Die Behörde kann einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Asylwerber während des Verfahrens vor den verschiedenen Instanzen im Wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubwürdig könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, Zl. 95/20/0650).

 

2.4. Der erkennende Gerichtshof geht aufgrund des Eindrucks in der mündlichen Verhandlung und aufgrund einer Gesamtschau des Akteninhaltes davon aus, dass der vom Beschwerdeführer angegebene Fluchtgrund nicht den Tatsachen entspricht; dies aus folgenden näheren Erwägungen:

 

Die Angaben des Beschwerdeführers in der erstinstanzlichen Einvernahme und in der mündlichen Verhandlung wiesen zahlreiche Widersprüche auf, beispielsweise bezüglich der vom Beschwerdeführer transportierten Pakete. Vor dem Bundesasylamt behauptete der Beschwerdeführer, dass er verdächtigt worden sei, gefälschte Banknoten über eine Fahrschule verteilt zu haben, während er in der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof mehrmals betonte, nicht zu wissen bzw. niemals erfahren zu haben, was sich in den von ihm transportierten Paketen befinde. Erst auf Vorhalt, erklärte er, dass die Polizei so etwas gesagt hätte, er diese gefälschten Banknoten jedoch nie gesehen habe, was angesichts seiner vorherigen Aussagen als reine Schutzbehauptung zu werten ist. Auch seine Aussagen zu den Kriminellen bzw. Fälschern und der Frage, ob bzw. wann diese festgenommen wurden, zeigen deutliche Unstimmigkeiten. Ferner gestalteten sich seine Angaben in Bezug auf seine Verhaftungen widersprüchlich. So behauptete er vor dem Bundesasylamt noch, dass er im September 2000 in der Fahrschule seines Verwandten von der Polizei zu den Fälschern befragt und im Oktober 2000 von seinem Elternhaus von der Polizei abgeholt und auf die Polizeistation zur Vernehmung gebracht worden sei sowie danach noch insgesamt vier Mal zum Wachzimmer gebracht und befragt worden sei, sohin insgesamt sechs Mal einvernommen worden sei. In der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof erklärte er dagegen auf Nachfrage, er sei insgesamt vier Mal von der Polizei befragt worden und davon drei Mal auf der Polizeistation. Eine weitere Ungereimtheit ergab sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers bezüglich seiner Ausführungen über eine Anzeige, da er noch vor dem Bundesasylamt behauptete, dass keine Anzeige gegen ihn vorliege, während er in der Beschwerdeverhandlung ausführte, dass er von einem Mitarbeiter erfahren habe, dass gegen ihn eine Anzeige wegen der Verwicklung in kriminelle Transaktionen existiere. Auch konnte er auf Vorhalt durch die entscheidende Richterin des Asylgerichtshofs diese Unstimmigkeiten nicht schlüssig aufklären. Seine Aussage, es sei vom Dolmetscher nicht alles richtig wiedergegeben worden, vermag nicht sämtliche Ungereimtheiten zu erklären und ist nicht geeignet, den Befund der Unglaubwürdigkeit zu erschüttern.

 

Gesamthaft betrachtet gelang es dem Beschwerdeführer nicht, sein Fluchtvorbringen widerspruchsfrei, einheitlich und kohärent darzulegen und eine Verfolgungsgefahr in Indien glaubhaft zu machen.

 

2.5. In eventu wird, wie in den Länderfeststellungen festgehalten wurde, auf die Möglichkeit verwiesen, sich in anderen Landesteilen Indiens niederzulassen. Der Beschwerdeführer könnte somit, selbst bei Zutreffen seiner Angaben, durch Verlegung seines Aufenthaltsortes in eine andere Region Indiens, beispielsweise an andere Orte des Punjab, wo Verwandte von ihm leben, oder nach Delhi oder Mumbai, der behaupteten Verfolgung durch die Kriminellen, die mit seinem Onkel zusammenarbeiteten, entgehen. Dafür, dass diese Personen ihn überall in Indien suchen würden und finden könnten, lassen sich - auch angesichts der Größe und der Bevölkerungsdichte - keine begründeten Anhaltspunkte finden. Auch für eine landesweite polizeiliche Suche hätten sich bei Wahrheitsunterstellung seiner Aussagen keine substantiierten Hinweise ergeben. Aus den Angaben des Beschwerdeführers, wenn man diese der Entscheidung zu Grunde legen würde, ließe sich nicht ableiten, dass ein Haftbefehl gegen ihn vorliegt oder ein Strafverfahren gegen ihn läuft. Er wurde nach den Befragungen durch die Polizei im Rahmen ihrer Ermittlungen jedes Mal (auf Intervention) wieder freigelassen. Auch konnte er seinen Heimatstaat - trotz in der Verhandlung behaupteter Anzeige - vom Flughafen Delhi aus legal und problemlos mit seinem Reisepass verlassen.

 

2.6. Die Feststellungen zum Herkunftsstaat Indien gründen sich auf die in der mündlichen Verhandlung genannten und erörterten sowie als unbedenklich erachteten objektiven und aktuellen Quellen. Den in das Verfahren eingeführten Quellen konnte der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren nicht substantiiert entgegengetreten.

 

4. Rechtliche Beurteilung:

 

Anzuwenden war das AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76 in der Fassung BGBl. I Nr. 126/2002, die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 (im Folgenden: "AsylG 1997"), das AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung und das ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung. Hinsichtlich des Verfahrens vor dem Asylgerichthof waren die einschlägigen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100 in der geltenden Fassung (im Folgenden: "AsylG 2005")? anzuwenden.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 60 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.

 

4.1. Spruchpunkt I

 

Gemäß § 7 AsylG 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (in Folge: GFK), droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Zentraler Aspekt des aus Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention übernommenen Flüchtlingsbegriffes ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung.

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Zu fragen ist daher nicht danach, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. (VwGH vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH vom 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH vom 26.2.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH vom 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.4.1996, Zl. 95/20/0239; VwGH vom 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH E vom 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH E vom 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH E vom 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Daher muss die Verfolgungsgefahr (bzw. die wohlbegründete Furcht davor) im gesamten Gebiet des Heimatstaates des Asylwerbers bestanden haben.

 

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlings-Konvektion genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

 

Der Beschwerdeführer hat keine Verfolgungsgefahr glaubhaft gemacht.

 

Darüber hinaus könnte (im Sinne einer Eventualbegründung), wie in den obigen Ausführungen zur Beweiswürdigung dargelegt, die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Furcht vor den Kriminellen und der Polizei nicht im gesamten Gebiet seines Heimatstaates als wohlbegründet angesehen werden und somit keine aktuelle Verfolgungsgefahr im gesamten Gebiet Indiens erkannt werden.

 

Die Beschwerde war daher gemäß § 7 AsylG abzuweisen.

 

4.2. Spruchpunkt II

 

Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 AsylG 1997 von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist und diese Entscheidung mit der Abweisung des Asylantrags zu verbinden. Die Prüfung ist - im Falle der Abweisung des Asylantrags - von Amts wegen vorzunehmen.

 

Zur Auslegung des § 8 Abs. 1 AsylG idF BGBL I 2003/101 iVm § 50 FPG 2005 (Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten; am 1.1.2006 ist gemäß § 126 Abs. 1. Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge: FPG) das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verweisen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Demnach ist die Verweisung des Art. 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechenden Bestimmungen" des FPG zu beziehen, das ist § 50 FPG) ist die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 37 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992 und § 57 Fremdengesetz, BGBl I Nr. 126/2002 BGBL, heranzuziehen. Danach erfordert die Feststellung nach dieser Bestimmung das Vorliegen einer konkreten, den Berufungswerber betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122). Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122, VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (z.B. VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294, VwGH 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438, VwGH 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427, VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028). Im Übrigen ist auch im Rahmen des § 8 AsylG idF BGBL I 2003/101 zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Bei der Entscheidungsfindung ist insgesamt die Rechtsprechung des EGMR zur Auslegung der EMRK, auch unter dem Aspekt eines durch die EMRK zu garantierenden einheitlichen europäischen Rechtsschutzsystems als relevanter Vergleichsmaßstab zu beachten. Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom und Henao v. The Netherlands, Unzulässigkeitsentscheidung vom 24.06.2003, Beschwerde Nr. 13669/03).

 

Wie bereits oben ausgeführt, liegt keine Verfolgung im Sinne der GFK vor, daher bleibt zu prüfen, ob es im vorliegenden Fall begründete Anhaltspunkte dafür gibt, der Beschwerdeführer liefe Gefahr, in Indien einer Bedrohung im Sinne des § 50 Abs. 1 FPG unterworfen zu werden.

 

Wie sich aus den Länderfeststellungen ergibt, hat der Beschwerdeführer allein auf Grund der Tatsache, dass er einen Asylantrag gestellt hat, keine Sanktionen zu erwarten.

 

Dass dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Indien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. diesbezüglich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.07.2003, Zahl: 2003/01/0059, zur "Schwelle" des Art. 3 EMRK), hat der Beschwerdeführer nicht belegen können und kann auch von Amts wegen aufgrund der Länderberichte nicht davon ausgegangen werden. Es ist nicht ersichtlich, warum ihm eine Existenzsicherung in seinem Heimatland - auch außerhalb seines Herkunftsortes, beispielsweise in Delhi - nicht möglich und zumutbar sein sollte. Der Beschwerdeführer hat in Indien zwei Jahre ein College besucht und danach als LKW-Fahrer gearbeitet. Zudem leben seine Mutter und Geschwister sowie weitere Verwandte in seinem Heimatland, sodass ein soziales Bezugsnetz für den Fall der Rückkehr besteht. Der Vater des Beschwerdeführers arbeitet in Dubai und schickt regelmäßig Geld an die Familie. Hinweise auf eine unzumutbare wirtschaftliche Situation der Familienangehörigen und Verwandten in Indien sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

 

Auch haben sich im Verfahren keine "außergewöhnlichen Umstände" ergeben, die dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr drohen könnten und die ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG darstellen könnten wie etwa Hungertod, eine massive Beeinträchtigung der Gesundheit oder gar der Verlust des Lebens.

 

Somit war die Beschwerde auch hinsichtlich § 8 Abs. 1 AsylG abzuweisen.

 

4.3. Die Prüfung einer Ausweisung im Sinne von § 8 Abs. 2 AsylG idF BGBl. I 101/2003 war in verfassungskonformer Auslegung von § 8 Abs. 2 iVm § 44 Abs. 3 AsylG nicht vorzunehmen; dies im Hinblick darauf, dass mit erstinstanzlichem Bescheid - der damaligen Rechtslage entsprechend - keine Ausweisung verfügt wurde und der Asylgerichtshof auf Grund Art. 129c B-VG als Überprüfungsinstanz in Asylsachen eingerichtet ist und solcherart nicht zu einer - im Ergebnis - erstinstanzlichen Entscheidung über die Ausweisung eines Fremden zuständig gemacht werden darf. Verfassungskonform kann § 8 Abs. 2 iVm § 44 Abs. 3 AsylG nur dahingehend ausgelegt werden, dass eine Ausweisung nur dann vom Asylgerichtshof verfügt werden darf, wenn bereits die erstinstanzliche Entscheidung darüber abgesprochen hat.

 

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Glaubwürdigkeit, inländische Schutzalternative, Lebensgrundlage, non refoulement, private Verfolgung, soziale Verhältnisse, Zumutbarkeit
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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