TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/11 A2 317339-1/2008

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Veröffentlicht am 11.09.2008
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Spruch

A2 317.339-1/2008/5E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. FILZWIESER als Einzelrichter über die Beschwerde des B.S., geb. 00.00.1972, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.01.2008, Zl. 07 07.012-BAI, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.04.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 und 10 Asylgesetz 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger aus Russland, wohnhaft in Tschetschenien, angehörig der tschetschenischen Volksgruppe, reiste seinen Angaben nach am 01.08.2007 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 02.08.2007 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Die Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgte in der Grenzpolizeiinspektion Hainburg (Aktenseiten 7 bis 15 im Akt des BAA). Des weiteren wurde er am 08.08.2007 (Aktenseiten 55 bis 67 im Akt des BAA) und am 30.08.2007 (Weiterführung der Einvernahme vom 08.08.2007, Aktenseiten 85 bis 87 im Akt des BAA) in der Erstaufnahmestelle Ost des Bundesasylamtes, sowie am 10.01.2008 (Aktenseiten 153 bis 173 im Akt des BAA) in der Außenstelle Innsbruck des Bundesasylamtes niederschriftlich einvernommen. Sein damaliges Vorbringen wurde im nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes, vom 15.01.2008, Zl. 07 07.012-BAI, wiedergegeben, sodass der diesbezügliche Teil des Bescheides auch zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses erhoben wird.

 

2. Das Bundesasylamt hat den Antrag auf internationalen Schutz mit angefochtenem Bescheid vom 15.01.2008, Zl. 07 07.012-BAI, abgewiesen und unter einem festgestellt, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation nicht zuerkannt werde. Gleichzeitig wurde der Antragsteller aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

 

Das Bundesasylamt stützte sich auf Feststellungen zur Lage der Tschetschenen und zur innerstaatlichen Fluchtalternative.

 

Die Nationalität und Volksgruppenzugehörigkeit des Antragstellers nicht jedoch seine Identität wurde festgestellt. Beweiswürdigend führte das Bundesasylamt aus, dass dem Vorbringen des Antragstellers aufgrund mangelnder Plausibilität und Widersprüchen die Glaubwürdigkeit versagt werde. Rechtlich führte das Bundesasylamt aus, dass die bloße tschetschenische Volksgruppenzugehörigkeit für sich allein nicht ausreichend für die Asylgewährung sei.

 

Zu Spruchpunkt II wurde im Wesentlichen angeführt, dass keine landesweite allgemeine extreme Gefährdungslage bestehe, in der jeder Antragsteller im Fall seiner Abschiebung dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert werden würde. Zu Spruchpunkt III wurde insbesondere dargelegt, dass der Antragsteller keine verwandtschaftlichen Beziehungen in Österreich habe und aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer in Österreich jedenfalls kein schützenswertes Privatleben entstanden sei.

 

3. Gegen diesen Bescheid des Bundesasylamtes, richtet sich die fristgerecht am 01.02.2008 beim Bundesasylamt eingebrachte Berufung (gilt nunmehr als Beschwerde), in welcher das bisherige Vorbringen bekräftigt und die Länderfeststellungen des Bundesasylamtes als unvollständig und veraltet bemängelt werden.

 

4. Auf Grund dieser Beschwerde wurde eine mündliche Verhandlung am 21.04.2008 vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat anberaumt, an der der Beschwerdeführer teilnahm. Das Bundesasylamt hatte seine Nicht-Teilnahme entschuldigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt. Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde Beweis erhoben durch ergänzende Parteienvernehmung des Beschwerdeführers und Erörterung der in das Verfahren eingeführten Länderberichte.

 

Die Verhandlung nahm folgenden Verlauf:

 

"(...)

 

Die berufende Partei gibt an, dass sie die Dolmetscherin gut versteht; Einwände gegen ihre Person bestehen nicht.

 

Der VL bezeichnet den Gegenstand der Verhandlung und fasst den bisherigen Gang des Verfahrens zusammen.

 

Der VL gibt den Parteien Gelegenheit, sich zum Gegenstand der Verhandlung zu äußern. Keine Äußerung.

 

Die Beweisaufnahme wird eröffnet.

 

BW gibt nach Wahrheitserinnerung (unrichtige Angaben werden im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt) und Belehrung gem. § 49 iVm § 51 AVG sowie nach Belehrung über die Geltendmachung von Kosten als Beteiligter (§ 51a, d AVG) vernommen an:

 

VL: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage an der Verhandlung teilzunehmen ?

 

BW: Ich bin heute gesund.

 

VL: Ist Ihre dem bisherigen Verfahren zugrundegelegte Identität richtig? Auf § 119 Abs 2 FPG wird hingewiesen.

 

BW: Meine Angaben zur Identität sind richtig. Ich bin ethnischer Tschetschene und spreche auch tschetschenisch, ich gehöre dem Taip "Gordeloi" (phonetisch) an.

 

In meiner Verwandtschaft sind alle ethnische Tschetschenen.

 

VL: Waren Ihre Aussagen im erstinstanzlichen Verfahren richtig und bleiben diese aufrecht ?

 

BW: Ich habe die Wahrheit gesagt. Bei der Rückübersetzung in Innsbruck wurde das Protokoll, aber nur allgemein übersetzt, daher weiß ich nicht, ob alles richtig übersetzt wurde.

 

VL: Haben Sie alle Beweismittel in Vorlage gebracht? Möchten Sie noch irgendwelche verfahrensrelevante Dokumente bzw. Beweismittel vorlegen?

 

BW: Ich kann das Original meines russischen Führerscheins vorlegen.

 

D gibt an, dass die Schreibweise grundsätzlich richtig ist, wenngleich aber in der lateinischen Transkription des Vornamens der letzte Buchstabe fälschlicherweise mit "g" bezeichnet ist.

 

Das Dokument wurde am 14.08.2003 ausgestellt.

 

BW gibt an, noch keinen österreichischen Führerschein erhalten zu haben, da ihm seitens der österreichischen Führerscheinbehörde mitgeteilt worden ist, er müsse zunächst eine deutsche Übersetzung vorlegen, welche der BW nun ebenfalls vorlegt.

 

(Kopien werden angefertigt).

 

VL: Wo sind Ihr Inlands- und Ihr Auslandspass?

 

BW: Meinen Inlandspass habe ich dem Schlepper gegeben. Vielleicht habe ich einmal eine Kopie gemacht, aber weiß ich nicht, ob zu Hause eine solche existiert.

 

Geburts- und Heiratsurkunden sind zu Hause.

 

Einen Auslandspass habe ich nie gehabt.

 

Wenn ich nach Kasachstan gefahren bin, habe ich nur meinen Inlandspass gehabt, früher gab es keine Grenzen.

 

Auf Nachfrage: Ein Arbeitsbuch habe ich nicht besessen. Den LKW habe ich als Privatunternehmer gefahren.

 

VL: Wo befindet sich I. ?

 

BW: Tschetschenien .. Es ist 6 oder 7 km von G. entfernt.

 

VL: In der Übersetzung Ihres Führerscheins ist vermerkt, dass Sie aus Inguschetien stammen und wurde der Führerschein auch von der Behörde der Republik Inguschetien ausgestellt. Wie ist das zu erklären?

 

BW: 2000 sind wir nach Inguschetien und dort habe ich den neuen Führerschein gegen den alten ausgetauscht.

 

VL: Wo waren Sie ab 2000 in Inguschetien?

 

BW: Es war in einem Lager nach der Grenze.

 

VL: Wie lange waren Sie in dem Lager?

 

BW: 3 Jahre, im 4. Jahr sind wir wieder nach I. gegangen.

 

VL: Welche Verwandten von Ihnen leben derzeit unter welchen Bedingungen in Tschetschenien, bzw. der Russischen Föderation?

 

BW: Meine Mutter lebt von der Landwirtschaft, sie wird auch von ihren Söhnen unterstützt. Meine Ehefrau und unsere beiden Kinder leben bei meiner Mutter.

 

Ich habe 2 Brüder, einer hat ein kleines Geschäft und verkauft Waren am Markt, einer hat eine Garage aufgemacht.

 

Meine 2 Schwestern sind verheiratet. Sie leben alle in I..

 

Ich stehe im telefonischen Kontakt mit meiner Familie.

 

Auf Nachfrage, was es Neues gibt: Allgemein erzählen sie nichts Gutes, jetzt haben auch noch Kadyrow und Yamadajev angefangen, miteinander zu kämpfen.

 

VL: Was berichten sie konkret zu Ihrer Situation?

 

BW: Wahrscheinlich geht es ihnen schlecht, sie sind dort allein und ich hier allein.

 

VL: Was haben Sie während der beiden Tschetschenienkriege gemacht, waren Sie davon betroffen?

 

BW: Am 1. Krieg habe ich nicht teilgenommen. Ich war immer als Fahrer unterwegs, habe chinesische Waren transportiert.

 

Beim 2. Krieg war ich mit meiner gesamten Familie 3 Jahre in Inguschetien.

 

VL: Wie viel haben Sie als Fernfahrer monatlich verdient?

 

BW: Zwischen 500 und 1.500 Euro monatlich.

 

Ich war eigentlich ein "Ein-Mann-Unternehmen". Die Familie hat geholfen. Ich bin selbst gefahren und habe die Waren auch verkauft.

 

Behördlich war meine Firma nicht registriert. Wenn man nur Waren am Markt verkauft, ist das nicht nötig.

 

VL: Welche Güter haben Sie transportiert?

 

BW: Chinesische Waren, Kleider und Schuhe.

 

Wir waren 2 oder 3 tschetschenische Autos und sind an die kasachisch-chinesische Grenze gefahren.

 

Die Chinesen kommen dorthin und verkaufen ihre Waren.

 

Grundsätzlich haben wir die Waren in Tschetschenien verkauft, aber auch in Dagestan und Chasaw-Jurt.

 

Auf Nachfrage, ob es bei dieser Tätigkeit bis zu dem geschilderten fluchtauslösenden Vorfall schon vorher Probleme mit Staatsorganen oder Verbrechern gab (Korruption): Ernste Fälle gab es nicht. Man musste aber natürlich bei jedem Polizeiposten Schmiergeld zahlen.

 

VL: Warum haben Sie bei Ihrer Erstbefragung am 02.08.2007 nur derart vage Angaben zu Ihren Fluchtgründen gemacht (verlesen werden die entsprechenden Passagen AS 13 BAA)?

 

BW: Man hat mich damals nicht genau gefragt, was passiert ist, sondern nur allgemein und habe ich daher nur allgemein geantwortet.

 

VL: Das BAA hat Ihnen im angefochten Bescheid prima facie zu Recht vorgeworfen, sich dahingehend widersprochen zu haben, ob Ihnen Zähne ausgeschlagen worden seien (verlesen wird die entsprechende Passage im angefochtenen Bescheid, Seite 39 oben). Wollen Sie dazu Stellung nehmen?

 

BW: Vielleicht ist das tatsächlich ein sprachliches Missverständnis.

 

Ich habe tatsächlich gesagt, dass die Zähne ausgeschlagen worden sind, aber im Sinne von gelockert. Ich habe die Zähne aus ästhetischen Gründen nicht entfernt. Man sieht noch immer, dass sie locker sind.

 

Ich habe auch nur das gesagt, was wirklich optisch offensichtlich ist, eben bezüglich der Zähne.

 

Ich habe nicht erwähnt, dass mein ganzer Kopf schwarz war und mir in die Nieren geschlagen worden war.

 

VL: Wann genau kam es zu dem Vorfall mit dem LKW? Ihre Angaben vor dem BAA erschienen widersprüchlich.

 

BW: In Traiskirchen habe ich gesagt, es sei Ende April/Anfang Mai gewesen. Näheres konnte ich damals nicht angeben, ich war nervös und hatte die ganze Reise hinter mir.

 

In Innsbruck hatte ich mich beruhigt und hatte gesagt, dass es Anfang Mai 2007 gewesen ist.

 

VL: Wie lange sind Sie dann festgehalten gewesen?

 

BW: 3 Wochen. 2 Wochen im Keller im Wasser und dann 1 Woche in einem normalen Kellerraum.

 

VL: Können Sie sich an das Datum Ihrer Freilassung erinnern?

 

BW: Genau kann ich das nicht sagen, es waren die ersten Tage des ersten Monats nach Mai.

 

VL: Beschreiben Sie bitte möglichst genau den Anhalteort!

 

BW: Ich wurde im Gepäckraum gefahren nachts, ich konnte nichts sehen.

 

Das war ein Keller mit viel Schmutz und Feuchtigkeit, es war finster.

 

Es gab einen Schlitz bei der Tür, sonst kein Fenster.

 

VL: Was meinten Sie vorher, Sie wären die ersten 2 Wochen im Wasser festgehalten worden?

 

BW: Ich meine natürlich nicht Wasser bis zu den Knien.

 

In den Kellern gibt es starke Feuchtigkeit und Betonbogen.

 

VL: Wie sah der Raum aus, in welchem Sie in der letzten Woche festgehalten wurden?

 

BW: Es war ein Zimmer. Es war kein feuchter Boden und man konnte sich hinsetzen.

 

VL: Waren Sie, Ihres Wissens nach, der Einzige, der dort festgehalten worden ist?

 

BW: Ich war allein. Ich habe auch sonst niemanden gesehen oder gehört.

 

VL: Wie oft sind die Bewacher gekommen?

 

BW: Die 1. Woche sind sie öfters gekommen, haben mich geschlagen.

 

In der 3. Woche gaben sie ein wenig Wasser und Brot.

 

VL: D.h. in den ersten 2 Wochen haben Sie nicht einmal Wasser bekommen?

 

BW: Ich habe Wasser vom Boden getrunken.

 

VL: Wo verrichteten Sie Ihre Notdurft?

 

BW: Dort.

 

VL: Wie haben Sie die Freilassung erlebt ?

 

BW: Nachts haben sie mich in die nächste, etwa 1km entfernte

Ortschaft, gebracht. Dort haben sie mir gesagt: "Geh und am besten verschwinde aus Tschetschenien, wenn du leben willst".

 

VL: Haben Sie eine Erklärung, wie die Summe von 20.000 USD in relativ kurzer Zeit durch Ihre Brüder tatsächlich aufgebracht werden konnte?

 

BW: Vielleicht haben sie sich von jemandem Geld geborgt.

 

Damals war noch mein Wagen verfügbar. Also konnte man das als Sicherheit verwenden.

 

Die Brüder und die Schwestern haben das Geld gesammelt.

 

VL: Wo genau haben Sie sich in der Folge bis zum Verlassen Tschetscheniens aufgehalten?

 

BW: Ich war nur die 1. Nacht zu Hause.

 

Dann war ich bei einem Cousin in G. aufhältig.

 

Meine Frau habe ich später nur mehr in G. gesehen.

 

VL: Haben Sie eine Erklärung, warum gerade Sie als Opfer dieser Erpresser auserwählt wurden?

 

BW: Vielleicht bin ich zufällig in diese Situation geraten.

 

Auch schon früher gab es Fälle, in denen PKWs so verschwunden sind. Sie haben erfahren, dass ich Geld habe und Geschäfte mache und so ist es dazu gekommen.

 

VL: Waren die Täter alles Tschetschenen?

 

BW: Die ich gesehen habe, ja.

 

VL: Haben Sie irgendeine Erklärung, warum diese Leute sich nicht mit der Zahlung von 20.000 US Dollar zufrieden geben, sondern Sie dazu zwangen, Tschetschenien zu verlassen?

 

BW: Ich habe die Leute gesehen und ist ihnen bekannt, dass kein Tschetschene solche Taten, wie sie an mir begangen wurden, ungesühnt lässt. Irgendwann würde es auf sie zurückkommen.

 

VL: Wenn Sie sagen, Sie haben sie gesehen, haben Sie jemanden erkannt?

 

BW: Sie sind mir zwar nicht persönlich bekannt, wenn ich sie sähe, würde ich sie erkennen.

 

VL: Was würde geschehen, wenn Sie jetzt in Ihr Heimatland zurückkehren müssten?

 

BW: Wenn ich diese Leute wieder sehen würde, müsste ich sie umbringen, oder sie müssten danach trachten, mich umzubringen.

 

Für diese Leute ist es aber kein Problem, jemanden zu töten.

 

VL: Wie stehen Sie zu den Kräften um den nunmehrigen Präsidenten Ramzan Kadyrov?

 

BW: Ich persönlich bin mit seiner Politik nicht einverstanden.

 

Die Politik ist eine Sache. Intern haben die Kadyrov-Leute ihre eigenen Gesetze und machen was sie wollen.

 

VL: Ihrer Meinung nach, hängen die Erpresser mit irgendwelchen politischen Kräften zusammen?

 

BW: Ich weiß es nicht. Es könnten sowohl Leute von Kadyrow, als auch Leute von Yamadajev sein, alle möglichen Kräfte sind in Tschetschenien heute in Uniform oder bewaffnet.

 

Man könne sie "offizielle Banden" nennen.

 

VL: Gibt es besondere Gründe (zB Familienbezug in Österreich), die Ihre Ausweisung aus Österreich als unzulässig erscheinen lassen?

 

BW: Ich habe hier 2 Cousins 3. Grades, einen in Leibnitz und einen in Linz; beide arbeiten. Diese heißen: E.P. und M.A.. Sie haben aber ihre eigenen Familien und kann ich daher nicht bei ihnen wohnen. Die beiden sind schon das 5. Jahr hier, seit 2003.

 

Sie sind wegen des Krieges weggelaufen.

 

Wegen ihnen bin ich eigentlich da. Sie haben gesagt, Österreich ist ein gutes Land mit guten Leuten.

 

Ich spreche schon etwas Deutsch. 1 Monat habe ich einen Deutschkurs besucht.

 

Ich habe auch schon legal in Österreich gearbeitet.

 

Es gibt eine Garage mit Bussen und kann ich Autos reparieren.

 

Ich habe keinen versuchten Ladendiebstahl begangen, wie aus AS 105 BAA hervorgehen könnte.

 

Es war ein Missverständnis.

 

VL: Haben Sie irgendwelche schweren Krankheiten in Österreich, deretwegen Sie im Spital waren?

 

BW: Nein.

 

VL: Aufgrund der nachfolgenden im Akt zur Einsicht befindlichen Erkenntnisquellen, die der VL erörtert, werden bezüglich Ihres

Verfahrens folgende entscheidungsrelevante Feststellungen getroffen:

 

UK Home Office, Operational Guidance Note, Russian Federation, 14.11.2006, UKHO, dem Internet entnehmbar.

 

Dt. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, einschließlich Tschetschenien vom 13.01.2008, AA.

 

US State Department, Russia, Country Reports on Human Rights Practices 2007 vom 11.03.2008, USDOS, dem Internet entnehmbar.

 

Centre for Eastern Studies, Chechnya, between a Caucasian "Jihad" and "hidden" separatism (Macej Falkovski), Jänner 2007, CES 1, dem Internet entnehmbar

 

BFM, Russische Kläger beim EGMR in Strassburg, 13.12.2007, BFM

 

NZZ, "Beschwerliche Rückkehr zur Normalität in Grozny", 06.01.2007, NZZ 1.

 

NZZ: "Russland ist mittlerweile das zweitgrößte Immigrationsland der Welt", 03.02.2007, NZZ 2.

 

Berichte von reliefweb über humanitäre Situation im Nordkaukasus, RELIEFWEB, dem Internet entnehmbar

 

Auskunft des Vertrauensanwaltes der ÖB Moskau vom 16.11.2006, Fragen 8-11. ÖB1

 

Auskunft der ÖB Moskau vom 20.07.2006, ÖB 2

 

UBAS, Bericht Dr. Filzwieser über EURASIL Workshop Russland, Dezember 2007, EURASIL

 

Centre for Eastern Studies, Demographic Situation in Russia (Leszek Szerepka), Juli 2006, CES 2, dem Internet entnehmbar

 

ACCORD, Auskunft vom 13.09.2005 zur Situation von Tschetschenen außerhalb des Nordkaukasus, ACCORD

 

Schweizer Flüchtlingshilfe, Nordkaukasus, Klaus Ammann, Jänner 2007,

SFH

 

Folgerungen:

 

Im Jahr 2007 kam es in Russland zu einer Reihe von, auch schwerwiegenden, Menschenrechtsproblemen, die auch staatliche (Sicherheits-)organe betrafen. Die demokratische Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Volk wurde weiter schwächer. Medien- und Meinungsfreiheit wurden in einigen Bereichen beschränkt. An positiven Entwicklungen waren Reformen der Strafgerichtsbarkeit und die verstärkte staatliche Verfolgung von rassischen und ethnischen Diskriminierungen zu verzeichnen (USDOS)

 

In Tschetschenien kam es weiterhin zu einigen straflosen Menschenrechtsverletzungen durch russische Organe und tschetschenische Regierungskräfte, wobei sich die allgemeine Sicherheitslage insbesondere in Städten und anderen Talregionen stabilisiert hat (USDOS, SFH, NZZ 1). Staatliche Sicherheitsaufgaben wurden zunehmend an die "pro-russischen" Kräfte um den nunmehrigen Präsidenten Ramzan Kadyrov übergeben, die mit zum Teil rechtswidrigen Methoden gegen (vermeintliche) Gegner vorgehen. Die Zahl der Morde und Verschleppungen ist nach Zählung der Menschenrechtsorganisation "Memorial" aber erheblich zurückgegangen, was auf einen Befehl von Präsident Kadyrov zurückgehen soll. Die "Kadyrovzi" sind nun eine mehrere Tausend Mann starke Truppe, die zum großen Teil aus ehemaligen Widerstandskämpfern besteht. Rebellen wurden von Kadyrov mit Geld oder durch Entführung von Angehörigen zum Überlaufen gebracht. Offene Kämpfe gibt es derzeit weniger. "Tschetschenische Rebellen", obwohl stark geschwächt, begingen weiterhin einige (schwere) Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien, die auch zivile Opfer forderten. Es gibt auch staatliche Institutionen zur Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen, diese sind aber oft noch zu schwach ausgeprägt. (CES1, SFH, USDOS, AA, EURASIL, NZZ 1).

 

Die meisten Binnenvertriebenen Tschetschenen sind nach Tschetschenien zurückgekehrt, einige leben aber weiterhin in Nachbarrepubliken und anderen Teilen Russlands (z.B. 200.000 in Moskau, 50.000 in der Wolgaregion). Die tschetschenische Volksgruppe ist insgesamt in vielen Teilen der Russischen Föderation vertreten. Es existieren dort vielfach auch Netzwerke der Tschetschenen, beziehungsweise Hilfsorganisationen, die sich für ihre Rechte einsetzen (ACCORD, CES 2).

 

Ob eine Ansiedlung in anderen Teilen der Russischen Föderation möglich ist, ist bei Fehlen staatlicher Verfolgung im Einzelfall zu prüfen, dabei spielen angesichts von möglichen Schwierigkeiten bei der Registrierung ein Netzwerk von Verwandten und Bekannten und die Möglichkeit der Kontaktierung von NGO's eine Rolle. Nichtregistrierte Tschetschenen können gegebenenfalls in der tschetschenischen Diaspora innerhalb Russlands überleben, wobei wiederum Faktoren wie Geld, Familienanschluss, Ausbildung und russische Sprachkenntnisse relevant sein können. Für arbeitsfähige Menschen hat sich die Möglichkeit der Teilnahme am Arbeitsmarkt in anderen Teilen Russlands jedoch erhöht. Das Risiko zum Opfer von Diskriminierungen und Menschenrechtsverletzungen zu werden, kann bei Tschetschenen höher als bei anderen Ethnien sein. Die Schwere solcher Risken ist im Einzelfall zu prüfen. Die Registrierung ist in Südrussland leichter, die Sicherheitslage in den benachbarten Kaukasusrepubliken, insbesondere Dagestan und Inguschetien, ist aber kritisch und muss im Einzelfall geprüft werden. Direkte staatliche Repression nur in Folge einer Asylantragstellung konnte bei Tschetschenen bisher nicht nachgewiesen werden (AA, ACCORD, CES 2, USDOS, UKHO, ÖB 1, NZZ 2).

 

Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln und eine medizinische Grundversorgung sind in Russland, einschließlich der Kaukasus-Region im allgemeinen gegeben, die Bevölkerung Tschetscheniens lebt trotz erster Erfolge von entsprechenden Förderungs- und Unterstützungsmaßnahmen und einer grundsätzlich positiven Tendenz oft aber schwierig (AA, RELIEFWEB). Die Wirtschaftslage im Nordkaukasus und Tschetschenien hat sich auch durch das weiter bestehende Engagement von Hilfsorganisationen verbessert. (AA, CES 1, NZZ 1, RELIEFWEB, SFH).

 

Gefälschte Dokumente oder unwahre Zeitungsmeldungen, mit denen staatliche Repressionsmaßnahmen dokumentiert werden sollen, werden regelmäßig bei Asylsuchenden aus der Russischen Föderation im allgemeinen und der Kaukasusregion im besonderen festgestellt. Von staatlichen Behörden ausgestellte Dokumente sind nicht selten mit unrichtigem Inhalt ausgestellt oder gefälscht;

Personenstandsurkunden und andere Dokumente (z.B. Haftbefehle) können gekauft werden. Häufig werden falsche Namen und Adressen in Asylverfahren angegeben. Aussagekräftig sind insbesondere echte Inlandspässe (AA).

 

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es durch Bestechung möglich ist, echte Auslandspässe zu erhalten und russische Kontrollen, z.B. beim Verlassen der Kaukasus-Region zu passieren, obwohl eine Suche durch föderale russische Organe erfolgt. Bei der Ausreise nach Weißrussland gibt es in der Regel keine Kontrollen (ÖB 2).

 

Stellungnahme BW: Ich glaube nicht, dass es in Tschetschenien Ordnung und Gesetz gibt.

 

Solange die derzeitigen Leute regieren und es nur um Geld geht, ist das Land eine "tickende Zeitbombe".

 

Erst vor 1 Woche gab es Kämpfe zwischen Yamadajev und Kadyrov, bei denen 16 Leute erschossen wurden, was man auch im Fernsehen gesehen hat.

 

Es müsste jemand kommen, der wirklich regieren kann und sich nicht nur um sich selbst kümmert.

 

Die jetzigen Regierenden wechseln jeden 2. Tag ihre Jeeps und ihre Porsche, während andere Leute nicht zu essen haben.

 

Religiös bin ich Moslem, ich habe nichts mit den Fundamentalisten/Wahabiten zu tun.

 

VL: Gibt es noch etwas, dass Sie angeben möchten, damit ich mir ein vollständiges Bild von Ihrer Person und Ihren Lebensumständen machen kann ?

 

BW: Mein Problem ist, dass ich schon längere Zeit hier in Österreich bin, ohne legal arbeiten zu können.

 

Meine Mutter und meine Familie sind zu Hause und muss ich mich um sie kümmern.

 

Mein Traum wäre es, in der Früh zur Arbeit gehen zu können und abends von der Arbeit nach Hause.

 

Auf Befragen des VL, ob der BW alles verstanden und alles vorgebracht hat, gibt dieser an:

 

BW: Ich habe alles verstanden, alles vorgebracht und nichts mehr hinzuzufügen.

 

Ende der Vernehmung.

 

Weitere Beweisanträge oder sonstige Stellungnahmen: keine.

 

Das Beweisverfahren wird gemäß § 39 Abs 3 AVG geschlossen.

 

Schlussanträge: keine.

 

(...)"

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Mit Datum 01.01.2006 ist das neue Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBL. I Nr. 100/2005) und ist somit auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge anzuwenden.

 

Im gegenständlichen Fall wurde der Antrag auf internationalen Schutz nach dem 01.01.2006 gestellt, weshalb das AsylG 2005 zur Anwendung gelangt.

 

Am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof nach Maßgabe des § 75 AsylG 2005 idF. BGBl. I Nr. 4/2008 weiterzuführen.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 AsylG 2005 idF. BGBl. I Nr. 4/2008 haben Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

2. Feststellungen

 

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

 

Der Beschwerdeführer ist russischer Staatsangehöriger, tschetschenischer Ethnie aus I., Tschetschenien.

 

Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu den Fluchtgründen wird den Feststellungen mangels Glaubwürdigkeit nicht zugrunde gelegt. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in asylrelevanter oder sonstiger Form von föderalen oder lokalen Sicherheitsorganen in der Russischen Föderation verfolgt wurde. Im Entscheidungszeitpunkt konnte keine aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in der Russischen Föderation festgestellt werden.

 

Familienangehörige des Beschwerdeführers leben weiterhin in I., Tschetschenien.

 

2.2. Zur Lage in der Russischen Föderation mit besonderem Bezug auf Tschetschenien, werden die in der Verhandlung vom 21.04.2008 vorgehaltenen entscheidungsrelevanten Feststellungen aus den in der Verhandlung vorgehaltenen Quellen zum Bestandteil dieses Erkenntnisses erhoben.

 

3. Beweiswürdigung:

 

3.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und seinen Familienangehörigen ergeben sich aus den Einvernahmen vor dem Bundesasylamt und den Ausführungen in der Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat im Einklang mit dem Akteninhalt.

 

3.2. Der Asylgerichtshof geht aus folgenden Gründen nicht davon aus, dass der Beschwerdeführer einer aktuellen asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt ist:

 

3.2.1. Zunächst ist den beweiswürdigenden Ausführungen des Bundesasylamtes, wonach der Umstand, dass sich der Beschwerdeführer im Rahmen seiner erstinstanzlichen Einvernahme mehrfach in Widersprüche verstrickt hat, für die Unglaubwürdigkeit der geschilderten Fluchtgründe spreche, zuzustimmen. Insbesondere erblickt auch der Asylgerichtshof maßgebliche Widersprüche in bereits den durch das Bundesasylamt schlüssig dargestellten divergierenden Angaben des Beschwerdeführers zum "Ausschlagen der Zähne" durch die Verfolger (siehe Seite 38 bis 39 des Bescheides des BAA). Im Rahmen der Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat berief sich der Beschwerdeführer diesbezüglich auf ein sprachliches Missverständnis ("Vielleicht ist das tatsächlich ein sprachliches Missverständnis. Ich habe tatsächlich gesagt, dass die Zähne ausgeschlagen worden sind, aber im Sinne von gelockert."). Diese Erklärung des Beschwerdeführers vermag nach Ansicht des Asylgerichtshofes nicht zu überzeugen, da auch seine weiteren Ausführungen, wonach man immer noch sehe bzw. es optisch offensichtlich sei, dass seine Zähne locker seien, nicht zutreffend erscheinen. So ging bereits der Referent des Bundesasylamtes Innsbruck aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers, dass ihm seine Schneidezähne ausgeschlagen worden seien, davon aus, dass er diese Zähne ersetzt habe. Von einer optischen Offensichtlichkeit der angeblichen lockeren Zähne konnte somit nicht gesprochen werden. Darüber hinaus erscheint es im Hinblick auf die behauptete Schwere der Misshandlung durch die Verfolger (Schlag mit einem Gewehrkolben) auch sonst wenig plausibel, dass eine solche lediglich zur Lockerung der Zähne des Beschwerdeführers geführt haben soll. In einer Gesamtschau der soeben getätigten Ausführungen ist im Zusammenhang mit dem "Ausschlagen der Zähne" somit nicht von einem bloßen (sprachlichen) Missverständnis auszugehen, und erscheint die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers zu seinen Verfolgungsbehauptungen demnach maßgeblich erschüttert.

 

Es ergaben sich aber auch keine sonstigen glaubwürdigen Hinweise auf Mängel in den erstinstanzlichen Einvernahmen, die andere Missverständnisse bewirkt haben könnten. Der Beschwerdeführer behauptete zwar in der Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat Probleme anlässlich der Rückübersetzung vor dem Bundesasylamt Innsbruck gehabt zu haben, jedoch erwiesen sich diese als nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer gab an, dass ihm das Protokoll nur allgemein übersetzt worden sei, daher wisse er nicht, ob alles richtig sei. Diesbezüglich ist anzumerken, dass sich aus der vor dem Bundesasylamt Innsbruck verfassten Niederschrift kein Hinweis auf eine nicht korrekte Rückübersetzung oder sonstige Mängel der Einvernahme ergeben. So bestätigte der Beschwerdeführer mit seiner Unterschrift die erfolgte Rückübersetzung, die Vollständigkeit seiner Angaben und die problemlose Verständigung mit der Dolmetscherin (As. 171-173 im Akt des BAA).

 

Des Weiteren ist auch auf Implausibilitäten in den Ausführungen des Beschwerdeführers hinzuweisen: So schilderte der Beschwerdeführer die Umstände seiner angeblichen Anhaltung in einem Keller vage und undetailliert. Insbesondere erscheint an seinen Schilderungen nur schwer nachvollziehbar, dass die Verfolger ihm - ihrem Opfer, für welches sie die Zahlung von Lösegeld zu erzwingen suchten - zwei Wochen lang weder zu essen noch zu trinken gegeben haben sollen. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt angab, die ersten 2 Wochen "im Wasser" festgehalten worden zu sein. In der Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat erklärte er hierzu, dass er nur starke Feuchtigkeit gemeint habe und das Wasser natürlich nicht bis zu den Knien gestanden sei. Diese Erklärung des Beschwerdeführers steht jedoch wiederum nur schwer im Einklang zu seiner Behauptung, Wasser vom Boden getrunken zu haben. Hätte der Beschwerdeführer die geschilderten Ereignisse tatsächlich erlebt, wäre nach Ansicht des Asylgerichtshofes eine konsistente widerspruchsfreie und zumindest teilweise detailliertere Darstellung zu erwarten gewesen.

 

Zusammengefasst steht für den Asylgerichtshof somit mit hinreichender Sicherheit fest, dass die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen nicht der Wahrheit entsprechen.

 

3.3. Unbeschadet der oben unter Punkt 3.2. gewürdigten Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers hinsichtlich der von ihm behaupteten individuellen Verfolgung wäre dennoch eine asylrelevante Verfolgungsgefahr festzustellen, wenn man zum Schluss käme, dass alle ethnischen Tschetschenen in der Russischen Föderation asylrelevant verfolgt wären. Zunächst ist hiezu klar festzuhalten, dass aus keiner der in das Verfahren eingeführten Quellen sich eine solche Schlussfolgerung ableiten ließe. Auch sonst ist dem Asylgerichtshof keine Rechtsprechung in anderen Ländern der Europäischen Union (oder der Schweiz) bekannt, aus der sich eine asylrelevante Gruppenverfolgung von ethnischen Tschetschenen in der Russischen Föderation ableiten ließe, (siehe dazu nunmehr auch Herzog-Liebminger, Die innerstaatliche Fluchtalternative, Pro Libris 2008 mwN).

 

Der Asylgerichtshof kommt daher im Einklang mit den in das Verfahren eingeführten Quellen zum eindeutigen Schluss, dass nicht davon gesprochen werden kann, dass alle ethnischen Tschetschenen in Russland politisch oder ethnisch verfolgt sind. Dabei verkennt der Asylgerichtshof keineswegs, dass die Lage in den genannten Regionen im Nordkaukasus weiterhin unbefriedigend ist und dass in vielen Asylverfahren von Menschen aus dieser Region - nach individueller Prüfung - mit Gewährung von internationalem Schutz vorzugehen ist, wie dies auch der Entscheidungspraxis des entscheidenden Richters entspricht. Entsprechend den Feststellungen ist (sofern man von einer Unzumutbarkeit der Rückkehr in die Herkunftsregion ausgeht) die Frage einer möglichen innerstaatlichen Schutzalternative im Einzelfall zu prüfen, wobei es zunächst darauf ankommt, ob eine dem Staat zurechenbare Verfolgung besteht; verneint man dies, ist eine Schutzalternative regelmäßig nur dann gegeben, wenn Anknüpfungspunkte (im weiteren Sinn) in anderen Teilen der Russischen Föderation bestehen; dies unter Berücksichtigung der unbestrittenen Fälle von Fremdenfeindlichkeit und behördlichen Schikanen gegenüber Angehörigen von ethnischen Minderheiten.

 

3.4. Die getroffenen Feststellungen zu Russland ergeben sich aus den angeführten in der Verhandlung vorgehaltenen sämtlich aktuellen Erkenntnisquellen. Der Beschwerdeführer ist ihnen nicht substantiiert entgegengetreten.

 

Hieraus ergaben sich für den Asylgerichtshof folgende Kernaussagen:

 

3.4.1. Aus den Quellen ergibt sich eindeutig, dass eine Gruppenverfolgung ethnischer Tschetschenen nicht existiert. Auch hat sich die allgemeine Lage in Tschetschenien in gewissem Ausmaß stabilisiert (siehe SFH 1, ÖB Moskau, November 2006, Punkt 10), die Zahl von Übergriffen und Menschenrechtsverletzungen ist insgesamt gesehen eindeutig zurückgegangen (siehe USDOS nach den Angaben von Memorial), die Phase der aktuellen Krisensituation ist vorbei. Auch das Bestehen einer Grundversorgung ergibt sich aus den Quellen eindeutig, betrachtet man etwa die Aktivitäten verschiedener internationaler Organisationen bzw. Hilfsorganisationen (siehe Auswärtiges Amt 20, "Verbesserung der Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung", NZZ vom 06.01.2007, Inter-Agency Workplan). Diese Entwicklungen und die Tendenz hin zu einem inner-tschetschenischen Konflikt in den letzten Jahren zu leugnen, hieße die tatsächliche Lage zu ignorieren (siehe Centre for Eastern Studies vom Jänner 2007). Beleg ist dafür auch die Entscheidungspraxis in anderen europäischen Staaten, so liegt die Anerkennungsquote von Asylwerbern aus Tschetschenien nunmehr in der Mehrzahl der europäischen Staaten unter 10% (Irland, Schweden, Norwegen, Schweiz, Deutschland; vergleiche nur die öffentliche Statistik von UNHCR vg. Herzog-Liebminger aaO).

 

Der Asylgerichtshof verkennt dabei andererseits nicht, dass das Regime von KADYROW eindeutig diktatorische Züge hat und dass weiterhin mannigfaltige Bedrohungsszenarien in Tschetschenien bestehen und (auch schwere) Menschenrechtsverletzungen geschehen können (siehe etwa die Darstellung der SFH und die Aufzählung der Geschehnisse in USDOS). Diese Szenarien rechtfertigen in vielen Fällen die Gewährung von Asyl und entspricht dies der ständigen Praxis des entscheidenden Richters des Asylgerichtshofes (vormals Mitglied des Unabhängigen Bundesasylsenates). In diesem Zusammenhang wurde auch wiederholt in diesen Entscheidungen ausgeführt, dass das Bundesasylamt diese mannigfaltigen Bedrohungsszenarien in der derzeitigen Situation oftmals nicht hinreichend würdigt und dass die diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes in vielen (negativen) Bescheiden betreffend tschetschenischer AntragstellerInnen zu oberflächlich bleiben, daher verfehlt sind und neuerlichen Ermittlungsaufwand auslösen.

 

3.4.2. Im Ergebnis ist die aktuelle Situation in Tschetschenien daher dergestalt, dass weder von vornherein Asylgewährung generell zu erfolgen hat, noch dass eine solche nunmehr regelmäßig auszuschließen sein wird. Zusammenfassend geht der Asylgerichtshof also in Würdigung der Berichtslage davon aus, dass im Zusammenhang mit Asylwerbern aus Tschetschenien weiterhin in vielen Fällen die Gewährung von Asyl in Folge von individueller persönlicher Verfolgung durch russische bzw. derzeit insbesondere durch sogenannte pro-russische Kräfte um den nunmehrigen Präsidenten Ramzan KADYROW angezeigt sein wird. Andererseits erlaubt die allgemeine Lage in Tschetschenien nunmehr auch die Erlassung von negativen Entscheidungen in Fällen, in denen eine solche individuelle Verfolgung nicht besteht. Diesbezüglich ist ein Rekurs auf die Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative jedenfalls in der tragenden Begründung nicht mehr erforderlich, als eine Abschiebung auch nach Tschetschenien selbst in diesen Fällen aufgrund der allgemeinen Situation zumutbar erscheint.

 

3.4.3. Ein solcher letztgenannter Fall liegt aber im vorliegenden Verfahren vor. Individuelle Fluchtgründe konnten, wie unter Punkt

3.2. erörtert, nicht glaubhaft gemacht werden. Die allgemeine Situation in Tschetschenien ist so, dass dem Beschwerdeführer eine gefahrlose Rückkehr zumutbar sein wird. Eine hinreichend enge Verbindung zu der Rebellion beschuldigten Personen besteht im Falle des Beschwerdeführers nicht. Wäre eine Situation einer systematischen Verfolgung weiter Bevölkerungsschichten derzeit gegeben, wäre jedenfalls anzunehmen, dass vor Ort tätige Organisationen, wie jene der Vereinten Nationen, diesbezügliche Informationen an die Öffentlichkeit gegeben hätten. Eine allgemeine Gefährdung von allen Rückkehrern wegen des Faktums ihrer Rückkehr lässt sich aus den Quellen ebenso wenig folgern, wie eine allgemeine Situation massiver Druckausübung der Kräfte um Kadyrov auf alle Einwohner Tschetscheniens. Der Beschwerdeführer hat durch seine Familie auch weiterhin ein soziales Netz in Tschetschenien.

 

3.4.4. Dass dem nunmehr volljährigen Beschwerdeführer aufgrund sonstiger Umstände (schwere Erkrankung, sonstige besondere Vulnerabilität) die Gründung einer neuen Existenz in Tschetschenien nicht möglich wäre, ergibt sich aus den Feststellungen ebenfalls nicht. Zusammengefasst ergibt sich daher aus den unbestrittenen Länderfeststellungen - im konkreten Fall in Einklang mit dem Bundesasylamt - kein Hindernis an der Durchsetzung einer negativen Asylentscheidung gegen den Beschwerdeführer.

 

3.5. Festzuhalten ist jedenfalls ferner, dass selbst bei Zutreffen der Angaben des Beschwerdeführers zur behaupteten Verfolgung in der Region G. (Entführung durch lokale tschetschenische Soldaten, Lösegelderpressung) eine inländische Fluchtalternative jedenfalls in andere Teile der Russischen Föderation bestünde. Eine allgemeine Gefährdung von allen Rückkehrern wegen des Faktums ihrer Rückkehr lässt sich aus den Quellen nicht folgern. Allfällige verstärkte polizeiliche Personenkontrollen gegenüber Personen kaukasischer Herkunft erreichen nicht die asylrechtlich relevante Intensität von Verfolgungshandlungen. Der Beschwerdeführer behauptete nicht in der gesamten Russischen Föderation mit einer Verfolgung staatlicher Stellen zu rechnen, vielmehr gab er zu verstehen, dass die Verfolgung von kriminellen lokalen tschetschenischen Kräften ausgehe. Dadurch, dass der Beschwerdeführer bis zu seiner Ausreise bereits auch außerhalb Tschetscheniens arbeitete, ergeben sich - im individuellen Fall entscheidend - auch keine Anhaltspunkte, dass der Beschwerdeführer besonderen Problemen bei einem Umzug in andere Landesteile ausgesetzt sein könnte (siehe auch unten 4.2).

 

3.6. Die hier getroffene Würdigung der Situation in Tschetschenien und daraus resultierender Bedrohungsszenarien entspricht im Wesentlichen sowohl derjenigen einer Reihe der mit der Vollziehung des Asylwesens betrauten Behörden/Gerichte in den Mitgliedstaaten der EU (vgl zB Beschluss des dt. BVerwG vom 01.02.2007, 1 C 24.06), als auch der jüngeren Rechtssprechung des Unabhängigen Bundesasylsenates (vergleiche bereits Bescheid des UBAS vom 19.11.2007, 255.532/0/5E-X/47/04; auf dessen Ausführungen zur Würdigung der aktuellen Berichtslage in Tschetschenien ergänzend vollinhaltlich verwiesen werden kann). Sie steht auch nicht mit der bekannten österreichischen höchstgerichtlichen Judikatur in Widerspruch. Auch eine zwischenzeitige entscheidende Verschlechterung der Lage in Tschetschenien ist nicht eingetreten, wovon sich der AsylGH durch ständige Beobachtung der aktuellen Quellenlage versichert hat.

 

4. Rechtliche Würdigung

 

4.1. Spruchpunkt I des Bescheides des Bundesasylamtes

 

4.1.1. Flüchtling i.S.d. Asylgesetzes ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262).Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194)

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

 

4.1.2. Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Asylgerichthofes die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht gegeben.

 

Der Beschwerdeführer vermochte, die behauptete Verfolgung wie in der Beweiswürdigung erörtert, nicht glaubhaft zu machen.

 

Selbst bei hypothetischer Zugrundelegung des behaupteten Sachverhaltes, ergaben sich keine Anhaltspunkte für eine Verfolgung des Beschwerdeführers durch die lokalen tschetschenischen Kräfte aus asylrelevanten Gründen (etwa aufgrund unterstellter staatsfeindlicher Gesinnung, aufgrund des religiösen Glaubens oder der ethnischen Zugehörigkeit), vielmehr wäre von Akten bloßer krimineller Gewalt (Erpressung von Lösegeld) gegen den Beschwerdeführer auszugehen (siehe unten Punkt 4.2).

 

In Ermangelung einer Gruppenverfolgung von ethnischen TschetschenInnen oder tschetschenischen RückkehrerInnen kann daher eine Asylgewährung nicht erfolgen (vgl Urteil des Schweizer BVerwG vom 18.05.2007, D-5420/2006).

 

4.2. Spruchpunkt II des Bescheides des Bundesasylamtes:

 

4.2.1. Dem Bundesasylamt ist ferner auch dahingehend zuzustimmen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde (§ 50 FPG).

 

Eine positive Feststellung nach dieser Bestimmung erfordert das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122). Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122, VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (z.B. VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294, VwGH 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438, VwGH 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG (§ 50 FPG) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427, VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028). Im Übrigen ist auch zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung im hier relevanten Sinne glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

4.2.2. Bei der Entscheidungsfindung ist insgesamt die Rechtsprechung des EGMR zur Auslegung der EMRK, auch unter dem Aspekt eines durch die EMRK zu garantierenden einheitlichen europäischen Rechtsschutzsystems als relevanter Vergleichsmaßstab zu beachten. Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom und Henao v. The Netherlands, Unzulässigkeitsentscheidung vom 24.06.2003, Beschwerde Nr. 13669/03).

 

4.2.3. Wie bereits oben unter 4.1. ausgeführt, gelang es dem Beschwerdeführer nicht, eine Verfolgung im Sinne der GFK darzutun, daher bleibt zu prüfen, ob es im vorliegenden Fall begründete Anhaltspunkte dafür gibt, der Beschwerdeführer liefe Gefahr, in Russland, einer Bedrohung im Sinne des § 50 Abs. 1 FPG unterworfen zu werden.

 

4.2.4. Unter Berücksichtigung der unter II.3. getroffenen Würdigung der Ergebnisse des Beweisverfahrens kann nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in sein Herkunftsland einer existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein könnte, sodass die Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK bedeuten würde. Als volljährigem Mann ist nicht ersichtlich, warum ihm eine Existenzsicherung in Tschetschenien nicht zumutbar sein sollte, wie es auch vor der Ausreise - folgt man seinen Angaben verfügt er auch über ein soziales Bezugsnetz - möglich war.

 

4.2.5. Da der Beschwerdeführer selbst bei Zugrundelegung seines Vorbringens weder landesweite staatliche Verfolgungsmaßnahmen zu befürchten hat (er behauptete lediglich von den lokalen tschetschenischen Soldaten aus rein kriminellen Motiven verfolgt worden zu sein), er über gute russische Sprachkenntnisse verfügt und keine Hinweise darauf hervorgekommen sind, dass er nicht in der Lage wäre, seinen Lebensunterhalt wie schon in der Vergangenheit als LKW-Fahrer zu verdienen, ist auch ein Verweis auf andere Gebiete der Russischen Föderation als Relokationsalternative in diesem speziellen Fall in eventu zumutbar (dies auch im Hinblick darauf, dass sich der Beschwerdeführer in seiner langjährigen Tätigkeit als LKW-Fernfahrer nicht nur in Tschetschenien aufhielt, sondern berufsmäßig durch die Russische Föderation bis nach Kasachstan unterwegs war). In Ermangelung individueller Risikofaktoren erreicht eine allfällige Diskriminierung von Personen aus dem Kaukasus in anderen Gebieten der Russischen Föderation für den Beschwerdeführer, wie schon ausgeführt in der Regel, nicht ein asylrechtlich relevantes Ausmaß (vgl aus der deutschen Judikatur OVG Niedersachsen, Beschluss vom 10.11.2005, 13 LA 117/05, OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 24.04.2003, 1 LB 213/01, VGH Bayern, Urteil vom 24.04.2007, 11 B 03.30133

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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