Index
19/05 Menschenrechte;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des M L in Garsten, geboren am 28. September 1976, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 20. November 1998, Zl. St 260/97, betreffend die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes und Feststellung gemäß § 75 Abs. 1 des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 20. November 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen rumänischen Staatsangehörigen, einerseits gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 sowie § 37 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruch I.) und andererseits gemäß § 75 FrG festgestellt, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer in Rumänien gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei; seine Abschiebung in diesen Staat sei somit zulässig (Spruch II.).
Die belangte Behörde führt in ihrer Begründung aus, dass der Beschwerdeführer am 15. Oktober 1989 nach Österreich eingereist sei. Auf Grund seines Asylantrages sei er als Flüchtling anerkannt worden. Mit - in Rechtskraft erwachsenem - Bescheid vom 31. Juli 1995 habe das Bundesasylamt festgestellt, dass der Beschwerdeführer sein Recht auf Asyl verloren hätte.
Während seines Aufenthaltes in Österreich sei der Beschwerdeführer
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vom Landesgericht Linz mit Urteil vom 16. Februar 1995 wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten,
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vom Bezirksgericht Linz mit Urteil vom 25. Juli 1996 wegen des Vergehens der Körperverletzung zu 80 Tagessätzen zu je S 30,--,
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vom Landesgericht Linz mit Urteil vom 18. Dezember 1996 wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch und wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr,
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vom Bezirksgericht Linz mit Urteil vom 5. Juni 1997 wegen des Vergehens der Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je S 30,--,
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vom Bezirksgericht Linz mit Urteil vom 16. Oktober 1997 wegen des Vergehens der Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je S 300,-- und schließlich
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vom Landesgericht Linz mit Urteil vom 18. Februar 1998 wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls und wegen des Vergehens der versuchten Nötigung zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten
verurteilt worden.
Die mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 16. Februar 1995 gesetzte Probezeit sei auf insgesamt fünf Jahre verlängert worden. Aus der mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 18. Dezember 1996 verhängten Freiheitsstrafe sei der Beschwerdeführer am 15. Juni 1997 unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt entlassen worden.
Der Beschwerdeführer habe in der mit ihm aufgenommenen Niederschrift am 12. Juni 1997 ausgeführt, dass er außer seiner Mutter in Österreich keine Verwandten hätte. Auch in Rumänien hätte er keine Verwandten. Er würde in Rumänien weder von der Polizei noch vom Gericht gesucht und wäre dort auch nicht vorbestraft. Seinen Antrag auf Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 FrG habe der Beschwerdeführer damit begründet, dass er Rumänien aus politischen Gründen verlassen hätte. In Rumänien hätte das kommunistische Regime geherrscht; der Beschwerdeführer wäre Roma, also Zigeuner, und hätte es in Rumänien immer sehr schwer gehabt. Daran hätte sich in Rumänien bis heute nichts geändert. Die Kommunisten wären dort noch immer an der Macht und es gäbe in Rumänien noch genug Hunger, also wirtschaftliche Probleme. Es wäre schlimmer als unter Ceausescu. In seiner Berufungsschrift habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass die politischen Verhältnisse unverändert wären. Der Sturz des seinerzeitigen politischen Systems hätte zu keiner grundlegenden Änderung in Rumänien geführt. Die anhaltend große Zahl von Flüchtlingen aus Rumänien nach Österreich bewiese dies. Insbesondere wäre die Minderheit der Roma in Rumänien häufig das Ziel von Verfolgungen. Diesbezüglich habe der Beschwerdeführer auf den Jahresbericht 1995 der IHFHR verwiesen. Auf den Vorhalt der beiden letzten Verurteilungen habe der Beschwerdeführer auf die nach Art. 6 EMRK geltende Unschuldsvermutung hingewiesen und um Berücksichtigung der einzelnen Tatumstände gebeten.
Nach Wiedergabe des § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 und der §§ 37 und 39 des FrG führte die belangte Behörde aus, dass in Anbetracht der aufgelisteten gerichtlichen Verurteilungen der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei. Das Aufenthaltsverbot greife in nicht unbeträchtlicher Weise in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ein, der sich bereits seit 1989 im Bundesgebiet aufhalte und dessen einzige Bezugsperson, seine Mutter, im Bundesgebiet lebe. Zusätzliche Integrationsmerkmale könne der Beschwerdeführer nicht ins Treffen führen. Im Rahmen seiner Einvernahme habe er selbst angegeben, keiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Der Beschwerdeführer sei bereits dreimal wegen qualifizierter Eigentumsdelikte rechtskräftig verurteilt worden. Die zuletzt - unbedingt - verhängte Freiheitsstrafe habe deutlich gemacht, dass bedingte Strafen nicht mehr ausreichten, um den Beschwerdeführer zur Einhaltung der österreichischen Rechtsordnung zu bewegen. Wiederholte strafgerichtliche Verurteilungen würden nicht mehr genügen, den Beschwerdeführer zur Einhaltung der Rechtsordnung des Gastlandes zu bewegen. Aus diesem Grund sei das Aufenthaltsverbot nicht nur gemäß § 36 Abs. 1, sondern auch gemäß § 37 Abs. 1 FrG gerechtfertigt.
Unter Abwägung aller angeführten Umstände ergebe sich eine negative Zukunftsprognose, sodass die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, weshalb das Aufenthaltsverbot auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei. Der Hinweis auf Verhältnisse in Rumänien sei in diesem Verfahren nicht von Belang.
In Anbetracht der Vielzahl der strafbaren Handlungen sei nicht abzusehen, wann die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten, wieder wegfallen würden, sodass nur eine Erlassung auf unbefristete Dauer möglich sei.
Betreffend die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Rumänien (Spruch II.) führt die belangte Behörde - nach Wiedergabe des § 75 Abs. 1 und des § 57 Abs. 1 und 2 FrG - aus, dass Gefahren im Sinn dieser Bestimmungen nur vorlägen, wenn sie von dem betreffenden Staat ausgingen oder von ihm gebilligt würden. Der Fremde habe mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinn des § 57 FrG glaubhaft zu machen. Der Fremde, der eine Feststellung gemäß § 75 FrG begehre, habe zumindest glaubhaft zu machen, dass ihm aktuell, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat, konkret die im § 57 FrG genannten Gefahren drohen würden. Die Behörde habe nicht von sich aus Ermittlungen darüber anzustellen, ob und inwieweit der Beschwerdeführer im Sinn des § 57 FrG bedroht sein könnte, sondern es sei vielmehr Aufgabe des Beschwerdeführers, konkrete Umstände für eine derartige Schlussfolgerung darzutun. Bereits die Erstbehörde habe betreffend den Entzug der Flüchtlingseigenschaft darauf hingewiesen, dass sich die Situation in Rumänien insoweit geändert hätte, als ein demokratisch gewähltes Parlament und eine auf demokratischer Basis entstandene Regierung etabliert wären. Rumänien sei Mitglied des Europarates und verpflichtet, die Bestimmungen der EMRK anzuwenden. Aus den Ausführungen des Beschwerdeführers gehe lediglich hervor, dass er nicht nach Rumänien zurückkehren wolle, da es dort noch immer Hunger und wirtschaftliche Probleme gäbe. Ausführungen, wonach sich am politischen System im Heimatstaat nichts geändert hätte, könnten in keiner Weise stichhaltig nachvollzogen werden. Die Ausführung, dass in Rumänien noch immer das kommunistische Regime herrsche, könne nicht überzeugen. Der bloße Hinweis darauf, dass er der Minderheit der Roma angehöre, könne nicht stichhältig belegen, dass er im Fall seiner Rückkehr der Gefahr oder Bedrohung im Sinn des § 57 FrG ausgesetzt wäre.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legt die Akten des Verwaltungsverfahrens unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift vor.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
A. Zum Aufenthaltsverbot (Spruch I.):
1. Im Hinblick auf die unbestrittenen rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers (oben I.1.) begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei, keinen Bedenken.
Schon im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität ist auch die Ansicht der belangten Behörde, auf Grund der den Verurteilungen zu Grunde liegenden Straftaten sei die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, unbedenklich. Zwar hat die belangte Behörde ihre Sachverhaltsfeststellungen über die Straftaten des Beschwerdeführers auf die Auflistung der Tatbestände des Strafgesetzbuches und der verhängten Strafen beschränkt. Feststellungen über die vom Beschwerdeführer begangenen strafbaren Handlungen hat sie nicht getroffen. Diesem Mangel kommt vorliegend insofern keine Relevanz zu, als die mehrmalige Begehung schwerer (in verschiedener Hinsicht qualifizierter) Straftaten gegen fremdes Vermögen iVm der Höhe der jeweils verhängten Freiheitsstrafen ausreicht, um die Annahme gemäß § 36 Abs. 1 FrG in einwandfreier Weise treffen zu können.
2.1. Die wiederholten schweren Angriffe des Beschwerdeführers gegen das Eigentum Dritter und die daraus resultierende erhebliche Gefahr für im Art. 8 Abs. 2 genannte Rechtsgüter lassen das Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer mit der belangten Behörde - unter gebührender Bedachtnahme auf den von ihr als "nicht unbeträchtlich" gewerteten Eingriff in sein Privat- und Familienleben durch diese Maßnahme - als im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten erscheinen.
2.2. Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer seinen Aufenthalt im Bundesgebiet seit 1989 sowie den Umstand, dass seine einzige Bezugsperson, seine Mutter, in Österreich lebe, im Rahmen der Interessenabwägung nach § 37 Abs. 2 FrG zugute gehalten. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers erweist sich diese Interessenabwägung als unbedenklich, vermag er doch abgesehen von den von der Behörde verwerteten Gesichtspunkten keine weiteren rechtlich relevanten ins Treffen zu führen. Weder sprachliche Assimilation noch - erstmals in der Beschwerde behauptete - "zeitweise" Integration am Arbeitsmarkt wären von entsprechendem Gewicht, um im Rahmen der Interessenabwägung den Ausschlag zu Gunsten des Beschwerdeführers herbeizuführen. Auf Grund der massiven strafrechtlichen Auffälligkeit, die schon kurz nach der Einreise in das Bundesgebiet zu Tage getreten ist und kontinuierlich an Intensität gewonnen hat, würden die nachteiligen Folgen der Abstandnahme vom Aufenthaltsverbot ungleich schwerer wiegen als dessen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, zumal die für eine Integration wesentliche soziale Komponente durch die Vielzahl der zum Teil schweren strafbaren Handlungen erheblich beeinträchtigt worden ist.
Soweit der Beschwerdeführer für die Interessenabwägung auch die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration seiner Mutter als Bezugsperson ins Treffen führt, fallen diese - an sich beachtlichen - Gesichtspunkte - (vorliegend) nicht entscheidend ins Gewicht, weshalb auch die darauf Bezug habende Verfahrensrüge ins Leere geht.
B. Zur Feststellung gemäß § 75 Abs. 1 FrG (Spruch II.):
1. Im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 75 FrG hat der Fremde das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 glaubhaft zu machen. Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch im Verfahren nach § 75 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Fremden in diesen Staat zu beurteilen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 99/18/0080).
2. Der Beschwerdeführer moniert die Feststellung der Zulässigkeit seiner Abschiebung insofern als inhaltlich rechtswidrig, als die belangte Behörde infolge seines Vorbringens zu dem Ergebnis hätte kommen müssen, dass er bereits auf Grund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma in seinem Heimatland einer entsprechenden Gefährdung im Sinn des § 57 FrG ausgesetzt wäre. Dagegen verweise die belangte Behörde nur auf sein Asylverfahren. Trotz der gegenteiligen Entscheidung des Bundesasylamtes hätte die belangte Behörde auf Grund des von ihm im Verwaltungsverfahren erstatteten Vorbringens erkennen müssen, dass sehr wohl Umstände vorlägen, die gemäß § 57 FrG eine Abschiebung in sein Heimatland unzulässig machen würden.
3. Nicht einmal in der vorliegenden Beschwerde vermag der Beschwerdeführer darzulegen, auf Grund welchen - im Verwaltungsverfahren erstatteten - konkreten Vorbringens die belangte Behörde zu konkreten Feststellungen über eine Gefährdung/Bedrohung seiner Person im vorbezeichneten Sinn hätte gelangen können und müssen. Dies gilt sowohl in Ansehung seiner Hinweise auf die allgemeine Lage in Rumänien und seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma als auch seiner Behauptung, einer Gefährdung nach § 57 Abs. 1 FrG ausgesetzt zu sein.
III. Nach dem Gesagten war die Beschwerde zur Gänze gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 VwGG iVm. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 4. April 2001
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1998180400.X00Im RIS seit
20.09.2001