TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/12 A3 316520-1/2008

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Veröffentlicht am 12.09.2008
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Spruch

A3 316.520-1/2008/7E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Holzschuster als Vorsitzende und den Richter Mag. LAMMER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin VB Biondo über die Beschwerde des L.B. geb. 00.00.1973, StA. Algerien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.12.2007, FZ. 07 10.848-EAST West, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde des L.B. vom 13.12.2007 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.12.2007, FZ. 07 10.848-EAST West, wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen.

 

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG wird L.B.der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Algerien nicht zuerkannt.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG wird L.B. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Algerien ausgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I.1. Der nunmehrige Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Algerien, brachte bereits am 09.01.2001 einen Asylantrag in Österreich ein, welcher gemäß § 5 AsylG 1997 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt wurde, dass gemäß Art. 6 des Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft gestellten Asylantrages, BGBl III 1997/165 Italien zuständig ist und wurde der nunmehrige Beschwerdeführer nach Italien ausgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs am 06.04.2001 in Rechtskraft.

 

2. Eine Überstellung des nunmehrigen Beschwerdeführers erfolgte nicht, da der Beschwerdeführer am 30.05.2001 nach unbekannt verzogen ist. Eine Überstellung nach Italien ist zum gegenständlichen Zeitpunkt nicht mehr möglich.

 

3. Am 02.02.2006 brachte der nunmehrige Beschwerdeführer beim Bundesasylamt, aus der Schubhaft, einen Antrag auf internationalen Schutz iSd § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ein. Zu seinem Fluchtweg und den Fluchtgründen wurde er im Beisein eines geeigneten Dolmetschers am 23.11.2007, 04.12.2007 und am 11.12.2007 niederschriftlich einvernommen. Diese Einwendungen werden zum Inhalt der vorliegenden Entscheidung erhoben.

 

4. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.12.2007, FZ. 07 10.848-EAST West, wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen und dem nunmehrigen Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde dem nunmehrigen Beschwerdeführer weiters der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und wurde er weiters gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Algerien ausgewiesen. Der Berufung (nunmehr Beschwerde) gegen die Entscheidung der Erstinstanz wurde gemäß § 38 Abs. 1 Z 3 AsylG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Darin wurde ausgeführt, dass nicht festgestellt werden könne, wo sich der Beschwerdeführer von 30.05.2001 bis zum Februar 2005 aufgehalten habe. Weiters wurde ausgeführt, dass sein Vorbringen vage und allgemein gehalten und durch keinerlei Beweismittel gestützt sei. Zudem sei er niemals persönlich bedroht oder angegriffen worden. Es bestehe kein Anhaltspunkt, dass er im Falle der Rückführung in eine aussichtslose Situation geraten könne, da die Grundversorgung mit Nahrungsmittel in Algerien gewährleistet sei und der nunmehrige Beschwerdeführer eine Lehre als Schlosser gemacht habe, sowie vom Vater unterstützt worden sei, welcher noch immer mit der restlichen Familie in Algerien lebe. Auch habe er in seinem ersten Asylverfahren angegeben, dass er in Tunesien als Kellner gearbeitet habe. In Algerien bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass dort gegenwärtig eine derart extreme Gefahrenlage herrsche, durch die praktisch jeder - unabhängig vom Vorliegen individueller Gründe - der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre. Es sei nicht erkennbar, dass der nunmehrige Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr auf exzeptionelle Umstände träfe, die eine Rückführung im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegende Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen lassen können. Weiters stelle die Ausweisung keinen Eingriff in Art. 8 EMRK dar.

 

5. Gegen diese Entscheidung erhob der nunmehrige Beschwerdeführer fristgerecht und zulässig Berufung (nunmehr Beschwerde). Darin wurde ausgeführt, dass es in den letzten Wochen in Algerien wieder zu Anschlägen und Überfällen gekommen sei und nach wie vor eine extreme Gefahrenlage herrsche.

 

II. Der Asylgerichtshof hat über die Beschwerde in nicht öffentlicher Sitzung erwogen:

 

A. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 (in der Folge: AsylG) hat über die Berufung, die gemäß § 23 AsylGHG nunmehr als Beschwerde zu gelten hat, der Asylgerichtshof zu entscheiden; da keine der in § 61 Abs. 3 AsylG angeführten Ausnahmen vorliegt, hat der Asylgerichtshof in einem Senat von zwei Richtern zu entscheiden.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Der Status eines Asylberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen. Diese liegen vor, wenn sich jemand aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, der Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Ebenso liegen die Voraussetzungen bei Staatenlosen, die sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthalts befinden und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sind, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn in objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthalts zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr dar, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist.

 

Das Bundesasylamt hat in der Begründung des Bescheides vom 11.12.2007, Zahl: 07 10.848-BAW, die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage hinsichtlich der behaupteten Flüchtlingseigenschaft klar und übersichtlich zusammengefasst und den rechtlich maßgeblichen Sachverhalt in völlig ausreichender Weise erhoben.

 

Der Asylgerichtshof schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt der gegenständlichen Entscheidung.

 

Der Beweiswürdigung wurde nicht substantiiert entgegengetreten, weshalb von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof abgesehen werden konnte, da der maßgebende Sachverhalt durch die Aktenlage in Verbindung mit der Berufung (nunmehr Beschwerde) geklärt war (vgl. § 41 Abs. 7, 1. Fall AsylG). Der Beschwerdeführer gibt in der nunmehrigen Beschwerde keine Erklärungen ab, die sich auf die Beweiswürdigung beziehen. Der Beschwerdeführer bezieht sich in der Beschwerdeschrift lediglich darauf, dass es in den letzten Wochen wieder zu Anschlägen und Überfällen gekommen sei und nach wie vor eine extreme Gefahrenlage herrsche, ohne jedoch den im angefochtenen Bescheid enthaltenen Feststellungen zu Algerien konkret entgegenzutreten.

 

Im gegenständlichen Fall sind somit nach Ansicht des Asylgerichtshofes die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine konkrete gegen den nunmehrigen Beschwerdeführer gerichtete aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht gegeben.

 

B. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen

 

oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten demnach insbesondere dann zuzuerkennen - und die Rückschiebung eines Fremden folglich unzulässig - wenn dieser dadurch der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde (Art. 3 EMRK), wenn sein Recht auf Leben verletzt würde (Art. 2 EMRK) oder ihm die Vollstreckung der Todesstrafe drohen würde (Art. 1 des 13. Zusatzprotokolls zur EMRK).

 

Zu § 8 AsylG 2005 kann die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 Abs. 1 AsylG 1997 iVm § 57 Fremdengesetz 1997 als Auslegungsbehelf herangezogen werden. Nach dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist sohin auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht mehr vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in § 50 Abs. 1 FPG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 95/21/0294 vom 26.6.1997). Unter "außergewöhnlichen Umständen" (z.B. fehlende medizinische Behandlung bei lebensbedrohender Erkrankung) können auch von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertretende lebensbedrohende Ereignisse ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG darstellen (Urteil des EGMR in D vs. Vereinigtes Königreich vom 2.5.1997).

 

Eine konkrete gegen seine Person gerichtete aktuelle Bedrohung im Sinne von § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 konnte der nunmehrige Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen.

 

Es besteht auch kein Hinweis auf "außergewöhnliche Umstände" (lebensbedrohende Erkrankung oder dergleichen), die eine Abschiebung im Sinne von Art. 3 EMRK und § 8 Abs. 1 AsylG 2005 unzulässig machen könnten. In Algerien herrscht keine Bürgerkriegssituation und hat der Beschwerdeführer im Übrigen weder eine lebensbedrohende Erkrankung noch einen sonstigen auf seine Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" behauptet oder bescheinigt, der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG 2005 darstellen könnte. Es besteht auch kein Anhaltspunkt, dass der arbeitsfähige und gesunde Beschwerdeführer im Fall der Rückführung in eine aussichtslose Situation geraten könnte. Es sind auch keine Bürgerkriegsgefahren im Sinne von § 8 Abs. 1 letzter Satzteil AsylG 2005 ersichtlich.

 

Die Beschwerde erweist sich sohin auch hinsichtlich des Ausspruches über die Nichtgewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten als nicht berechtigt. Der Asylgerichtshof schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid bezüglich der Refoulement-Entscheidung vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt der gegenständlichen Entscheidung. Angemerkt wird, dass keine Umstände amtsbekannt sind, dass in Algerien landesweit eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.

 

C. Auch die gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 verfügte Ausweisung erweist sich als rechtsrichtig. Die in § 10 Abs. 2 AsylG 2005 normierten Ausnahmetatbestände liegen nicht vor. Es ist unstrittig, dass der (nunmehrige) Beschwerdeführer über kein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht verfügt.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (IGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt.

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterien hiefür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.6.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 7.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 5.7.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Beim so genannten "erweiterten Familienleben" (zu Großeltern, Geschwistern, Onkel, Tante usw.) wird ein "effektives" Familienleben gefordert, das sich in der Führung eines gemeinsamen Haushalts, dem Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses oder speziell engen, tatsächlich gelebten Banden zu äußern hat (Wildhaber in Golsong ua., Internationaler Kommentar zur EMRK, Rz 389 zu Art. 8 EMRK).

 

Im Entscheidungszeitpunkt lebt ein Cousindes nunmehrigen Beschwerdeführers in Österreich. Weitere Familienangehörige leben nicht in Österreich. Es wurde vom nunmehrigen Beschwerdeführer keine besondere Beziehungsintensität im Sinne eines Abhängigkeitsverhältnisses zu dem in Österreich lebenden Cousin behauptet. Der nunmehrige Beschwerdeführer erklärte in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 04.12.2007, dass er seit drei Jahren keinen Kontakt mehr zu seinem Cousin habe. Auch sei keine finanzielle Abhängigkeit zu seinem Cousin gegeben (siehe Seite 91 des erstinstanzlichen Aktes). Die Ausweisung stellt daher keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Familienleben dar. Eine besondere schützenswerte Integration des nunmehrigen Beschwerdeführers in Österreich konnte ebenfalls nicht festgestellt werden, sodass nicht von einem schützenswerten Privatleben in Österreich im Sinne von

Artikel 8 Abs. 1 EMRK auszugehen ist.

 

Selbst wenn man schützenswerte Interessen des nunmehrigen Beschwerdeführers darin erblickt, dass er sich seit ein paar Jahren in Österreich aufhält (laut dem Zentralen Melderegister von 10.01.2001 bis 30.05.2001 und seit 18.02.2005 aufrecht gemeldet), so ist die Ausweisung durch die in Artikel 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen, insbesondere durch das öffentliche Interesse an der Verhinderung strafbarer Handlungen und durch das wirtschaftliche Wohl des Landes (Interesse an geordneter Zuwanderung) gerechtfertigt und verhältnismäßig. Dass ein erhebliches Interesse an der Verhinderung strafbarer Handlungen vorliegt, ergibt sich daraus, dass der nunmehrige Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes in Österreich wegen des Verstoßes gegen das SMG am 00.00.2006 zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten vom Landesgericht Graz verurteilt wurde. Dem nunmehrigen Beschwerdeführer musste überdies bekannt sein, dass die so genannte vorübergehende Aufenthaltsberechtigung ein Aufenthaltsrecht nur für die Dauer des Asylverfahrens gewährt; es war demnach voraussehbar, dass es im Falle einer negativen Asylentscheidung zu einer Aufenthaltsbeendigung kommt. Dadurch wird sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich gegenüber den erwähnten öffentlichen Interessen herabgemindert.

 

Von einer mündlichen Verhandlung konnte Abstand genommen werden, zumal der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung, nunmehr Beschwerde geklärt erscheint (§ 41 Abs. 7 AsylG).

 

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Abhängigkeitsverhältnis, Ausweisung, familiäre Situation, Intensität, non refoulement, Sicherheitslage, strafrechtliche Verurteilung
Zuletzt aktualisiert am
12.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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