TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/12 A5 319564-1/2008

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Veröffentlicht am 12.09.2008
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Spruch

A5 319.564-1/2008/7E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Schrefler-König als Vorsitzende und die Richterin Mag. Unterer als Beisitzerin im Beisein der VB Wilhelm über die Beschwerde des E.J., geb. 00.00.1987, Staatsangehöriger von Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.5.2008, Zl. 08 01.220-BAE, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde des E.J. wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Abs.1 Z. 1 AsylG 2005 wird E.J. der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria nicht zuerkannt.

 

III. Gemäß § 10 Abs.1 Z. 2 AsylG 2005 wird E.J. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I.Verfahrensgang

 

I.1. Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von internationalem Schutz vom 1.2.2008 abgewiesen, ihm den Status des Asylberechtigten und den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria nicht zuerkannt und diese Entscheidung mit einer Ausweisung verbunden.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde. Mit 1.7. 2008 wurde gegenständliche Beschwerdeangelegenheit dem nunmehr erkennenden Senat des Asylgerichtshofes zur Entscheidung zugewiesen.

 

I.3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 41 Abs.7 AsylG 2005 aufgrund des aus der Aktenlage als geklärt anzusehenden Sachverhaltes Abstand genommen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

II.1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria und trägt den im Spruch angeführten Namen.

 

II.1.2. Er reiste am 1.2.2008 illegal nach Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz.

 

II.1.3. Am 4.2. 2008 wurde der nunmehrige Beschwerdeführer von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen führte der Genannte aus, eine schwangere Freundin gehabt zu haben, mit der er gemeinsam bei seiner Großmutter gewohnt habe. Seine Freundin sei verstorben und entspräche es den Sitten der Gemeinde, den Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und zu opfern. Die Großmutter des Beschwerdeführers habe ihm daher geraten, das Land zu verlassen. Im Falle seiner Rückkehr befürchte er, von den Dorfbewohnern geopfert zu werden.

 

II.1.4. Am 7.2.2008 wurde der nunmehrige Beschwerdeführer von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der Genannte, befragt nach seinem Geburtsjahr an, er sei am 00.00.1991 geboren, dies sei das Datum, das ihm sein Vater gesagt habe. Über Vorhalt seiner Ausführungen zu seiner Schulausbildung, die er bei der Ersteinvernahme mit 1993 bis 1998 angegeben hatte, korrigierte der nunmehrige Beschwerdeführer sein Geburtsjahr auf 1987. Zu seiner beruflichen Tätigkeit in Nigeria gab der Genannte zu Protokoll, bei Bauarbeiten im Dorf ausgeholfen zu haben. Er habe aber bei seiner Großmutter gelebt, die ihn auch versorgt habe. Auch seine 19-jährige Freundin, namens M.C., habe dort gewohnt und sei am 00.12.2007 während ihrer Schwangerschaft verstorben. Es sei in seinem Dorf üblich, dass im Fall des Todes eines schwangeren Mädchens der Schuldige dafür verantwortlich gemacht und geopfert würde. Nachdem seine Großmutter ihn aber nicht verlieren habe wollen, habe sie ihm geraten, weg zu laufen.

 

II.1.5. Am 19.3.2008 fand eine weitere niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde statt. Im Zuge dieser Einvernahme wiederholte er im Wesentlichen seine Fluchtgründe, wie bereits am 7.2. 2008 angegeben. Über Nachfrage der belangten Behörde ergänzte der Beschwerdeführer die Angaben dahingehend, dass er seine Freundin vor rund drei Jahren kennen gelernt habe. Er stamme, ebenso wie seine am 00.12.2007 verstorbene Freundin, aus dem Dorf E.. Er könne nicht angeben, wie viele Einwohner dieses Dorf habe. Ebenso wenig könne sich der Beschwerdeführer daran erinnern, in welchem Monat seine Freundin schwanger gewesen sei. Über weitere Befragung seitens der belangten Behörde bemerkte der Beschwerdeführer, alle Dorfbewohner von E. wollten ihn als Folge des Todes seiner schwangeren Freundin im Schrein namens O. opfern. Diese Tradition bestünde schon sehr lange und wisse darüber auch jeder in der Gemeinde Bescheid. Er könne allerdings nicht angeben, was etwa mit den Eltern eines unmittelbar nach der Geburt sterbenden Neugeborenen passiere. Der nunmehrige Beschwerdeführer sei selbst niemals bei einer Opferung dabei gewesen, da ausschließlich die Dorfältesten bestimmten, wer an dieser Zeremonie teilnehmen dürfe. Er sei jedenfalls auf Anraten seiner Großmutter davon gelaufen, noch bevor die Dorfbewohner vom Tod seiner Freundin erfahren hätten. An die Polizei habe er sich im Hinblick auf die ihm drohenden Übergriffe nicht gewandt, zumal diese in solchen Fällen nichts unternehmen könne.

 

II.1.6. Die belangte Behörde wies den Antrag des nunmehrigen Beschwerdeführers auf Gewährung von internationalem Schutz ab und begründete ihre Entscheidung zusammengefasst mit der fehlenden Glaubwürdigkeit der Angaben.

 

So habe er die Behauptung, geopfert zu werden, bloß in den Raum gestellt und nicht belegt oder durch konkrete Anhaltspunkte glaubhaft gemacht. Ebenso habe er nicht ansatzweise Details zu den näheren Umständen, wie etwa die Dauer der Schwangerschaft seiner Freundin, nennen können.

 

Es sei weiters nicht nachvollziehbar, dass sich der Beschwerdeführer im Lichte der bevorstehenden Opferung nicht an die Polizei gewandt habe. Es liege außerdem alleine deshalb kein asylrelevanter Sachverhalt vor, da es sich bei den behaupteten Verfolgungshandlungen durch die Dorfbewohner um solche durch Privatpersonen handle und sich aus den Länderfeststellungen kein Anhaltspunkt dafür ergäbe, dass der Beschwerdeführer bei den Behörden seines Heimatstaates keinen Schutz finden könnte. Abschließend verwies die belangte Behörde in ihrer Bescheidbegründung auch darauf hin, dass es dem Beschwerdeführer möglich gewesen sei, allfälligen Problemen mit der Dorfgemeinschaft durch Vornahme eines innerstaatlichen Ortswechsels zu entgehen.

 

Die belangte Behörde traf umfassende Länderfeststellungen zur Lage in Nigeria.

 

Zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz führte die belangte Behörde aus, dass im Fall des Beschwerdeführers keine außergewöhnlichen Umstände im Sinne der Judikatur des EGMR vorlägen, die eine Abschiebung unzulässig machen würden.

 

II.1.7. Der Beschwerdeführer bekämpfte die Entscheidung der belangten Behörde fristgerecht mittels Berufung (ab 1.7.2008: Beschwerde) und führte unter Verweis auf einen Auszug aus einem Bericht des Home Office vom 13.11.2007 aus, dass die vom Bundesasylamt getroffenen Feststellungen nicht geeignet seien, die mangelnde Schutzwilligkeit der nigerianischen Polizei richtig einzuschätzen. Ebenso verfehlt sei die Annahme des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative, da nigerianische Behörden Slumgebiete in Großstädten vorwarnungslos zerstörten und dort lebende Menschen vertrieben. Richtigerweise hätte die belangte Behörde die Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers vor Ort erheben lassen und dabei sowohl die Großmutter als auch andere Dorfbewohner zu den Traditionen befragen müssen.

 

II.2. Zur Lage in Nigeria

 

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu Nigeria werden zum Gegenstand des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes erhoben.

 

II.3. Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung

 

II.3.1. Gemäß § 28 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 2008/4, nimmt der Asylgerichtshof mit 1.7.2008 seine Tätigkeit auf. Das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, tritt mit 1.7.2008 außer Kraft.

 

II.3.2.Gemäß § 23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, sofern sich aus dem Bundes- Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. I/1930, dem Asylgesetz 2005, AsylG 2005, BGBl. Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985- VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991- AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs " Berufung" der Begriff " Beschwerde" tritt.

 

II.3.3.Gemäß § 9 leg.cit. entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, sofern bundesgesetzlich nicht die Entscheidung durch Einzelrichter oder verstärkte Senate (Kammersenate) vorgesehen ist.

 

II.3.4. Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes. Gemäß Abs. 3 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4, wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 und wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowie über die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

II.3.5. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

II.3.6. Gemäß § 41 Abs.7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67d AVG.

 

II.3.7. Gemäß § 18 Abs. 1 AsylG 2005 haben das Bundesasylamt und der Asylgerichtshof in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amtswegen beizuschaffen. Gemäß Abs. 2 ist im Rahmen der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens eines Asylwerbers auf die Mitwirkung im Verfahren Bedacht zu nehmen.

 

II.3.8. Gemäß § 15 AsylG 2005 hat ein Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken; insbesondere hat er ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Weiters hat er bei Verfahrenshandlungen und Untersuchungen durch einen Sachverständigen persönlich und rechtzeitig zu erscheinen, und an diesen mitzuwirken sowie unter anderen auch dem Bundesasylamt oder dem Asylgerichtshof alle ihm zur Verfügung stehenden Dokumente und Gegenstände am Beginn des Verfahrens, oder soweit diese erst während des Verfahrens hervorkommen oder zugänglich werden, unverzüglich zu übergeben, soweit diese für das Verfahren relevant sind.

 

Im gegenständlichen Fall liegen die genannten Voraussetzungen des § 41 Abs.7 AsylG 2005 für den Entfall einer mündlichen Verhandlung vor.

 

Die belangte Behörde hat ein im beschriebenen Sinne ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und enthält der Beschwerdeschriftsatz zudem kein Vorbringen, das geeignet wäre, die in der schlüssigen Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides zum Ausdruck kommende Beurteilung der belangten Behörde zu entkräften oder in Zweifel zu ziehen. Der verfahrensrelevante Sachverhalt ist daher nach dem Dafürhalten des Asylgerichtshofes als aus der Aktenlage als geklärt anzusehen.

 

Nach ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. VwGH vom 23.1.2003, Zl. 2002/20/0533, VwGH vom 2.3.2006, Zl. 2003/20/0317) kann nur dann angenommen werden, dass ein Sachverhalt nicht aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung (nunmehr Beschwerde) als geklärt anzusehen ist, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder der Berufungsbehörde ergänzungsbedürftig oder in einem entscheidenden Punkt nicht richtig erscheint, wenn rechtlich relevante Neuerungen vorgetragen werden oder wenn die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will.

 

Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall des Beschwerdeführers nicht vor.

 

Der Asylgerichtshof erachtet es des Weiteren im gegenständlichen Fall nicht für notwendig, die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes um zusätzliche (über bloße Zusatzbemerkungen oder Eventualausführungen hinausgehende) eigene Argumente zu ergänzen. Nach der Rechtssprechung des VwGH widerspräche lediglich diese Notwendigkeit der Annahme eines hinreichend geklärten Sachverhaltes mit der Folge, dass von einer mündlichen Verhandlung nicht Abstand genommen werden dürfte (vgl. VwGH vom 30.9.2004, Zl. 2001/20/0140).

 

II.3.9. Gemäß § 66 Abs.4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Auf die oben zitierte Bestimmung des § 23 AsylGHG, demzufolge die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, wird hingewiesen.

 

II.3.10. Der Beschwerdeführer hat den Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz am 01.02.2008 gestellt. Daher gelangen im gegenständlichen Verfahren die Bestimmungen des AsylG 2005 vollumfänglich zur Anwendung.

 

II.3.11. Zu Spruchpunkt I

 

Gemäß § 3 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist und glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK (idF des Art. 1 Abs.2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4. 1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr -Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.2.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

 

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

 

Der Asylgerichtshof teilt die Auffassung der belangten Behörde, wonach das Vorbringen des Beschwerdeführers die genannten Voraussetzungen für eine Asylgewährung nicht erfüllt.

 

Zunächst kommt auch der Asylgerichtshof - in Übereinstimmung mit der belangten Behörde-zum Ergebnis, dass die Angaben des Beschwerdeführers für sich betrachtet in Bezug auf ihren Wahrheitsgehalt als äußerst zweifelhaft erscheinen.

 

Zur persönlichen Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass dieser- entgegen seinen ursprünglichen Angaben bei der Ersteinvernahme -s ein Geburtsjahr plötzlich mit 1991 bezeichnete. Dies hätte zur Folge gehabt, dass es sich bei dem Genannten um einen Minderjährigen handelt, für dessen Verfahren andere Grundsätze zu berücksichtigen gewesen wären. Soweit der Beschwerdeführer aber, konfrontiert mit seinen früheren Aussagen über seine schulische Laufbahn, das Geburtsjahr doch wieder mit 1987 angibt, zeigt sich, dass er zur Erlangung verfahrensrechtlicher Vorteile grundsätzlich dazu bereit ist, die Unwahrheit zu sagen.

 

Es ist der belangten Behörde weiters darin beizupflichten, dass die Angaben des Genannten dermaßen oberflächlich und vage geblieben sind, dass tatsächlich nicht angenommen werden kann, er habe das bloß schemenhaft Geschilderte wirklich erlebt. Ein Gutteil der Antworten auf konkrete Fragen nach den näheren Abläufen und Umständen beschränkte sich auf Allgemeinplätze, wie etwa " Das weiß ich nicht" oder " Jeder im Dorf weiß das". Es erscheint tatsächlich nicht nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführer nicht einmal anzugeben in der Lage war, in welchem Monat seine Freundin schwanger war bzw. woran sie letztlich gestorben ist.

 

Der Beschwerdeführer hatte ausreichend Zeit und Gelegenheit, sich umfassend, zusammenhängend und aus Eigenem zu den Fluchtgründen zu äußern und übersieht, dass der amtswegigen Ermittlungspflicht der Behörde stets eine Mitwirkungspflicht des Antragstellers gleichrangig gegenüber steht. Es kann somit im gegenständlichen Fall nicht dem Bundesasylamt angelastet werden, dass sich der Sachverhalt trotz mehrmaliger Nachfrage nicht genauer spezifizieren lässt, weil der Beschwerdeführer nicht bereit ist, an dessen Ermittlung mitzuwirken.

 

Selbst aber wenn man, rein hypothetisch, vom Wahrheitsgehalt der Angaben des Beschwerdeführers ausginge, änderte dies nichts an der Beurteilung der fehlenden Asylrelevanz. So hat bereits die belangte Behörde völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass die behaupteten (drohenden) Verfolgungshandlungen von Privatpersonen ausgehen und eine staatliche Schutzunfähigkeit und Schutzunwilligkeit nicht angenommen werden kann.

 

An dieser Beurteilung ändert auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf einen Bericht des home office in seinem Berufungs(Beschwerde)schriftsatz nichts, aus dem - zusammengefasst hervorgeht, dass die schlecht ausgebildeten und schlecht bezahlten Polizisten in Nigeria korrupt seien.

 

Dieser Umstand reicht in seiner Allgemeinheit nicht aus, im konkreten Fall des Beschwerdeführers auf eine fehlende Bereitschaft der Behörden zu schließen, allfällige Übergriffe auf den Genannten zu ahnden, zumal der Beschwerdeführer selbst nicht einmal versucht hat, staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dies erscheint nur dann unzumutbar, wenn von vornherein keine Aussicht auf wirksame Hilfestellung besteht. Im Einklang mit den Länderfeststellungen, die das Bundesasylamt im angefochtenen Bescheid getroffen hat und die der Beschwerdeführer nicht im Detail und substantiiert bestritten hat, kann davon jedoch nicht ausgegangen werden.

 

Soweit der Beschwerdeführer moniert, die belangte Behörde habe es unterlassen, geeignete Recherchen vor Ort zu veranlassen, geht dieser Vorhalt nach Meinung des Asylgerichtshofes aus folgenden Erwägungen ins Leere:

 

Zunächst ist die belangte Behörde unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Einvernahmen des Beschwerdeführers begründeterweise zum Schluss gelangt, dass die Angaben des Genannten nicht glaubwürdig sind. Auch der Asylgerichtshof hält es nicht für erforderlich, im Fall offensichtlicher Unglaubwürdigkeit weitere Nachprüfungen durch die Vertretungsbehörde vor Ort oder die Beiziehung von Zeugen in die Wege zu leiten. Dies gilt umso mehr, als selbst die Annahme des Wahrheitsgehaltes in Bezug auf die behaupteten Traditionen der Dorfgemeinschaft nichts am Verfahrensausgang ändern würde, zumal - wie bereits oben ausgeführt - Verfolgungshandlungen durch Privatpersonen nur unter eingeschränkten - im gegenständlichen Fall nicht zutreffenden - Voraussetzungen asylrelevant sein können und es sich zudem um örtlich beschränkte Traditionen handelt, die einen Ortswechsel des Betreffenden angezeigt erscheinen ließen.

 

Der Annahme des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative begegnet der Beschwerdeführer in seinem Schriftsatz mit dem lapidaren Hinweis auf die Vorgangsweise der nigerianischen Behörden bei der Räumung von Slumvierteln. Einen konkreten Bezug zu seiner eigenen Person stellt der Beschwerdeführer nicht her. Aus dem Umstand, dass die Sicherheitsbehörden entsprechende Siedlungen auflösen, kann aber nicht automatisch und generell auf eine fehlende Möglichkeit zur Niederlassung in einem anderen Landesteil Nigerias geschlossen werden. Vielmehr ist dem Beschwerdeführer als jungem und gesunden Mann, der sich seinen eigenen Angaben nach bereits als Bauarbeiter in seiner Heimat verdingt hat, zuzumuten, sich auch außerhalb des Dorfes, in dem er mit seiner Großmutter gelebt hat, eine eigene Existenz aufzubauen (siehe dazu auch unten zu Spruchpunkt II).

 

Insgesamt ist daher für den Asylgerichtshof - unabhängig von der Frage der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Angaben des Genannten - nicht erkennbar, dass die Voraussetzungen für eine Asylgewährung im Fall des Beschwerdeführers erfüllt sind.

 

II.3. 12. Zu Spruchpunkt II

 

Gemäß § 8 Abs.1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Der Asylgerichtshof hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Beschwerdeführers in sein Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336).

 

Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

Im Sinne der Judikatur des EGMR und des darauf in seiner Rechtssprechung Bezug nehmenden VwGH - vgl. etwa VwGH vom 23.9.2004, Zl. 2004/21/0134 mit weiteren Nachweisen - hat die entsprechende Prüfung von Refoulementschutz dahin gehend zu erfolgen, ob im Herkunftsstaat des Antragstellers eine derart extreme Gefahrenlage herrscht, dass praktisch jedem, der in diesen Staat abgeschoben wird, Gefahr für Leib und Leben in einem Maße droht, dass die Abschiebung im Lichte des Art. 3 EMRK unzulässig erschiene.

 

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den der Fremde abgeschoben werden soll, genügt nach der ständigen Rechtssprechung des VwGH (vgl. E vom 1.7.1999, Zl. 97/21/0804, E. vom 9.5.2003, Zl. 1998/18/0317), nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde.

 

Im Fall des Beschwerdeführers konnten keine derart exzeptionellen Umstände festgestellt werden, die der Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK gleichzuhalten wären. Auf die zutreffenden Ausführungen in der Begründung des bekämpften Bescheides wird verwiesen.

 

Der Beschwerdeführer selbst hat auch von sich aus während des gesamten Verfahrens keine Angaben getätigt, die einen Hinweis auf eine solche Verletzung geben würden. Es ist zu bemerken, dass es sich bei dem Beschwerdeführer um einen gesunden, jungen Mann handelt, der seinen eigenen Angaben zufolge schon vor dem Verlassen der Heimat als Bauarbeiter gearbeitet hat. Es haben sich im gegenständlichen Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben, die gegen die Annahme einer jederzeitigen Wiederaufnahme dieser oder einer vergleichbaren Tätigkeit sprechen.

 

II.3.13. Zu Spruchpunkt III

 

Gemäß §10 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen unzulässig, wenn dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Im konkreten Fall kommt dem Beschwerdeführer weder ein solches Aufenthaltsrecht zu noch konnte festgestellt werden, dass der Genannte im Fall seiner Ausweisung in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Privat- und Familienleben verletzt würde.

 

In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu beachten, dass der Beschwerdeführer erst seit Februar 2008 in Österreich aufhältig ist und während des Aufenthaltes in Österreich keine Verfestigungs - oder Integrationstatbestände verwirklicht wurden. Solche wurden auch vom Beschwerdeführer selbst nicht behauptet.

 

Ein in Österreich bestehendes Familienleben konnte vom Asylgerichtshof weder festgestellt werden noch wurde das Bestehen eines solchen vom Beschwerdeführer selbst im Beschwerdeschriftsatz behauptet.

 

Die Ausweisungsentscheidung der belangten Behörde steht somit im Einklang mit den gesetzlichen Voraussetzungen und war daher zu bestätigen.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, inländische Schutzalternative, innerstaatliche Fluchtalternative, Lebensgrundlage, mangelnde Asylrelevanz, non refoulement, private Verfolgung, staatlicher Schutz, Zumutbarkeit
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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