TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/12 S13 401356-1/2008

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Veröffentlicht am 12.09.2008
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Spruch

S13 401.356-1/2008/2E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Kirschbaum als Einzelrichterin über die Beschwerde der Z.A., 00.00.1982 geb., StA. Russische Föderation, p.A. European Homecare, Betreuungsstelle Traiskirchen, Otto-Glöckel-Str. 24, 2514 Traiskirchen, gegen den Bescheid des Bundesasylamts vom 25.07.2008, FZ. 08 02.372-EAST-Ost, zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 3 Satz 2 AsylG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

Text

Entscheidungsgründe

 

I. Sachverhalt, Verfahrensgang und Beschwerde:

 

Der Verfahrensgang vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und stellt sich im Wesentlichen wie folgt dar:

 

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation, reiste nach Österreich ein und stellte am 10.03.2008 Antrag auf internationalen Schutz.

 

Sie wurde am 09.04.2008 einer ärztlichen Untersuchung unterzogen, bei der u.a. festgestellt wurde, dass sie schwanger ist und sich auf Grund dessen schlecht fühle.

 

Am 26.06.2008 begab sich die Beschwerdeführerin wegen Bauchschmerzen ins Krankenhaus Baden. Der diensthabende Arzt stellte fest, dass er mit der Beschwerdeführerin nicht kommunizieren konnte und eine Diagnose daher derzeit nicht möglich war. Im Befund steht "Abdomen weich, nicht druckdolent, keine Abwehr oder Defens".

 

Mit Bescheid vom 25.07.2008, Zl.: 08 02.372-EAST-Ost (im Folgenden: angefochtener Bescheid), wies das Bundesasylamt (Erstaufnahmestelle Ost) den Antrag der Beschwerdeführerin ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück.

 

Das Bundesasylamt stellt in Spruchpunkt I des Bescheides fest, dass gemäß Art. 16 Abs. 1 (c) der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (im Folgenden: Dublin II-VO) Polen für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei.

 

In Spruchpunkt II wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen wird und dass demzufolge gemäß § 10 Abs. 4 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der minderjährigen Beschwerdeführerin nach Polen zulässig sei.

 

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde.

 

Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt langte am 04.09.2008 beim Asylgerichtshof ein.

 

II. Begründung

 

1. Anwendbares Recht

 

Gemäß §§ 73 Abs. 1 und 75 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 (in der Folge: AsylG) iVm § 1 AsylG ist das oben angeführte Gesetz auf Anträge auf internationalen Schutz anzuwenden, die ab dem 01.01.2006 gestellt wurden. Daraus folgt, dass für das gegenständliche Verfahren das AsylG 2005 anzuwenden war.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO kann jeder Mitgliedstaat einen Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

 

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 01.10.2007, G 179, 180/07 klargestellt, dass die Durchführung einer Ausweisung, wenn sie aus in der Person des Asylwerbers liegenden Gründen, die nicht von Dauer sind, Art. 3 EMRK verletzen würde, für die notwendige Zeit aufzuschieben ist. Er hat weiters festgestellt, dass derartige Hinderungsgründe jedenfalls dann nicht mehr als "vorübergehend" im Sinne des § 10 Abs. 3 AsylG anzusehen sind, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung der Asylbehörde bereits absehbar ist, dass diese Gründe innerhalb der Überstellungsfrist nach Art. 19 bzw. 20 der Verordnung Nr. 343/2003 Dublin II-VO (sechs Monate) nicht wegfallen werden. In einem solchen Fall sei daher von der Zurückweisung nach § 5 AsylG Abstand zu nehmen und - nach Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO - das Asylverfahren zuzulassen.

 

Gemäß § 41 Abs. 3 AsylG ist in einem Verfahren über eine Berufung gegen eine zurückweisende Entscheidung und die damit verbundene Ausweisung § 66 Abs. 2 AVG nicht anzuwenden. Ist der Berufung gegen die Entscheidung des Bundesasylamts im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Berufung gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

 

2. Behebung des angefochtenen Bescheides und Zurückweisung an das Bundesasylamt

 

Der angefochtene Bescheid ist gemäß § 41 Abs 3 AsylG zu beheben und an das Bundesasylamt zur weiteren Sachverhaltsermittlung zurückzuweisen.

 

Im vorliegenden Fall hat das Bundesasylamt nämlich keine ausreichenden Sachverhaltsfeststellungen im Hinblick auf die Schwangerschaft der Beschwerdeführerin getroffen und es hat sich dementsprechend im angefochtenen Bescheid in keiner Weise mit der bestehenden Schwangerschaft und deren möglichen Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin (ggf. Anwendung von § 10 Abs. 3 AsylG oder Art 3 Abs. 2 Dublin II-VO iVm. Art. 3 EMRK) auseinandergesetzt, obwohl ihm bekannt war, dass die Beschwerdeführerin schwanger war und unter Beschwerden leidet.

 

Dazu ist zu bemerken, dass dem Bundesasylamt zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung Ende Juli die "Gutachtliche Stellungnahme im Zulassungsverfahren gemäß § 10 AsylG 2005" von Anfang April vorlag, in der festgestellt wird, dass die Beschwerdeführerin schwanger ist und auf Grund dessen unter Beschwerden leidet. Das Gutachten stellt jedoch weder die Schwangerschaftswoche fest, noch werden ärztlichen Schlussfolgerungen im Hinblick auf die angegebenen Beschwerden getroffen. Das Gutachten enthält auch keine Ausführungen in Bezug auf eventuelle unzumutbare Verschlechterungen des Gesundheitszustandes im Falle einer Überstellung nach Polen. Es beschränkt sich vielmehr auf den Ausschluss (insbesondere belastungsabhängiger) psychischer Störungen.

 

Des Weiteren ist dem Akt zu entnehmen, dass dem Bundesasylamt bekannt war, dass die sich die Beschwerdeführerin Ende Juni wegen Bauchschmerzen in ein Krankenhaus begeben hatte und dort nicht behandelt werden konnte.

 

Das Asylgericht stellt demnach fest, dass dem Bundesasylamt zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung klar sein musste, dass sich die Beschwerdeführerin möglicherweise bereits im sechsten oder sogar einem späteren Schwangerschaftsmonat befand und dass die Schwangerschaft unter Umständen nicht komplikationslos war. Es hat es dennoch unterlassen, weitere Erhebungen im Hinblick auf die Zumutbarkeit einer Abschiebung nach Polen zu veranlassen und diese im angefochtenen Bescheid zu würdigen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

3. Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Schlagworte
Familienverfahren, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, Schwangerschaft, Überstellungsrisiko (ab 08.04.2008), Zumutbarkeit
Zuletzt aktualisiert am
13.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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