E12 221.862-2/2008-9E
BESCHLUSS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Isabella ZOPF als Vorsitzende und den Richter Dr. Markus STEININGER als Beisitzer über den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens des G.I., geb. 00.00.1982, StA. Türkei, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Hans LEHOFER, Mag. Bernhard LEHOFER, 8010 Graz, Kalchberggasse 6/1, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird gemäß § 69 Abs. 2 AVG 1991-AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idgF. als verspätet zurückgewiesen.
BEGRÜNDUNG:
I.
1. Der Wiederaufnahmewerber, ein Staatsangehöriger der Türkei, stellte ursprünglich am 01.02.2001 beim Bundesasylamt (BAA) einen Asylantrag.
2. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.03.2001, Zahl: 01 01.986-BAG, gemäß § 6 Z 3 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 abgewiesen. Gemäß § 8 AsylG wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei für zulässig erklärt.
3. Die rechtzeitige Berufung gegen diesen Bescheid wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 09.05.2001 gemäß § 6 Z 3 AsylG abgewiesen sowie gemäß § 8 AsylG iVm § 57 des Fremdengesetzes, BGBl. I Nr. 75/1997, (FrG), festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei zulässig ist. Dieser Bescheid wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers am 10.05.2001 zugestellt.
4. Die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 30.09.2004 abgelehnt.
5. Mit Schriftsatz vom 15.11.2007 (am 16.11.2007 beim Bundesasylamt, Außenstelle Graz eingelangt) brachte der vertretene Beschwerdeführer beim Bundesasylamt einen Antrag auf Wiederaufnahme des Asylverfahrens AZ. 01 01.986-BAG ein.
Begründend wurde darin ausgeführt, dass es erst jetzt dem Beschwerdeführer gelungen sei, Dokumente aus der Türkei zu erlangen, welche die bereits im Jahr 2001 vorgebrachte Verfolgung klar belegen würden. Diesbezüglich wurden zwei Schriftstücke, die mit "Protokoll des Bürgermeisters des Dorfes H." und "Bestätigung des Gemeindeamtes H." bezeichnet wurden, samt jeweils beglaubigter Übersetzung vorgelegt.
Mit Schreiben vom 19.11.2007 wurde vom BAA gegenständlicher Antrag auf Wiederaufnahme samt dem Verwaltungsakt dem Unabhängigen Bundesasylsenat vorgelegt.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den vorliegenden Verwaltungsakt.
2. Gemäß § 61 Abs 1 AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof gegen Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes in Senaten, oder soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter.
Gemäß Abs 3 leg cit entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über
Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide
wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;
wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5;
wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs 1 AVG, und
die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.
Nachdem gegenständlich keine Beschwerde gegen eine zurückweisende Entscheidung iSd § 61 Abs 1 u. 3 AsylG 2005 vorliegt, ergibt sich daraus die Zuständigkeit für einen Senat.
Gemäß § 23 AsylGHG sind - soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG 2005 und dem VwGG nichts anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Dies gilt laut den Gesetzesmaterialien (vgl. AB 371 XXIII. GP) auch für zusammengesetzte Begriffe, die den Wortbestandteil "Berufung" enthalten (zB "Berufungsbehörde" oder "Berufungsantrag" in §§ 66 und 67 AVG).
3. Gemäß § 69 Abs. 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und
1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder
3. der Bescheid gem. § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.
Gemäß § 69 Abs. 2 AVG ist der Antrag auf Wiederaufnehme binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
Gemäß § 69 Abs. 3 AVG kann unter den Voraussetzungen des Abs. 1 die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von 3 Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.
Gemäß § 69 Abs. 4 AVG steht die Entscheidung über die Wiederaufnahme der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, wenn jedoch in der betreffenden Sache ein unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, diesem.
3.1. Der den Asylantrag vom 01.02.2001 erledigende Bescheid (Zahl: 01 01.986-BAG) des Bundesasylamtes vom 20.03.2001 wurde am 22.03.2001 zugestellt. Über die dagegen erhobene fristgerechte Berufung entschied der Unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom 09.05.2001 unter Zahl: 221.862/0-IV/29/01. Dieser Bescheid wurde dem (damaligen) rechtsfreundlichen Vertreter am 10.05.2001 zugestellt und erwuchs dieser Bescheid daher mit diesem Datum in Rechtskraft. Die Dreijahresfrist des § 69 Abs. 2 AVG war daher ab diesem Zeitpunkt zu bemessen - die zwischenzeitlich erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof und die diesbezügliche Ablehnung der Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 30.09.2004 vermögen daran nichts zu ändern, auch wenn der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 26.06.2001 die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde. Die Frist von drei Jahren war somit bei Einbringung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens am 15.11.2007 (vgl. AS 175) dreieinhalb Jahre abgelaufen (die Frist wäre aber auch unter Zugrundelegung des Datums 30.09.2004 bereits abgelaufen gewesen).
Bei der Frist von 3 Jahren handelt es sich um eine objektive Frist; nach Ablauf dieser Frist ist eine Wiederaufnahme jedenfalls unzulässig (vgl. HAUER/LEUKAUF, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, FN 9) zu § 69 AVG, S. 651). Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens war daher schon aus diesem Grund zurückzuweisen.
3.2. Die weitere Frist des § 69 Abs. 2 AVG - binnen zwei Wochen - ist hingegen eine subjektive Frist. Das Fehlen der Angaben über die Rechtzeitigkeit der Antragstellung im Wiederaufnahmeantrag ist nach der Rechtsprechung kein Formgebrechen (§ 13 Abs. 3 AVG), sondern ein inhaltlicher Mangel und daher nicht verbesserungsfähig; der Antrag ist zurückzuweisen (vgl. HAUER/LEUKAUF, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, FN 9) zu § 69 AVG, S. 651).
Der gegenständliche Wiederaufnahmeantrag enthält keine näheren Angaben, wann dem Beschwerdeführer die vorgelegten neuen Beweismittel zur Kenntnis gelangten. Im Schriftsatz wird dazu lediglich angeführt, dass es dem Beschwerdeführer "erst jetzt" gelungen sei, Dokumente aus der Türkei zu erlangen. Damit fehlen aber Angaben über die Rechtzeitigkeit der Antragstellung und wäre der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens (wenn er nicht schon aus dem unter 3.1. angeführten Grund zurückzuweisen gewesen wäre) auch aus diesem Grund zurückzuweisen gewesen.
3.3. Auf die Qualität der vorgelegten Beweismittel war daher nicht mehr näher einzugehen, weil der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens schon aus diesen angeführten formalen Gründen zurückzuweisen war.
3.4. Gemäß § 69 Abs. 4 AVG stand dem Unabhängigen Bundesasylsenat zum Zeitpunkt der Einbringung (15.11.2007) die Entscheidung über die Wiederaufnahme zu, weil von dieser Behörde der Bescheid in letzter Instanz erlassen wurde. Gegenständliches Verfahren war am 01.07.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängig und daher gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 vom Asylgerichtshof weiterzuführen.
Es war daher spruchgemäß zu beschließen.
III. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs 7 AsylG 2005 iVm § 67d Abs 2 AVG unterbleiben.