C7 317429-1/2008/2E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Hat als Vorsitzende und den Richter Mag. Felseisen als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Bernold über die Beschwerde der L.X., geb. 00.00.2007, StA. China, vertreten durch ihre Mutter L. alias W.Y. alias X., gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.01.2008, FZ. 07 09.962-EAST-Ost, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 und 10 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBL I Nr. 4/2008, als unbegründet abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang:
Die nunmehrige Beschwerdeführerin, eine chinesische Staatsangehörige, stellte am 24.10.2007 - nach Überstellung aus den Niederlanden, wo sie geboren wurde und sich mit ihrer Mutter (GZ 317.428) aufgehalten hatte - gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Ihre Mutter, welche bereits am 19.12.2003 unter einem anderen Namen einen Asylantrag in Österreich stellte - wurde am 25.10.2007 einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen und am 10.12.2007 und 18.12.2007 in der Erstaufnahmestelle Ost des Bundesasylamtes niederschriftlich einvernommen. Sie machte im Wesentlichen wirtschaftliche Gründe und Schulden bei Verwandten und Bekannten wegen der Ausreise geltend.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.01.2008 wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen. Zugleich wurde der Beschwerdeführerin in Spruchpunkt II gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG der Status der subsidiären Schutzberechtigten im Bezug auf ihren Herkunftsstaat nicht zuerkannt. In Spruchpunkt III wurde sie gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach China ausgewiesen.
Die Erstbehörde traf darin aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben (u.a. AA, Oktober 2006; UK Home Office, Country of Origin Report China, August 2007 sowie Operational Guidance Note, Juli 2007; Asylbericht ÖB, Mai 2007; USDOS März 2007) zur allgemeinen Lage in China. Die Aussagen der Mutter der Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen wurden als nicht glaubwürdig gewertet (Seiten 27 bis 28 des Erstbescheides):
Sie habe bei ihren beiden Antragsstellungen verschiedene Identitäten und verschiedene Fluchtgründe genannt. Außerdem sei ihr Vorbringen, Schulden zu haben, selbst bei Wahrheitsunterstellung nicht asylrelevant und drohe ihr keine Verfolgung. Ferner verwies das Bundesasylamt darauf, dass die Angaben der Mutter der Beschwerdeführerin, dass ihr Vater und ihre Brüder in China arbeiten, nicht mit ihrer Behauptung in Einklang stehen würden, in China nicht überleben zu können.
Dagegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Berufung (nunmehr: Beschwerde).
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsakt unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der Mutter der Beschwerdeführerin vor der Erstbehörde, des bekämpften Bescheides sowie des Beschwerdeschriftsatzes.
Über diese Beschwerde hat der Asylgerichtshof in nicht öffentlicher Sitzung wie folgt erwogen:
1. Anzuwenden war das AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der geltenden Fassung (im Folgenden: "AsylG 2005"), das AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung und das ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung.
Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 60 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.
2. Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Es hat insgesamt zwei Einvernahmen der Mutter der Beschwerdeführerin durchgeführt und sie konkret und ausführlich zu ihren Fluchtgründen befragt. Der festgestellte Sachverhalt, dessen Beweiswürdigung und rechtliche Subsumtion finden ihren Niederschlag im angefochtenen Bescheid.
Der Asylgerichtshof schließt sich diesen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid an und erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.
In der Beschwerde werden den individuellen Ausführungen des Bundesasylamtes, insbesondere in Bezug auf die fehlende Glaubwürdigkeit des Vorbringens, keine konkreten Argumente entgegengesetzt bzw. wird kein substantiiertes Beweisanbot getätigt, welches Anlass zu weiteren Ermittlungen der Beschwerdeinstanz geboten hätte, beschränken sich die Ausführungen der Mutter der Beschwerdeführerin auf eine Wiederholung ihres Fluchtvorbringens sowie auf geäußerte Befürchtungen und Vermutungen hinsichtlich wirtschaftlicher Bedingungen im Falle einer Rückkehr.
3. Der Asylgerichtshof geht wie bereits die Behörde erster Instanz davon aus, dass das Vorbringen der Mutter der Beschwerdeführerin zum Fluchtgrund nicht glaubhaft ist, dies insbesondere aufgrund der unterschiedlichen Darstellung der Fluchtgründe.
Auch erscheint die Behauptung der Mutter der Beschwerdeführerin, nicht genug Geld zum Überleben in China zu haben, nicht glaubwürdig. So hat die Mutter der Beschwerdeführerin selbst angegeben und wird diese Aussage nicht in Zweifel gezogen, dass ihr Vater als Chauffeur und ihre Brüder als Arbeiter im Supermarkt in China tätig sind und kann angesichts des Bestehens des sozialen Netzes bei ihrer Rückkehr und der Möglichkeit, sich selbst zumindest durch Gelegenheitsarbeiten ihren Lebensunterhalt zu verdienen, nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführerin und ihrer Mutter im Falle der Rückkehr in die Volksrepublik China die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. diesbezüglich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.07.2003, Zahl: 2003/01/0059, zur "Schwelle" des Art. 3 EMRK). Gegenteiliges konnte die Mutter der Beschwerdeführerin nicht glaubhaft darlegen und kann auch von Amts wegen nicht davon ausgegangen werden, lassen doch auch die Länderberichte keinesfalls den Schluss zu, dass Staatsangehörigen der Volksrepublik China generell in China die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.
Selbst bei Zutreffen des Fluchtvorbringens, Schulden bei Verwandten und Bekannten zu haben, ist dieses nicht geeignet, Asylrelevanz zu entfalten, kann daraus pro futuro keine auf einem Konventionsgrund beruhende Verfolgungsgefahr asylrelevanter Intensität in China abgeleitet werden. Auch hat die Mutter der Beschwerdeführerin keine konkreten (drohenden) Verfolgungshandlungen in China geltend gemacht.
Auch eine drohende (politisch motivierte) Bestrafung wegen illegaler Ausreise - so wurde von der Mutter der Beschwerdeführerin die Befürchtung einer Geldstrafe geäußert - kann im gegenständlichen Fall nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit erkannt werden. Weder kann die illegale Ausreise wegen Unglaubwürdigkeit der Angaben der Mutter der Beschwerdeführerin zu ihrem Fluchtvorbringen als solche festgestellt werden, noch könnte - gesetzt den Fall, es hätte eine illegale Ausreise stattgefunden - ein besonderes Interesse an der Person der Mutter der Beschwerdeführerin, die ja lediglich Fluchtgründe im höchstpersönlichen privaten Bereich vorgebracht hat, als gegeben angenommen werden und wird diesbezüglich auf die Länderfeststellungen zu Rückkehrfragen im erstinstanzlichen Bescheid der Mutter (Seite 21) verwiesen, welche sich zum überwiegenden Teil auf den Bericht des Auswärtigen Amtes von Oktober 2006, Seite 35 (entspricht zudem dem Bericht des AA aus Februar 2008), stützen, der einen aktuelleren Erkenntnisstand aufweist als die kanadische Auskunft von 2000, die das UK Home Office zitiert (Seite 135). Es liegen somit im individuellen Fall keine über die bloße Möglichkeit hinausgehenden stichhaltige Gründe vor, die dafür sprechen würden, dass der Mutter der Beschwerdeführerin bei einer Rückführung in die Volksrepublik China wegen ihrer Ausreise Probleme im Sinne eines realen Risikos einer unmenschlichen Behandlung drohen würden.
Was die Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin anbelangt, so geht aus dem vom Bundesasylamt der Entscheidung zu Grunde gelegten Bericht des UK Home Office von August 2007 (deckt sich mit jüngstem Bericht aus Juni 2008) hervor, dass Kinder, von denen zumindest ein Elternteil chinesischer Staatsangehöriger ist, die chinesische Staatsbürgerschaft besitzen.
Auch ergeben sich aus den Länderberichten (vgl. vor allem UK Home Office, August 2007, Seiten 137f) für Kinder, welche im Ausland geboren wurden, keine Art. 3 EMRK relevanten Hindernisse, nach China zurückzukehren; ebenso wenig könnte dies aufgrund der Unehelichkeit angenommen werden. Weiters ist auf die Ausführungen der Erstbehörde hinzuweisen, dass, wie aus den Länderfeststellungen hervorgeht, durch die Geburt einer Tochter kein Konflikt zur chinesischen Familienpolitik besteht.
4. Auch die Erwägungen des Bundesasylamtes zu Spruchpunkt II. sind im Ergebnis nicht zu beanstanden. Es ist - wie schon erwähnt - nicht ersichtlich, warum der Mutter der Beschwerdeführerin eine Existenzsicherung für sich selbst und die Beschwerdeführerin in China nicht möglich und zumutbar sein sollte. Auch verfügt sie durch ihre Familienangehörigen über ein soziales Netz in China. Eine schwere Krankheit oder ein sonstiger Hinweis auf eine besondere Vulnerabilität der Beschwerdeführerin und ihrer Mutter sind im Asylverfahren nicht hervorgekommen.
Dass sich seit der Erlassung des Erstbescheides in China allgemein eine entscheidende Lageveränderung ergeben hätte, kann in diesem Fall verneint werden und stellt sich die Lage in China seit Jahren im Wesentlichen unverändert dar, wie sich der Asylgerichtshof durch ständige Beachtung der aktuellen Quellenlage, u.a durch Einschau in die Folgeberichte des AA (zuletzt Februar 2008), des UK Home Office (zuletzt Juni 2008) sowie des USDOS (zuletzt März 2008), - im Interesse der Beschwerdeführerin - versichert hat.
5. Ebenso ist die Ausweisungsentscheidung in Spruchpunkt III des erstinstanzlichen Bescheides zu bestätigen. Die Beschwerdeführerin verfügt in Österreich abgesehen von ihrer Mutter, deren Beschwerde mit Erkenntnis des heutigen Tages ebenfalls als unbegründet abgewiesen wurde, über keine familiären Anknüpfungspunkte. Eine nähere Prüfung des Privatlebens der Beschwerdeführerin als Asylwerberin ist nach der jüngsten EGMR Judikatur in der Regel nicht erforderlich, da das legitime öffentliche Interesse an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher zu bewerten ist und die Ausweisung keinen unverhältnismäßigen Eingriff begründen kann (vgl. zur Interessensabwägung zwischen Privatleben und öffentlichem Interesse EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06). Selbst bei Prüfung des Vorliegens eines Privatlebens im Sinne der bisherigen Judikatur der österreichischen Höchstgerichte (vgl. VfGH vom 29.09.2007, Zl. B 1150/07, VfGH vom 01.10.2007, Zl. G 179, 180/07) wären im Fall der Beschwerdeführerin und ihrer Mutter keine Hinweise auf eine sonstige außergewöhnliche schützenswerte Integration in Österreich erkennbar, dass allein aus diesem Grunde die Ausweisung für unzulässig zu erklären wäre, dies unter Berücksichtigung einer zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht einmal einjährigen Aufenthaltsdauer (vgl. VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479 wonach ein dreijähriger auf die Stellung eines Asylantrages gestützter Aufenthalt im Bundesgebiet regelmäßig keine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat begründet).
4. Der Sachverhalt ist zusammengefasst, wie dargestellt, aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde, geklärt (entspricht der bisherigen Judikatur zu § 67d AVG) und sind somit schon aus diesem Grund die Voraussetzungen des § 41 Abs 7 AsylG verwirklicht, von einer mündlichen Verhandlung abzusehen. Das Vorbringen der Mutter der Beschwerdeführerin, beispielsweise hinsichtlich der Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführerin oder der Tatsache, dass diese unehelich im Ausland geboren wurde, entspricht offenkundig nicht den Tatsachen, wie sich aus der zitierten Quellenlage ergibt.
Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.