TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/15 C2 244635-0/2008

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Veröffentlicht am 15.09.2008
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Spruch

C2 244635-0/2008/15E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Marth als Einzelrichter über die Beschwerde des L.X., geb. 00.00.1986, StA. China, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.11.2003, FZ. 03 26.943-BAL, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.06.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Berufung von L.X. vom 27.11.2003 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.11.2003, Zahl: 03 26.943-BAL, wird gemäß §§ 7 und 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I.

 

I.1. Verfahrensgang

 

Die nunmehr berufende Partei hat am 5.9.2003 einen Asylantrag gestellt.

 

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wurde der unter i. bezeichnete Asylantrag der berufenden Partei mit im Spruch bezeichneten Bescheid vom 11.11.2003, erlassen am 18.11.2003, abgewiesen. Unter einem wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der berufenden Partei nach China zulässig sei. Zur Begründung wird auf jenen Bescheid verwiesen.

 

Mit am 27.11.2003 zur Post gegebener Berufung wurde gegen den im Spruch bezeichneten Bescheid berufen.

 

Vom entscheidenden Richter wurde - noch als Mitglied des Unabhängigen Bundesasylsenates - am 18.4.2007, am 14.4.2008 und am 19.6.2008 jeweils eine mündliche Verhandlung unter Beziehung eines Dolmetschers und eines medizinischen und eines länderkundlichen Sachverständigen abgehalten.

 

Im Verfahren vor dem Asylgerichtshof wurden folgende Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des Berufungswerbers in das Verfahren als Beweismittel eingeführt:

 

European Commision, Conclusions of the China workshop in Brussels, 2006

 

Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage, in der Volksrepublik China, Oktober 2006

 

Human Rights Watch, China, Jänner 2007

 

Country Reports on Human Rights Practices, China, 2006

 

Amnesty International, China, 2007

 

Home Office, China, Juli 2007

 

Home Office, China, August 2007

 

Freedom House, China, 2007

 

Economic and Social Council, Mission to China, März 2006

 

Weiters wurden im Verfahren vor dem Bundesasylamt bzw. vor dem Asylgerichtshof folgende Beweismittel vorgelegt oder von Amts wegen beigeschafft:

 

Ein Gutachten des medizinischen Sachverständigen Dr. P.V. zum angegebenen Geburtstag des Berufungswerbers;

 

Ein Gutachten des länderkundlichen Sachverständigen Dr. W.R. zu den Fluchtgründen des Berufungswerbers.

 

I.2. Feststellungen und Beweiswürdigung

 

Die nachfolgenden Feststellungen gründen sich auf die oben erwähnten Beweismittel und auf den gesamten erstinstanzlichen Verwaltungsakt sowie auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof.

 

Die berufende Partei ist volljährig und chinesischer Staatsangehöriger.

 

Der Berufungswerber hat während des gesamten Verfahrens zum Geburtsdatum gleiche Angaben gemacht; diese waren hinsichtlich des Umstandes, dass er jedenfalls nunmehr volljährig sei, glaubwürdig, weil der Berufungswerber durch falsche Angaben keinen Vorteil hätte und im Verfahren nichts hervorgekommen ist, was gegen den Umstand der Volljährigkeit spricht. Auf die Volljährigkeit des Berufungswerbers lässt zudem der in der mündlichen Verhandlung vorgenommene Augenschein schließen. Weiters wurde auch durch den medizinischen Sachverständigen festgestellt, dass nunmehr die Volljährigkeit des Berufungswerbers erreicht ist. Dem in sich schlüssigen Gutachten sind die Parteien auch nicht entgegengetreten, sodass dieses der Entscheidung über das Alter des Berufungswerbers zu Grunde zu legen war.

 

Die Staatsangehörigkeit des Berufungswerbers steht auf Grund seiner Angaben, seiner Sprachkenntnisse und seinem Wissen über seinen Herkunftsstaat fest.

 

Im Herkunftsstaat kommt es zu keiner systematischen Verfolgung von Gruppen, denen der Berufungswerber angehört.

 

Dies ergibt sich aus den oben angeführten Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat der berufenden Partei. Insoweit der Berufungswerber angegeben hat einer Gruppe anzugehören, die im Herkunftsstaat verfolgt wird oder werden soll, siehe iii..

 

Die berufende Partei hat eine Verfolgung durch staatliche Organe oder durch Privatpersonen nicht glaubhaft gemacht.

 

Der Berufungswerber hatte angegeben, dass er China verlassen hatte, da er - noch als Schüler in China - auf Grund seines Engagements für einen Sportlehrer, der von der Polizei verdächtigt worden war, Falungong zu betreiben, das er als Klassensprecher gemeinsam mit anderen Schülern entwickelt hatte - Angst hätte, von der Polizei festgenommen zu werden. Der Berufungswerber wäre zum Vorfallszeitpunkt einer von zwei Klassensprechern und Mitglied der Schülervereinigung seiner Schule gewesen, auf der auch der betreffende Sportlehrer unterrichtet hätte; dieser hätte nach dem Informationsstand des Berufungswerbers zwar O., eine traditionelle chinesische Heil- und Meditationsgymnastik oder Kampfsportart betrieben, wäre aber von der Polizei beschuldigt worden, Falungong zu betreiben. Als der Sportlehrer verhaftet worden war, hätten der Berufungswerber und andere Schüler eine Petition aufgesetzt, von allen 600 Schülern der Schule Unterschriften gesammelt und diese Petition einem Sprecher des Bürgermeisters übergeben. Zwar wäre dieser Sprecher freundlich gewesen und hätte versprochen, sich des Problems anzunehmen, aber einige Tage nach der Übergabe der Petition sei ein Schülervertreter von der Polizei an der Schule - der Berufungswerber sei an diesem Tage krank und nicht in der Schule gewesen - festgenommen worden. Da ein mit dem Vater des Berufungswerbers befreundeter Lehrer diesen gewarnt hätte, den Berufungswerber nicht wieder in die Schule zu schicken, sei der Berufungswerber schließlich geflohen.

 

Allerdings hat der Berufungswerber dieses Fluchtvorbringen aus den nunmehr zu schildernden Gründen nicht glaubhaft gemacht.

 

So bestehen zum Ersten Widersprüche im Vorbringen des Berufungswerbers.

 

Vor dem Bundesasylamt hatte der Berufungswerber angegeben, dass sein Sportlehrer Falungong getrieben hätte, während er vor dem erkennenden Richter angegeben hatte, dass der Lehrer O. - was nicht verboten ist - oder eine Kampfsportart betrieben hätte, und die Polizei ihn nur verdächtigt hätte, Falungong zu betreiben. Auch wenn dieser Unterschied nur im Detail liegt, so handelt es sich doch um eine wesentliche Änderung im Sachverhalt. Es macht einen wesentlichen Unterschied, ob ein Mensch, für den er sich einsetzt, unschuldig ist und ihm zu Gerechtigkeit verhelfen will oder ob ein Mensch sich zwar auch nach dem eigenen Wissen strafbar gemacht hat und man ihm für ihn um Gnade bittet. Zwar verkennt das Gericht nicht, dass beide Varianten möglich sind, das heißt, dass es immer wieder vorkommt, das für einen zumindest vermeidlich unschuldigen Menschen interveniert wird oder für einen Menschen, der offenbar etwas strafbares getan hat, um Gnade ersucht wird, jedoch ist nicht erklärbar, wieso der Berufungswerber sozusagen das Fundament, auf dem das Fluchtvorbringen aufbaut, nämlich seine Motivation, dem bedrängten Sportlehrer zu Hilfe zu kommen, wechselt. Die Lebenserfahrung zeigt, dass Menschen, denen wirklich Verfolgung widerfahren ist, sich sehr genau mit der ihnen widerfahrenen subjektiv wahrgenommenen oder objektiv erlebten Ungerechtigkeit und Verfolgung befassen und daher insbesondere über ihre Gefühle und Motivationen widerspruchsfrei zu berichten vermögen. Auch war der Berufungswerber auf Vorhalt nicht in der Lage, den Widerspruch hinreichend zu entkräften.

 

Weiters wurde vom länderkundlichen Sachverständigen, einem Sinologen, der in Wien, Peking und Nanking studiert hatte, wissenschaftlicher Projektleiter am Ostasieninstitut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften war, seit 2002 als nicht-amtlicher Chinasachverständiger in Asylangelegenheiten tätig ist und sich immer wieder regelmäßig in China aufhält, in einem schlüssigen Gutachten dargetan, dass das vom Berufungswerber geschilderte Geschehen in China kategorisch auszuschließen sei; es wäre viel mehr in China undenkbar, dass Schüler faktisch unbeobachtet eine politische Petition erarbeiten und praktisch allen Schülern einer Schule zur Unterschrift vorlegen könnten. Einerseits würden - so der Sachverständige - mit großer Wahrscheinlichkeit die Schulleitung einschreiten und andererseits wären die Schüler auch unter der Kontrolle der "Kommunistischen Jugendliga", der Mitglieder - das sind die besten und verlässlichsten Schüler - einerseits die Petition nicht unterschrieben hatten; diese wären viel mehr gegen eine Unterstützungspetition für einen staatsfeindlichen Lehrer, der Falungong betrieben hätte, vorgegangen. Auch sei es vollkommen ausgeschlossen, dass eine Schülerabordnung von einem Funktionär des Bürgermeisters empfangen worden wäre.

 

Schließlich sei die betreffende Schule des Berufungswerbers in China namentlich nicht nachzuweisen gewesen.

 

Dem Gutachten ist der Berufungswerber zwar punktuell entgegengetreten, jedoch konnte der in der Verhandlung anwesende Sachverständige auf jeden Punkt schlüssig replizieren.

 

Somit ist insgesamt davon auszugehen, dass das Vorbringen des Berufungswerbers, das durch keinerlei Beweismittel oder Zeugen gestützt wurde, als nicht glaubhaft gemacht zu qualifizieren ist.

 

Da andere Verfolgungen weder durch Privatpersonen noch staatliche Stellen behauptet wurden noch von Amts wegen hervorgetreten sind, wurde eine Verfolgung nicht glaubhaft gemacht.

 

Im Falle einer Verbringung der berufenden Partei in deren Herkunftsstaat droht dieser kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK.

 

Die berufende Partei ist gesund, die vorgebrachten Probleme (Schlaflosigkeit) deuten auf keine so tiefgreifende Gesundheitsstörung hin, dass diese relevant sein könnte, insbesondere da der Berufungswerber nicht vorgebracht hatte, dass er diese behandeln lassen würde. Daher droht der berufenden Partei aufgrund einer allenfalls unzureichenden medizinischen Behandlung keine Versetzung in eine hoffnungslose bzw. unmenschliche Lage. Dies ergibt sich aus den Aussagen der berufenden Partei zu ihrem Gesundheitszustand.

 

Die berufende Partei ist jung, gesund und männlich und wird daher im Herkunftsstaat in der Lage sein sich notfalls mit Hilfstätigkeiten ein ausreichendes - wenn auch nicht gutes - Auskommen zu sichern, und daher nicht in eine hoffnungslose Lage kommen. Darüber hinaus kann sie auf die Unterstützung der Familie, die sie bereits vor ihrer Flucht unterstützt hat, zählen; so hat etwa sein Vater seine Ausreise organisiert. Dies alles ergibt sich aus den Aussagen der berufenden Partei. Darüber hinaus besteht im Herkunftsstaat der berufenden Partei eine hinreichende Existenzsicherung für nicht selbst erhaltungsfähige Menschen, insoweit als vorgesorgt ist, dass Menschen in China nicht verhungern müssen und ihnen jedenfalls eine wenn auch notdürftige Unterkunft zur Verfügung steht. Dies ergibt sich aus den Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat der berufenden Partei.

 

Eine nicht asylrelevante Verfolgung der berufenden Partei, die das reale Risiko einer Verletzung der Rechte nach Art. 2 oder 3 EMRK darstellen würde, hat diese nicht vorgebracht.

 

Es besteht kein reales Risiko, dass die berufende Partei im Herkunftsstaat einer dem 6. oder 13. Zusatzprotokoll zur EMRK widerstreitenden Behandlung unterworfen wird.

 

Auf Grund der Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat der berufenden Partei steht fest, dass es in diesem Staat die Todesstrafe gibt. Dass die berufende Partei einem bestehenden realen Risiko unterliegen würde, hat sich jedoch auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht ergeben und wurde von der berufenden Partei auch nicht behauptet.

 

II.

 

II.1.: Zur Berufung gegen Spruchpunkt I des im Spruch genannten Bescheides

 

Anzuwenden war das AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76 in der Fassung BGBl. I Nr. 126/2002, die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 (im Folgenden: "AsylG 1997"), das AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung und das ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung. Hinsichtlich des Verfahrens vor dem Asylgerichthof waren die einschlägigen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100 in der geltenden Fassung (im Folgenden: "AsylG 2005")? anzuwenden.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Gemäß § 61 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter; ebenso entscheidet der Asylgerichtshof gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 AsylG 2005 durch Einzelrichter, wenn im vor dem 1.7.2008 anhängigen Verfahren bereits vor diesem Zeitpunkt eine Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat stattgefunden hatte; dies ist im vorliegenden Verfahren der Fall, sodass der erkennende Richter als Einzelrichter zur Entscheidung zuständig war.

 

Gemäß § 7 AsylG 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (in Folge: GFK), droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Die berufende Partei konnte keine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende Verfolgung glaubhaft machen. Eine solche ist auch nicht im Rahmen des Ermittlungsverfahrens hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt. Daher war die Berufung gegen Spruchpunkt I abzuweisen.

 

II.2.: Zur Berufung gegen Spruchpunkt II des im Spruch genannten Bescheides

 

Zur Anwendbarkeit der relevanten Rechtsvorschriften und zur Zuständigkeit des entscheidenden Senates siehe oben II.1. i. und ii..

 

Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 AsylG 1997 von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist und diese Entscheidung mit der Abweisung des Asylantrags zu verbinden. Die Prüfung ist - im Falle der Abweisung des Asylantrags - von Amts wegen vorzunehmen.

 

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde die berufende Partei nicht in ihren Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder den relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden. Weder droht ihr im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substantiell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten Rechte nach der EMRK. Eine solche Gefahr hat die berufende Partei weder glaubhaft gemacht noch ist diese von Amts wegen hervorgekommen oder der Behörde bekannt. Selbiges gilt für die reale Gefahr der Todesstrafe unterworfen zu werden. Daher war die Berufung im Hinblick auf Spruchpunkt II abzuweisen.

 

II.3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
gesundheitliche Beeinträchtigung, Glaubwürdigkeit, Intensität, Lebensgrundlage, non refoulement
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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