Index
L26004 Lehrer/innen Oberösterreich;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des H in M, vertreten durch Dr. Thomas Brückl, Rechtsanwalt in 4910 Ried im Innkreis, Parkgasse 11, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für Landeslehrer für allgemeinbildende Pflichtschulen beim Landesschulrat für Oberösterreich (Senat für Hauptschullehrer und Lehrer an Polytechnischen Schulen) vom 17. April 1998, Zl. 1-DOK-13/17-97, betreffend Verhängung der Disziplinarstrafe der Geldstrafe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im angefochtenen Umfang, also in seinem Schuld-, Straf- und Kostenausspruch wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der im Jahr 1954 geborene Beschwerdeführer steht als Hauptschuloberlehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Oberösterreich. Er war im maßgebenden Tatzeitraum (18. April 1996 bis 28. Februar 1997) an der Hauptschule M, Bezirk Ried im Innkreis, tätig.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 17. April 1998 hat die belangte Behörde der Berufung des Disziplinaranwaltes gegen das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis vom 21. Oktober 1997 keine Folge gegeben und über die Berufung des Beschwerdeführers gegen dieses Disziplinarerkenntnis wie folgt entschieden:
"Der Berufung von HOL H vom 7.11.1997 wird insoweit keine Folge gegeben, als die Spruchabschnitte I/1. und I/3. des angefochtenen Disziplinarerkenntnisses vollinhaltlich bestätigt werden.
Zu Spruchpunkt I/4. wird der Berufung insoweit Folge gegeben, als ein Freispruch vom Vorwurf der körperlichen Züchtigung erfolgt. HOL H wird aber für schuldig befunden, dass er dadurch, dass er am 28.2.1997 in der vierten Einheit der 1a-Klasse in einer Supplierstunde in Mathematik den Schüler W als Strafe etwa eine halbe Stunde stehen ließ, wobei dieser in nach vorne gebeugter Haltung schriftliche Arbeiten verrichtete, eine Dienstpflichtverletzung nach § 47 (1) SchUG i.V.m. § 8 (1) lit. b der Verordnung über die Schulordnung begangen hat.
Zu Spruchabschnitt I./2. wird der Berufung stattgegeben und der Beschuldigte ob der diesem Schuldspruch zugrunde liegenden Anschuldigungen freigesprochen.
Der Berufung wird zu Spruchpunkt II insoweit stattgegeben, als die dort verhängte Geldstrafe von S 8.000,-- auf S 4.000,-- herabgesetzt wird.
Spruchabschnitt III. wird vollinhaltlich bestätigt.
Den Beschuldigten trifft in diesem Verfahren keine Kostenersatzpflicht.
Rechtsgrundlagen:
§ 66 (4) AVG 1991
§ 95 (2) LDG 1984
§ 86 (2) LDG 1984
jeweils in der geltenden Fassung."
Hinsichtlich des Schuld-, Straf- und Kostenausspruches lautet die Begründung des angefochtenen Bescheides wie folgt:
"Hinsichtlich der Darstellung des Sachverhaltes zu den Punkten I./1., I./3. und I./4. kann vollinhaltlich auf das angefochtene Disziplinarerkenntnis der I. Instanz bzw. auf die Verantwortung des Beschuldigten selbst in der mündlichen Verhandlung verwiesen werden.
Die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten sind laut seiner glaublichen Aussage anders als im Protokoll der I. Instanz festgehalten, da es sich bei seinen Krediten nur bezüglich S 300.000,-- um langfristige Bausparkredite handelt. Über S 200.000,-- hat HOL H Konsumkredite für den Ankauf von Kraftfahrzeugen aufgenommen.
Rechtlich ist der festgestellte Sachverhalt wie folgt zu beurteilen:
I./1. des Schuldspruches (Verlassen des Klassenzimmers) stellt von der objektiven Tatseite eine Verletzung einer Dienstpflicht dar. Das Verschulden, dass dem Beschuldigten dazu anzulasten ist, ist ein geringes, da es sich um 13-jährige Schüler handelte, die beschäftigt waren und HOL H die Türe des Klassenzimmers offen gelassen hat, um so wenigstens akustisch seiner Aufsichtspflicht nachzukommen.
Zu Spruchteil I./3. sah die Disziplinaroberkommission auf Grund der Verantwortung des Beschuldigten keinen Anlass für eine Änderung der rechtlichen Beurteilung.
Zu Spruchteil I./4. wird festgehalten, dass der erwiesene Sachverhalt nicht den Tatbestand der körperlichen Züchtigung, die § 47 (3) SchUG untersagt, erfüllt, da darunter nur 'Hand anlegen' subsumierbar ist.
Allerdings hat HOL H ein unerlaubtes Erziehungsmittel angewandt, da er keines der im § 8 (1) der Verordnung über die Schulordnung taxativ aufgezählten Erziehungsmittel gebraucht hat.
Auf Grund des Freispruches zu I./2., eines verminderten Schuldspruches zu I./4., sowie der im Punkt I./1. nach Auffassung der Berufungsbehörde gering zu bemessenden Schuld im Zusammenhalt mit der Einschätzung, dass die finanziellen Verhältnisse durch die Behörde I. Instanz überbewertet wurden, erschien die herabgesetzte Strafe schuldangemessen, weswegen spruchgemäß zu entscheiden war."
Die mit dem angefochtenen Bescheid "vollinhaltlich bestätigten Spruchabschnitte" des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses vom 20. Oktober 1997 lauten:
"I. HOL. H ist schuldig:
1. Am 18.4.1996 hat er in der zweiten Einheit während des Mathematikunterrichtes der 3. Klasse von 9.05 bis 9.08 Uhr und von
9.10 bis 9.15 Uhr das Klassenzimmer verlassen, um im Computerraum einen privaten Brief auszudrucken. Dadurch hat er die vorgeschriebene Unterrichtszeit nicht eingehalten.
Dienstpflichtverletzung nach § 31 LDG.
3. Am 20.1.1997 hat HOL. H die HS M um etwa 13.30 Uhr verlassen, obwohl er nach dem Stundenplan in der siebenten Einheit von 13.25 bis 14.15 Uhr in der 4a und 4b-Klasse Informatikunterricht halten müssen hätte. Er hat HD Ma das Verlassen der Schule nicht gemeldet, die Schüler blieben unbeaufsichtigt. Dienstpflichtverletzungen nach §§ 31 und 35 Abs. 1 LDG 1984."
Die Anschuldigung, von der der Beschwerdeführer in Stattgebung seiner Berufung mit dem angefochtenen Bescheid freigesprochen wurde, lautet: "Am 28.2.1997 hat HOL. H in der vierten Einheit in der 1.a Klasse der HS M in einer Supplierstunde in Mathematik den Schüler W als Strafe etwa eine halbe Stunde lang stehen und in nach vorne gebeugter Haltung schriftliche Arbeiten verrichten lassen, obwohl körperliche Züchtigung verboten ist. Dienstpflichtverletzung nach § 47 Abs. 3 SchUG."
Die im erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis getroffenen Sachverhaltsdarstellungen zu den Punkten I./1., I./3. und I./4., auf die in der Begründung des angefochtenen Bescheides verwiesen wird, lauteten:
"Zu 1.:
HOL. H gab an, dass er während einer Unterrichtsstunde zweimal aus dem Klassenzimmer in den Computerraum ging, um einen Brief an Hofrat Dr. Z vom Landesschulrat für OÖ. auszudrucken. Nach seiner Meinung handle es sich dabei nicht um einen privaten Brief.
RL. S bestätigte mit seiner Zeugenaussage die Angaben in der Meldung der Direktion der HS M vom 18. April 1996, Zl. 219/96.
Da HOL. H den Vorwurf nicht bestritten hat und auch aus der Zeugenaussage von RL. S in Verbindung mit der bereits zitierten Meldung des Direktors der HS M zweifelsfrei hervorgeht, dass der Beschuldigte am 18.4.1996 zweimal, und zwar von 9.05 Uhr bis 9.08 Uhr und von 9.10 Uhr bis 9.15 Uhr den Unterricht verließ, um einen Brief auszudrucken, hat der Beschuldigte die vorgeschriebene Unterrichtszeit nicht eingehalten. Dabei macht es auch keinen Unterschied, wenn es sich bei dem Brief um eine dienstrechtliche Angelegenheit handelte, weil nach § 31 LDG 1984 die Unterrichtszeit lückenlos einzuhalten ist. Ein Verstoß gegen diese Dienstpflicht liegt daher vor.
Zu 3.:
HOL. H gab an, dass er diese siebente Einheit wegen eines Missverständnisses nicht gehalten habe. Er habe sich den Supplierplan angesehen und dabei aber übersehen, dass nur bei der achten Einheit, nicht aber auch bei der siebenten Einheit der Vermerk 'entfällt' eingetragen war. Er sei zwar von den Schülern auf unterschiedliche Aussagen über das Unterrichtsende an diesem Tag hingewiesen worden, habe aber diese Hinweise nicht zum Anlass genommen, noch einmal im Supplierplan nachzusehen.
HD. Ma bestätigte mit seiner Zeugenaussage, dass HOL. H diese Unterrichtseinheit nicht gehalten hat und gab ferner an, dass die Schüler ruhig in der Garderobe verweilten, so als ob sie den Auftrag hatten, nicht aufzufallen.
Es ist also zweifelsfrei als erwiesen anzunehmen, dass HOL. H bei gehöriger Aufmerksamkeit diese Unterrichtseinheit nicht entfallen lassen hätte. Er hat deshalb diese Dienstpflichtverletzung zumindest grob fahrlässig begangen. Ein Verstoß gegen die §§ 31 und 35 Abs. 1 LDG 1984 liegt daher vor.
Zu 4.:
HOL. H gab an, dass der Schüler W mit dem Sessel geschaukelt habe. Nach der zweiten oder dritten Ermahnung habe er ihn zum Stehen aufgefordert. Der Schüler habe auch im Stehen schreiben müssen. Wie lange er stehen müsste, konnte der Beschuldigte nicht angeben. Er gab weiters an, dass er den Schüler deshalb stehen lassen habe, weil durch das Schaukeln mit Sesseln der Marktgemeinde M als Schulerhalter ein Schaden erwachse und die Marktgemeinde schon viele Hunderttausend Schilling für die Bestuhlung der Hauptschule ausgegeben habe.
HOL. Josef W, der Vater von W, gab als Zeuge an, dass sein Sohn etwa eine halbe Stunde lang stehen müssen habe. W gab an, dass er von HOL. H ermahnt worden sei, mit dem Sessel schaukeln aufzuhören. Nachdem er weitergeschaukelt hatte, wurde er aufgefordert, aufzustehen und musste im Stehen auch ein Beispiel rechnen. Wie lange er insgesamt stehen musste, konnte er nicht mehr angeben.
Aus der Meldung von HOL. W, dessen Zeugenaussage und der Aussage seines Sohnes sowie der Aussage des Beschuldigten selbst ist als erwiesen anzunehmen, dass der elfjährige W wegen Sesselschaukeln etwa eine halbe Stunde lang stehen und im Stehen eine schriftliche Arbeit verrichten musste. Wegen des Alters des Schülers ist dieses halbstündige Stehenlassen in Verbindung mit dem Auftrag, eine schriftliche Arbeit zu verrichten, als körperliche Züchtigung anzusehen, was nach § 47 Abs. 3 SchUG verboten ist. Die Rechtfertigung des Beschuldigten ist in keiner Weise geeignet, ihn zu entlasten."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Umfang "der disziplinarrechtlichen Verurteilung und Verhängung der Kosten des Disziplinarverfahrens" in Rechten verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid in diesem Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Beschwerdeführer erstattete zu dieser Gegenschrift den Schriftsatz vom 17. Jänner 1999.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zum Schuldspruch Spruchabschnitt I./1.:
Der Beschwerdeführer hat zu dieser Anschuldigung (Tatzeit 18. April 1996) ausdrücklich Verjährung eingewendet. Schon mit diesem Vorbringen ist er im Recht.
Gemäß § 72 Abs. 1 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz (LDG 1984) darf ein Landeslehrer wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden, wenn gegen ihn nicht
1. innerhalb von sechs Monaten, gerechnet von dem Zeitpunkt, zu dem die Dienstpflichtverletzung der zur Durchführung des Disziplinarverfahrens berufenen Behörde zur Kenntnis gelangt ist, oder
2. innerhalb von drei Jahren, gerechnet von dem Zeitpunkt der Beendigung der Dienstpflichtverletzung,
eine Disziplinarverfügung (§ 100) erlassen oder ein Disziplinarverfahren eingeleitet (§ 92) wurde. Sind von der landesgesetzlich hiezu berufenen Behörde vor Einleitung des Disziplinarverfahrens im Auftrag der Disziplinarkommission notwendige Ermittlungen durchzuführen (§ 92 Abs. 1 zweiter Satz), verlängert sich die unter Z. 1 genannte Frist um sechs Monate.
§ 78 LDG 1984 regelt die Disziplinaranzeige. Nach dem Abs. 1 dieser Gesetzesstelle hat der Vorgesetzte jeden begründeten Verdacht einer Dienstpflichtverletzung unverzüglich zu melden, wenn nach seiner Ansicht eine Belehrung oder Ermahnung nicht ausreicht. Nach dem Abs. 2 leg. cit. hat die landesgesetzlich hiezu berufene Behörde die zur vorläufigen Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Erhebungen zu pflegen und bei Verdacht einer Dienstpflichtverletzung Disziplinaranzeige die zur Durchführung des Disziplinarverfahrens zuständige Behörde zu erstatten. Dies gilt nicht,
1. wenn mit einer Belehrung oder Ermahnung des Landeslehrers das Auslangen gefunden werden kann,
2.
wenn eine Disziplinarverfügung (§ 100) erlassen wird,
3.
solange nach Abs. 4 vorzugehen ist oder
4.
wenn nach Abs. 5 vorzugehen ist.
Von der Erlassung einer Disziplinarverfügung oder der Erstattung bzw. Weiterleitung einer Disziplinaranzeige kann zufolge Abs. 5 dieser Gesetzesstelle abgesehen werden, wenn das Verschulden geringfügig ist und die Folgen der Dienstpflichtverletzung unbedeutend sind. Auf Verlangen des Landeslehrers ist dieser hievon formlos zu verständigen.
§ 100 LDG 1984 regelt die Disziplinarverfügung. Hat der Landeslehrer einem Vorgesetzten oder der landesgesetzlich hiezu befugten Behörde eine Dienstpflichtverletzung gestanden, so kann die landesgesetzlich hiezu befugte Behörde nach dieser Gesetzesstelle hinsichtlich dieser Dienstpflichtverletzung ohne weiteres Verfahren schriftlich eine Disziplinarverfügung erlassen. Die Disziplinarverfügung ist auch dem Disziplinaranwalt zuzustellen. In der Disziplinarverfügung darf nur der Verweis ausgesprochen oder eine Geldbuße bis zur Höhe von 10 v.H. des Monatsbezuges - unter Ausschluss der Kinderzulage -, auf den der Landeslehrer im Zeitpunkt der Erlassung der Disziplinarverfügung Anspruch hat, verhängt werden.
Gemäß § 5 Abs. 1 des oberösterreichischen Landeslehrer-Diensthoheitsgesetz 1986 (O.ö. LDHG 1986) obliegt dem Bezirksschulrat hinsichtlich der Landeslehrer für Volks-, Haupt- und Sonderschulen sowie für Polytechnische Lehrgänge unter anderem die Ausübung der folgenden Befugnisse:
j) Die Vornahme von Erhebungen und die Erstattung der Disziplinaranzeige gemäß § 78 Abs. 2 LDG 1984;
k) die Verfügung der vorläufigen Suspendierung gemäß § 80 Abs. 1 LDG 1984;
l) die Durchführung notwendiger Ermittlungen gemäß § 92 Abs. 1 LDG 1984 im Auftrag der Disziplinarkommission bzw. Disziplinaroberkommission für Landeslehrer für allgemeinbildende Pflichtschulen;
m) die Erlassung einer Disziplinarverfügung gemäß § 100 LDG 1984 gegen einen Landeslehrer, der vor seinem unmittelbaren Dienstvorgesetzten oder vor der Dienstbehörde eine Dienstpflichtverletzung gestanden hat, sowie die Mitteilung des rechtzeitig erhobenen Einspruches gemäß § 101 LDG 1984 an die Disziplinarkommission im Hinblick auf § 92 Abs. 1 LDG 1984.
Nach der dargestellten Rechtslage hat somit der nach Art. 14 Abs. 4 lit. a B-VG berufene Landesgesetzgeber für Oberösterreich dem Bezirksschulrat unter anderem die Kompetenz zur Erlassung von Disziplinarverfügungen gemäß § 100 LDG 1984 eingeräumt und derart auch den Bezirksschulrat zur Disziplinarbehörde im Sinne des § 72 Abs. 1 Z. 1 LDG 1984 gemacht. Die sechsmonatige Verjährungsfrist im Sinne dieser Gesetzesstelle beginnt daher ab dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Dienstpflichtverletzung durch den Bezirksschulrat zu laufen (vgl. hiezu mit ausführlicher Begründung zur vergleichbaren Rechtslage im Land Burgenland das hg. Erkenntnis vom 16. November 1995, Zl. 93/09/0001).
Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten ist die Meldung der Direktion der Hauptschule M über die unter Anschuldigung I./1. vorgeworfene Dienstpflichtverletzung beim Bezirksschulrat Ried im Innkreis am 19. April 1996 eingelangt. Am 12. Juli 1996 erstattete der genannte Bezirksschulrat an die Disziplinarkommission die Disziplinaranzeige. Der zur Anschuldigung I./1. ergangene Beschluss über die Einleitung des Disziplinarverfahrens vom 20. November 1996 wurde dem Beschwerdeführer allerdings erst am 28. November 1996 - sohin nach Ablauf der sechsmonatigen Verjährungsfrist - zugestellt. Nach der Aktenlage wurden auch keine Ermittlungen nach § 92 Abs. 1 zweiter Satz LDG 1984 durchgeführt.
Die belangte Behörde hat daher dadurch, dass sie den Schuldspruch hinsichtlich des Spruchabschnittes I./1. bestätigte, statt die Verjährung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen aufzugreifen und in diesem Umfang einen Freispruch nach § 87 Abs. 1 Z. 1 LDG 1984 auszusprechen, den angefochtenen Bescheid in diesem Umfang mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Auf die weiteren zu dieser Anschuldigung erstatteten Beschwerdeausführungen ist demnach nicht einzugehen.
2. Zum Schuldspruch Spruchabschnitt I./3.:
Der Beschwerdeführer macht hiezu geltend, er habe am 20. Jänner 1997 auf Grund eines Missverständnisses die siebente Unterrichtseinheit nicht gehalten und dem Hauptschuldirektor seinen Irrtum unverzüglich mitgeteilt. Er habe auch angeboten, die von ihm versäumte Unterrichtsstunde nachzuholen. Die seiner Entlastung dienenden Beweise, insbesondere die Einvernahme näher bezeichneter Zeugen, seien allerdings nicht berücksichtigt bzw. gar nicht aufgenommen worden.
Gemäß § 69 LDG 1984 sind Landeslehrer, die schuldhaft ihre Dienstpflichten verletzen, nach den Bestimmungen des Abschnittes VII. ("Disziplinarrecht") zur Verantwortung zu ziehen.
§ 31 LDG 1984 regelt die lehramtlichen Pflichten. Der Landeslehrer ist nach dieser Gesetzesstelle zur Erteilung regelmäßigen Unterrichts (Lehrverpflichtung) sowie zur Erfüllung der sonst aus seiner lehramtlichen Stellung sich ergebenden Obliegenheiten verpflichtet und hat die vorgeschriebene Unterrichtszeit einzuhalten.
§ 35 LDG 1984 regelt die Abwesenheit vom Dienst. Nach Abs. 1 dieser Gesetzesstelle hat der Landeslehrer, der vom Dienst abwesend ist, ohne vom Dienst befreit oder enthoben zu sein, den Grund seiner Abwesenheit unverzüglich zu melden und seine Abwesenheit zu rechtfertigen.
Der Beschwerdeführer hat nicht bestritten, dass er die siebente Unterrichtseinheit am 20. Jänner 1997 nicht gehalten hat. Er hat sich hinsichtlich dieser Verletzung seiner lehramtlichen Pflichten aber auf ein Missverständnis bzw. einen ihm unterlaufenen Irrtum berufen. Die belangte Behörde hätte sich daher mit dem Verschulden des Beschwerdeführers an der Verletzung seiner Dienstpflichten auseinandersetzen und bei ihren Feststellungen über das Verschulden des Beschwerdeführers nur auf das Rücksicht nehmen dürfen, was in der vor ihr durchgeführten mündlichen Verhandlung vorgekommen ist (vgl. § 95 Abs. 1 LDG 1984). Allein aus dem Umstand, dass am 20. Jänner 1997 die siebente Unterrichtseinheit versäumt wurde, kann nicht ohne weiteres gefolgert werden, der Beschwerdeführer habe deshalb auch schuldhaft gehandelt. Die Feststellung der näheren Umstände der Versäumung dieser Unterrichtseinheit ist nicht nur für die Beurteilung der angelasteten Dienstpflichtverletzung nach § 31 LDG 1984 bedeutsam, sondern zudem für die Beurteilung der weiteren Anschuldigung, der Beschwerdeführer habe es unterlassen, diese Dienstabwesenheit zu melden, von erheblicher Bedeutung, setzt dieser Vorwurf doch die Feststellung voraus, der Beschwerdeführer hätte bei gehöriger Aufmerksamkeit rechtzeitig das Bestehen dieser Meldepflicht erkennen können. Da der Sinn einer "unverzüglichen" Meldung gemäß § 35 Abs. 1 LDG 1984 darin besteht, auf den Ausfall eines Landeslehrers rechtzeitig durch entsprechende Vorsorgemaßnahmen zur Sicherstellung des reibungslosen Dienstbetriebes (Unterrichts) reagieren zu können (vgl. insoweit auch Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, 2. Auflage 1996, Seite 218) endete diese dem Beschwerdeführer vorgeworfene Verletzung der Meldepflicht jedenfalls mit dem Ablauf der siebenten Unterrichtseinheit am 20. Jänner 1997. Eine - aus welchem Grunde auch immer - erst nach dem Ende der siebenten Unterrichtseinheit erfolgte Meldung des Beschwerdeführers hätte nämlich Vorsorgemaßnahmen des Vorgesetzten nicht mehr zugelassen.
Die belangte Behörde hat zwar eine mündliche Verhandlung, in der auch Beweise aufgenommen wurden, durchgeführt, sie hat aber keine Feststellungen zum Verschulden des Beschwerdeführers im angefochtenen Bescheid getroffen. Insoweit im angefochtenen Bescheid zu dieser Anschuldigung auf das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis verwiesen wird, hat die belangte Behörde nicht berücksichtigt, dass sie auf Grund des zufolge § 95 Abs. 1 LDG 1984 geltenden Unmittelbarkeitsgrundsatzes in ihrem Disziplinarerkenntnis nur auf das Rücksicht zu nehmen hatte, was in der (vor ihr durchgeführten) mündlichen Verhandlung vorgekommen ist. Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang auch festzuhalten, dass die im erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis zum Verschulden des Beschwerdeführers getroffenen Feststellungen unvollständig und unschlüssig sind, werden darin doch bloß die - jedenfalls nicht übereinstimmenden - Aussagen des Beschwerdeführers und seines Vorgesetzten referiert und danach lapidar und begründungslos als "erwiesen angenommen", der Beschwerdeführer hätte bei gehöriger Aufmerksamkeit die Unterrichtseinheit nicht entfallen lassen. Dass bzw. aus welchem Grund die vom Beschwerdeführer zu seiner Entlastung angebotenen Beweise (Einvernahme von Zeugen) unerheblich wären, hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht dargelegt.
Die belangte Behörde hat daher dadurch, dass sie den Schuldspruch hinsichtlich des Spruchabschnittes I./3. bestätigte, ohne sich mit dem Verschulden des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen und in dieser Hinsicht den Sachverhalt im angefochtenen Bescheid festzustellen, diesen mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
3. Zum Schuldspruch Spruchabschnitt I./4.:
Mit dem Verhandlungsbeschluss vom 9. Juli 1997 wurde dem Beschwerdeführer unter anderem als Anschuldigung 7. zur Last gelegt, er habe am 28. Februar 1997 eine Dienstpflichtverletzung nach § 47 Abs. 3 SchUG dadurch begangen, dass er in der vierten Einheit in der 1a Klasse der HS M in der Supplierstunde in Mathematik den Schüler W als Strafe etwa eine halbe Stunde lang habe stehen und in nach vorne gebeugter Haltung schriftlich Arbeiten habe verrichten lassen.
§ 47 Abs. 3 Schulunterrichtsgesetz (SchUG) lautet:
Körperliche Züchtigung, beleidigende Äußerungen und Kollektivstrafen sind verboten.
Gemäß § 93 Abs. 3 LDG 1984 sind im Verhandlungsbeschluss die Anschuldigungspunkte bestimmt zu bezeichnen.
Das Disziplinarerkenntnis hat zufolge § 95 Abs. 2 LDG 1984 auf Schuldspruch oder auf Freispruch zu lauten und im Falle eines Schuldspruches, sofern nicht nach § 73 Abs. 3 oder § 83 von einem Strafausspruch abgesehen wird, die Strafe festzusetzen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat (vgl. etwa die zum Bereich des BDG 1979 ergangenen hg. Erkenntnisse vom 31. Mai 1990, Zl. 86/09/0200, vom 5. April 1990, Zl. 89/09/0131, und vom 30. Oktober 1991, Zlen. 91/09/0138, 0139) ergibt sich aus dieser Rechtslage, dass über eine dem Disziplinarbeschuldigten zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung, die nicht im Verhandlungsbeschluss bezeichnet wurde, die daran gebundenen Disziplinarbehörden nicht urteilen dürfen.
Aus dem Begriff der Anschuldigung folgt, dass in einem Verhandlungsbeschluss anzugeben ist, welche Dienstpflichten der Beschuldigte im einzelnen durch welches Verhalten verletzt haben soll, also welchen gesetzlichen Bestimmungen der angeführte Sachverhalt zu unterstellen sein wird. Will die Disziplinarkommission (erster Instanz) in der mündlichen Verhandlung Anschuldigungspunkte einbeziehen, die nach Fällung des Verhandlungsbeschlusses bekanntgeworden sind, oder die im Verhandlungsbeschluss nicht angeführt waren, so kann sie das nur, indem sie einen neuerlichen ergänzenden Verhandlungsbeschluss fällt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. November 1987, Zl. 87/09/0069).
Die Fassung eines weiteren Verhandlungsbeschlusses, um die Durchführung des Disziplinarverfahrens bezüglich solcher Verletzungen von Dienstpflichten zu ermöglichen, die im bisherigen Verhandlungsbeschluss nicht angeführt waren, fällt in die Zuständigkeit der Disziplinarkommission (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 11. April 1984, Zl. 83/09/0226, und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 21. März 1968, VfSlg. Nr. 5694).
Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür vor, hat der Landeslehrer gemäß § 92 Abs. 2 LDG 1984 einen Rechtsanspruch auf Freispruch bezüglich einer ihm im Anschuldigungspunkt des Verhandlungsbeschlusses zur Last gelegten Tat. Ein Schuld- oder Freispruch muss immer auf bestimmte "Anschuldigungspunkte" bezogen sein; diese sind in dem die Disziplinarsache erledigenden Spruch des Disziplinarerkenntnisses aufzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 1993, Zl. 92/09/0352).
Für den Beschwerdefall bedeutet dies, dass der Beschwerdeführer mit der zu Spruchpunkt I./4. getroffenen Entscheidung der belangten Behörde, "Freispruch vom Vorwurf der körperlichen Züchtigung", von der ihm als Anschuldigung 7. des Verhandlungsbeschlusses angelasteten Tat, er habe am 28. Februar 1997 eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 47 Abs. 3 SchUG begangen, freigesprochen wurde. Mit diesem Freispruch war aber dieser, eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 47 Abs. 3 SchUG betreffende Anschuldigungspunkt zur Gänze verbraucht. Die belangte Behörde hat bei ihrem eine Dienstpflichtverletzung nach § 47 Abs. 1 SchUG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 lit. b der Schulordnung betreffenden Schuldspruch nicht beachtet, dass eine derartige Anschuldigung nicht Gegenstand des Verhandlungsbeschlusses war. Ein ergänzender Verhandlungsbeschluss, der die Einbeziehung dieser von der belangten Behörde dem Beschwerdeführer erstmals angelasteten Dienstpflichtverletzung ermöglicht hätte, wurde von der zur Fassung eines ergänzenden Verhandlungsbeschlusses zuständigen Disziplinarkommission erster Instanz nicht gefasst.
Es war daher rechtswidrig, wenn die belangte Behörde den Beschwerdeführer wegen einer Tat schuldig gesprochen und bestraft hat, die ihm in dem den Gegenstand des Disziplinarverfahrens und die Zuständigkeit der Disziplinarkommission bei Fällung ihres Disziplinarerkenntnisses umgrenzenden Verhandlungsbeschluss nicht zur Last gelegt worden war. Durch einen erstmals im Berufungsverfahren erhobenen neuen Anschuldigungspunkt würde der Disziplinarbeschuldigte um eine Instanz verkürzt und in seinem Parteiengehör verletzt.
Würde - ungeachtet der bisherigen Ausführungen - die Zulässigkeit und Zuständigkeit der belangten Behörde zur Fällung eines Schuldspruches wegen der Dienstpflichtverletzung nach § 47 Abs. 1 SchUG in Verbindung mit der Schulordnung bejaht, wäre dieser Schuldspruch auch deshalb rechtswidrig und seine Aufhebung daher unvermeidlich, weil dem Beschwerdeführer dann nicht unter Hinweis auf § 41 Abs. 1 VwGG verwehrt werden könnte, in seiner Beschwerde zu dieser im angefochtenen Bescheid erstmals erhobenen Anschuldigung Vorbringen in seiner Beschwerde zu erstatten, mit dem die belangte Behörde sich aber nicht auseinandergesetzt hat.
Der Schuldspruch erweist sich somit aus den dargelegten Erwägungen insgesamt als rechtswidrig. Dies zieht auch notwendigerweise die Aufhebung des Straf- und Kostenausspruches nach sich.
Der angefochtene Bescheid war daher in seinem Schuld-, Straf- und Kostenausspruch gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 4. April 2001
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Unmittelbarkeitsprinzip Gegenüberstellungsanspruch Fragerecht der Parteien VwRallg10/1/2Parteiengehör Unmittelbarkeit Teilnahme an BeweisaufnahmenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1998090166.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
29.04.2010