S4 401.444-1/2008/2E
Erkenntnis
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde des S.W., 1985 geb., StA. von Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.8.2008, Zahl: 08 05.762, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 AsylG abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Der Asylwerber ist Staatsangehöriger von Afghanistan und eigenen Angaben zufolge etwa Mitte November 2007 von Afghanistan über Pakistan in den Iran und von dort weiter in die Türkei und schließlich mit einem Schlauchboot nach Griechenland gereist. Nach etwa 15-tägigem Aufenthalt in Griechenland (ohne Asylantragstellung oder sonstigem Behördenkontakt) reiste der Antragsteller auf dem Seeweg nach Italien und von dort letztlich weiter nach Österreich, wo er am 4.7.2008, dem Tag seiner Einreise ins Bundesgebiet, einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Mit e-mail vom 16.7.2008 (Aktenseite 113f des Verwaltungsaktes) ersuchte Österreich Griechenland um Rückübernahme des Asylwerbers. Griechenland hat mit e-mail vom 18.8.2008 (datiert: 14.8.2008) gem. Art. 18 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) die Aufnahme des Asylwerbers akzeptiert (AS 167).
Ausdrücklich hat Griechenland mitgeteilt, dass der Antragsteller bei Ankunft in Griechenland die Möglichkeit haben wird, einen Asylantrag zu stellen, falls er das wünscht (AS 167 vorletzter Satz).
Anlässlich seiner Erstbefragung nach dem Asylgesetz am 5.7.2008 vor dem Stadtpolizeikommando Villach erklärte der Asylwerber auf die Frage, was er über den Aufenthalt in Griechenland angeben könne, wörtlich: "Ich war versteckt und kann über dieses Land (Griechenland) nichts weiteres angeben" (AS 23).
Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 15.7.2008 erklärte der Antragsteller nach Vorhalt, dass Griechenland zur Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, dass er für eine Nacht in Athen, sonst für etwa 2 Wochen immer in Patras gewesen sei, die Polizei habe ihn nie kontrolliert. In Patras habe er mehrere tausend Flüchtlinge aus Afghanistan gesehen, es habe dort kein Trinkwasser, nichts zu essen und keine staatliche Unterstützung gegeben (AS 97f).
Im Rahmen seiner weiteren Einvernahme am 21.8.2008 führte der Asylwerber zusätzlich aus, dass er gesehen habe, dass viele Flüchtlinge von der Polizei grundlos verhaftet, inhaftiert, geschlagen und misshandelt worden seien (AS 177).
Mit Bescheid vom 22.8.2008, Zahl: 08 05.762, wurde der Antrag auf internationalen Schutz gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und wurde Griechenland gemäß Art. 10 Abs. 1 iVm Art. 18 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) für zuständig erklärt. Gleichzeitig wurde der Asylwerber aus dem Bundesgebiet nach Griechenland ausgewiesen.
Die Erstbehörde traf in diesem Bescheid Feststellungen zur Versorgung von Asylwerbern und zum Zugang zum Asylverfahren nach einer "Dublin Überstellung", die sich zum Teil auf das Ergebnis einer Fact Finding Mission der schwedischen Migrationsbehörde von April 2008 und einem diesbezüglichen Bericht vom 7.5.2008 stützen. In ihrer Beweiswürdigung stützt sich die Erstbehörde auch auf diese Quellen und zieht daraus sinngemäß den Schluss, dass dem Beschwerdeführer jedenfalls der Zugang zum Asylverfahren offen stehe, die Grundversorgung gewährleistet sei und keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit bestehe, dass der Asylwerber im Falle seiner Überstellung nach Griechenland dort eine Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung zu gewärtigen hätte.
Gegen diesen Bescheid hat der Asylwerber fristgerecht Beschwerde erhoben.
Die gegenständliche Beschwerde samt erstinstanzlichem Verwaltungsakt langte der Aktenlage nach am 11.9.2008 beim Asylgerichtshof ein.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.
Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.
§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:
(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über
Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und
Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.
(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.
(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen
1. zurückweisende Bescheide
a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;
b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5
c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und
2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung
(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.
Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.
Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.
Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.
Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.
Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.
Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der 1. Säule der Europäischen Union (vgl. Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.
Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs 1 Dublin II VO) Kriterien der Art. 6-12 bzw. 14 und Art. 15 Dublin II VO, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.
Zunächst ist auszuführen, dass eine Zuständigkeit Griechenlands gemäß Art. 10 Abs. 1 erster Satz Dublin II VO kraft Ersteinreise in der Europäischen Union besteht. Griechenland hat mit e-mail vom 18.8.2008 (datiert: 14.8.2008) seine Zuständigkeit ausdrücklich akzeptiert. Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben und ist diese im Verfahren nicht bestritten worden.
Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl. auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006, Zl. 2005/20/0444). Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei.
Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.
Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs 2 Dublin II VO zwingend geboten sei.
Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich richtigerweise an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).
Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs 1 lit. e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO, K13. zu Art 19 Dublin II VO).
Weiterhin hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:
Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts entstehen.
Zur effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Gemeinschaftsrechts verpflichtet.
Der Verordnungsgeber der Dublin II VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II VO), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen, diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und aus Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II VO umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO², K8-K13. zu Art. 19).
Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat jüngst festgestellt, dass die Rechtsschutz des Gemeinschaftsrechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).
Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären. Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte, als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten wäre jedenfalls gemeinschaftsrechtswidrig.
Sohin ist zu prüfen, ob der Asylwerber im Falle der Zurückweisung seines Asylantrages und seiner Ausweisung nach Griechenland gem. §§ 5 und 10 AsylG - unter Bezugnahme auf seine persönliche Situation - in seinen Rechten gem. Art. 3 EMRK (eine Verletzung seiner Rechte gem. Art. 8 EMRK wurde seitens des Antragstellers nicht behauptet und liegen auch keinerlei Anhaltspunkte hiefür vor, da der Asylwerber keine Verwandtschaft in Österreich hat) verletzt werden würde, wobei der Maßstab des "real risk" anzulegen ist.
In casu hat Griechenland ausdrücklich mitgeteilt, dass der Asylwerber (der in Griechenland noch keinen Asylantrag gestellt hat) im Falle seiner Überstellung nach Griechenland einen Asylantrag stellen kann, falls er dies wünscht. Zweifel am Zugang zu einem Asylverfahren liegen daher nicht vor.
Zu seinem Vorbringen in Bezug auf Griechenland fällt auf, dass der Asylwerber dieses im Laufe seiner mehreren Einvernahmen stetig gesteigert hat: so gab er ursprünglich an, dass er über dieses Land überhaupt nichts sagen könne, später (bei der nächsten Einvernahme) behauptete er, dass tausende Flüchtlinge keinerlei staatliche Unterstützung bekommen hätten, und steigerte sein Vorbringen (bei der dritten Einvernahme) schließlich dahingehend, dass in Griechenland viele Flüchtlinge von der Polizei inhaftiert, geschlagen und misshandelt worden seien.
Es ist evident, dass seine letzten Ausführungen seiner ursprünglichen Erklärung massiv widersprechen. Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum ein Asylwerber auf die konkrete Nachfrage, was er über seinen Aufenthalt in einem Land angeben könne, keinerlei Angaben über seine Erfahrungen erstattet, wenn er tatsächlich eine Fülle von massiv negativen Erfahrungen gemacht hätte! Vielmehr erstatten nach der Erfahrung der Asylbehörden Asylwerber umgehend Angaben über negative Erlebnisse und kommen ihre ersten Ausführungen über ihre Erlebnisse regelmäßig der Wahrheit am nächsten. Bereits vor diesem Hintergrund relativieren sich die Behauptungen des Asylwerbers, dass "tausende" afghanische Flüchtlinge ohne jegliche Unterstützung geblieben wären, und konnte eine derartige Situation auch vom schwedischen Migrationsamt im Rahmen einer fact finding mission im April 2008 nicht festgestellt werden - vielmehr steht demnach die Aufnahme von Erwachsenen auf akzeptablem Niveau, wie bereits das Bundesasylamt im angefochtenen Bescheid ausgeführt hat.
Der Asylwerber hat den griechischen Behörden hingegen dadurch, dass er gar keinen Asylantrag gestellt hat, nicht einmal die "Chance" eingeräumt, ihm Unterstützung angedeihen zu lassen. Demgemäß sind seine handschriftlichen Beschwerdeausführungen (Übersetzung AS 281f), wonach er in Griechenland nur einmal täglich zu essen bekommen habe, nur einmal baden konnte und überhaupt keine Schlafstelle, kein Trinkwasser und WC gehabt habe, nicht geeignet, die Situation von registrierten Asylwerbern darzutun.
In diesem Zusammenhang kann auch der in der Beschwerde erhobene Vorwurf, dass sich die Ausführungen des Bundesasylamtes zur Versorgungslage auf veraltete Quellen beziehen, nicht geteilt werden. Vielmehr sind die allgemeinen in der Beschwerde zitierten Berichte, die sich auf die Jahre 2005, 2006 und 2007 oder auf die Situation Minderjähriger, ein solcher der Asylwerber nicht ist, beziehen, nicht geeignet, ein relevantes Bild über die aktuelle Versorgungslage in Griechenland - wie sie etwa im Rahmen der schwedischen fact finding mission vorgefunden worden ist - zu zeichnen.
Letztlich ist auszuführen, dass der Asylwerber auch angesichts der erstinstanzlichen Feststellungen, wonach Asylwerber in Griechenland für die Dauer des Verfahrens legal einer Arbeit nachgehen können (Seite 13 des angefochtenen Bescheides), mit seinem Vorbringen zur Versorgungslage keine maßgeblich wahrscheinliche Verletzung seiner Rechte gem. Art. 3 EMRK im Hinblick auf seine Existenz- und Unterbringungsmöglichkeiten darzutun vermag.
Soweit der Beschwerdeführer einwendet, dass in Griechenland Flüchtlinge von Polizisten geschlagen worden seien und er diesbezüglich auch Berichte von Hilfsorganisationen betreffend die Jahre 2005 und 2006 (AS 259-263), ins Treffen führt, vermag er damit kein real risk einer Verletzung seiner Rechte gem. Art. 3 EMRK im Falle seiner Überstellung nach Griechenland darzutun, da aus singulärem Fehlverhalten von einzelnen Organwaltern auf keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit geschlossen werden kann, dass ihm konkret solches im Falle seiner Überstellung widerfahren würde. Aktuelle Berichte, wonach "gleichsam jeder" Asylwerber (im Sinne einer und vergleichbar zur Judikatur des VwGH zur "extremen Gefahrenlage" und der diesbezüglichen Notwendigkeit von Refoulementschutz) in Griechenland Gefahr liefe misshandelt zu werden, sind nicht vorhanden.
Zur allgemeinen in der Beschwerde geübten Kritik des Asylwerbers an Griechenland ist unbestritten, dass UNHCR das Absehen von Überstellungen empfohlen hat und einige Berichte von NGO's ernste Kritik an verschiedenen Aspekten des griechischen Asylverfahrens und des Umgangs mit Asylwerbern üben. Im vorliegenden Fall hat sich (neben anderen aktuellen Quellen) aber die Erstbehörde auf das Ergebnis einer Fact Finding Mission der schwedischen Asylbehörde aus April 2008 gestützt. Zentral folgt daraus, dass bei Überstellungen nach der Dublin II VO ein tatsächlicher Zugang zum Asylverfahren besteht. Probleme des Zugangs zum Asylverfahren, wie sie sich etwa in anderen Berichten bei der Ersteinreise von Personen aus der Türkei nach Griechenland widerspiegeln, sind daher nicht relevant.
Da im konkreten Fall der Asylwerber in Griechenland erst einen Asylantrag stellen wird, falls er das wünscht, verbieten sich auch spekulative Erwägungen über dessen Ausgang und die Erfolgsaussichten des Beschwerdeführers. Auch der von der Erstinstanz herangezogene Bericht des Schwedischen Migrationsamtes bestätigt, dass das reale Risiko einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch eine Kettenabschiebung infolge Verstoßes gegen das Non-Refoulement Gebot nicht besteht. Dass gerade der Beschwerdeführer - bei dem Faktoren einer besonderen Vulnerabilität nicht bestehen - bei einer Rückkehr in eine aussichtslose Situation geraten würde, lässt sich aus der allgemeinen Berichtslage, bei aller Kritik an Einzelfällen, nicht ableiten.
Akut existenzbedrohende Krankheitszustände des Asylwerbers sind der Aktenlage nicht zu entnehmen, sodass aus medizinischer Sicht seiner Überstellung nach Griechenland kein Hinderungsgrund entgegensteht.
Im Ergebnis hat die vorgenommene Prüfung somit nicht ergeben, dass allgemein Überstellungen nach Griechenland nicht vorgenommen werden dürfen. Dies entspricht der Rechtsansicht der Europäischen Kommission (vgl Pressemitteilung vom 09.04.2008), ebenso wie der zitierten englischen Judikatur. Explizit gegenteilige Judikatur ist zum Entscheidungszeitpunkt aus keinem Mitgliedstaat bekannt (die norwegische Position beinhaltet ja lediglich eine Aussetzung von Entscheidungen im Zusammenhang mit einer näheren Prüfung der Berichtslage). In Ermangelung sonstiger individueller Gründe und relevanten individuellen Vorbringens des Beschwerdeführers erweist sich daher in diesem Fall das von der Erstbehörde beigeschaffte Tatsachensubstrat als ausreichend und die individuelle Beweiswürdigung als zutreffend. Zusammengefasst stellt daher eine Überstellung des Beschwerdeführers nach Griechenland keinesfalls eine Verletzung des Art. 3 EMRK und somit auch keinen Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes Österreichs nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO dar.
Spruchpunkt I der erstinstanzlichen Entscheidung war sohin bei Übernahme der Beweisergebnisse und rechtlichen Würdigung der Erstbehörde mit obiger näherer Begründung zu bestätigen. Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer bekämpften Ausweisung ist festzuhalten, dass das Bundesasylamt eine korrekte Überprüfung im Sinne der Rechtsprechung vorgenommen hat. Den Ausführungen zu Spruchpunkt II des erstinstanzlichen Bescheides ist seitens des Asylgerichtshofes für den konkreten Fall somit ebenfalls zuzustimmen.
Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.