TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/16 B10 227911-0/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.09.2008
beobachten
merken
Spruch

B10 227.911-0/2008/14E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Stefan HUBER gemäß § 61 iVm § 75 Abs. 7 Z 1 Asylgesetz 2005, BGBl I 2005/100 idF BGBl. I 2008/4, (AsylG) und 66 Abs. 4 AVG, über die Beschwerde des O.E., geb. 00.00.1976, StA. Nigeria, zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde von O.E. vom 18.04.2002 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.03.2002, Zahl: 01 15.259-BAW, wird gemäß § 7 AsylG abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von O.E. nach Nigeria zulässig ist.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Der Berufungswerber (in der Folge Beschwerdeführer genannt) behauptete im Zuge des Asylverfahrens Staatsangehöriger von Nigeria und am 02.07.2001 illegal in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Am selben Tag stellte er einen Antrag auf Gewährung von Asyl, woraufhin er am 02.07.2001 und am 21.03.2002 im Beisein eines geeigneten Dolmetschers der englischen Sprache niederschriftlich einvernommen wurde. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass er bei einer Kirche, eigentlich eine Sekte, in N., gearbeitet hätte. Der Kirchenvorsteher hätte E. geheißen. Diese Sekte hätte 200 Mitglieder gehabt. Er sei dort seit Juni 1999 ein Wächter von insgesamt 20 gewesen. 10 der Wächter seien im September und Oktober 2000 von den Bakassi Boys ermordet worden. Damals hätte er nicht mehr für die Kirche gearbeitet, da er gerüchteweise gehört hätte, dass die Kirche nicht in Ordnung sei, weshalb er sich in Port Harcourt versteckt habe.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Wien, vom 27.03.2002, Zahl: 01 15.259-BAW, wurde der Antrag auf Gewährung von Asyl gemäß § 7 AsylG abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt. Begründend wurde dazu ausgeführt, dass das behauptete Arbeitsverhältnis aufgrund widersprüchlicher Beschäftigungszeiten nicht glaubhaft sei. Dazu hätte er widersprüchliche Angaben zum Verlassen seines Wohnortes und seines familiären Umfeldes getätigt.

 

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht berufen und im Wesentlichen vorgebracht, dass er bei der Einvernahme nervös gewesen sei und er auch die genauen Zeitpunkte nicht mehr in Erinnerung gehabt hätte.

 

Am 15.01.2003 wurde der Beschwerdeführer im Rahmen des Dubliner Übereinkommens von der BR Deutschland rücküberstellt.

 

Mit Schreiben der BPD Wien vom 26.05.2006 wurde mitgeteilt, dass über den Beschwerdeführer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängt wurde.

 

Der unabhängige Bundesasylsenat hat eine mündliche Verhandlung am 24.04.2008 durchgeführt. Das Bundesasylamt, Außenstelle Wien, nahm an dieser nicht teil. Im Rahmen dieser Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Einvernahme des Beschwerdeführers als Partei sowie durch Einsicht und Erörterung folgender Unterlagen:

 

Gutachten zu Nigeria - Dr. SCHMIDT-GRÜBER, Frage 33.

 

Bericht des Auswärtigen Amtes - 2007 - Seiten 17/18 und 25

 

Der Ablauf der in Rede stehenden Verhandlung gestaltete sich im vollen Umfang wie folgt (VL = Verhandlungsleiter, BW = Berufungswerber, nunmehr Beschwerdeführer):

 

BW möchte in deutscher Sprache einvernommen werden. Sollte es bei bestimmten Wörtern Schwierigkeiten geben, wird in englischer Sprache übersetzt werden.

 

VL: Was befürchten Sie 2008 in Nigeria?

 

BW: Ich weiß es nicht. Es ist schon länger her, seitdem ich nach Österreich kam. Ich weiß nicht mehr, wie es um Nigeria steht. Trotzdem fürchte ich mich noch. Selbst wenn das System in Nigeria so bleibt, wie es ist. In Nigeria haben wir nicht solch ein System, wie hier in Europa. Es ist extrem korrupt. Es funktionieren die Gesetze anders. Manchmal kennt Nigeria mein Recht, aber man bekommt dieses nicht.

 

VL: Wie heißt der Vater?

 

BW: O.I..

 

VL: Ist Ihr Vater verstorben oder lebt er?

 

BW: Er ist verstorben.

 

VL: Wann war das?

 

BW: Okt. 2000.

 

VL: Wie kam es zu dem Widerspruch vor dem BAA?

 

BW: Am 02.07.2001 war beim ersten Mal meine Angabe. In der Berufung habe ich März angegeben.

 

VL wiederholt die Frage. Die Frage wird in englischer Sprache übersetzt.

 

BW: Es ist schon lange her, ich kann mich daran nicht mehr erinnern. Ich möchte auch darüber nicht mehr gerne sprechen.

 

VL: Hat der Tod Ihres Vaters etwas mit Ihrer Verfolgungssituation zu tun?

 

BW: Als mein Vater starb, hatte ich meine eigenen Probleme.

 

VL: Warum wollen Sie sich nicht an den Todeszeitpunkt Ihres Vaters erinnern?

 

BW: Wenn ein Kind schreckliche Ereignisse in der Heimat hat, will es nicht mehr erinnert haben.

 

VL: Sie waren zum Zeitpunkt des Todes Ihres Vaters kein Kind mehr.

 

BW: Nein, aber ich habe das Kind noch immer in mir, auch wenn ich nicht wie ein Baby getragen wurde.

 

VL: Ich habe auch schon schriftlich bei Ihnen angefragt - wie kam es zu den Geburtsurkunden und Ledigkeitsbescheinigungen, die Sie in Österreich vorgelegt haben?

 

Die Frage wird in englischer Sprache übersetzt.

 

BW: Ich habe sie aus Nigeria bekommen, da ich selbst nicht nach Nigeria kommen konnte, haben sie das für mich organisiert.

 

VL: Wen meinen Sie mit sie? Die Frage wird in englischer Sprache übersetzt.

 

BW: Mein Onkel aus Nigeria.

 

VL: Unterfertigt ist es mit dem Namen des Vaters? Wie geht das?

 

Die Frage wird in englischer Sprache übersetzt.

 

BW: Wir haben in Nigeria ein System. Mein Onkel ist in Nigeria, mein Vater nicht mehr. Wenn der Vater nicht mehr am Leben ist, muss sich die nächststehende Person um seine Familie kümmern. Mein Onkel ist wie ein Vater zu mir. Wir nennen ihn auch Vater.

 

VL: Wie heißt Ihr Onkel (Englisch)?

 

BW: P..

 

VL: Auf den Dokumenten steht der Name des Vaters (Englisch).

 

BW: Den Namen von I. ? Er hat als I. unterschrieben?

 

Da er im Namen von I. dort gesessen ist, hat er mit dem Namen meines Vaters unterschrieben.

 

VL: Wieso hat er nicht als Onkel bestätigt, dass Sie der Neffe sind (Englisch)?

 

BW: Es ist unsere Tradition. Er kümmert sich um uns wie ein Vater. Immer, wenn er von uns etwas bekommt, unterschreibt er auch mit dem Namen meines Vaters. Es ist so, als ob er wirklich mein Vater wäre.

 

VL: Wo wohnt der Onkel (Englisch)?

 

BW: In Lagos.

 

VL: Wieso sind Sie nicht nach Lagos gefahren (Englisch)?

 

BW: Weil er zur Familie gehört und wenn man nach mir sucht, wird man bei den Familienmitgliedern suchen.

 

VL: Wer sollte nach Ihnen suchen (Englisch)?

 

BW: Es waren die Bakassy-Boys.

 

VL: Die Bakassis sind nicht aktiv in Lagos (Englisch).

 

BW: Sie sind in Lagos nicht tätig, sie haben in Lagos Leute.

 

VL: Muss der Onkel sich nicht ausweisen, wenn er einen Eid leistet, dass er ihr Vater ist (Englisch)?

 

BW: Ich habe dazu keine Antwort.

 

VL: Warum bestätigte nicht Ihre Mutter, dass sie einen Sohn hat (Englisch)?

 

BW: Wie ich schon sagte, hängt es mit dem System zusammen. Wir haben verschiedene Kulturen. Auch wenn sie örtlich nicht sehr weit auseinander liegen, hat jedes Volk seine eigene Kultur. In unserer Kultur kümmert sich der Mann um solche Angelegenheiten. Der Mann und nicht die Frau sagt, was zu tun ist.

 

VL: Haben Sie eine Vollmacht zur AHDA (Englisch)?

 

BW: Damals ja.

 

VL: Haben Sie zu AHDA jetzt noch eine Vollmacht, der Verein kann nicht mehr gefunden werden (Englisch)?

 

BW: Damals, als AHDA mich vertreten sollte, bin ich zusammen mit meiner Frau in dessen Büro gewesen. Wir haben uns alles angesehen. Wir haben das damals gemacht. Danach sagte er mir, mein Aufenthaltsverbot wäre aufgehoben. Als ich herausfand, dass das nicht so war, wollte ich nichts mehr mit ihm zu tun haben, weil er mich angelogen hat.

 

VL: Besteht weiter das Aufenthaltsverbot (Englisch)?

 

BW: Ja, ich war im Büro des BMI. Dort erfuhr ich, dass das Aufenthaltsverbot bis 2011 gilt.

 

VL: Wann waren Sie dort (Englisch)?

 

BW: Es war im Januar 2008.

 

VL: Lt. Informationen aus 2006 ist der Berufung schon stattgegeben worden gegen das Aufenthaltsverbot und die Angelegenheit an die Erstinstanz zurückverwiesen wurde. Haben Sie nichts Schriftliches von diesem Aufenthaltsverbot?

 

BW: Es wurde Ihnen nichts geschickt. Ich habe auch nichts bekommen.

 

VL: Gaben Sie die Adresse Ihres Vertreters bei der Fremdenpolizei an (Englisch)?

 

BW: Wir gingen zusammen in das Büro des BMI. Nach dem Gespräch sagte er, er würde sich mit den Behörden in Verbindung setzen.

 

VL: Ich habe Sie angeschrieben wegen der Geburtsurkunde und die AHDA hat mir geantwortet. Ist der Inhalt des Schreibens richtig(Englisch)?

 

BW: Ich weiß nichts über dieses Schreiben. Sie haben mir davon keine Kopie geschickt.

 

VL: Sie müssten mit meinem Schreiben bei der AHDA gewesen sein. Sonst hätten mir diese nicht zurück geschrieben (Englisch).

 

BW überlegt: Wann war das Schreiben?

 

VL: Ich habe Sie am 11.03.2004 angeschrieben, dass Ihr verstorbener Vater Bestätigungen ausgestellt hat, ich bekam am 12.03.2004 von der AHDA Antwort (Englisch).

 

BW: Ja, ich kann mich erinnern. Damals ging ich zu V. mit diesem Brief. Ich erzählte ihm, worum es geht. Er sagte, es sei kein Problem. Er würde mir helfen, der Behörde zu erklären, wie das System in Nigeria funktioniert.

 

VL: Gab es mit V. Verständigungsschwierigkeiten (Englisch)?

 

BW: Die Schwierigkeit lag daran, dass ich V. alles bezahlt habe, was er von mir verlangt hat und er mir versprochen hat, dass alles in Ordnung gehen wird. Damals habe ich auch meiner Frau gesagt, dass alles in Ordnung ist und dass V. alles arrangierte. Ich habe ihm vertraut.

 

VL: Gab es kommunikative Schwierigkeiten, wurde auf Deutsch oder Englisch mit ihm gesprochen (Englisch)?

 

BW: Wir haben uns in Englisch unterhalten.

 

Das erste Mal, als mir das verdächtig vorgekommen ist, war, als ich von ihm die Bestätigung vom Verwaltungsgericht verlangt habe und er gemeint ist, ich würde diese nicht brauchen. Ich könne zur Polizei gehen und sie würden mir dort auch eine Kopie geben. Es sei alles in Ordnung.

 

Damit fingen die Kommunikationsschwierigkeiten an. Ich hatte das ganze Geld bezahlt. Ich habe mit einem Freund gesprochen, der das gleiche Problem wie ich hat. Er hat auch in Österreich ein Aufenthaltsverbot. Er meinte, er hätte vom Verwaltungsgericht bekommen mit 3 Unterschriften.

 

Dann dachte ich, dass es mein Recht ist, wenn die Frage beantwortet worden ist, das Schreiben von V. zu bekommen.

 

Er meinte damals, ich könnte entweder zur Polizei oder zum BMI gehen. Deswegen bin ich damals zum BMI gegangen und ich habe die Antwort bekommen. Seitdem will ich mit ihm nichts mehr zu tun haben.

 

VL: Das war heuer (Englisch)?

 

BW: Das war 2006.

 

VL: Waren Sie nicht heuer beim BMI bzw. bei der Fremdenpolizei (Englisch) ?

 

BW: Ich war im Januar 2008 oder im Dez. 2007 beim BMI. Ich glaube aber eher, dass es im Januar 2008 war. Im Aug. 2006 war ich bei der Polizei.

 

VL: Irgendetwas haben Sie verwechselt. I.V. von der AHDA ist kein Anwalt und kann daher gar nichts beim Verwaltungsgerichtshof machen.

 

Wahrscheinlich meinen Sie, die Berufungserhebung bei der SID Wien wegen des Aufenthaltsverbotes, wo auch der Berufung stattgegeben wurde (Englisch).

 

BW: Ich weiß gar nicht, wer das gemacht hat. Wer hat der Berufung stattgegeben?

 

VL: Das macht die Sicherheitsdirektion (Englisch).

 

BW: Nachdem wir ein Gespräch mit der Fremdenpolizei hatten, meine Frau und ich, sagte uns Herr T., dass er nichts mehr für uns tun kann und dass von seiner Seite alles in Ordnung sei. Er meinte, V. würde sich bei uns später melden.

 

VL: Was ist mit der Vollmacht zum Strafverteidiger Dr. Rudolf MAYER. Ich habe für eine gewisse Zeit von diesem eine Vollmacht. Er vertrat Sie auch vor der Fremdenpolizei (Englisch)?

 

BW: R. MAYER war mein Anwalt, als ich 2001 im Gefängnis war.

 

VL: Vertrat er Sie nicht vor der Fremdenpolizei (Englisch)?

 

BW: Ja, er hat mir 2002 das Schreiben über das Aufenthaltsverbot geschickt.

 

VL: Hat Sie Dr. MAYER vor der Fremdenpolizei und nicht I.V. vertreten (Englisch)?

 

BW: Nach den 6 Monaten, die ich im Gefängnis verbrachte, erhielt ich das Schreiben von Dr. MAYER über mein Aufenthaltsverbot. Wir schrieben eine Berufung. 3 Monate später erhielt ich einen weiteren Brief.

 

VL: Von wem (Englisch) ?

 

BW: Von der Fremdenpolizei. Ich zeigte damals Dr. MAYER diesen Brief.

 

Er meinte, dass das 180 Euro kosten würde. Er sagte aber seiner Meinung nach, wenn wir dagegen berufen, werde ich in 1-2 Monaten das gleiche Schreiben bekommen.

 

Ich hatte damals kein Geld in der Tasche und habe überlegt, was ich tun sollte.

 

VL: In dem Schreiben der AHDA v. März 2004 wird ausgeführt, dass Ihr leiblicher Vater in Nigeria bestätigt hat, dass Sie sein Sohn sind (Englisch)?

 

BW: überlegt.

 

VL: Irgendwoher muss Herr I. diese Information haben (Englisch)?

 

BW: Ich weiß gar nicht, was er in diesem Schreiben geschrieben hat, weil er mir keine Kopien geschickt hat, um zu zeigen, was der Inhalt ist.

 

VL: Herr I. weist daraufhin, dass die Dokumente vor dem nigerianischen High-Court ausgestellt, vom nigerianischen Außenministerium genehmigt und von der nigerianischen Botschaft beglaubigt worden sind. Ich gehe daher davon aus, dass Ihr Vater lebt (Englisch).

 

BW: Ich muss V. befragen, weil ich nicht weiß, woher er diese Informationen hat.

 

VL: Wie schreibt man Ihren Vornamen genau (Englisch)?

 

BW: E. ist mein erster Vorname.

 

VL: Wie buchstabiert man M. (Englisch)?

 

BW: M..

 

VL: Wieso laufen Sie im Verfahren mit nur einem "R"? Sie gaben das am Anfang des Verfahrens an.

 

BW: Das ist ein PC-Fehler.

 

VL: Sie haben es handschriftlich angegeben. Sie haben 14 Jahre Schulbildung und geben Ihren Namen falsch an (Englisch)?

 

BW: Ich war damals das erste Mal in Österreich und vor der Polizei, ich war nervös und habe Fehler gemacht.

 

VL: Der Name des Vaters ist mit I. angegeben (Englisch)?

 

BW: I..

 

Bitte notieren Sie dessen Namen (s. Beilage 1).

 

BW: I..

 

VL: Waren Sie irgendwo im Ausland, bevor Sie nach Österreich kamen (Englisch) ?

 

BW: Ja, ich war 1990 in Deutschland. Ich war in Deutschland 3 Jahre, dann bin ich zurückgefahren nach Nigeria.

 

VL: Wie haben Sie in Deutschland geheißen (Englisch)?

 

BW: O.E..

 

VL: Dazu habe ich andere Informationen. Sie werden doch wissen, wie Sie sich in Deutschland nannten (Englisch)?

 

O.E..

 

VL: Kamen Sie von Deutschland nicht direkt nach Österreich (Englisch)?

 

BW: Nein.

 

VL: In Deutschland sind Sie einvernommen worden. Das ist Ihnen schon alles gesagt worden. Mich wundert, dass Sie das alles nicht mehr wissen (Englisch).

 

BW: Was zB ?

 

VL: Waren Sie während des anhängigen Asylverfahrens in Österreich jemals in Deutschland (Englisch) ?

 

BW: Ja, ich bin durchgefahren nach dem 2. Aufenthaltsverbot. Mein Anwalt sagte mir, dass ich keine Chance habe, also wollte ich aus Österreich flüchten.

 

VL: Wohin sind Sie gefahren (Englisch)?

 

BW: Ich wollte nach Italien. Ich wurde von der Grenzpolizei in Passau festgenommen.

 

VL: Sie wollten über Passau nach Italien (Englisch)?

 

BW: Ja.

 

VL: Ihnen wurde vorgehalten, dass Sie unter der Identität O.T., geb. 1968, in Deutschland aufhältig waren (Englisch)?

 

BW: Ja, das wurde mir im PC gezeigt. Sie stellten mir keine direkte Frage. Ich wollte wissen, was Sie meinen.

 

VL: Ich wollte wissen, was Sie in Deutschland angaben (Englisch).

 

BW: Ich kann mich nicht erinnern, was ich sagte.

 

VL: Dann waren Sie nochmals irgendwo im Ausland?

 

BW: Alle Informationen sind schon am Tisch. Ich bin schon seit 7 Jahren in Österreich und seit 4 Jahren verheiratet.

 

Wenn ich keine Chance in Österreich habe, dann soll man mir das sagen. Es hat keinen Sinn, von überall die Information zu sammeln.

 

VL: Ich kann Ihnen nur Asyl geben, wenn ich Ihnen die Geschichte glaube. Ich habe in diesem Verfahren nicht über die Ausweisung zu entscheiden.

 

Erörtert wird das Gutachten zu Nigeria - Dr. SCHMIDT-GRÜBER, Frage

33.

 

BW: Für mich sind das Nachrichten. Ich weiß aber nicht, wie die Realität ist. Sie haben vielleicht 1.300 Menschen oder so festgenommen.

 

Es wird aber nicht erwähnt, dass auf Grund von Überfüllung der Gefängnisse Insassen geholt und einfach erschossen werden.

 

Dem BW wird ein Bericht des Auswärtigen Amtes - 2007 - S 17/18, übersetzt.

 

BW: Darüber möchte ich keinen Kommentar abgeben. Es passieren auch viele Sachen, die schlimmer sind als das, was Sie gerade vorgelesen haben.

 

Dem BW wird der Bericht des Auswärtigen Amtes - 2007 - S 25, übersetzt.

 

BW: Es geht um Korruption. Ich wünsche mir, dass die Regierung und das Sicherheitssystem die Lage ändern, so dass es nicht jedem möglich ist, einen nigerianischen Reisepass zu bekommen, jeder, egal welcher Herkunft.

 

Auf Grundlage des durchgeführten Ermittlungsverfahrens werden seitens des Unabhängigen Bundesasylsenates folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria. Weiters konnte festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer am 02.07.2001 einen Asylantrag gestellt hat und englisch spricht.

 

Der Beschwerdeführer reiste im August 1990 nach Deutschland und stellte dort unter den Nationalen O.T., geboren 1968, einen Asylantrag. Im Sommer 1991 soll er einen weiteren Antrag unter den Nationalen O.E., geboren am 00.00.1965, gestellt haben. Im August 1994 will er mit einem gekauften Reisepass von Niger abermals in Deutschland eingereist sein.

 

Weiters wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 00.00.2001 gemäß §§ 27 (1) und 28 (2) U 3 SMG iVm § 15 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von sechs Monaten und einer bedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwölf Monaten rechtskräftig verurteilt wurde.

 

Nicht festgestellt werden konnten die Identität, der Fluchtweg sowie die behaupteten Fluchtgründe des Beschwerdeführers. Ebenso wenig seine Aufenthaltsorte zwischen 1991 und 2001.

 

Feststellungen zu Nigeria:

 

Werden Vigilantengruppen von staatlicher Seite bekämpft bzw. bietet der Staat Schutz vor Übergriffen dieser privaten Gruppen?

 

Antwort:

 

Alle militanten ethnischen Gruppen (Vigilante-Gruppen) sind per Dekret seit dem 18. Oktober 2000 durch die Regierung Obasanjo verboten. Auf Bundesebene hat zuletzt der Präsident verkündet, dass das Verbot der Gruppen wie OPC, Bakassi Boys etc. weiterhin besteht und man dieses auch durchsetzen wird (Artikel in "This Day" vom 31.03.2003).

 

Zielrichtung des Verbots ist aber nicht ihre Zerschlagung als solche, sondern die Bekämpfung der von ihnen ausgehenden Gewalt und kriminellen Aktivitäten. Gewaltlos agierende ethnische Organisationen sind von diesem Verbot nicht betroffen und können ihre Aktivitäten ohne jede Beeinträchtigung aufrechterhalten. Bereits nach den ethnischen Auseinandersetzungen zwischen Haussa und Yoruba in Lagos im November 1999 wurde von Präsident Obasanjo eine vielfach kritisierte "shoot at sight" (sofort schießen) Politik eingeführt, die sich zunächst auf die Bekämpfung von kriminellen Aktivitäten des OPC bezog. Hiernach sollte die Polizei Waffengewalt einsetzen, wenn sich OPC Mitglieder der Festnahme widersetzten. Diese Politik wurde bisher nicht zurückgenommen, aber auch nicht konsequent angewendet. Polizei und Militär gehen mit den zur Verfügung stehenden Mitteln gegen Übergriffe der Vigilante-Gruppen vor. Gewaltsame Übergriffe werden durch die Regierung weder geduldet noch unterstützt oder tatenlos hingenommen. Auch wenn der staatliche Schutz nicht ausreichend ist, um in jedem Fall Opfer zu vermeiden, können dem nigerianischen Staat diese Übergriffe nicht als mittelbare Verfolgung zugerechnet werden. Gegen mehrere führende Persönlichkeiten von ethnischen Gruppen sind Strafprozesse geführt worden. Bestätigte Angaben über die Anzahl inhaftierter, verurteilter und getöteter Mitglieder vigilanter Gruppen sind nicht zu erhalten. Die Zahlen, die von den Beteiligten und der Presse genannt werden, liegen zwischen einigen Dutzend bis mehreren Tausend Betroffener.

 

(Anfragebeantwortung Schmidt-Grüber, 05.10.2004)

 

Repressionen Dritter

 

Gewalt ist in der nigerianischen Gesellschaft alltäglich. Armut, mangelnde Bildung, Korruption der Staatsorgane und damit einhergehende Perspektivlosigkeit vor allem junger Männer bilden ideale Voraussetzungen für die Instrumentalisierung einer latenten Gewaltbereitschaft aus politischen, religiösen oder wirtschaftlichen Motiven.

 

In Lagos treiben nach einer Schätzung der Zeitung "Punch" ca. 35.000 arbeitslose junge Männer als so genannte "Area Boys" ihr Unwesen, indem sie von der lokalen Bevölkerung täglich etwa 1,2 Mio. __ Schutzgelder erpressen. Diese Gruppen können sich aus nichtigen Anlässen (Beleidigung, verlorenes Fußballspiel) zu größeren Mobs zusammenballen, um - oft mit ethnischem oder religiösem Vorwand - Plünderungen durchzuführen. In solchen Krisensituationen beschränkt sich die Polizei häufig darauf die Unruhen einzudämmen. Die "Area Boys" begehen Raubüberfälle und sind im Dogenhandel aktiv. Die Polizei und andere staatliche Stellen sind in die Machenschaften häufig eingebunden. Eine gewisse Anzahl der "Area Boys" gibt vor, der nigerianischen Transportarbeitergewerkschaft anzugehören. Diese soll kein ordnungsgemäßes Mitgliederverzeichnis führen.

 

Der Einsatz von Schlägertruppen und privaten Milizen zur Erreichung politischer oder wirtschaftlicher Ziele ist weit verbreitet. Vor und während der Wahlen 2007 kam es wiederholt zu teilweise massiven Vorfällen dieser Art (Einschüchterung und Bedrohung des politischen Gegners bis hin zu Körperverletzung und Totschlag, Störung von Wahlkampfveranstaltungen).

 

Die staatlichen Ordnungskräfte sind personell, technisch und finanziell nicht in der Lage, die Gewaltkriminalität zu kontrollieren. Zudem geht ein Teil der Kriminalität nach allgemeiner Auffassung auf das Konto der Polizei bzw. des Militärs selbst. Um der verunsicherten Bevölkerung ein gewisses Maß an Schutz angedeihen zu lassen, treten daher in den Regionen bestimmte Organisationen in Form von "ethnischen Armeen" in der Öffentlichkeit auf. Am bekanntesten sind die militante Yoruba-Organisation "Odua People's Congress" (OPC) im Südwesten und die "Bakassi Boys" (militante Ibos) im Südosten des Landes im Bundesstaat Anambra. Die "Bakassi Boys" benennen sich nach der inzwischen von Nigeria zu Gunsten von Kamerun geräumten Bakassi Halbinsel. Sie treten in mehreren großen Städten als private Sicherheitstruppen auf, bei denen die Einwohner gegen Zahlung eines Schutzgeldes "Sicherheit erkaufen" können. Von der Bevölkerung werden diese Gruppen dennoch teilweise unterstützt. Vor allem Händler und Kaufleute erwarten Schutz gegen Kriminalität und bewaffnetes Banditentum. Bei diesen außerhalb der Rechtsordnung stehenden privaten Milizen kommt es immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen auf Angehörige anderer ethnischer Gruppen oder vermeintliche Kriminelle. Sie werden oftmals nicht der Polizei zur Strafverfolgung übergeben, sondern in Selbstjustiz getötet. Die Behörden reagieren unterschiedlich auf diese Gruppen. Im Bundesstaat Lagos ging die Polizei gegen den OPC vor. Im Osten des Landes wurde die Existenz dieser Gruppen von einigen Gouverneuren begrüßt, und die Polizei arbeitet zum Teil mit ihnen zusammen. Bei einem Mordprozess gegen 4 Angehörige der "Bakassi Boys" Anfang Februar 2006 sprach die Vorsitzende Richterin der Staatsregierung des Bundesstaates Abia ausdrücklich das Recht ab, "illegalen Sicherheitsorganisationen" polizeiliche Rechte zu verleihen. Im Staat Anambra sind die "Bakassi Boys" als Bürgerwehr zwar offiziell verboten, werden aber gleichwohl geduldet und nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen von der Regierung des Bundesstaates als Verbrechensbekämpfungstruppe finanziert.

 

Ausweichmöglichkeiten

 

Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung oder Repression Dritter durch Umzug in einen anderen Teil Nigerias auszuweichen. Dies kann allerdings zu wirtschaftlichen und sozialen Problemen führen, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, in dem keine Mitglieder ihrer Familie, der erweiterten Verwandtschaft oder der Dorfgemeinschaft leben.

 

Angesichts der anhaltend schlechten Wirtschaftslage und der Bedeutung derartiger Bindungen in der nigerianischen Gesellschaft ist es schwierig, an Orten, in denen kein solches soziales Netz besteht, Fuß zu fassen. Für alleinstehende Frauen besteht zusätzlich die Schwierigkeit, bei Umzug in die Großstadt von der eigenen Großfamilie unter Druck gesetzt zu werden, mit der Folge, im Bedarfsfall keine wirtschaftliche Unterstützung zu erhalten.

 

Echtheit der Dokumente

 

Es ist in Nigeria aufgrund fehlenden Meldewesens und verbreiteter Korruption in den Passbehörden ohne weiteres möglich, sich einen nigerianischen Reisepass zu besorgen, der zwar formal echt ist, aber inhaltlich falsche Angaben enthält. Gefälschte Dokumente (Geburts- und Heiratsurkunden sowie Zeugnisse von Schulen und Universitäten), die aber oft nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen sind, sind zumindest in Lagos, aber wohl auch in anderen nigerianischen Städten ohne Schwierigkeiten käuflich zu erwerben. Diese Fälschungen werden immer besser und sind von echten Dokumenten kaum noch zu unterscheiden. Auch inhaltlich falsche Ledigkeitsbescheinigungen und Gerichtsurteile in Familiensachen kommen vor. Fälschungstypische Fehler sind dabei nicht aufzeigbar; die Urkunden müssen bei der vermeintlich ausstellenden Behörde überprüft werden.

 

Echte nigerianische Pässe werden auch ohne persönliche Vorsprache des Passinhabers ausgestellt. Aus diesem Grund ist es möglich, dass nigerianische Staatsangehörige in Deutschland einen neuen Pass vorlegen, in dem sich kein nigerianischer Ausreisestempel befindet. In solchen Fällen ist davon auszugehen, dass die Ausreise nicht mit diesem Pass stattgefunden hat. Obwohl solche Pässe nach Angaben des nigerianischen Außenministeriums ungültig sind, weil sie in Abwesenheit des Passinhabers ausgestellt wurden (so genannte Proxy-Pässe) führt die nigerianische Passbehörde (Nigerian Immigration Service, dem Innenministerium unterstehend) die Ausstellungspraxis fort. Nigerianische Passbehörden stellen zudem selbst bei Vorlage eines erkennbar ge- oder verfälschten Passes einen neuen, formal echten Pass mit den Personaldaten aus dem gefälschten Pass aus und stempeln den ge- bzw. verfälschten Pass lediglich ungültig, anstatt ihn einzuziehen.

 

(Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria des Auswärtigen Amtes vom September 2007, Punkt II.2, 3; V.2)

 

Diese Feststellungen gründen sich auf folgende Beweiswürdigung:

 

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger von Nigeria ist, ergibt sich aus seinen Sprach- und geographischen Kenntnissen. Das Datum der Asylantragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.

 

Die Feststellung zur rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Strafregisterauskunft.

 

Die Feststellungen zu den Bakassy Boys und zur Echtheit von nigerianischen Dokumenten ergeben sich aus den oben erwähnten Dokumenten. Der Beschwerdeführer ist mit seinen Äußerungen in der Verhandlung diesen Feststellungen nicht substantiiert entgegen getreten.

 

Hinsichtlich der Identität des Beschwerdeführers sei zunächst angemerkt, dass der Beschwerdeführer anlässlich seiner Asylantragstellung am 02.07.2001 schriftlich seinen zweiten Vornamen mit "M." angab, in der mündlichen Verhandlung mit "M.". Dies ist nach 14jähriger Schulbildung und zweijährigem Universitätsbesuch nicht nachvollziehbar, außer der Name entspricht nicht den Tatsachen.

 

Anlässlich seiner Aufgreifung im Bundesgebiet Deutschlands wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, dass er am 15.08.1990 in Braunschweig als O.T., geboren 1968 in N., als Asylwerber erkennungsdienstlich behandelt wurde. Dies wurde vom Beschwerdeführer damals zugestanden und von ihm auch weiter ausgeführt, dass er unter O.E., geboren 00.00.1965, einen weiteren Asylantrag in Karlsruhe gestellt habe, um seiner Abschiebung zu entgehen. Weiters dass er nach seiner Abschiebung mit einem falschen Reisepass von Niger 1994 wieder nach Deutschland eingereist und sofort wieder abgeschoben worden sei. Diese Angaben vor deutschen Behörden wollte der Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem UBAS trotz explizierter Fragestellung nicht bekanntgeben. Im Gegenteil echauffierte er sich, dass die Berufungsbehörde Informationen über ihn eingeholt hätte.

 

Abgesehen davon, dass die Identität aufgrund der vielen verschiedenen Angaben nicht nachvollziehbar ist, erscheint auch seine zweite Abschiebung gleich nach der Einreise 1994 nach Deutschland für nicht glaubhaft, da der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt aufgrund seiner Erfahrungen seines ersten Asylverfahrens in Deutschland sicher schon wusste, dass er mit einem Asylantrag seiner sofortigen Abschiebung entgehen kann. Immerhin hatte er ja behauptet einen zweiten Asylantrag unter O.E., geboren 00.00.1965, in Karlsruhe gestellt zu haben, um seine erste Abschiebung zu verhindern.

 

Wahrscheinlicher ist wohl, dass der Beschwerdeführer seit 1990 unter wechselnden Identitäten in Deutschland aufhältig war und am 02.07.2001 in das österreichische Bundesgebiet einreiste. Diese Vorgangsweise ist durchaus gängig und solche Personen verfügen auch - wie der Beschwerdeführer - über gute Deutschkenntnisse.

 

Somit würden die Fluchtgründe nicht den Tatsachen entsprechen, da der Beschwerdeführer zum Fluchtzeitpunkt nicht in Nigeria aufhältig war.

 

Auch aus folgenden Gründen erscheinen die Fluchtgründe als nicht nachvollziehbar:

 

Vor der Erstinstanz behauptete der Beschwerdeführer dass sein Vater Ende 2000 verstorben sei, in der mündlichen Verhandlung führte er eben so aus. Allerdings legte der Beschwerdeführer zur Vorbereitung seiner Verehelichung mit einer österreichischen Staatsbürgerin mehrere Dokumente seines Heimatlandes vor, in welchen sich im Juli 2003 ein gewisser O.I. als Vater des Beschwerdeführers ausgibt und dessen Ledigkeit bestätigt.

 

Auf schriftlichen Vorhalt gab die damalige Vertretung AHDA an, dass der leibliche Vater die genannten Bestätigungen einholte und der Stiefvater im Jahr 2000 verstorben sei.

 

Anlässlich der Verhandlung behauptete der Beschwerdeführer sein Onkel habe die Ledigkeits- und die Altersbestätigung in Nigeria besorgt. Auf Vorhalt der Name des Vaters scheine auf den Dokumenten auf, gab er an, sein Onkel habe mit dem Namen des Vaters unterschrieben. Da diese Bestätigungen allerdings vor dem High Court of Lagos State nach Schwur geleistet wurden, ist dies nicht nachvollziehbar. Die Dokumente und das diesbezügliche Vorbringen sind somit auch im Hinblick auf die Feststellungen zu nigerianischen Dokumenten offenkundig gefälscht bzw. unglaubwürdig (oder der Vater des Beschwerdeführers lebt noch, was das Vorbringen des Beschwerdeführers ebenso unglaubwürdig macht).

 

Auf Vorhalt der Widersprüche im erstinstanzlichen Verfahren gab der Beschwerdeführer nichts Nachvollziehbares von sich, so u.a. dass er den Todeszeitpunkt des Vaters verdrängt habe, da er ein Kind gewesen sei; auf Vorhalt, er war damals schon erwachsen, gab er an, er habe das Kind noch immer in sich.

 

In diesem Zusammenhang darf noch darauf hingewiesen werden, dass der Beschwerdeführer in Deutschland angab, 1968 bzw. am 00.00.1965 geboren zu sein. In Österreich gab er den 00.00.1976 als Geburtstag an.

 

Die detaillosen Fluchtgründe sind im übrigen in sich unschlüssig, da der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der angeblichen Verfolgung der Sekte durch die Bakassy Boys dieser gar nicht mehr angehörte. Die Beweiswürdigung der Erstinstanz, wonach das Vorbringen unglaubwürdig sei, wurde in der Beschwerde nur formularhaft, aber keineswegs substantiiert bekämpft.

 

Rechtlich folgt daraus:

 

Gemäß § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 sind "[A]lle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt."

 

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 sind Verfahren über Asylanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des AsylG idF BG BGBl. I 126/2002 zu führen.

 

Der Beschwerdeführer hat seinen Asylantrag vor dem 1. Mai 2004 gestellt; das Verfahren war am 31. Dezember 2005 anhängig; das Verfahren ist daher nach dem AsylG idF BG BGBl. I 126/2002 zu führen.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 Asylgesetz 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen; Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Da im vorliegenden Verfahren bereits vor dem 1. Juli 2008 eine mündliche Verhandlung vor dem nunmehr zuständigen Richter stattgefunden hat, ist von einer Einzelrichterzuständigkeit auszugehen.

 

Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Ad I.) Gemäß § 7 AsylG 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Artikel 1, Abschnitt A, Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne des AsylG 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiverweise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorherigen Aufenthalts zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende pro futuro zu erwartende Verfolgungsgefahr dar. Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.03.1999, 98/01/0352).

 

Auf Grund obiger Erwägungen wird dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit seiner Fluchtgründe abgesprochen, weshalb es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist eine Verfolgung im Herkunftsstaat glaubhaft zu machen und eine Asylgewährung aus diesem Grunde ausgeschlossen ist.

 

Selbst für den hypothetischen Fall, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers den Tatsachen entsprechen würde, ist für den Beschwerdeführer nichts gewonnen:

 

Aus den Feststellungen zu Nigeria, welche dem Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der erkennenden Behörde vorgehalten wurden, ergibt sich, dass ein Umzug innerhalb Nigerias als Ausweichmöglichkeit vor den "Bakassy Boys" möglich ist. Eventuell auftretende wirtschaftliche oder soziale Probleme sind im gegenständlichen Fall auszuschließen, da der Onkel des Beschwerdeführers, der die Heiratsdokumente des Beschwerdeführers besorgt haben soll, in Lagos - also weit entfernt von den Bakassy Boys - wohnt und daher im gegenständlichen Fall eine innerstaatliche Fluchtalternative bestünde.

 

Ad II.) Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I Nr. 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten; am 01.01.2006 ist gemäß § 126 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I Nr. 100/2005 [FPG]) das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass das jeweilige andere Bundesgesetz nunmehr auf die entsprechenden Bestimmungen des FPG verweist. Demnach wäre die Verweisung des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG - sofern man die Übergangsbestimmungen des § 75 Abs. 1 AsylG 2005, BGBI. I Nr. 100/2005 und in weiterer Folge des § 44 Abs. 1 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 nicht ohnedies als lex specialis zu § 124 Abs. 2 FPG 2005 begreift, womit die Verweisung des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG weiterhin aufrecht bliebe - nunmehr auf die "entsprechende Bestimmung" des FPG zu beziehen, di.

§ 50 FPG. Gemäß § 50 Abs. 1 FPG ist die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs. 2 und 4 FPG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder - mit einer für den vorliegenden Fall nicht in Betracht kommenden Einschränkung - Abschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 GFK), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Ob diese Verweisung auf § 50 FPG wirklich der Absicht des Gesetzgebers entspricht, obwohl Verfahren nach dem AsylG 1997 nur weiterzuführen sind, wenn der zugrundeliegende Antrag vor dem 01.01.2006 gestellt worden ist, braucht nicht weiter untersucht zu werden, da sich die Regelungsgehalte beider Vorschriften (§ 57 FrG und § 50 FPG) nicht in einer Weise unterscheiden, die für den vorliegenden Fall von Bedeutung wäre und sich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - unmittelbar oder mittelbar - auf § 57 FrG bezieht, insoweit auch auf § 50 FPG übertragen ließe.

 

Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FrG knüpft an jene zum inhaltsgleichen § 37 Fremdengesetz BGBl. 838/1992 an. Für § 57 Abs. 1 FrG i.d.F. BG BGBl I Nr. 126/2002 kann auf die Rechtsprechung zur Stammfassung dieser Bestimmung (BGBl I Nr. 75/1997) zurückgegriffen werden (VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059, VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573), mit der sie sich inhaltlich deckt (die Änderung diente nur der Verdeutlichung). Nach der Judikatur zu (§ 8 AsylG - nunmehr § 8 Abs. 1 AsylG - i.V.m.) § 57 FrG ist Voraussetzung einer Feststellung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Beschwerdeführer betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122, VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (z.B. VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294, VwGH 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438, VwGH 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427, VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.06.1997, 95/18/1291; 17.07.1997, 97/18/0336). Die Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).

 

Wie bereits ausgeführt, konnte der Beschwerdeführer seine Angaben nicht glaubhaft machen, womit es ihm nicht gelungen ist, die behaupteten, für eine drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe, konkret und in sich stimmig zu schildern, weshalb nach Ansicht der erkennenden Behörde der Schluss zu ziehen war, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 8 AsylG nach Nigeria zulässig ist.

 

Wie bereits dargelegt, steht - bei Unterstellung der Richtigkeit des Vorbringens - im gegenständlichen Verfahren dem Beschwerdeführer eine inländische Fluchtalternative bei seinem Onkel in Lagos zur Verfügung, weshalb auch aus diesem Grund nach Ansicht der erkennenden Behörde der Schluss zu ziehen war, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 8 AsylG nach Nigeria zulässig ist.

 

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Familienverband, Glaubwürdigkeit, inländische Schutzalternative, innerstaatliche Fluchtalternative, non refoulement, private Verfolgung, strafrechtliche Verurteilung
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten