TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/16 E10 317922-1/2008

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Veröffentlicht am 16.09.2008
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Spruch

E10 317.922-1/2008-8E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Vorsitzenden und den Richter Mag. R. ENGEL als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Frau DUTZLER Sabine über die Beschwerde des G.G., geb. am 00.00.1982, StA. Armenien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.02.2008, FZ. 07 09.566-BAI, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 Abs 1 Z 1, 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2008/4 als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Republik Armenien, brachte am 14.10.2007 beim Bundesasylamt (BAA) einen Antrag auf internationalen Schutz ein. Dazu wurde er erstbefragt und zu den im Akt ersichtlichen Daten von einem Organwalter des BAA niederschriftlich einvernommen. Der Verlauf dieser Einvernahmen ist im angefochtenen Bescheid vollständig wieder gegeben, weshalb an dieser Stelle hierauf verwiesen wird.

 

Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates brachte er im Wesentlichen vor, er gehöre der Volksgruppe der Jeziden an und wäre Zeuge eines Mordes gewesen, wobei das Opfer Jezide und der bzw. die Täter Armenier gewesen wären. Eine jener Personen, welche den Mord in Auftrag gegeben hätte, wäre eine auf lokaler Ebene einflussreiche Person, welche sich auch in Mafiakreisen bewege.

 

Aufgrund Zeugenschaft des BF und seines Bestrebens, eine Verurteilung des Täters herbeizuführen sehe er sich nunmehr der Gefahr von Übergriffen aus der Sphäre des Täters ausgesetzt. Darüber hinaus sei er aus den näher geschilderten Gründen aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit ethnisch motivierter Verfolgung ausgesetzt.

 

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich mit Bescheid des BAA vom 14.02.2008, Zahl: 07 09.566-BAI, gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet Armenien verfügt (Spruchpunkt III.).

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen des BF in Bezug auf die geschilderte Zeugenschaft am geschilderten Mord als nicht glaubwürdig und ging davon aus, dass der BF als Angehöriger der Volksgruppe der Jeziden keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt ist. Ebenso stellte das Bundesasylamt fest, dass keine Gründe vorliegen, welche die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bzw. ein Absehen von der Ausweisung gebieten würden. Jedenfalls wäre die Grundversorgung im Falle einer Rückkehr gesichert.

 

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 26.02.2008 innerhalb offener Frist Berufung [jetzt Beschwerde] erhoben. Im Wesentlichen wiederholte der BF die behaupteten Fluchtgründe, und brachte vor, es wäre alles objektiv prüfbar. Weiters stellte der BF den Antrag, es möge der vorliegende Sachverhalt bei "den Jeziden in [s]seinem Dorf und bei der Presse" überprüft werden. Ebenso wäre der BF aufgrund seiner ethnischen Herkunft im in der Berufungsschrift beschriebenen Art und Weise benachteiligt, was oft dazu führen würde, dass Jeziden sehr oft ihren Verfolgern schutzlos ausgeliefert wären. Weiters machte der BF weitere Quellen in Bezug auf die Lage der Jeziden bzw. in Armenien namhaft. Er Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde im Detail wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

Hinsichtlich des weiteren Verfahrensherganges bzw. des Vorbringens im Detail wird ebenfalls auf den Akteninhalt verwiesen.

 

Ergänzend zum den Feststellungen des Bundesasylamtes werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

 

Der Präsident Armeniens ist seit 9.4.2008 Serge Sarkisian.

 

Bisher wurden alle Wahlen in Armenien wegen zahlreicher Manipulationen und Wahlfälschungen von der internationalen Gemeinschaft kritisiert. Die Präsidentenwahl 2008 wurde trotz positiven Tenors deutlich kritischer bewertet als die Parlamentswahl 2007.

 

Am Tag nach der Wahl fand eine angemeldete Demonstration des unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Levon Ter-Petrosian statt. Weitere unangemeldete Kundgebungen wurden bis zum 1.3.2008 weitergeführt. An diesem Tag wurden frühmorgens die Demonstrationen sowie Zeltlager durch die Sicherheitskräfte aufgelöst.

 

Die Demonstranten regruppierten sich im Laufe des Tages am Shahumyanplatz. Von dort wurden sie mit exzessiver Gewaltanwendung seitens der Sicherheitskräfte vertrieben. Insgesamt 10 Menschen kamen dabei zu Tode. In der Nacht vom 1. auf den 2.2. wurde für Jerewan der Ausnahmezustand bis zum 20.3.2008, 24.00 Uhr, verhängt. In diesem Zeitraum wurden mehrere Dutzend Oppositionspolitiker und Anhänger Ter-Petrosyans verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Politische Motive können hier nicht ausgeschlossen werden. Ferner kam es zu exzessiven vorläufigen Festnahmen. Festgenommene berichteten, sie hätten sich verpflichten sollen, in Zukunft nicht mehr an Demonstrationen teilzunehmen. Nach nicht verifizierten Gerüchten wäre Druck ausgeübt wurden, Oppositionelle strafrechtlich zu belasten.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Der AsylGH hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) fest.

 

Die ergänzenden Feststellungen zur Lage in Armenien werden aufgrund der übereinstimmenden Berichterstattung in einer Vielzahl von Medien als notorisch bekannt angenommen.

 

Soweit der BF in seiner Beschwerde nun erstmalig den Antrag auf weitere Erhebungen stellt, bzw. erstmals Quellen zur Beschreibung der Lage in Armenien bzw. der Lage der Jeziden benennt, ist anzuführen, dass dieser Teil des Vorbringens dem Neuerungsverbot des (§ 40 AsylG in der hier anzuwendenden Fassung) unterliegt. Aus diesem Vorbringen und dem sonstigen Akteninhalt ist nicht zu entnehmen, dass sich der Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, "nach" der Entscheidung erster Instanz entscheidungsrelevant geändert hat (Z 1); das Verfahren erster Instanz wurde ordnungsgemäß durchgeführt und ist nicht zu beanstanden (Z 2); ungeachtet der Glaubwürdigkeit dieses nunmehrigen Vorbringens wäre diese Tatsache bis zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz dem BF zugänglich gewesen (Z 3); es ergaben sich auch keine Hinweise das der BF nicht in der Lage war diese Tatsache schon im erstinstanzlichen Verfahren vorzubringen, zumal er in wiederholt stattgefundenen Einvernahmen dazu Gelegenheit hatte (Z 4).

 

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist dem Anliegen des Gesetzgebers, Missbräuchen vorzubeugen, auch dadurch Rechnung getragen, dass die Ausnahmen vom Neuerungsverbot "auf jene Fälle beschränkt" werden, in denen der Asylwerber "aus Gründen, die nicht als mangelnde Mitwirkung" am Verfahren zu werten sind, "nicht in der Lage war", Tatsachen und Beweismittel bereits in erster Instanz vorzubringen. Somit bleibt vom Neuerungsverbot ein Vorbringen erfasst, mit dem ein Asylwerber das Verfahren missbräuchlich zu verlängern versucht (VfGH 15. 10. 2004, G 237/03 ua).

 

Aus dieser Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist demnach abzuleiten, dass nicht jede Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens zu einer Durchbrechung des Neuerungsverbotes führt, sondern nur jene, welche "kausal" dafür ist, dass der Asylwerber "nicht in der Lage war" die erst im Beschwerdeverfahren vorgebrachten neuen Tatsachen und Beweismittel schon im erstinstanzlichen Verfahren vorzubringen.

 

Im gegenständlichen Fall wurde der BF -wie bereits erwähntwiederholt beim Bundesasylamt zum maßgeblichen Sachverhalt befragt. Den hierzu vom Bundesasylamt aufgenommenen Niederschriften kommt die Beweiskraft des § 15 AVG zu. Ein konkretes und substantiiertes Vorbringen, welches diese Beweiskraft in Zweifel ziehen könnte, wurde seitens des BF nicht erstattet. Es ist daher davon auszugehen, dass der BF die Gelegenheit hatte, sich über die vom Bundesasylamt als erwiesen angenommene asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Kenntnis zu setzen, alles zur Begründung seines Antrages vorzubringen und offensichtlich auch nicht gehindert war, Beweisanträge zu stellen. Dass der BF hiervon nicht Gebrauch machte (siehe z. B. AS 189, 191) steht der Anwendbarkeit des Neuerungsverbotes nicht entgegen.

 

Da dem BF mögliche und zumutbare Mitwirkungshandlungen unterblieben, indem er sein Vorbringen nicht zum ihm ehestmöglichen Zeitpunkt, sondern erst im Beschwerdeverfahren schilderte, obwohl ihm dies beim Bundesasylamt ebenso möglich gewesen wäre, geht der AsylGH davon aus, dass der BF durch diese Beschwerdeangaben lediglich seinen -durch das nicht rechtskräftig abgeschlossene Asylverfahren legalisierten- Aufenthalt missbräuchlich zu verlängern versucht (VwGH 27.9.2005, 2005/01/0313).

 

Ungeachtet des hier zum Tragen kommenden Neuerungsverbotes können die in der Beschwerdeschrift angeführten Quellen vom aus dem Jahr 2000 den Feststellungen der ho. Behörde nicht zu Grunde gelegt werden, da der AsylGH seine Feststellungen auf basierend auf aktuelle Quellen zu treffen hat (Erk. d. VwGHs vom 11.11.1998, GZ. 98/01/0283, 12.5.1999, GZ. 98/01/0365, 6.7.1999, GZ. 98/01/0602, ebenso. Erk. d. VwGHs. vom 9. März 1999, Zl. 98/01/0287 und sinngemäß -im Zusammenhang mit Entscheidungen nach § 4 AsylG 1997- das E. vom 11.November 1998, 98/01/0284, bzw. auch E. vom 7. Juni 2000, Zl. 99/01/0210, wobei anzuführen ist, dass den genannten Quellen diese Aktualität -im Gegensatz zu den vom BAA zur Entscheidungsfindung herangezogenen aktuelleren Quellen- nicht zukommt und auch sonst aus der Berufungsschrift und dem sonstigen Ermittlungsergebnis nicht ableitbar ist, dass entgegen den oa. Ausführungen diesen Quellen nach nunmehr ca. 8 Jahren nach wie vor Aktualität zukäme.

 

Im gegenständlichen Fall kamen keine Hinweise hervor, dass das Bundesasylamt nicht ausreichend aktuelle Quellen herangezogen hat, auch wenn es im Wesen der Sache liegt, dass gerade hinsichtlich der Herkunftsregion des BFs, welche eine äußerst hohe Berichtsdichte aufweist gegenwärtig und in absehbarer Zukunft davon auszugehen ist, dass irgendeine noch aktuellere Quelle existieren mag. Die Existenz einer derartigen Quelle vermag jedoch im gegenständlichen Fall nichts an den Feststellungen zur ausreichenden Aktualität der vom BAA herangezogenen Quellen ändern. Die vom Bundesasylamt herangezogenen Quellen spiegeln die Lage in Armenien wieder und werden auch durch die zwischenzeitig allenfalls von den Verfassern aktualisierten Versionen wieder bestätigt (vgl. Bericht des dt. Auswärtigen Amtes vom 18.6.2006, bzw. USDOS Country Reports on Human Right Practices 2007 vom März 2008)

 

In Bezug auf den in der Berufungsschrift gestellten Beweisantrag wird ungeachtet des geltenden Neuerungsverbotes ergänzend festgehalten, dass hier kein tauglicher Beweisantrag vorliegt. Ein tauglicher Beweisantrag liegt nach der Rsp des VwGH nur dann vor, wenn darin sowohl das Beweisthema wie auch das Beweismittel genannt sind und wenn das Beweisthema sachverhaltserheblich ist (VwGH 24.1.1996, 94/13/0152; Thienel, Verwaltungsverfahrens-recht, 3. Auflage, S 174). Im gegenständlichen Fall liegt kein taugliches, vom BF in ausreichend konkreter Form präzisiertes Beweismittel vor. Die bloße allgemein gehaltene Nennung der Jeziden aus dem Dorf, ohne bekannt zu geben, welche konkrete Person sich zu welchem Beweisthema äußern könnte, bzw. eine pauschaler Verweis auf die (in vielfältiger Form existenten) armenischen Medien, ebenfalls ohne Benennung eines konkreten Mediums ist hierzu jedenfalls nicht geeignet.

 

Die vom BF in der Berufungsschrift auszugesweise Zitierung einzelner Passagen vereinzelter Quellen, welche behauptete Probleme Angehöriger der jezidischen Volksgruppe beschreiben ist nicht geeignet, hieraus ein abgerundetes Bild über die Lage der Angehörigen dieser Volksgruppe in Armenien zu beschrieben, weshalb nicht festgestellt werden, dass der BF den Ausführungen des Bundesasylamtes dermaßen konkret und substantiiert entgegen getreten ist, dass die dort getroffenen Feststellungen zur Situation der Angehörigen der Jeziden in Zweifel zu ziehen wären.

 

Wenn ein einzelner Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenat zitiert wird, ist auch darauf hinzuweisen, im Gegensatz zum gegenständlichen Erkenntnis der Unabhängige Bundesasylsenat im genannten Bescheid von der Glaubwürdigkeit des behaupteten Sachverhaltes ausging und darüber hinaus feststellte, dass die dort getroffenen Feststellungen nur auf den dort als erwiesen angenommenen Sacherhalt zutreffen und nicht verallgemeinerungsfähig sind.

 

III. Rechtliche Beurteilung:

 

Artikel 151 Abs. 39 Z. 1 und 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) lauten:

 

(39) Art. 10 Abs. 1 Z 1, 3, 6 und 14, Art. 78d Abs. 2, Art. 102 Abs. 2, Art. 129, Abschnitt B des (neuen) siebenten Hauptstückes, Art. 132a, Art. 135 Abs. 2 und 3, Art. 138 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1erster Satz und Art. 144a in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. 2/2008 treten mit 1. Juli 2008 in Kraft. Für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt:

 

Z 1: Mit 1. Juli 2008 wird der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof.

 

Z 4: Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gemäß § 61 (1) AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. [.....]

 

(2) [.....]

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

[......]

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gem. § 73 (1) Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) tritt dieses Gesetz mit der Maßgabe des § 75 (1) leg. cit in Kraft, wonach alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen sind.

 

Gegenständliches Verfahren war am 31.12.2005 nicht anhängig, weshalb es nach den Bestimmungen des AsylG 2005 idgF zu führen ist.

 

Das erkennende Gericht ist berechtigt, näher bezeichnete Teile des angefochtenen Bescheides zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses zu erheben, ohne sie wiederholen zu müssen (vgl. z.B. das Erk. d. VwGH vom 4. 10. 1995, 95/01/0045; VwGH 24. 11. 1999, 99/01/0280; auch VwGH 8. 3. 1999, 98/01/0278), weshalb im gegenständlichen Fall im bereits genannten Umfang auf den erstinstanzlichen Bescheid verwiesen wird.

 

Ebenso ist das erkennende Gericht berechtigt, auf die außer Zweifel stehende Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) zu verweisen, weshalb auch hierauf im gegenständlichen Umfang verwiesen wird.

 

Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Die Erstbehörde hat sich sowohl mit dem individuellen Vorbringen auseinander gesetzt, als auch ausführliche Sachverhaltsfeststellungen zur allgemeinen Situation in Armenien auf Grundlage ausreichend aktuellen und unbedenklichen Berichtsmaterials getroffen und in zutreffenden Zusammenhang mit der Situation des BF gebracht. Aufgrund der Feststellungen des Bundesasylamtes ist von auf ausreichend aktuelle Quellen basierenden Feststellungen auszugehen, welche den weiteren Ausführungen zu Grunde gelegt werden.

 

Der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes ist nicht entgegenzutreten. Auch trat der BF dieser nicht ausreichend konkret und substantiiert entgegen.

 

Auch die rechtliche Beurteilung begegnet keinen Bedenken.

 

Der AsylGH schließt sich diesen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenem Bescheid an und erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses (vgl. für viele exemplarisch VwGH 25.3.1999, 98/20/0559; 8.6.2000, 99/20/0366; 30.11.2000, 2000/20/0356; 22.2.2001, 2000/20/0557; 21.6.2001, 99/20/046; 01.3.2007, 2006/20/0005; 21.3.2007, 2007/19/0085-3 [Ablehnung der Behandlung der Beschwerde]; 31.5.2007 2007/20/0488-6 [Ablehnung der Behandlung der Beschwerde]).

 

Dem Bundesasylamt ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau jedenfalls beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Armenien dort einer Gefahr im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK bzw. § 8 AsylG ausgesetzt wäre.

 

Ein systematisches, flächendeckendes Vorgehen gehen Jeziden, welches dieser Personengruppe einen Verbleib in Armenien unerträglich machen würde, ist nicht feststellbar. Der Umstand, dass die Republik Armenien gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete welche Österreich bietet (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964, oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99) ist jedenfalls irrelevant. Sonstige außerordentliche, ausnahmsweise vorliegende Umstände, welche im Rahmen einer Außerlandeschaffung zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (EGMR 02.05.1997 -146/1996/767/964) führen, kamen ebenfalls nicht hervor. Jedenfalls ist aus der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat (vgl. VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984; ebenso: kein Hinweis auf die Existenz einer allgemein existenzbedrohenden Notlage im Sinne einer allgemeinen Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige Elementarereignisse) in Verbindung mit den individuellen Situation des BFs (junger, gesunder, mobiler Mann, der bisher sein Leben im Herkunftsstaat meistern konnte [vgl. Erk. d. VwGHs vom 22.8.2007, Zahlen 2005/01/0015-6, 2005/01/0017-8]) kein Hinweis hierauf ableitbar, welche zur gegenteiligen Feststellung führen könnte. Ein Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen in Bezug auf das Territorium der Republik Armenien ist nicht feststellbar. Hinweise auf einen Sacherhalt Art. 2 EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe scheiden schon aufgrund der Ausgestaltung des armenischen Strafrechts aus.

 

Zur hilfsweise herangezogenen Argumentation des Bundesaylamtes in Bezug auf den Grundsätzlichen Willen und der Fähigkeit der Behörden, Schutz zu gewähren wird Folgendes erwogen:

 

Grundsätzlich kann die vom Bundesasylamt angewandte Methodik der hilfsweisen Argumentation im Rahmen der rechtlichen Beurteilung nicht beanstandet werden (vgl. VwGH 24.1.2008. Zl. 2006/19/0985).

 

Dem Bundesasylamt ist beizupflichten, dass -rein hypothetisch betrachtet ohne hierdurch den behaupteten ausreiskausalen Sachverhalt als glaubwürdig werten zu wollen- es dem BF möglich und zumutbar wäre, sich im Falle der behaupteten Bedrohungen an die armenischen Sicherheitsbehörden zu wenden, welche willens und fähig wären, ihm Schutz zu gewähren.

 

Auch wenn ein solcher Schutz (so wie in keinem Staat auf der Erde) nicht lückenlos möglich ist, stellen die vom BF geschilderten Übergriffe in der Republik Armenien offensichtlich amtswegig zu verfolgende strafbare Handlungen dar und andererseits existieren Armenien Behörden welche zur Strafrechtspflege bzw. zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit berufen und auch effektiv tätig sind. Die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit der Behörden ist somit gegeben (vgl. hierzu auch die Ausführungen des VwGH im Erk. vom 8.6.2000, Zahl 2000/20/0141, vom 22. März 2000, Zl. 99/01/0256, vom 7. Juli 1999, Zl. 98/18/0037vom 6. Oktober 1999, Zl. 98/01/031).

 

Der Einwand des BF, bei der Person, von welcher die Bedrohung ausginge, handelt es sich um einen lokalen Mafiosi, vermag nicht zur gegenteiligen Feststellung zu führen. Wäre es dem Täter möglich, aufgrund seines Einflusses auf lokaler Ebene, den Willen der lokalen Polizeibehörde, gegen ihn einzuschreiten in Grenzen zu halten, ist dem entgegenzuhalten, dass sich im gesamten Quellenmaterial keine Hinweise finden, dass ein derartiger Unwille auch auf überregional tätige Behörden oder Dienststellen zutreffen würde, an die sich der BF wenden könnte. Gegen den Unwillen der Behörden dem BF Schutz zu gewähren spricht auch der behauptete Umstand, dass die Person, von der die Bedrohung ausgeht, den BF wegen der behaupteten Zeugenschaft zum Schweigen bringen gewollt hätte. Bräuchte diese Person die armenischen Behörden tatsächlich nicht zu fürchten, weil sie ein Einschreiten gegen seine Person aufgrund ihrer Beziehungen bzw. der Ethnie des BF vereiteln könnte, wäre es auch nicht erforderlich, dass sie gegen den BF vorginge. Ein solches Vorgehen wäre nur dann nachvollziehbar, wenn die Person die Aussage des BF tatsächlich fürchten müsste, was aber wiederum für den Willen und die Fähigkeit des armenischen Staates, Schutz zu gewähren, spricht und nicht dagegen.

 

Auch die bloße Möglichkeit, dass staatlicher Schutz nicht rechtzeitig gewährt werden kann, vermag eine gegenteilige Feststellung nicht zu begründen, solange nicht von der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit der Nichtgewährung staatlichen Schutzes auszugehen ist (vgl. hierzu die im Erkenntnis noch zu treffenden Ausführungen zum Wahrscheinlich-keitskalkül).

 

Auch kann generell nicht festgestellt werden, dass die armenischen Behörden nicht willens und fähig sind, Jeziden Schutz zu gewähren. Auch hier kam bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Sachverhalt hervor, welcher die gegenteilige Annahme rechtfertigen würde.

 

Letztlich ist anzuführen, dass Mordzeugen keine soziale Gruppe im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK darstellen (Erk. d. VwGH v. 15.2.2001, Zahl 99/20/0128-6).

 

Aus dem Vorbringen des BF kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatschen kein Hinweis abgeleitet werden, dass dieser vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) in dessen Herkunftsstaat mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr ausgesetzt wäre.

 

Ebenfalls bestehen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise, dass durch eine Ausweisung in den Herkunftsstaat auf unzulässige Weise in das Privat- und Familienleben des BF gem. Art. 8 EMRK eingegriffen werden würde. Hier wird besonders auf die jüngste Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (Erk. d. VfGH vom 29.9.2007, Zahl B 1150/07-9 und Erk. d. VwGH vom 17.12.2007, Zahl 2006/01/0216 bis 219-6), sowie des EGMR (Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06) verwiesen, bei deren umfassender Beachtung kein Hinweis zu Tage kommt, dass eine Auseisung des BF in unzulässiger Weise in sein durch Art. 8 EMRK geschütztes Privatund/oder Familienleben eingreift.

 

Auch aus dem Titel des zu führenden Asylverfahrens ist aufgrund des Umstandes, dass der Antrag auf internationalen Schutz der Gattin des BF in gleicher Weise abgewiesen wurde, kein weitergehender Rechtstitel ableitbar.

 

Dem BF ist jedoch beizupflichten, dass die Erstattung einer Anzeige so lange keinen Eingang in die Ausführungen im abweislichen Bescheid bzw. Erkenntnis finden kann, so lange keine Rechtskräftige Verurteilung vorliegt.

 

Gegen die rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes durch das Bundesasylamt bestehen seitens des Gerichts vorbehaltlich der Ausführungen im Vorabsatz im Ergebnis daher keinen Bedenken.

 

Gemäß § 41 Abs. 7 AsylG hat der Asylgerichtshof § 67d AVG mit der Maßgabe anzuwenden,

 

dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur außer Kraft getretenen Regelung des Art. II Abs. 2 lit. D Z 43a EGVG war der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung nicht als geklärt anzusehen, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder der Berufungsbehörde ergänzungsbedürftig oder in entscheidenden Punkten nicht richtig erscheint, wenn rechtlich relevante Neuerungen vorgetragen werden oder wenn die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will (VwGH 02.03.2006, 2003/20/0317 mit Hinweisen auf VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533; 12.06.2003, 2002/20/0336). Gemäß dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konnte im vorliegenden Fall die Durchführung

 

einer mündlichen Verhandlung beim Asylgerichtshof unterbleiben, da der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt war. Ebenso ist aufgrund der bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei davon auszugehen, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

 

Was das Vorbringen -soweit dies nicht dem Neuerungsverbot gem. § 40 AsylG unterliegt- des Beschwerdeführers in der Beschwerde betrifft, so findet sich in dieser kein neues bzw. kein ausreichend konkretes Tatsachenvorbringen hinsichtlich allfälliger sonstiger Fluchtgründe des Beschwerdeführers. Auch tritt der Beschwerdeführer in der Beschwerde den seitens der Behörde erster Instanz getätigten Ausführungen nicht in ausreichend konkreter Weise entgegen und ist zweifelsfrei davon auszugehen, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Aus dem Wortlaut des Antrages zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Berufungsverfahrens ist bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tataschen nicht ersichtlich, inwieweit eine solche Verhandlung zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes beitragen könnte, weshalb eine solche unterblieben konnte.

 

Die Beschwerde ist deshalb in allen Spruchpunkten abzuweisen.

Schlagworte
Ausweisung, Familienverfahren, Glaubwürdigkeit, Neuerungsverbot, non refoulement, private Verfolgung, staatlicher Schutz, Volksgruppenzugehörigkeit
Zuletzt aktualisiert am
11.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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