TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/17 E7 237138-0/2008

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Veröffentlicht am 17.09.2008
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Spruch

E7 237.138-0/2008-14E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde des G.M., geb. am 00.00.1967, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.04.2003, 02 04.328-BAL, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.05.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 AsylG 1997, BGBl I 1997/76 idgF, als unbegründet abgewiesen.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

Der Beschwerdeführer (in der Folge auch: BF) stellte am 14.02.2002 beim Bundesasylamt, Außenstelle Linz einen Asylantrag. Aus den im Zuge der erkennungsdienstlichen Behandlung aufgenommenen Personalien geht u.a. hervor, dass der BF Angehöriger der türkischen Volksgruppe ("Volksgruppe: Türke"; AS. 2) sei.

 

Am 05.06.2002 langte beim Bundesasylamt eine Bevollmächtigungsanzeige lautend auf RA Dr. Benno WAGENEDER, Adalbert-Stifter-Straße 16, 4910 Ried im Innkreis, ein.

 

Am 12.08.2002 wurde der BF vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Linz zu seinem Asylantrag einvernommen.

 

Nach seiner Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe befragt, gab der BF nunmehr an, er sei Kurde. Als Identitätsnachweis legte er eine türkische Personenstandsurkunde, ausgestellt am 00.00.2001 von der Passbehörde in I., und einen türkischen Führerschein, ausgestellt am 00.00.1996 vom Verkehrsamt A., vor. Seine Eltern und fünf seiner insgesamt acht Geschwister würden in seinem Heimatland im Dorf K. in der Provinz Gaziantep leben. Seine Schwester N. sei in Österreich aufhältig. Näheres sei ihm unbekannt, insbesondere wisse er nicht wo sie wohnt. Der BF habe von 1973 bis 1978 die Volksschule und von 1978 bis 1981 die Hauptschule absolviert. Die Hauptschule habe er in A. besucht. Seinen Militärdienst, währenddessen er vor allem als Koch beschäftigt gewesen sei, habe er von 1987 bis 1989 in Z. abgeleistet.

 

Bis zu seiner Ausreise habe er sich an der Heimatadresse seiner Eltern aufgehalten. Er sei mit Ausnahme des Militärdienstes immer im Dorf gewesen.

 

Am 11.02.2002 habe er sich in Istanbul auf einem LKW versteckt und am 14.02.2002 sei er nach Österreich gekommen.

 

Die Türkei habe er verlassen, da die Behörde gewollt hätte, dass er wie sein älterer Bruder Dorfschützer werde, was er jedoch abgelehnt habe. Die Soldaten hätten ihn am 15.12.1999 mitgenommen, ihn gefoltert und ihn auf der Rückfahrt aus dem Wagen geworfen, wobei er sich die Wirbelsäule gebrochen habe. Auch nach seiner Heilung, welche sieben Monate gedauert habe, sei bis zur Ausreise Druck auf ihn ausgeübt worden Dorfschützer zu werden. Er sei immer wieder, mindestens einmal in der Woche, zur Gendarmerie in I. mitgenommen und dort beschimpft und geschlagen worden. Man hätte von ihm stets verlangt, dass er Dorfschützer werde. Wann er das letzte Mal bei der Gendarmerie gewesen sei, wisse er nicht mehr.

 

Danach befragt, was er im Fall einer Rückkehr befürchte, gab der BF an, er wisse nicht, was sein könnte. Er könne nicht sagen, was die [Soldaten] gegen ihn machen würden.

 

Im Zuge der Einvernahme legte der BF Röntgenbilder und einen Befund Dris. D.E., Facharzt für Radiologie, vom 29.04.2002 vor, aus dem hervorgeht, dass der BF eine Kompressionsfraktur des L2 erlitten hat und zur Stabilisierung der Lendenwirbelsäule Metallteile implantiert wurden.

 

Weiters brachte der BF im Verfahren eine am 16.08.2002 ausgestellte Bestätigung des staatlichen Krankenhauses G. sowie ihm am 16.12.1999 und 27.12.1999 dort ausgestellte Rezepte in Vorlage. Aus der Bestätigung des staatlichen Krankenhauses G. geht hervor, dass der BF dort operiert wurde und vom 15.12.1999 bis 27.12.1999 stationär aufhältig war.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 14.04.2003, FZ. 02 04.328-BAL, wies das Bundesasylamt den Asylantrag des BF vom 14.02.2002 gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl I 1997/76 (AsylG) idgF, ab (Spruchpunkt I.) und erklärte seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei gemäß § 8 AsylG für zulässig (Spruchpunkt II.).

 

Das Bundesasylamt traf im angefochtenen Bescheid unter anderem die Feststellung, der BF gehöre der kurdischen Bevölkerungsgruppe an. Es sei aufgrund der angegebenen Sprachen (Türkisch, Kurdisch), der Herkunftsregion und der Länderkenntnis schlüssig feststellbar, dass der BF türkischer Staatsangehöriger kurdischer Herkunft sei.

 

Die vom BF präsentierte "Fluchtgeschichte" sei als tatsächlich zu "blass", wenig detailreich und zu oberflächlich und daher in Folge als keinesfalls glaubhaft zu qualifizieren. Die persönliche Glaubwürdigkeit des BF sei aufgrund der Tatsache, dass er keine Beweismittel zur angeblichen Rekrutierung als Dorfschützer beigebracht habe, obwohl er dies zuvor selbst angeboten habe, erheblich beeinträchtigt. Er habe in diesem Sinne nicht am Verfahren mitgewirkt und kein persönliches Interesse am Asylverfahren und dessen Ausgang gezeigt.

 

Ungeachtet der Unglaubwürdigkeit in Bezug auf seine Verfolgungsgefährdung, hätte sich der BF auch durch einen Wohnsitzwechsel einer möglichen Gefährdung entziehen können, da er lediglich lokale Probleme ausgeführt hätte. In anderen Teilen des Landes, vor allem in den großen Städten, sei der BF keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen. Eine Verfolgungsgefahr im gesamten Staatsgebiet des Heimatlandes sei im Hinblick auf die politische Situation im Heimatland nicht glaubhaft.

 

Mangels Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens sei die Glaubhaftmachung eines Asylgrundes nicht gelungen.

 

Mangels glaubhaft gemachter Bedrohungssituation lägen auch die Voraussetzungen des § 57 Abs 2 FrG nicht vor. In der Türkei herrsche darüber hinaus gegenwärtig keine derart extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder - unabhängig vom Vorliegen individueller Gründe - der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der BF im Falle seiner Rückkehr in eine lebensbedrohende Notlage geraten würde.

 

Dieser Bescheid wurde dem Rechtsvertreter des BF am 17.04.2003 rechtswirksam zugestellt.

 

Mit Schriftsatz vom 02.05.2003 erhob der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Vertreter binnen offener Frist Berufung (nunmehr: Beschwerde).

 

Eingewendet wurde Mangelhaftigkeit des Verfahrens, wobei diesbezüglich das Fehlen von ergänzenden Ermittlungen im Herkunftsstaat im Wege der österr. Vertretungsbehörde sowie das Fehlen von Fragen im Zuge der erstinstanzlichen Einvernahme zu einer eventuellen Parteizugehörigkeit oder einem eventuellen politischen Engagement des BF bemängelt wurde. Darüber hinaus wurde die Beweiswürdigung der Erstbehörde an sich und fehlende Erhebungen zum tatsächlichen Vorliegen einer innerstaatlichen Aufenthaltsalternative gerügt.

 

Das gegenständliche Asylverfahren wurde nach Ausscheiden des ursprünglich zuständigen Mitgliedes des Unabhängigen Bundesasylsenates aus diesem mit 24.01.2006 dem nunmehr zur Entscheidung berufenen Richter des Asylgerichtshofes zugeteilt.

 

Der Unabhängige Bundesasylsenat beraumte für 30.04.2008 eine öffentliche mündliche Verhandlung an, zu welcher der BF mit an seinen Rechtsvertreter zugestelltem Schreiben vom 29.01.2008 ordnungsgemäß geladen wurde.

 

Zur für den 30.04.2008 anberaumten mündlichen Verhandlung ist der BF unentschuldigt nicht erschienen. Der anwesende Rechtsvertreter gab auf Befragen durch den Verhandlungsleiter an, er habe letztmalig vor fünf Jahren über den Unterkunftsgeber des BF namens K.T. Kontakt mit dem BF gehabt. Eine Kontaktaufnahme im Vorfeld der mündlichen Verhandlung sei sowohl mit dem BF als auch mit seinem Unterkunftsgeber gescheitert.

 

Die Verhandlung wurde daraufhin vertagt.

 

Mit Schreiben vom 06.05.2008 teilte der Rechtsvertreter des BF mit, dass dieser nunmehr vorstellig gemacht werden könne, woraufhin der Unabhängige Bundesasylsenat eine mündliche Verhandlung für den 30.05.2008 anberaumte und den BF abermals über seinen Rechtsvertreter ordnungsgemäß lud.

 

Mit Schreiben vom 21.05.2008 teilte das Bundesasylamt mit, dass kein Vertreter zur Verhandlung entsandt wird und beantragte unter einem dem Berufungsantrag nicht stattzugeben.

 

Am 30.05.2008 führte der erkennende Richter, zu diesem Zeitpunkt noch Mitglied des bis zum 30.06.2008 als Berufungsbehörde bestehenden Unabhängigen Bundesasylsenates, eine mündliche Verhandlung durch, zu welcher der BF gemeinsam mit seinem Rechtsvertreter erschien. Weiters anwesend war der Schwager des BF, K.T., als Vertrauensperson.

 

Der BF bejahte eingangs die Frage, ob er Kurde sei und führte aus, dass beide Elternteile Kurden wären. Er selbst habe als Kind bis in die Volksschulzeit kurdisch (Kurmanci) sprechen können, habe danach aber bei seinem Bruder in A. gelebt, weswegen er nicht weiter kurdisch reden konnte und es dadurch verlernt habe. Vom Dolmetscher daraufhin auf Verlangen des Verhandlungsleiters in kurdischer Sprache mit einfachen Fragen zu persönlichen Angelegenheiten befragt, vermochte der BF ausnahmslos mangels jedweden sprachlichen Verständnisses keine Antwort zu geben. Der beigezogene Dolmetscher gab später gegen Ende der Verhandlung auf Befragen durch den Verhandlungsleiter an, er habe während der Verhandlung den Eindruck gewonnen, dass die Aussprache des BF eher der eines turkmenisch-stämmigen Türken entspreche, wobei der BF z.B. auch auf die in kurdisch gestellte Frage nach seinem Namen keine Antwort gegeben habe. Neuerlich gab der BF aber an, seine Eltern würden beide kurdisch sprechen.

 

Der BF legte im Zuge der Verhandlung als Urkunden einen Auszug aus dem Familienstandbuch, Kopien der Personalausweise seiner Eltern, ein Ansuchen seines Vaters auf Ausstellung eines Personenstandregisterauszuges sowie einen Personenstandsregisterauszug vom 21.08.2002 vor, welche in Kopie zum Akt genommen wurden. Weiters legte der BF eine Beschäftigungsbewilligung und eine Aufstellung früherer Beschäftigungen beginnend mit März 2003 vor und gab an, derzeit bei der B. GmbH zu arbeiten.

 

Die Aussagen des BF hinsichtlich seiner Schulbildung und seines Militärdienstes entsprachen seinen Angaben in der Verhandlung vor der Erstbehörde am 12.08.2002.

 

Sein Bruder A. sei seit 1997 durchgehend Dorfschützer. Der Staat, respektive die Offiziere der Gendarmerie, hätten seinen Bruder gezwungen Dorfschützer zu werden. Hätte er sich geweigert, hätte er mit Konsequenzen zu rechnen gehabt. Der BF sei dabei gewesen, als sein Bruder damals rekrutiert worden sei. Es seien damals ca. 25 bis 30 Personen versammelt gewesen, von denen neun als Dorfschützer aufgenommen worden wären. Nochmals danach befragt, gab der BF nunmehr an, er selbst sei damals aber nicht dabei gewesen.

 

Diesbezüglich legte der BF eine Kopie des Dienstausweises seines Bruders als Dorfschützer vor, der zum Akt genommen wurde.

 

Einige Monate nach der Aufnahme von Dorfschützern im Jahr 1997 hätte man auch ihn angesprochen, da noch Bedarf gegeben gewesen sei. Sechs bis sieben Soldaten seien zu ihm nach Hause gekommen und hätten ihm gesagt, er müsse Dorfschützer werden. Als er abgelehnt habe, hätte man ihm noch ein paar Tage Bedenkzeit eingeräumt. Einige Tage später seien sie wieder gekommen und hätten wissen wollen, wie er sich entschieden habe. Als er nochmals abgelehnt habe, hätten sie ihn zum Militärstützpunkt mitgenommen, wo sie ihn verprügelt, ihn dann aber wieder freigelassen hätten. Eine Woche später wären sie wieder zu ihm nach Hause gekommen und hätten ihn wieder der gleichen Behandlung ausgesetzt. Das sei vier bis fünf Monate so gegangen, bis es zu dem Vorfall gekommen wäre, als sie ihn auf dem Nachhauseweg mit den Füßen vom Wagen gestoßen hätten, wobei er sich drei Knochenbrüche im Rückenbereich zugezogen habe und ohnmächtig geworden sei. Anschließend hätten ihn die Soldaten ins Krankenhaus gebracht und dort angegeben, er habe einen Verkehrsunfall gehabt.

 

Auf Vorhalt, wonach er bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt gar nicht angegeben habe, dass es bereits vor 1999 zu Rekrutierungsversuchen gekommen sei, gab der BF an, er habe vor dem Bundesasylamt nur vom Unfall 1999 erzählt, da er über die anderen Sachen nicht gefragt worden sei.

 

Der BF gab weiter an, nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus am 27.12.1999 sechs bis sieben Monate gebraucht zu haben, bis er wieder aufstehen und gehen konnte. Dann habe er sich in I. informiert, wie er ins Ausland reisen könne. In dieser Zeit habe er bei seinem Bruder aber auch an anderen Adressen gewohnt, bis er die Möglichkeit gehabt habe mit einem LKW ins Ausland zu flüchten.

 

Auf Vorhalt, wonach er vor der Erstbehörde angegeben habe, dass er bis zu seiner Ausreise immer im Dorf gewesen sei, führte der BF an, er sei damals nicht so detailliert befragt worden.

 

Nach seiner Genesung habe es keine weiteren Rekrutierungsversuche durch die Gendarmerie gegeben. Auf Vorhalt, wonach diese Aussage in gravierendem Widerspruch zu seinen Angaben bei der Einvernahme vor dem Bundesasylamt steht, wonach er im Gefolge seiner Genesung bis zur Ausreise etwa einmal wöchentlich weiteren Rekrutierungsversuchen ausgesetzt gewesen sei, gab der BF lediglich an, dass er damals gemeint habe, die Gendarmerie sei, noch während er zu Hause im Bett gelegen sei, zu ihm gekommen und hätte ihn aufgefordert Dorfschützer zu werden.

 

Als aktuelle länderkundliche Informationsquellen von Amts wegen dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegt, mit dem Beschwerdeführer im Wesentlichen erörtert und zum Akt genommen wurden:

 

Dt. Auswärtiges Amt, Bericht über die aktuelle Lage in der Türkei, 25.10.2007

 

Britisches Innenministerium, Länderbericht Türkei, 31.12.2007, Seite 28 - 30.

 

Der Rechtsvertreter des BF beantragte die Einholung eines forensischen Gutachtens zur Klärung der Ursache der vom BF erlittenen Verletzungen.

 

Weiters legte er einen Artikel aus dem Internet der Website ¿wikipedia' zum Thema "Kurden in der Türkei" vor, dem u.a. ein Hinweis auf die staatliche Rekrutierung von Dorfschützern im Kampf gegen die PKK ab der Mitte der 90er Jahre zu entnehmen ist. Diese Dorfschützer seien diesem Artikel zufolge loyale bzw. staatstreue kurdisch-stämmige Bauern und Großgrundbesitzer, die für ihre Dienste bewaffnet wurden und finanzielle Unterstützung vom Staat erhalten. Zum Teil sei die Rekrutierung auch unter dem Druck des Militärs erfolgt und hätten sich die Dorfschützer auch unfreiwillig in den Dienst des Staates stellen müssen. Bei vier Großoffensiven der türkischen Armee gegen PKK-Lager in 1992, 1994 und 1997 seien neben regulären Militärs auch zahlreiche Dorfschützer ums Leben gekommen. Auch bei gegenwärtigen Angriffen und Anschlägen der PKK vom Nordirak ausgehend in der Türkei würden immer wieder Soldaten, Gendarmen, kurdische Dorfschützer und Zivilisten getötet worden.

 

Dieser Artikel wurde ebenfalls zum Akt genommen.

 

Der Unabhängige Bundesasylsenat leitete abschließend über Kontakte des bei der mündlichen Verhandlung anwesenden Dolmetschers ergänzende Erhebungen im Herkunftsstaat des BF ein (siehe hierzu unten).

 

Das Ergebnis der den BF betreffenden Erhebungen in dessen Herkunftsstaat im Wege zweier Kontaktpersonen des Dolmetschers, im Genaueren einer namentlich genannten Vertrauensperson aus G. sowie des örtlichen Parteivorsitzenden der DTP in I., langte am 11.06.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat ein.

 

Deren im Wesentlichen übereinstimmenden und unabhängig voneinander erteilten Auskünften nach handle es sich beim Heimatdorf des BF um ein alevitisches Dorf, dessen Bewohner Türken seien. Die Ermittlungen hätten auch ergeben, dass die Eltern des BF kein Kurdisch beherrschen. Der Bruder des BF, G.A., sei seit ca. neun Jahren als Dorfschützer tätig. Dorfbewohner seien aus geostrategischen Gründen dazu gezwungen worden Dorfschützer zu werden, zumal das Dorf unmittelbar beim Taurus-Gebirge bzw. den Amanos-Bergen und zwischen sunnitischen Dörfern liege. Für Dorfschützer gebe es generell eine soziale Absicherung und Pensionsregelung. Früher habe es in dieser Umgebung Kämpfe zwischen Sicherheitskräften und Kämpfern der PKK gegeben. Nunmehr sei es seit langem ruhiger.

 

Mit Schreiben vom 01.08.2008 übermittelte der Asylgerichtshof dem Rechtsvertreter das Ergebnis der durchgeführten Recherchen (Recherchebericht vom 10.06.2008) mit der Möglichkeit zur Stellungnahme binnen einer Frist von drei Wochen.

 

Am 27.08.2008 langte beim Asylgerichtshof eine Stellungnahme des Vertreters des BF ein. Laut zwischenzeitiger Auskunft des vom Vertreter telefonisch kontaktierten Schwagers des BF würden demnach in K. sowohl Kurden als auch Türken leben. Die Eltern des BF würden die kurdische Sprache verstehen, ob sie diese im Alltag verwenden, sei eine andere Frage. Die Einschätzung zur turkmenischen Volkszugehörigkeit des BF stimme jedenfalls nicht. Weiters hätten "die Auseinandersetzungen zwischen den türkischen Sicherheitskräften und der PKK wieder angefangen". Diesbezüglich legte der BF zwei Zeitungsartikel über Bombenanschläge vom 12.08.2008 und 21.08.2008 "im Westen" und "im Osten der Türkei" vor. U.a. wurde auch die Erstreckung der Stellungnahmefrist beantragt.

 

Per Eingabe vom 10.09.2008 legte der BF einen weiteren Zeitungsartikel der Neuen Zürcher Zeitung vom 01.09.2008 vor, welcher von Angriffen auf Militärposten in der Provinz Bingol und Silopi Ende August 2008 handelte, und führte hierzu lediglich aus, dass sich derartige Angriffe im Herkunftsland des BF häufen würden.

 

Eine konkrete persönliche Stellungnahme des BF zum Vorhalt des Ergebnisses der ergänzenden Erhebungen langte bis zum Entscheidungszeitpunkt jedenfalls nicht beim Asylgerichtshof ein.

 

II. Der zur Entscheidung berufene Richter des Asylgerichtshofs hat erwogen:

 

1. Folgender Sachverhalt wird festgestellt und der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:

 

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

 

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, ist am 00.00.1967 geboren, Staatsangehöriger der Türkei und Moslem. Nicht festgestellt werden konnte, dass er Angehöriger der kurdischen Volksgruppe ist.

 

Der BF stammt aus der Gemeinde K. in der Provinz Gaziantep, wo auch seine Eltern, zwei Schwestern und sein Bruder A. nach wie vor leben. Letzterer ist seit 1997 als einer von insgesamt neun Dorfschützern in der Heimatgemeinde des Beschwerdeführers tätig. Insgesamt leben sieben seiner acht Geschwister im Herkunftsland des BF. Seine Schwester, K.N., und deren Ehemann, K.T., ein österreichischer Staatsbürger, leben seit 1999 in Österreich.

 

Der BF besuchte von 1973 bis 1978 die Volksschule und von 1978 bis 1981 die Hauptschule in A.. Nach der schulischen Ausbildung hat er in der elterlichen Landwirtschaft mitgeholfen, ehe er von 1987 bis 1989 den Militärdienst in Z. abgeleistet hat. Beim Militär war der BF hauptsächlich als Koch tätig, wurde jedoch während der Grundausbildung auch als Scharfschütze zu Schießwettbewerben geschickt. Nach Ableistung des Militärdienstes ist er in sein Heimatdorf zurückgekehrt und war wiederum in der elterlichen Landwirtschaft tätig.

 

Im Zuge eines stationären Aufenthalts im staatlichen Krankenhaus G. vom 15.12.1999 bis zum 27.12.1999 wurden dem BF aufgrund einer erlittenen Kompressionsfraktur des L2 Metallteile zur Stabilisierung der Lendenwirbelsäule implantiert. Die Ursache für die erlittene Kompressionsfraktur konnte nicht festgestellt werden.

 

Im Februar 2002 reiste der BF aus seinem Heimatland aus um am 14.02.2002 in Österreich einen Asylantrag zu stellen.

 

Zu den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Ausreisegründen wird festgestellt:

 

Nicht festgestellt werden konnte, dass der BF zwischen 1997 und 1999 den behaupteten wiederholten Versuchen einer Zwangsrekrutierung als sogen. Dorfschützer durch türkische Gendarmen unterzogen worden sei. In diesem Zusammenhang konnte auch nicht festgestellt werden, dass der BF anlässlich eines Rekrutierungsversuches im Dezember 1999 durch das Verschulden von Gendarmen, als er auf der Nachhausefahrt vom Gendarmerieposten von diesen mit den Füßen von einem Militärjeep gestoßen worden sei, an der Lendenwirbelsäule schwer verletzt worden sei. Weiters konnte nicht festgestellt werden, dass er in der Zeit nach der Genesung von dieser Verletzung weiteren Rekrutierungsversuchen unterlegen sei, indem er wöchentlich von sechs bis sieben Soldaten zum Militärstützpunkt mitgenommen, geschlagen und dann wieder freigelassen worden sei.

 

Ausgehend davon ließ sich eine vor der Ausreise aus der Türkei erlittene Verfolgung des BF aus den von ihm behaupteten Gründen nicht feststellen.

 

1.3. Zur Lage in der Türkei:

 

1.3.1. Im Hinblick auf die aktuelle Situation in der Türkei wird auf die aktuellen Feststellungen im oben angeführten länderkundlichen Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes verwiesen.

 

Im Hinblick auf das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner behaupteten kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit ist - sofern man diese als wahr unterstellte - dahin gehend von Bedeutung, dass es bei einem dzt. Anteil der Kurden von etwa einem Fünftel an der Gesamtbevölkerung der Türkei, d.h. etwa 14 Mio. Kurden, der sich auf die gesamte Türkei verteilt und zum größten Teil in die türkische Gesellschaft integriert ist, zu keinen systematischen und weit verbreiteten Repressionen gegen Staatsbürger kurdischer Herkunft kommt.

 

1.3.2. Hinsichtlich der vom BF ins Treffen geführten Thematik der ehemaligen Zwangsrekrutierung von Dorfschützern sowie der Frage des weiteren Bestehens der Institution der sogen. Dorfschützer in der Türkei werden folgende Feststellungen getroffen:

 

1.3.2.1. Die erstinstanzliche Behörde stellte zur Entwicklung dieser Institution wie folgt fest:

 

Die rechtliche Grundlage des Dorfschützersystems stellt das Dorfgesetz Nr. 442 vom 18.3.1924, Stand 1.1.1994 Dorfgesetz dar, welches für die gesamte Türkei das Amt des regulären Dorfschützers vorsieht. Zusätzlich zum regulären Dorfschützer nach Art. 70 können sogenannte einstweilige Dorfschützer, zum Teil auch als freiwillige Dorfschützer bezeichnet, während der Erntezeit nach Art. 74 Abs. 1 eingesetzt werden. Ziel dieses Einsatzes ist es, das Dorf während der Erntezeit vor Plünderungen, Banden und Dieben zu schützen. In den Notstandsprovinzen des Südostens gilt die durch Gesetz Nr. 3175

v. 26.3.1985 eingeführte und durch das Gesetz Nr. 3612 v. 7.2.1990 abgeänderte Sonderregelung des Art. 74 Abs 2 und 3 Dorfgesetz, wonach in diesen Gebieten zusätzlich beliebig viele vorübergehende Dorfschützer als dritte Art der Dorfschützer eingestellt werden können. Die Einrichtung des vorübergehenden Dorfschutzsystems vom April 1985 wurde mit der Begründung geschaffen, dass man dem seit 1984 anhaltenden PKK-Terror gegen die weitgehend schutzlose Dorfbevölkerung Widerstand leisten müsse. Um das Dorf in der Erntezeit vor Plünderungen, Banden und Dieben zu schützen, wählen gem. Art 74 Dorfgesetz der Gemeindevorsteher oder der Ältestenrat unter den Geeigneten und sich freiwillig zur Verfügung stellenden Dorfbewohnern Dorfschützer aus und übermitteln deren Namen dem Landrat. Mit Zustimmung des Landrates können diese freiwilligen Dorfschützer gemeinsam mit den regulären Dorfschützern das Dorf und die Bewohner vor Plünderungen und Banden schützen (Zusätze eingefügt durch Gesetz Nr. 3175 v. 26.3.1985, geändert durch Gesetz Nr. 3612

v. 7.2.1990). In den durch den Ministerrat zu bestimmenden Provinzen können auf Vorschlag des Gouverneurs und mit Genehmigung des Innenministeriums eine ausreichende Anzahl von vorübergehenden Dorfschützern eingestellt werden, wenn in dem Dorf oder seiner Umgebung ernste Anzeichen für Gewalttaten, die als Grundlage zur Verhängung des Notstandes dienen können, vorhanden sind. Die Gehälter dieser Dorfschützer sowie die nach Beendigung der Aufgaben zu zahlenden Entschädigungsgelder werden aus dem Haushalt des Finanzministeriums zur Verfügung gestellt und an das Innenministerium transferiert.

 

Im Falle der Verletzung, Verkrüppelung oder des Todes des Dorfschützers oder vorübergehenden Dorfschützers in Ausübung seines Amtes werden die Bestimmungen des Gesetzes Nr. 2330 über Entschädigungszahlungen und Rentner angewandt.

 

Art. 79 besagt, dass Waffen, Dorfschützerausweise und Dienstbekleidungen der Dorfschützer, die sterben, aus dem Amt ausscheiden oder entlassen werden, vom Gemeindevorsteher aufbewahrt werden.

 

Art. 80 besagt, dass Dorfschützer, die ihre Aufgaben vernachlässigen oder Tätigkeiten ausüben, die ihnen verboten sind, durch den Ältestenrat beim ersten Mal ermahnt werden und beim zweiten Mal einen Verweis erhalten, wobei beides in ihrer Beurteilung vermerkt wird. Beim dritten Mal werden diese entlassen.

 

Da das Dorfschützeramt von seinem ursprünglichen Gedanken her auf Freiwilligkeit beruht, gibt es keine legale Handhabe gegen Personen, die einer diesbezüglichen Aufforderung staatlicher Stellen nicht nachkommen würden.

 

Es sind keine Fälle bekannt, wonach Personen, nachdem diese sich weigerten Dorfschützer zu werden bzw. diese Tätigkeit fortzusetzen, und in der Folge den südöstlichen Teil der Türkei verlassen haben, verfolgt oder ermordet wurden.

 

(Quellen: Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFl), Türkei: Dorfschützer in der Türkei, Stand Juli 1995, S 6f; Niederl. Außenministerium an den dortigen Staatssekretär für das Justizwesen vom 3.7.1996 betreffend allgemeine Lage in der Türkei, S 6f; Verwaltungsgericht München, Urteil vom 23.8.1996, AZ: M24 K 94.515527; Dt. Auswärtiges Amt, Schreiben an das Verwaltungsgericht Wiesbaden vom 8.12.1994; Österreichische Botschaft in Ankara, Schreiben an den UBAS vom 11.9.1998 - siehe auch UBAS vom 8.7.1998, Zl. 201.655/0/II)

 

1.3.2.2. Diese länderkundliche Feststellungen wurden angesichts des erstinstanzlichen Entscheidungszeitpunkts in 2003 und des relativen Alters der damals herangezogenen Informationsquellen einer Aktualisierung durch die Berufungsbehörde durch Heranziehung aktueller Länderinformationen unterworfen, wobei sich wie folgt ergänzend feststellen läßt:

 

Im oben angeführten Länderbericht des Britischen Innenministeriums zur Türkei vom 31.12.2007, Seite 28 - 30, wird u.a. ausgeführt, dass das erwähnte Dorfgesetz einer Novellierung im Mai 2007 unterzogen wurde. Demnach seien Provinzgouverneure nach Zustimmung des Innenministers ermächtigt in gesetzlich definierten Ausnahmesituationen "zeitlich befristete" Dorfschützer zu ernennen. Deren finanzielle und soziale Absicherung ist entsprechend gewährleistet. Einem ebendort zitierten türkischen Bericht aus 2006 zufolge waren zu diesem Zeitpunkt nach Auskunft des trk. Innenministeriums insgesamt ca. 50.000 Dorfschützer im Einsatz, daneben auch zahlreiche freiwillige Dorfschützer. Die Rekrutierung von provisorischen und freiwilligen Dorfschützern sei im Prinzip zwar entsprechend einer Regierungsanordnung vom Jahr 2000 eingestellt worden (siehe S. 29 unter Pkt. 8.20). Dennoch wurden etwa einem lokalen Nachrichtenbericht zufolge 650 freiwillige Dorfschützer in Sason, Distrikt Batman, eingestellt. Eine diesbezügliche Anfrage beim Innenministerium habe ergeben, dass sich diese Personen freiwillig meldeten um ihre Heimatdörfer zu beschützen. Darüber hinaus wird berichtet, dass Dorfschützern andererseits seit Jahren eine Vielzahl an Menschenrechtsverletzungen insbesondere an in ihre Heimatdörfer zurückkehrenden ehemaligen Vertriebenen (Internal Displaced Persons) vorgeworfen werden. Aus diesem Grunde forderten Menschenrechtsorganisationen wiederholt die Entwaffnung der Dorfschützer und die Abschaffung des Dorfschützer-Systems an sich.

 

Im aktuellen Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes zur Lage in der Türkei vom 25.10.2007 findet sich zur Thematik der Dorfschützer lediglich der Hinweis darauf, daß sich die Zahl der Dorfschützer den Angaben der EU-Kommission zufolge auf unter 40.000 verringert habe, dies meist aus Altersgründen. Weiters findet sich dort der bereits oben erwähnte Hinweis auf die jüngste Novelle des Dorfgesetzes im Mai 2007.

 

1.3.2.3. Auf der Grundlage dieser Länderinformationen ließ sich insgesamt auch nicht feststellen, dass - wenn auch nur theoretisch und unabhängig von der Frage der Glaubwürdigkeit einer individuellen Vorverfolgung wie sie vom BF behauptet wurde - von der aktuellen Möglichkeit einer Zwangsrekrutierung zum Dorfschützerdienst in der Türkei auszugehen wäre.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Als Beweismittel wurden herangezogen:

 

das erstinstanzliche Verfahrensergebnis

 

die persönlichen Angaben des Beschwerdeführers vor der Berufungsbehörde und die von ihm vorgelegten Urkunden und Dokumente (Befund Dris. D. vom 29.04.2002, türkischer Führerschein, türkische Personenstandsurkunde, Krankenhausaufenthaltsbestätigung, Rezeptverschreibungen, Kopie des Dorfschützerausweises seines Bruders A., Kopien der Personalausweise der Eltern, Personenstandsregisterauszug und Ansuchen des Vaters auf Ausstellung eines Personenstandsregisterauszug vom 21.08.2002)

 

die oben angeführten länderkundlichen Feststellungen anhand der angeführten Informationsquellen

 

2.1. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich nach Maßgabe folgender Erwägungen:

 

2.1.1. Die Feststellungen zur Situation in der Türkei stützen sich auf die auszugsweise zitierten länderkundlichen Berichte. Angesichts der Seriosität dieser Quellen und der Plausibilität dieser Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.

 

2.1.2. Die Feststellungen zur Identität des BF ergeben sich aus den in Vorlage gebrachten Dokumenten, insbesondere aus der von der Passbehörde I. am 00.00.2001 ausgestellten Personenstandsurkunde und dem am 00.00.1996 vom Verkehrsamt A. ausgestellten türkischen Führerschein.

 

2.1.3. Hinsichtlich der Volksgruppenzugehörigkeit des BF konnte - entgegen der Ansicht der Erstbehörde - nicht festgestellt werden, dass dieser der kurdischen Volksgruppe ist. Zwar gab der BF im erstinstanzlichen Verfahren bei seiner Einvernahme am 12.08.2002 an, er sei Angehöriger der kurdischen Volksgruppe, doch wurde zuvor in den Personalien, welche im Zuge der erkennungsdienstlichen Behandlung bei der Asylantragstellung aufgenommen wurden, vermerkt:

"Volksgruppe: Türke" (s. AS 2). Das Bundesasylamt begründete die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung, der BF gehöre der kurdischen Bevölkerungsgruppe an, insbesondere mit den vom BF angegebenen kurdischen Sprachenkenntnissen, ohne diese nachzuprüfen. Die Einvernahme des BF erfolgte in türkischer Sprache.

 

Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat trat jedoch - wie bereits oben wiedergegeben - zu Tage, dass der BF der kurdischen Sprache in keiner Weise mächtig ist, zumal er auf einfachste Fragen des Dolmetschers in kurdischer Sprache verständnislos reagierte. Ein weiteres Indiz dafür, dass der BF kein Kurde ist, ergab sich aus den Anmerkungen des zur mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat beigezogenen und mit allen in der Türkei gesprochenen Sprachen sowie den verschiedenen Volksgruppen in der Türkei vertrauten Dolmetschers, wonach auch aufgrund der Aussprache des BF eher darauf zu schließen sei, dass der BF turkmenischer Abstammung sei.

 

Gegen die Annahme, dass der BF Kurde sei, sprach weiters, dass dem Recherchebericht vom 10.06.2008 zufolge, der sich auf zwei unabhängig voneinander vor Ort durchgeführte Erhebungen stützte, das Heimatdorf des BF von Aleviten bewohnt sei, die der türkischen Volksgruppe zugehörig sind, und die Eltern des BF kein Kurdisch können. Zwar führte der Rechtsvertreter des BF in seiner Stellungnahme zum Recherchebericht vom 10.06.2008 unter alleiniger Berufung auf die Aussage des eben aus der Türkei zurückgekehrten Schwagers des BF aus, im Heimatdorf des BF würden sowohl Kurden als auch Türken leben und die Eltern des BF würden die kurdische Sprache verstehen, doch ist dazu anzumerken, dass die Aussage des Schwagers des BF schon allein aufgrund des verwandtschaftlichen Naheverhältnisses nicht jene Beweiskraft entfalten konnte wie jene der vor Ort befragten unbefangenen Kontaktpersonen.

 

Schließlich war auch nicht nachvollziehbar, dass der BF kein Wort kurdisch spricht, wenn er tatsächlich - wie von ihm in der mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat angegeben - noch in der Volksschulzeit kurdisch hätte sprechen können. Der BF gab dazu erklärend an, er habe diese Sprache wieder verlernt, als er in A. bei seinem Bruder gelebt habe. Es ist aber keinesfalls plausibel, dass der BF nicht einmal mehr die an ihn auf kurdisch gerichtete Frage nach seinem Namen zu beantworten vermochte, wenn er etwa bis zu seinem zwölften Lebensjahr mit dieser Sprache aufgewachsen wäre. Wäre der BF tatsächlich kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit und hätte er tatsächlich die kurdische Sprache in seiner Kindheit erlernt, wäre er jedenfalls in der Lage gewesen, so elementare Fragen wie jene nach seinem Namen auf kurdisch zu verstehen bzw. zu beantworten.

 

Im Lichte dessen war die oben getroffene Negativfeststellung zur Volksgruppenzugehörigkeit zu treffen.

 

2.1.4. Die Feststellung hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit seines Bruders A. als Dorfschützer im Heimatort K. seit 1997 ergibt sich zum einen aus der vom BF vorgelegten Kopie des Dorfschützerausweises und zum anderen aus den vor Ort getätigten Erhebungen.

 

Inwieweit der Bruder des BF tatsächlich zwangsweise als Dorfschützer rekrutiert worden sei, als 1997 den Angaben des BF nach 9 Dorfschützer aus einem Kreis von 25 bis 30 Dorfbewohnern eingestellt wurden, was wiederum eine gewisse Deckung im Recherchebericht vom 10.06.2008 findet, dem gemäß ehedem 9 Dorfbewohner von den türkischen Sicherheitskräften gezwungen worden seien Dorfschützer zu werden, kann mangels Entscheidungsrelevanz dahin gestellt werden. Der BF legte nämlich auf eingehendes Befragen in der Berufungsverhandlung dar, dass er selbst vom damaligen Rekrutierungsvorgang nicht betroffen war, ja sei er damals gar nicht anwesend gewesen. Den ergänzenden Erhebungen nach sind derzeit jedenfalls nach wie vor 9 Dorfschützer im Heimatdorf des BF im Amt.

 

Die Tatsache, dass der Bruder des BF die Tätigkeit als Dorfschützer nunmehr bereits seit vielen Jahren ausübt und - wie aus den Länderfeststellungen hervorgeht - aufgrund dieser Tätigkeit eine nicht unerhebliche soziale Absicherung genießt, weist wiederum darauf hin, dass dieser wohl nicht über so lange Zeit hinweg bis dato gezwungen war als Dorfschützer tätig zu sein. Diese Annahme der letztlich wohl nicht (mehr) unfreiwilligen Ausübung der Tätigkeit des Dorfschützers entspricht auch den oben angeführten Länderfeststellungen, denen zufolge das Dorfschützersystem (zumindest aktuell) auf Freiwilligkeit beruht und Zwangsrekrutierungen nicht berichtet werden bzw. als Dorfschützer grundsätzlich loyal zum türkischen Staatswesen stehende Personen eingestellt werden.

 

Im Wesentlichen ergaben sich aus diesen Erwägungen jedenfalls auch keine Rückschlüsse darauf, dass der BF - vor dem Hintergrund der Tätigkeit seines älteren Bruders - tatsächlich etwaigen Zwangsrekrutierungsversuchen vor der Ausreise unterworfen gewesen sei.

 

2.1.5. Die Feststellungen hinsichtlich der vom BF erlittenen Rückenverletzungen ergaben sich aus dem vorgelegten Befundbericht Dris. D., Facharzt für Radiologie. Unbestritten ist aufgrund der vorgelegten Aufenthaltsbestätigung vom 16.08.2002 auch, dass der BF vom 15.12.1999 bis 27.12.1999 stationär im staatlichen Krankenhaus G. aufhältig war und dort an der Wirbelsäule operiert wurde.

 

Aus dem angeführten Befundbericht bzw. der Aufenthaltsbestätigung ging jedoch nicht die Ursache der erlittenen Rückenverletzungen hervor. Dass es sich bei dem vom BF angegebenen Vorfall, als ihn die Soldaten mit den Füßen vom Wagen gestoßen hätten und er sich dabei die Rückenverletzungen zugezogen habe, eher um eine konstruierte

Geschichte handelt, ergab sich aus folgenden Angaben des BF:

 

Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen

Bundesasylsenat gab der BF zunächst an: "Sie [Die Soldaten] haben mich selbst ins Krankenhaus gebracht. Als ich den Bericht vom Krankenhaus bekam, stand darin, dass ich einen Verkehrsunfall gehabt hätte." Die Frage, ob es sich um jenen im Verfahren vorgelegten Bericht handeln würde, bejahte der BF. Auf Vorhalt, wonach diesem Bericht aber nicht zu entnehmen sei, dass die Verletzungen aus einem Verkehrsunfall resultieren würden, führte der BF demgegenüber aus, er habe lediglich gehört, wie die Soldaten den Krankenhaus-Bediensteten mitgeteilt hätten, dass es sich um einen Verkehrsunfall gehandelt habe, deswegen stehe auch nichts von einem Verkehrsunfall im Bericht.

 

Diese divergierenden und unschlüssigen Angaben während der mündlichen Verhandlung indizierten, dass sein Vorbringen hinsichtlich der Verletzungsursache als unglaubwürdig anzusehen ist. Im Hinblick darauf konnte jedenfalls die Ursache für die vom BF erlittene Rückenverletzungen nicht festgestellt werden.

 

Von der vom Rechtsvertreter des BF in der mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat beantragten Einholung eines forensischen Gutachtens wurde abgesehen, da selbst wenn als Ursache für den erlittenen Kompressionsbruch von L2 ein Sturz festgestellt würde, der Auslöser für einen zur Verletzung führenden Sturz auch mit Hilfe der Forensik wohl kaum feststellbar sein würde.

 

Demgegenüber war das persönliche Vorbringen des BF zu den behaupteten Zwangsrekrutierungsversuchen über den Verfahrensverlauf hinweg per se schon so widersprüchlich und daher auch nicht glaubwürdig, dass auch jedweder Versuch einer medizinischen Abklärung des damaligen Verletzungshergangs im Ergebnis nicht zur Feststellung der Glaubwürdigkeit der behaupteten Zwangsrekrutierungsversuche hätte führen können.

 

Sprach der BF in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt nur von jenem Vorfall am 15.12.1999, als er vom Wagen gestoßen worden sei, führte er in der mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat aus, er sei bereits einige Monate nach der Rekrutierung seines Bruders A. im Jahr 1997 gedrängt worden, ebenfalls ein Dorfschützer zu werden. Man hätte ihn einmal in der Woche zum Militärstützpunkt mitgenommen, ihn dort verprügelt und anschließend wieder freigelassen. Dies sei insgesamt vier bis fünf Monate so gegangen, bis zu jenem Vorfall, als er aus dem Wagen gestoßen worden sei.

 

Selbst wenn man die Rekrutierung des Bruders des BF - mangels genauerer Angabe des BF -im Dezember 1997 annehmen und der Aussage "einige Monate" eine Dauer von einem halben Jahr zugrunde legen würde, ergäbe dies bei einer gesamten Dauer der Rekrutierungsversuche von vier bis fünf Monaten ein Ende ebendieser mit Ende des Jahres 1998, was nicht mit dem angeblich Ende 1999 stattgefunden habenden Vorfall, bei dem der BF aus dem Auto gestoßen worden wäre, zusammengeht.

 

Des Weiteren gab der BF bei der mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat abweichend zu seinen Angaben vor der Erstbehörde zu Protokoll, es habe nach seiner Genesung keine weiteren Rekrutierungsversuche durch die Gendarmerie gegeben, er habe versucht sich versteckt zu halten und habe sich in I. über eine Ausreise ins Ausland informiert. In der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 12.08.2002 führte er diesbezüglich jedoch noch aus, er sei nach seiner Heilung "immer wieder" unter Druck gesetzt und gefoltert worden und habe sich bis zu seiner Ausreise an der Heimatadresse seiner Eltern aufgehalten.

 

Aus den soeben aufgezeigten Widersprüchlichkeiten war schon auf die Unglaubwürdigkeit des wesentlichen Fluchtvorbringens des BF zu schließen und war daher nicht feststellbar, dass der BF wie von ihm behauptet zwangsweisen Rekrutierungsversuchen als Dorfschützer seitens der Gendarmerie ausgesetzt gewesen sei.

 

In der Gesamtsicht dieser Erwägungen ergaben sich folgerichtig die Feststellungen oben unter 1.2.

 

Festzuhalten ist im Hinblick auf die dahin gehenden Länderfeststellungen oben auch, dass sich aus den vom Asylgerichtshof herangezogenen aktuellen Berichten auch keinerlei Hinweise auf aktuelle Zwangsrekrutierungen von sogen. Dorfschützern sowie auch keine Hinweise auf etwaige staatliche Repressalien im Zusammenhang mit dieser Thematik ableiten lassen. Hinweise lassen sich vielmehr darauf finden, dass die Position der aktuell noch im Einsatz befindlichen Dorfschützer mit entsprechenden finanziellen und sozialrechtlichen Absicherungen verbunden ist und daher eine solche von den Betroffenen wohl auch als eine Möglichkeit des regulären Einkommenserwerbs erachtet wird. Darüber hinaus wird festgestellt, dass der Einsatz als Dorfschützer, der von seinem Zweck her grundsätzlich der Abwehr von kurdischen Untergrundkämpfern von Dörfern im türkischen Hinterland dienen soll, wie bereits erwähnt eine loyale Grundhaltung dem türkischen Staatswesen gegenüber bedingt.

 

Der vom Vertreter des BF in der Verhandlung vorgelegte Internet-Auszug vermochte schon angesichts seines Inhalts (vgl. oben im Rahmen der Wiedergabe des Verlaufs der Berufungsverhandlung) keine widersprechenden Informationen zu bieten.

 

Die Länderfeststellungen des Asylgerichtshofs zum Thema der sogen. Dorfschützer stützen daher jedenfalls auch die Negativfeststellungen oben zum Fehlen jedweder Verfolgungsgefahr aus den vom BF ins Treffen geführten Gründen.

 

III. Rechtlich folgt:

 

1. Gemäß § 75 Abs 1 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005, sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes (AsylG 2005) sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31.12.2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31.12.2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

 

Gemäß § 44 Abs 1 AsylG idF BGBl I Nr. 101/2003 werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt. Die §§ 8, 15, 22, 23 Abs 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a sind gemäß § 44 Abs 3 leg cit idF BGBl I Nr. 101/2003 auch auf Verfahren gemäß Abs 1 anzuwenden.

 

Nachdem der Beschwerdeführer seinen Asylantrag am 14.02.2002 gestellt hat, ist das gegenständliche Verfahren somit nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, in den Fassungen BGBl. I Nr. 126/2002 sowie BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG) zu führen.

 

Gemäß § 38 Abs 1 AsylG 1997 entschied der unabhängige Bundesasylsenat über Rechtsmittel gegen Bescheide des Bundesasylamtes.

 

Gemäß § 75 Abs 7 AsylG 2005, diesem hinzugefügt durch Art 2 Z 54 Asylgerichtshofgesetz AsylGHG 2008, sind am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof weiterzuführen. Im Rahmen einer verfassungskonformen Interpretation des § 75 Abs 7 AsylG 2005 ist iSd Art 151 Abs 39 Z 1 B-VG von einer Anhängigkeit der Verfahren beim Unabhängigen Bundesasylsenat mit 30.6.2008 auszugehen. Gemäß § 75 Abs 7 Z 1 haben Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofs ermannt wurden, alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in den bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen. Im gegenständlichen Fall war daher vor dem Hintergrund des oben dargestellten Verfahrensverlaufs der unten zeichnende Richter des Asylgerichtshofs als Einzelrichter zur Fortsetzung des vor dem 1. Juli 2008 begonnenen Verfahrens und zur Entscheidung über die gegenständlichen Anträge des Beschwerdeführers berufen.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem B-VG, den AsylG 2005 und dem VwGG nichts anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Nach den Gesetzesmaterialien (AB 371 XXIII. GP) gilt dies auch für zusammengesetzte Begriffe, die den Wortbestandteil "Berufung" enthalten (zB "Berufungsbehörde" oder "Berufungsantrag" in §§ 66 und 67 AVG).

 

2. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde (der Asylgerichtshof), sofern die Berufung (Beschwerde) nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

3. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht und keiner der in Art 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt der dem § 7 AsylG 1997 zu Grunde liegenden, in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sei, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011; VwGH 21.09.2000, 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.04.2001, 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233; VwGH 09.03.1999, 98/01/0318).

 

Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, und ist ihm dort die Inanspruchnahme inländischen Schutzes auch zumutbar, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.3.1999, 98/01/0352; 15.3.2001, 99/20/0134; 15.3.2001, 99/20/0036). Das einer "inländischen Fluchtalternative" innewohnende Zumutbarkeitskalkül setzt voraus, dass der Asylwerber im in Frage kommenden Gebiet nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/20/0539).

 

Aus dem oben festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass der Beschwerdeführer eine Verfolgung seiner Person vor der Ausreise nicht glaubhaft machen und jene daher auch nicht festgestellt werden konnte. Erachtet die Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung die fluchtkausalen Angaben des Asylwerbers - wie vorliegend - als nicht glaubhaft, dann können die von ihm behaupteten Fluchtgründe gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt werden und ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (VwGH, 09.05.1996, 95/20/0380).

 

3.2. Selbst wenn man im Übrigen - in Absehung von der Unglaubwürdigkeit des diesbezüglichen Vorbringens des Beschwerdeführers und entgegen den anders lautenden länderkundlichen Berichten - davon ausgehen würde, dem BF würde in seinem Heimatdorf eine mögliche Zwangsrekrutierung als Dorfschützer drohen, wäre es dem BF auch möglich, sich einer solchen durch Verlegung seines Wohnsitzes in einen anderen Teil seines Herkunftslandes, in dem das Dorfschützersystem nicht eingerichtet ist (wie zB. in den Großstädten), zu entziehen.

 

Dem BF würde daher - wie bereits die Erstbehörde ausführte - jedenfalls auch eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehen und wäre ihm deren Inanspruchnahme auch zumutbar. Bei Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative wäre auch keine Gefahr gegeben, dass der BF im in Frage kommenden Gebiet in eine ausweglose Lage gerät und jegliche Existenzgrundlage verliert, und ist auch zu erwarten, dass dieser notfalls auch bei seinen zum Teil außerhalb der Heimatregion wohnhaften Geschwistern Unterkunft finden könnte.

 

3.3. Auch wenn man schließlich - entgegen den in der Beweiswürdigung angeführten Gründen - zur Annahme gelangen würde, der BF sei kurdischer Volksgruppenangehöriger, wäre für ihn allein aufgrund der Zugehörigkeit zur besagten Volksgruppe eine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention begründeter Weise nicht zu befürchten, zumal es im Herkunftsland des BF - wie aus den getroffenen Länderfeststellungen hervorgeht - zu keinen systematischen und weit verbreiteten Repressionen gegen Staatsbürger kurdischer Herkunft kommt.

 

3.4. Es waren daher die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl nicht gegeben und war daher Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zu bestätigen.

 

4. Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 44 Abs. 3 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat nach § 57 Fremdengesetz 1997, BGBl. I Nr. 75/1997 (FrG), zulässig ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

Gemäß Art 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten; am 1.1.2006 ist gemäß § 126 Abs 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge: FPG) das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Demnach wäre die Verweisung des § 8 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechende Bestimmung" des § 50 FPG zu beziehen.

 

Gemäß § 50 Abs 1 FPG ist die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, die Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde, oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs 2 FPG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art 33 Z 1 GFK), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative.

 

Da sich die Regelungsinhalte beider Vorschriften (§ 57 FrG und § 50 FPG) nicht in einer Weise unterscheiden, die für den vorliegenden Fall von Bedeutung wäre, lässt sich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - unmittelbar oder mittelbar - auf § 57 FrG bezieht, insoweit auch auf § 50 FPG übertragen.

 

Zur Auslegung des § 57 FrG ist die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum inhaltsgleichen § 37 Fremdengesetz, BGBl Nr. 838/1992, heranzuziehen. Danach erfordert die Feststellung nach dieser Bestimmung das Vorliegen einer konkreten, den Berufungswerber betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122). Die bloße Möglichkeit einer dem Art 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427). Im Übrigen ist auch im Rahmen des § 8 AsylG zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 Abs 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

4.1. Eine mögliche Gefährdung des Beschwerdeführers iSd des § 50 Abs 2 FrG im Herkunftsstaat ist vor dem Hintergrund der Feststellungen oben zur Frage der Asylrelevanz des Vorbringens jedenfalls zu verneinen.

 

Ausgehend vom Vorbringen des Beschwerdeführers sowie auch von der Lageeinschätzung des Asylgerichtshofs auf der Grundlage der eingesehenen Berichte sind darüber hinaus derart exzeptionelle Umstände, die eine Rückführung im Hinblick auf innerhalb oder außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art 3 EMRK erscheinen lassen könnten, im Falle des Beschwerdeführers ebenfalls nicht ersichtlich (vgl. zu Art 3 EMRK z.B. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443).

 

Hinzu kommt, dass vor dem Hintergrund der vom Beschwerdeführer selbst dargestellten Lebensverhältnisse seiner Verwandten in der Türkei sowie der eigenen früheren Lebensumstände und Fähigkeiten auch nicht ersichtlich ist, dass er bei einer Rückführung in den Herkunftsstaat in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (wie etwa Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden oder ausweglosen Situation ausgesetzt wäre.

 

Insbesondere ist zu erwarten, dass der BF - wie auch vor seiner Ausreise - durch Mithilfe in der elterlichen Landwirtschaft seinen Lebensunterhalt wird bestreiten können. Zudem wurde der BF während des Militärdienstes nach eigenen Angaben als Koch eingesetzt und könnte er diese Fertigkeit als Einnahmequelle nutzen. Es ist auch davon auszu

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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