TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/17 A1 309052-1/2008

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Veröffentlicht am 17.09.2008
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Spruch

A1 309.052-1/2008/11E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Andreas Druckenthaner als Vorsitzenden und den Richter Dr. Christian Filzwieser als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Ines Csucker über die Beschwerde des N.M., StA. Marokkos, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.12.2006, Zl. 06 06.368-BAI, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs 1; 8 Abs 1 Z 1; 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005, BGBl Nr. 100/2005 abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

Der Beschwerdeführer beantragte am 17.6.2006 die Gewährung von Asyl.

 

Am 21.06.2006 und am 13.12.2006 wurde der Beschwerdeführer jeweils beim Bundesasylamt zu seinem Asylantrag niederschriftlich einvernommen.

 

Dabei gab er im Wesentlichen Folgendes an:

 

...

 

Frage: Schildern Sie bitte, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben?

 

Antwort: Nach dem Tod meiner Mutter 1994 hat mein Vater mich öfters geschlagen und bekam große Alkoholprobleme. 1999 hat er wieder geheiratet und hat mich weiterhin sehr schlecht behandelt. Sein Alkoholproblem wurde immer größer und er hat mich mehrmals fast zu Tode geprügelt. Seine Frau wollte mich nicht und hat mich ebenfalls schlecht behandelt. Ich habe am ganzen Körper Narben von den Schlägen meines Vaters. Als er mich im März 2005 stark geschlagen hat, bin ich ins Freie geflüchtet. Als ich zurück ins Haus wollte, sagten meine Nachbarn, dass er bei der Polizei war und behauptet hat, dass ich sein Geld und den Schmuck seiner Frau gestohlen hätte. Deswegen flüchtete ich sofort von Casablanca nach Tanger, wo ich ca. ein Jahr am Hafen gelebt habe. Ich musste mich immer wegen der Anzeige, die mein Vater erstattet hat, vor der Polizei verstecken. Ich hatte Angst, dass sie mich ins Gefängnis stecken und anschließend wieder meinem Vater ausliefern. Immer, wenn er getrunken hat, hat er seinen Verstand verloren.

 

Frage: Haben Sie außer den geschilderten weitere Probleme in Ihrem Herkunftsstaat?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Haben Sie sämtliche Gründe, welche Sie zum Verlassen Ihres Herkunftsstaates veranlasst haben, angeführt?

 

Antwort: Ja.

 

Frage: Was befürchten Sie in Ihrem Herkunftsstaat?

 

Antwort: Die Polizei wird mich ins Gefängnis stecken und mein Vater wird mich weiterhin schlecht behandeln, wenn nicht sogar umbringen.

 

Frage: Würde Ihnen im Falle der Abschiebung in Ihrem Herkunftsstaat Verfolgung, unmenschliche Behandlung oder die Todesstrafe drohen?

 

Antwort: Die Polizei könnte mich ins Gefängnis stecken.

 

Frage: Haben Sie persönliche Beziehungen in Österreich?

 

Antwort: Nein.

 

...

 

Gegen Sie wurde am 00.00.2006 Anzeige gem. § 27 SMG gestellt. Was sagen Sie dazu?

 

A: Diese Anzeige erfolgte ohne Grund. Ich hatte kein Suchtgift bei mir.

 

F: Nehmen Sie Drogen oder Medikamente?

 

A: Ich konsumiere Alkohol und Haschisch. Ich nehme aber keine harten Drogen.

 

F: Dealen Sie auch mit Drogen oder Medikamenten?

 

A: Nein, das tue ich nicht.

 

Anmerkung:

 

Der Antragsteller wird darauf aufmerksam gemacht, dass in Österreich der Drogenkonsum verboten ist.

 

...

 

F: Können Sie nochmals angeben, über welche Reiseroute Sie nach Österreich gekommen sind?

 

A: Im März 2005 habe ich mein zu Hause, Casablanca, verlassen. Ich habe dann in Tangar ein Jahr auf der Straße gewohnt.

 

Im Juni 2006 habe ich Tangar verlassen und bin per Lkw in die Türkei gereist. Wohin genau weiß ich nicht. Ich habe in der Türkei zwei Türken kennengelernt, die mir rieten, in einen Lkw zu steigen und in Österreich bin ich ausgestiegen. Ich wusste nicht, wo ich war.

 

F: Was war Ihr Zielland?

 

A: Ich hatte kein Zielland. Ich wollte einfach nur nach Europa, egal wohin.

 

V: Es ist nicht weder glaubhaft noch nachvollziehbar, dass Sie zu Ihrem Reiseweg keine Angaben machen können und ist offensichtlich, dass Sie versuchen hier Ihren Reiseweg zu verschleiern. Sie werden an dieser Stelle nochmals an die Wahrheits- und Mitwirkungspflicht im Asylverfahren aufmerksam gemacht.

 

A: Zu Hause habe ich von Österreich gehört.

 

Vorhalt:

 

Herr Asylwerber, es ist auch nicht nachvollziehbar, dass Sie ohne zu Wissen wohin die Reise geht, einen Lkw besteigen und mitfahren. Erklären Sie sich bitte.

 

A: Ich habe auf dem Lkw ein Eu-Kennzeichen gesehen und deshalb bin ich eingestiegen.

 

F: Waren Sie in Italien?

 

A: Nein.

 

F: Woher können Sie dann italienisch, wenn Sie doch nur die Volksschule besucht haben?

 

A: Ich bin drei Jahre in Marokko in die Schule gegangen. Dort habe ich drei Sprachen gelernt: Italienisch, Französisch und Arabisch.

 

Anmerkung:

 

Der Antragsteller wird nochmals auf die Wahrheitspflicht aufmerksam gemacht.

 

A: Man geht mit 6 Jahren schon in die Schule. Man lernt Arabisch und Französisch und zusätzlich noch eine andere Sprache. Ich war in einer Privatschule.

 

F: Wer hat diese Privatschule bezahlt?

 

A: Meine Tante, sie ist mit einem reichen Mann verheiratet. Sie hat mich wie einen eigenen Sohn behandelt. Auf dieser Privatschule ist es mir gut gegangen.

 

F: Warum haben Sie nur die ersten drei Klassen der Schule?

 

A: Ich wollte weitermachen, aber mein Vater hat mich aus der Schule genommen. Mein Vater ist mit einer anderen Frau verheiratet und die hat meinen Vater aufgehetzt. Meine Tante hat dafür gekämpft, dass ich bei ihr wohnen kann. Meine Tante hat nur mit mir geredet. Sie wollte, dass ich bleibe, aber ich bin gegangen. Dies war 1999. Ich bin dann wieder zurück zu meinem Vater gegangen.

 

Mein Vater ist Alkoholiker und hat mich oft geschlagen. Mein Vater hat behauptet, dass ich von meine Stiefmutter bestohlen hätte.

 

Nach der Schule habe ich in Casablanca ein Jahr als Frisör gearbeitet.

 

F: Warum nur ein Jahr.

 

A: Mein Vater hat mich oft geschlagen. Ich hatte zu Hause keine Ruhe zum Schlafen und deswegen habe ich nur ein Jahr gearbeitet. Dann war ich vier Jahre lang zu Hause bei meinem Vater.

 

Meine Stiefmutter hat mich oft an den Haaren gezogen und mein Vater hat mich auf die Füße geschlagen.

 

F: Wenn Sie mit Ihrem Vater und Ihrer Stiefmutter Probleme hatten, warum haben Sie sich nicht an den marokkanischen Staat gewandt?

 

A: Der Grund dafür war, dass mein Vater der Polizei gesagt hat, dass ich gestohlen hätte. Vorher war ich zu jung, um zu wissen, wohin ich gehen soll. Ich war erst elf Jahre alt.

 

F: Warum sind Sie nicht zu Ihrer Tante gegangen?

 

A: Das ging nicht, weil der Mann meiner Tante von meinem Vater gehört hat, dass ich ein schlechter Sohn bin.

 

F: Haben Sie probiert mit Ihrer Tante Kontakt aufzunehmen?

 

A: Nein. Ich wollte nicht, dass sie Schwierigkeiten mit ihrem Mann bekommt. Gott soll die Menschen beschützen und nicht die Menschen.

 

F: Können Sie nochmals die Gründe schildern, die Sie dazu veranlassten, Ihre Heimat zu verlassen (freie Erzählung)?

 

A: Die Polizei hat mich gesucht, das war der Grund.

 

F: Wann war dies?

 

A: Das war im März 2005. Genaues Datum weiß ich nicht. Es war in den letzten zehn Tagen im März.

 

F: Erzählen Sie den Vorfall genauer?

 

A: Mein Vater hat mich mit einem Holzstück auf die Füße geschlagen. Dies war abends. Daraufhin bin ich von zu Hause abgehauen und habe in einem Schwimmbad übernachtet. Dies ist im Winter geschlossen. Ich habe dort drei Tage verbracht.

 

Als ich wieder nach Hause wollte, haben mir alle Nachbarn gesagt, dass mein Vater mich mit der Polizei suchen würde. Meine Stiefmutter hat zu meinem Vater gesagt, dass ich sie bestohlen hätte. Ich weiß es selber nicht, was ich gestohlen haben sollte.

 

...

 

Mit Bescheid vom 15.12.2006, Zl. 06 06.368-BAI, wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 AsylG (Spruchpunkt I.) ab, erklärte gleichzeitig seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Marokko gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG für zulässig (Spruchpunkt II) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet aus.

 

Zur Person des Asylwerbers führte das Bundesasylamt Folgendes aus:

 

Die Identität des N.M. steht nicht fest, hinsichtlich der Nationalität geht die Behörde ob der verwendeten Sprache und diverser Kenntnisse davon aus, dass die marokkanische Nationalität des Antragstellers als festgestellt anzusehen ist.

 

Der ASt. spricht die arabische Sprache.

 

Fest steht, dass der Antragsteller am 13.06.2006 eingereist ist.

 

Es konnte nicht festgestellt werden, über welches Land der ASt. nach Österreich eingereist ist.

 

Fest steht, dass der ASt. am 17.06.2006 in Österreich einen Asylantrag eingebracht hat.

 

Fest steht auch, dass das Asylverfahren per 20.09.2006 eingestellt wurde, da in Ermangelung der Bekanntgabe einer Abgabestelle die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes nicht erfolgen konnte und gleichzeitig ein Festnahmeauftrag erlassen wurde.

 

Fest steht weiters, dass der Antragsteller am 00.00.2006 von der PI Pradl, wegen § 27 Suchtmittelgesetz zur Anzeige gebracht wurde.

 

Fest steht, dass der Antragsteller am 00.00.2006 von der PI Innere Stadt festgenommen und dem Bundesasylamt, Außenstelle Innsbruck, vorgeführt wurde.

 

Als Grund für den Asylantrag hat der Antragsteller vorgebracht, mit seinem Vater und seiner Stiefmutter Probleme gehabt zu haben.

 

Fest steht, dass eine Betreuung durch staatliche bzw. private Institutionen in Marokko teilweise möglich ist.

 

Es gibt auch Institutionen, welche sich um Jugendliche kümmern, ua. AMESIP, welche speziell Straßenkinder in Casablanca betreut.

 

Zur Situation im Herkunftsstaat traf das Bundesasylamt folgende Feststellungen:

 

Aktuelle politische Situation

 

Marokko ist nach der Verfassung von 1972 (mit Änderungen 1992 und 1996) eine konstitutionelle Monarchie. Neben den Verfassungsorganen besteht das traditionelle System des "Makhzen" mit dem König als Führungsperson. Er beherrscht das politische und in weiten Bereichen das wirtschaftliche System. Nach Verfassung und Tradition hat der König eine Doppelrolle: Er ist weltlicher Herrscher und zugleich geistlicher Führer (Amir Al Mu'minin).

 

König Mohammed VI. verkörpert einen weltoffenen liberalen Regierungsstil, hat aber auf keines der Vorrechte seines Vaters verzichtet. Er betont stärker als sein Vater die Idee der konstitutionellen Monarchie, ist aber auch bereit, seine exekutiven Befugnisse zu nutzen, wenn er es für erforderlich hält. Nach den Parlamentswahlen am 27. September 2002 ernannte er den parteilosen Technokraten Driss Jettou zum neuen Premierminister und unterstrich damit seinen politischen Führungsanspruch. Die Wahl kann weitgehend als frei, fair und transparent bezeichnet werden.

 

Der innenpolitische Stil des Königs hat sich auch durch die Ankündigung von Initiativen bei der Bekämpfung von Armut und Bildungsnotstand und bei der Gleichberechtigung der Frau manifestiert.

 

Der König hat den Kampf gegen den Terrorismus und die Demokratisierung und Modernisierung des Landes als gleichgewichtige Aufgaben bezeichnet. Die Sicherheitsbehörden gehen mit großer Härte gegen radikale islamistische Gruppen vor.

 

(Auswärtiges Amt, Innenpolitik Algerien, März 2005, U.S. Department of State, Country Reports on Human Rights Practices, 08.03.2006)

 

Anfang Januar legte die noch unter Hassan II ins Leben gerufene Ethikkommission "Gerechtigkeit und Versöhnung" ihren Abschlussbericht vor. Ihre Aufgabe bestand darin, die Vorkommnisse zwischen 1970-1990, der Unterdrückungszeit unter Hassan II zu untersuchen und den Opfern von Menschenrechtsverletzungen Gehör zu verschaffen. Der Bericht mit seinen Forderungen, neben der Aufklärung zukünftig derartige Menschenrechtsverletzungen durch eine Verfassungsreform zu unterbinden, wurde von Mohamed VI zum Anlass genommen, eine Gesamtbilanz der 50 jährigen Unabhängigkeit Marokkos zu ziehen.

 

Der König unterließ es, sich öffentlich für die Vorkommnisse unter der Regentschaft Hassan II zu entschuldigen und enttäuschte damit die Erwartungen der Öffentlichkeit. Er nahm die Gelegenheit zum Anlass, die Kontinuität der konstitutionellen Monarchie zu betonen, einen Schlussstrich unter die "bleiernen Jahre" zu ziehen und zu einem neuen nationalen Konsens aufzurufen. Hierbei wendete er sich vor allem an die junge Bevölkerung; die er aufrief, sich zur territorialen Integrität, zur nationalen Identität und zur "Bürgermonarchie" zu bekennen. Der Saharakonflikt wurde Mitte Januar im UN Sicherheitsrat erneut zur Sprache gebracht. Der Bericht des UN Sonderbeauftragten für die Sahara zeigte die Misserfolge der bisherigen UN Lösungsmodelle auf. Vielmehr könne nur durch eine direkte Beteiligung der Konfliktpartner, Algerien eingeschlossen, der über 30 Jahre währende Konflikt einer Lösung zugeführt werden. Erwartet wird jetzt der von Marokko angekündigte Plan einer weitgehenden Autonomie des umstrittenen Gebietes innerhalb des marokkanischen Territoriums.

 

(Hans Seidel Stiftung, Monatsbericht, Jänner 2006)

 

Menschenrechtssituation

 

Marokko zeigt weiterhin ein gemischtes Bild bei den Menschenrechten.

 

Es hat große Fortschritte bei vergangenen Misshandlungen gemacht und erlaubt große Freiräume für kritische Meinungen und Protesten in den letzten Jahren.

 

Die Behörden werden weiterhin von gefälligen Richtern unterstützt und sie benutzen diskriminierende Gesetze, um friedliche Gegner zu bestrafen. Die Polizei geht teilweise mit überzogener Gewalt vor, um Demonstrationen aufzulösen.

 

(Human Rights Watch, Country Summary Morocco, January 2006)

 

Menschenrechte sind heute besser als zuvor in der politischen Wirklichkeit Marokkos verankert. Durch die weitgehend freie Diskussion von Menschenrechtsfragen vor allem in regierungskritischen Zeitungen ist die Sensibilität der Öffentlichkeit gewachsen.

 

Es gibt Fortschritte bei der Einführung des "Moudawana (Familiy Status Code) und bei der Arbeit der Gerechtigkeits- und Versöhnungskommission (IER). Dennoch bleibt die Menschenrechtssituation in manchen Gebieten Marokkos unbefriedigend.

 

Menschenrechtsorganisationen und die Polisario Front (Popular Front for the Liberation of the Saguia el Hamra and Rio de Oro), eine Front die für die Unabhängigkeit von Westsahara eintritt, beschuldigen die Regierung des harten Vorgehens in Laayoune und Dakhla (Western Sahara) gegen Demonstranten im Mai und kritisiert auch die folgenden Gerichtsverfahren und harten Urteile gegen Demonstranten.

 

Menschenrechtsaktivisten in der Westsahara berichteten an Amnesty International (AI) und Human Rights Watch (HRW) dass die Demonstranten teilweise auch gefoltert wurden.

 

Monatliche Demonstrationen von arbeitslosen Akademikern vor dem Parlament wurden von Sicherheitskräften durch übertriebene Gewalt aufgelöst.

 

(U.S. Department of State, Country Reports on Human Rights Practices, 08.03.2006)

 

Marokko wird vor Ablauf des Einsatzes der UN- Friedenstruppen MINURSO Ende April der UN einen Vorschlag zur Lösung des Saharakonfliktes unterbreiten. Derzeit sind die politischen Parteien aufgefordert, ihre Vorstellungen einer größtmöglichen Autonomie des umstrittenen Gebietes innerhalb des marokkanischen Hoheitsgebiets zu unterbreiten. Marokko hat bei der UN Beschwerde eingelegt, da die Polisario in der entmilitarisierten Zone mit Demonstrationen auf sich aufmerksam machen versuchte.

 

(Hans Seidel Stiftung, Monatsbericht, Februar 2006)

 

Versorgungslage

 

Sozialversicherungssystem:

 

Aktuelle Gesetze: 1972 (social security scheme); 1981 (agricultural and forestry workers) und 2002 (basic health coverage), eingeführt 2005.

 

Versicherungsschutz:

 

Angestellte Arbeiter und Lehrlinge in Industrie und Handel, Forst- und Landwirtschaft, Personen die bei Handwerkern oder anderen Selbständigen beschäftigt sind, Personen die bei Grundherren oder in der Fischerei beschäftigt sind.

 

Ausnahmen: Selbständige

 

Es gibt ein spezielles Versicherungssystem für öffentlich Bedienstete und für bestimmte andere Kategorien von Angestellten.

 

Versicherungsschutz bei Krankheit und Mutterschaft: medizinische Versorgung

 

Versicherungsschutz für Arbeiter: medizinische Grundversorgung

 

Versicherungsschutz für Hinterbliebene: medizinische Grundversorgung

 

(U.S. Social Security Administration, Bericht über das Sozialversicherungssystem, September 2005)

 

Die von Mohammed VI zur Armutsreduzierung initiierte "nationale Initiative zur menschlichen Entwicklung" wird, von Medienberichten begleitet, als im gesellschaftlichen Konsens entstandene Initiative konsequent weiterverfolgt. Der Monarch selbst wirkt als Garant für den Erfolg, wenn er landesweit Entwicklungsvorhaben im Bereich Grundversorgung einweiht. Die Finanzierung der Vorhaben im Bereich Grundversorgung und Infrastruktur wird auch durch ausländische Gelder unterstützt.

 

Auch die Schaffung von entwicklungsorientierten Rahmenbedingungen wird gefördert. In diesem Zusammenhang sind die erleichterten Mikrokreditvergaben, sowie Arbeitseingliederungsmöglichkeiten in kleine und mittlere Betriebe zu nennen, wobei der Staat selbst für die Lohnnebenkosten aufkommt.

 

(www.hss.de, Marokko, Monatsbericht September 2005)

 

Bewegungsfreiheit

 

Das Gesetz erlaubt uneingeschränkte Bewegungsfreiheit, jedoch schränkt die Regierung dieses Recht in bestimmten Gebieten ein. Besonders im Gebiet der West Sahara, das von der Regierung verwaltet wird und als militärisch sensibles Gebiet gilt. Die Behörden verweigerten zahlreichen regierungskritischen Personen die Ausstellung von Pässen in diesem Gebiet.

 

(U.S. Department of State, Country Reports on Human Rights Practices, 08.03.2006)

 

Zur Rückkehr unbegleiteter Minderjähriger wird ausgeführt:

 

Die Regierung widmet sich vermehrt mit dem Wohnungsbau, der Beschäftigung, der Erziehung und dem Gesundheitswesen. Seit Frühjahr 2005 hat der König eine Nationale Initiative für die menschliche Entwicklung (INDH) verkündet, die primär auf Beseitigung der Armut in den 360 ärmsten ländlichen Gemeinden und in 250 städtischen Gebieten abzielt.

 

Die Situation für allein stehende Minderjährige hat sich in Marokko in den letzten Jahren vor allem aufgrund des Engagements privater Instutionen gebessert und eine Betreuung durch staatliche bzw. private Instutionen ist teilweise möglich.

 

Es gibt auch Institutionen, welche sich um Jugendliche kümmern, so u. a. AMESIP, welche speziell Straßenkinder in Casablanca betreut.

 

(Quelle: Beantwortung Botschaftsanfrage an ÖB Marokko vom 03.07.2006, GZ keine)

 

Beweiswürdigend führte das Bundesasylamt zur Person des Asylwerbers Folgendes aus:

 

...

 

Hinsichtlich der Person ist der Antragsteller nicht glaubwürdig, da er keine Dokumente zum Nachweis seiner Identität vorgelegt hat.

 

Wenngleich die Ausführungen zum Fluchtweg nicht asylrelevant sind, so vermögen sie doch ein Indiz für die Gesamtbewertung der Glaubwürdigkeit einer Person darzustellen. Nicht glaubhaft sind die vom ASt. in diesem Zusammenhang getätigten Aussagen, faktisch keine Wahrnehmungen hinsichtlich der Reise von der Heimat nach Österreich gemacht zu haben. Ob des Faktums, dass es eine notorische Tatsache ist, dass Reisende - bei Flüchtenden tritt zudem das Element des Argwohns, d.h. besondere Beobachtung der Umgebung hinzu - Wahrnehmungen über ihre Reisebewegung machen, ist davon auszugehen, dass der ASt. - aus welchen Gründen immer - danach getrachtet hat, seinen Reiseweg bewusst zu verschleiern.

 

Eine dem Staat zurechenbare Verfolgungshandlung liegt nicht nur dann vor, wenn diese unmittelbar von staatlichen Organen aus Gründen der Konvention gesetzt wird, sondern es kann eine dem Staat zuzurechnende asylrelevante Verfolgungssituation auch dann gegeben sein, wenn der Staat nicht gewillt oder - wie es in der bisherigen Rechtsprechung ausgedrückt wurde - nicht in der Lage ist, von "Privatpersonen" ausgehende Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, sofern diesen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - Asylrelevanz zukommen sollte (mit Hinweis auf die ständige Rechtsprechung z.B. Erkenntnis des VwGH Zahl 99/20/0208 vom 23.07.1999).

 

Der Antragsteller führt aus, dass sein Vater und seine Stiefmutter ihn bedroht und geschlagen hätten. Die Mutter sei bereits 1994 verstorben und hätte der Vater abermals geheiratet. Der Vater sei Alkoholiker. Im März 2005 hätte sein Vater ihn bei der Polizei angezeigt, Schmuck und Geld der Stiefmutter gestohlen zu haben.

 

Die vom Antragsteller geltend gemachten bzw. befürchteten Übergriffe durch Private können daher seine Flüchtlingseigenschaft nicht begründen. Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes muss entweder von staatlichen Stellen oder einer staatsähnlichen de facto Macht ausgehen oder der betreffende Staat muss nicht in der Lage oder nicht gewillt sein, die von anderen Stellen ausgehenden Verfolgungen hintan zu halten (vgl. Erkenntnis d. VwGH vom 23.03.1994, Zl. 93/01(1197). Dass die staatlichen Behörden seines Heimatlandes nicht in der Lage oder nicht gewillt gewesen wären, ihm Schutz vor Verfolgung zu gewähren, ergibt sich aus seinem Vorbringen nicht.

 

Zumal der Antragsteller ausführt, sich nie an die Polizei oder eine andere staatliche Behörde gewandt zu haben, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sein Heimatstaat nicht versucht hätte - wäre es den Behörden bekannt geworden - ihn zu schützen, d.h. eine Billigung dieser Übergriffe durch die Behörden seines Heimatstaates kann daraus nicht erkannt werden. Er hat auch nicht dargetan, dass diese Übergriffe von den Behörden seines Heimatlandes geduldet wurden oder er keinen Schutz erhalten hätte. Es liegt jedoch außerhalb der Möglichkeit eines Staates, jeden denkbaren Übergriff Dritter präventiv zu verhindern, was sich auch daraus erkennen lässt, dass überall Institutionen zur Strafrechtspflege eingerichtet sind, die andernfalls überflüssig wären. Es kann aber von keinem Staat verlangt werden, dass er jeden seiner Staatsbürger jederzeit umfassend schützt.

 

Weiters kann den Angaben des Antragstellers entnommen werden, dass es eine Bedrohung von staatlicher Seite nicht gegeben hat. Der Antragsteller führt aus, niemals Kontakt oder Probleme mit der Polizei, anderen Behörden oder gar Gerichten gehabt zu haben. Er wäre nie festgenommen oder verhaftet worden und hätte auch nie strafbare Handlungen begangen, sondern sei seine Verfolgung lediglich darin begründet, vom Vater und der Stiefmutter bedroht worden zu sein.

 

Grundsätzlich schützt das Asylrecht Personen, gegen die mit staatlichen Maßnahmen von erheblicher Intensität in Verfolgungsabsicht vorgegangen wird. In diesem Sinne gilt als Verfolgung nur zielgerichtetes Handeln des Heimatstaates, das sich direkt gegen den Einzelnen wendet.

 

Der Antragsteller gibt an, von Nachbarn gehört zu haben, dass sein Vater ihn angezeigt hat. Er hat weder beim Vater noch bei den Behörden seines Heimatlandes nachgefragt.

 

Selbst für den Fall, dass die Behauptung des Antragstellers, von der Polizei wegen Diebstahles gesucht zu werden der Wahrheit entspricht, ist wie folgt ausgeführt:

 

Auch wenn Strafvorwürfe zu Unrecht erhoben werden, begründet dies allein noch nicht die Annahme eines politischen Aspektes des Verfahrens. Vielmehr ist es dem Betroffenen auch in diesem Falle zuzumuten, sich wie jeder Staatsbürger in jedem anderen Staate dem Gericht zu stellen und die aufgebotenen Vorwürfe zu entkräften.

 

Allgemein verlangt die Genfer Konvention einen Eingriff des Staates bzw. seiner Organe in die zu schützende Rechtssphäre des einzelnen von erheblicher Intensität und Qualität.

 

Entsprechende Indizien dafür konnten aber seinem gesamten Vorbringen nicht entnommen werden, zumal er in unmissverständlicher Weise dartat, an strafrechtlich relevanten Handlungen, welche auch unter Zugrundelegung von Gegebenheiten eines zu fingierenden idealstaatlichen Gebildes (nicht nur) ihres Kulturkreises zumindest entsprechende Ermittlungsaktivitäten staatlicher Stellen ausgelöst hätten, mitgewirkt zu haben. Er ist somit als ein allenfalls krimineller Handlungen Verdächtiger, der sich (aus leicht nachvollziehbaren Gründen) dem Zugriff der Sicherheitsbehörden entzogen hat, zu sehen, keinesfalls jedoch als Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention.

 

Auch vermochte der Antragsteller mit der, dem Asylgrund identen, Rückkehrbefürchtung, nämlich Bedrohung durch Dritte - hier Vater und Stiefmutter und Strafverfolgung durch die Polizei - nicht zu überzeugen, und wird diesbezüglich auf die vorangeführten Ausführungen verwiesen.

 

Zusammenfassend ist daher zu befinden, dass der Antragsteller keine Gründe im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vorbringen konnte und eine Asylgewährung daher zu verneinen ist.

 

Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes erhob der Asylwerber fristgerecht Beschwerde.

 

Über die Beschwerde hat der Asylgerichtshof wie folgt erwogen:

 

Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst.

 

Der Asylgerichtshof als Berufungsinstanz schließt sich diesen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid an und erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

In der Beschwerde wurde nichts vorgebracht, was die Entscheidung des Bundesasylamtes bzw. des Asylgerichtshofes in irgendeiner Weise abändern könnte.

 

Dem Vorwurf in der Beschwerde, dass dem gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers die Glaubwürdigkeit verwehrt worden sei, weil er zu seiner Fluchtroute nicht nachvollziehbare Aussagen getätigt hätte und daher das gesamte Vorbringen fragwürdig sei, ist entgegenzuhalten, dass das Bundesasylamt die unrichtigen Angaben zum Fluchtweg als nicht glaubwürdig erachtete und dass dies ein Indiz für eine darüber hinausgehende Unglaubwürdigkeit des restlichen Vorbringens darstelle.

 

Auf die Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen brauchte dann aber in der Folge nicht mehr näher eingegangen werden, weil die vom Beschwerdeführer angegebenen Fluchtgründe an und für sich keine Asylrelevanz enthalten, selbst wenn man von der absoluten Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers ausginge.

 

Zum Vorbringen in der Beschwerde, der Beschwerdeführer sei aufgrund des von seinem Vater gegen ihn ausgesprochenen Verdachts, dessen Ehefrau bestohlen zu haben, der Gefahr ausgesetzt, in seinem Heimatland verhaftet, gefoltert und unter lebensbedrohenden Bedingungen eingesperrt zu werden, ist anzuführen, dass Angeklagte auch in Marokko das Recht haben, sich in einem Prozess zu den gegen sie erhobenen Anschuldigungen zu äußern und sich - auch mit Hilfe eines Rechtsanwaltes - zu verteidigen. Generell zeigt Marokko ein gemischtes Bild bei den Menschenrechten, diese sind aber heute besser als zuvor in der politischen Wirklichkeit Marokkos verankert. Insbesondere durch die weitgehend freie Diskussion von Menschenrechtsfragen vor allem in regierungskritischen Zeitungen ist die Sensibilität der Öffentlichkeit gewachsen. Es ist nicht anzunehmen, dass der Beschwerdeführer allein aufgrund des - nicht bestätigten - Verdachts, mit welchem er selbst nie konfrontiert wurde, in seinem Heimatstaat Gefahr liefe, Folter und Haftbedingungen unter lebensbedrohenden Umständen erleiden zu müssen.

 

Auch das vom Beschwerdeführer auszugsweise in die Beschwerde hineinkopierte Länderdokumentationsmaterial überzeugt aus mehreren Gründen nicht:

 

Zunächst ist diesem Länderdokumentationsmaterial ohnehin zu entnehmen, dass die marokkanische Gesetzeslage entsprechende Vorgangsweisen wie Folter etc. verbietet. Wenn dann in diesem kopierten Auszug die Rede davon ist, dass entsprechend "local and international human rights organisations and lawyers, prisoners and detainees" von Folter oder ähnlichen Vorgangsweisen seitens der Sicherheitskräfte sprechen, so ist dazu anzumerken, dass die Organisationen nicht einmal namentlich genannt sind - was die Überprüfbarkeit nicht möglich macht - und die entsprechende Aussage letztlich sehr allgemein gehalten ist. Von einer geradezu systematischen Anwendung derartiger Praktiken kann selbst nach diesem Berichtsauszug nicht gesprochen werden. Letztlich bestätigt dieser Berichtsauszug nur die Feststellung des Bundesasylamtes, wonach " Marokko ein gemischtes Bild bei den Menschenrechten zeigt".

 

Wenn in weiterer Folge dann Bezug genommen wird auf einen Bericht von AI 2004, demzufolge von "systematic torture" gesprochen wird, so ist dem entgegen zu halten, dass dieser Bericht offensichtlich nicht mehr jene Aktualität aufweist, wie das Länderdokumentationsmaterial, welches das Bundesasylamt in Verwendung brachte.

 

Überhaupt ist in Bezug auf den/die Berichtsauszug/Berichtsauszüge die mangelnde Aktualität zu konstatieren, sodass die entsprechenden Feststellungen des Bundesasylamtes zur Situation in Marokko nicht entkräftet werden - immer ist lediglich von den Jahren 2003 und 2004 die Rede.

 

Zudem sei darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer von einer Anzeige seines Vaters nur vom Hörensagen weiß und nach eigenen Angaben mit dem Vater selbst nie darüber gesprochen hat. Auch von Seiten der Polizei hat der Beschwerdeführer keinerlei dahin gehende Informationen; er wurde in seinem Heimatstaat auch niemals von der Polizei gesucht oder befragt. Sollten der Vater und die Stiefmutter des Beschwerdeführers jedoch tatsächlich Anzeige wegen Diebstahls erstattet haben, so wäre grundsätzlich davon auszugehen, dass die Polizei Unternehmungen anstellt, um den mutmaßlichen Täter zu fassen. Dies entspricht aber einer normalen Ermittlungstätigkeit.

 

Zu den Ausführungen in der Beschwerde, nach welchen es unwahrscheinlich ist, dass der Beschwerdeführer durch seine Familienangehörigen wieder aufgenommen würde und dem Beschwerdeführer es aufgrund seiner Minderjährigkeit sonst aber nicht möglich und auch nicht zumutbar sei, allein für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, sei darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer bereits im Jänner dieses Jahres die Volljährigkeit erlangt hat. Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in zumutbarer Weise selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen kann, somit ist er im Fall einer Rückkehr in seinen Heimatstaat nicht mehr von der Unterstützung durch seine Familie abhängig.

 

Rechtlich folgt:

 

§ 3 (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (vgl. VwGH v. 09.03.1999, Zl. 98/01/0370). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH v. 23.09.1998, Zl. 98/01/0224). Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (vgl. zur der Asylentscheidung immanenten Prognose VwGH v. 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet. Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH v. 24.03.1999, Zl. 98/01/0352).

 

Dem Bundesasylamt ist also darin Recht zu geben, dass der Beschwerdeführer keine Verfolgung im Sinne der GFK vorbringen konnte, welche, wie eben ausgeführt, vom Heimatstaat selbst ausgehen oder diesem zumindest zurechenbar sein muss. Die Probleme des Beschwerdeführers sind privater Natur, der Beschwerdeführer hat es nicht einmal versucht, sich in den Schutz seines Heimatstaates zu begeben.

 

§ 8 (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr.6 oder Nr.13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Es kann nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer nach einer Rückkehr nach Marokko einer Bedrohungssituation im soeben genannten Sinne ausgesetzt wäre. Die Gründe, welche sich auf die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers beziehen und welche eine Rückkehr in den Heimatstaat unzumutbar machen, sind - wie schon ausgeführt - durch die bereits im Jänner eingetretene Volljährigkeit des Beschwerdeführers obsolet. Davon, dass der Beschwerdeführer trotz seiner Volljährigkeit bei Rückkehr in seinen Heimatstaat mit unzumutbaren Verhältnissen konfrontiert wäre, ist nicht auszugehen. Vielmehr ist es einem jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann durchaus zumutbar - und auch der allgemeinen Entwicklung des Erwachsenwerdens entsprechend - selbst für den Lebensunterhalt zu sorgen.

 

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird; der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird;

 

Der Asylwerber hat nichts in der Beschwerde vorgebracht, was die erstinstanzliche Entscheidung über den Ausspruch der Ausweisung in Frage stellt und war daher auch dieser Spruchpunkt zu bestätigen. Insbesondere ergaben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass eine Ausweisung das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers im Sinne des Art 8 EMRK verletzen würde, zumal der Beschwerdeführer seit 8.5.2008 nicht mehr aufrecht im österreichischen Bundesgebiet gemeldet ist und damit ohnehin offensichtlich kundtut, dass er eines Schutzes gemäß Art 8 EMRK nicht mehr bedarf.

 

Somit war spruchgemäß zu entscheiden. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gem. Art. II Abs. 2 lit. D Z 43a EGVG unterbleiben, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt war und sich insbesondere in der Beschwerde kein zusätzlicher Hinweis auf die Notwendigkeit ergab, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer zu erörtern.

Schlagworte
Ausweisung, kriminelle Delikte, Lebensgrundlage, mangelnde Asylrelevanz, non refoulement, private Verfolgung, Rechtsschutzstandard, staatlicher Schutz, Volljährigkeit, Zumutbarkeit
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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