B4 244.296-0/2008/15E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Florian NEWALD als Einzelrichter über die Beschwerde des M.M., geb. 00.00.1961, staatenlos, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.10.2003, Zl. 02 08.759-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 1.4.2008 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird stattgegeben und M.M. gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 (AsylG), Asyl gewährt. Gemäß § 12 leg. cit. wird festgestellt, dass M.M. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer reiste am 2.4.2002 ins Bundesgebiet ein und stellte am folgenden Tag beim Bundesasylamt einen Asylantrag.
2. Am 28.5.2002 sowie am 6.5.2003 beim Bundesasylamt einvernommen, gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes an: Er gehöre der armenischen Volksgruppe an, sei christlichen Glaubens und habe zuletzt in der Russischen Föderation gelebt. Armenien habe er verlassen müssen, da seine Ehefrau der aserischen Volksgruppe angehöre. In diesem Zusammenhang habe es einen Brandanschlag auf das Haus gegeben, in dem er und seine Frau gewohnt hätten. Daraufhin habe er sich mit seiner Frau in die Russische Föderation gegeben. Doch auch dort hätten sie Schwierigkeiten gehabt, insbesondere insofern, als sie keine dauerhafte Registrierung erhalten hätten können. Der Beschwerdeführer habe auf einer Melonenplantage gearbeitet. Als sein Arbeitgeber verstorben sei, habe er Probleme mit der Polizei bekommen. Polizisten hätten ihm vorgeworfen, dass er illegal gearbeitet habe, und gesagt, dass sie ihn einsperren müssten. Um dies zu verhindern, habe er habe ihnen Geld gegeben und noch am gleichen Tag mit seiner Familie die Russische Föderation verlassen. Die Frage, aus welchem Grund man in der Russischen Föderation Interesse an ihm haben sollte, meinte der Beschwerdeführer: "Ich bin dunkel, ich bin Kaukasier." Dabei wies er darauf hin, dass man "diese Fälle" auch in den Medien verfolgen könne; in der letzten Zeit sei in Moskau ein Aserbaidschaner niedergeschlagen worden.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.) und erklärte zugleich die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Russland gemäß § 8 leg.cit. für zulässig (Spruchpunkt II.). Das Bundesasylamt ging davon aus, dass der Beschwerdeführer Staatsbürger der Russischen Föderation sei und das Vorbringen zu seinen Fluchtgründen widersprüchlich und daher unglaubwürdig sei. Des Weiteren begründete das Bundesasylamt seine Refoulement-Entscheidung.
4. Gegen beide Spruchpunkte dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung.
5. Am 1.4.2008 fand beim unabhängigen Bundesasylsenat eine öffentliche Berufungsverhandlung statt. In dieser wurde der Beschwerdeführer nochmals zu seinen Fluchtgründen einvernommen wurde und seine Ehefrau, die einen Asylerstreckungsantrag gestellt hatte, als Beteiligte einvernommen. Überdies wurde die im gegebenen Zusammenhang relevante Lage in der Russischen Föderation anhand von Länderdokumentionsmaterial, das den Verfahrensparteien gemeinsam mit der Ladung zur Verhandlung übermittelt worden war, erörtert. Das Bundesasylamt nahm - entschuldigtermaßen - an der Verhandlung nicht teil.
II. Der Asylgerichtshof hat über die nun als Beschwerde (vgl. dazu weiter unten) zu behandelnde (und daher in der Folge so bezeichnete) Berufung erwogen:
1. Festgestellt wird:
1.1. Der Beschwerdeführer wurde am 00.00.1991 geboren, gehört der armenischen Volksgruppe an, ist christlichen Glaubens und stammt aus dem Gebiet des heutigen Staates Armenien.
Dies ergibt sich aus den glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers; auch das Bundesasylamt ging von diesem Sachverhalt aus.
1.2. Der Beschwerdeführer hat sich 1997 - und damit vor Auflösung der Sowjetunion - vom Staatsgebiet des heutigen Armenien in die Region K. gegeben, die nun Teil der Russischen Föderation ist. Dort verfügte er über vorübergehende Aufenthaltstitel, die er jedenfalls zum Teil nur durch Bestechung von Beamten erlangen konnte.
Auch diese Feststellungen gründen auf den diesbezüglich glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers. Die Feststellung, der Beschwerdeführer sei 1997 nach Russland übersiedelt, stützt der Asylgerichtshof auf die glaubwürdig erscheinende Aussage des Beschwerdeführers vor dem XY am 00.00.2000, wo er angab, er habe seit 13 Jahren innerhalb der Russischen Föderation gelebt. Dass die Übersiedlung erst 1996 stattgefunden habe, kann deshalb nicht angenommen werden, da der Beschwerdeführer vor dem XY angegeben hatte, dass seine Kinder 1989 in K. bzw. 1995 in L. - und somit in zwei in Russland gelegenen Orten - geboren seien, und sich überdies Geburtsurkunden, denen zufolge beide Kinder in Armenien geboren seien, als nicht authentisch erwiesen haben.
1.3. Der Beschwerdeführer wurde im russischen Ort T. von Polizisten, die unter Ausnützung seiner prekären Aufenthaltssituation Geld von ihm erpressen wollten, bedroht.
Dies ergibt sich aus den im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben, die der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt, dem unabhängigen Bundesasylsenat und dem XY gemacht hat, und die auch mit den Aussagen seiner Ehefrau vor dem unabhängigen Bundesasylsenat übereinstimmen. Festzuhalten ist dabei, dass sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Ehefrau auf den hier entscheidenden Richter des Asylgerichtshofes, der als Senatsmitglied des unabhängigen Bundesasylsenates die Berufungsverhandlung durchgeführt hat, bei der Schilderung der Probleme, die sie in der Russischen Föderation gehabt hätten - anders als dies in Hinblick auf das Fluchtvorbringen zu Armenien der Fall war - einen durchaus glaubwürdigen Eindruck gemacht haben. Überdies findet das genannte Vorbringen des Beschwerdeführers Deckung in der Herkunftsländerinformation (vgl. dazu gleich im Folgenden).
1.4. Zur Lage von Angehörigen ethnischer Minderheiten in der Russischen Föderation:
Die Verfassung garantiert gleiche Rechte und Freiheiten, unabhängig von Rasse, Nationalität, Sprache und Herkunft. Entsprechend bemühen sich Zentralregierung und insbesondere der Präsident selbst zumindest in programmatischen Äußerungen um eine ausgleichende Nationalitäten- und Minderheitenpolitik.
Fremdenfeindliche und rassistische Ressentiments haben in der Bevölkerung und in den Behörden in den letzten Jahren zugenommen und beschränken sich längst nicht mehr auf die ältere Generation und die weniger gebildeten Schichten. Sie richten sich insbesondere gegen Tschetschenen und anderen Kaukasier, so genannte "Tschornyje" ("Schwarze"). Der Tschetschenienkonflikt und Berichte über Kontakte der tschetschenischen Rebellen zu den Taliban und Osama Bin Laden, die Geiselnahme 2002 in Moskau und die Geiselnahme in Beslan haben diese Tendenz verstärkt.
Dass die Ressentiments schnell in Gewalt umschlagen können, zeigen die Vorkommnisse in der nordrussischen Kleinstadt Kondopoga. Dort kam es nach einer Auseinandersetzung in einem Café zwischen Russen und Tschetschenen am 30.8.2006 zu einer Massenschlägerei, bei der zwei Russen getötet wurden. In den Folgetagen setzten sich die Auseinandersetzungen fort. Bekannte Rechtsextremisten reisten aus Moskau an, um die antitschetschenische Stimmung weiter anzuheizen; alle Tschetschenen flohen aus der Stadt. Zahlreiche Schlägereien zwischen ethnischen Russen und Tschetschenen fanden auch im Mai 2007 im südrussischen Stawropol statt, bei denen ein tschetschenischer Student ums Leben kam. Laut Presseberichten war das Eingreifen der Polizei zögerlich und unzureichend.
Menschen anderer Hautfarbe sind immer häufiger Ziel fremdenfeindlicher Angriffe durch "Skinheads". In der Zeit vom 1. Januar bis zum 30. September 2007 verzeichnete die Nichtregierungsorganisation "Sowa" 230 rassistisch motivierte Überfälle, bei denen insgesamt 409 Menschen zu Schaden kamen und 46 starben. Im vergangenen Jahr waren es im selben Zeitraum 180 Attacken auf 401 Menschen, bei denen 41 starben. Bei der bisher schwersten fremdenfeindlichen Gewalttat, einem Bombenanschlag auf asiatische Händler auf dem Tscherissow-Markt in Moskau, kamen am 21.8.2006 dreizehn Menschen ums Leben.
Anlass zur Sorge gibt auch die Lage von Minderheiten in spezifischen Regionen. Einzelne Regionalpolitiker schüren zum Teil bewusst rassistische Ressentiments in der Bevölkerung.
Nichtregierungsorganisationen weisen insofern besonders auf die Lage im Gebiet Krasnodar hin. Die dortigen meschetinischen Türken lebten jahrelang in einem Zustand der Rechtlosigkeit. Auch heute wird ihnen ein legaler Aufenthaltsstatus verwehrt, was den Zugang zu Sozialleistungen ausschließt. Seit 2005 können sie in die USA auswandern.
Nichtregierungsorganisationen bemängeln, dass es bisher keine energische Abwehr- oder Aufklärungspolitik des Staates gegen solche Übergriffe gebe. Fremdenfeindliche Morde würden nicht als solche erkannt und zu milde bestraft; auf unterer Behördenebene sei Fremdenfeindlichkeit weit verbreitet. Präsident Putin hat sich immer wieder klar gegen Antisemitismus, Fremdenhass und Nationalismus ausgesprochen und ihnen den Kampf angesagt. Nachdem ein rechtsradikaler Attentäter im Januar 2006 in einer Moskauer Synagoge 18 Menschen mit einem Messer verletzt hatte, begann eine intensive öffentliche Diskussion, auch in der Duma: Schärfere Gesetze und härteres staatliches Vorgehen wurden gefordert. Der Attentäter in der Synagoge ist zu einer Freiheitsstrafe von 16 Jahren verurteilt worden. Seit 2006 ist deutlich häufiger als früher bei der gerichtlichen Verurteilung xenophober Gewalttaten deren Motivation aus Fremdenhass als ausdrücklich strafverschärfend berücksichtigt worden.
Aufgrund der Ressentiments in der Bevölkerung gegenüber ausländischer Händler, vor allem aus dem Südkaukasus und Zentralasien, wurden die Arbeitsmöglichkeiten für Ausländer im Einzelhandel gesetzlich einschränkt. Sie dürfen seit dem 1.1.2007 keine Medikamente mehr verkaufen. Ab dem 1.4.2007 dürfen dort keine ausländischen Verkäufer mehr beschäftigt werden, jedoch wird diese Regel nicht immer streng angewendet (z.B. Ausnahmen für Ausländer mit Aufenthaltstitel). Dennoch führte dies zur Schließung zahlreicher Märkte, einem verminderten Warenangebot und damit steigenden Nahrungsmittelpreisen, so dass es bereits wieder Forderungen nach einer Gesetzesänderung gibt. Am 15.1.2007 traten weitere Änderungen im Ausländerrecht in Kraft (z.B. Regierungsmöglichkeit per Post), die nach bisherigen Erfahrungen allerdings keine entscheidende Vereinfachung der bürokratischen Abläufe brachten.
Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Bericht des (deutschen) Auswärtigen Amtes vom 13.01.2008 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation; keine der Verfahrnesparteien hat die Richtigkeit dieser Ausführungen in Abrede gestellt.
2. Rechtlich folgt:
2.1.1. Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Die Zuständigkeit des Asylgerichtshofes stützt sich auf § 38 AsylG 1997. Diese Bestimmung spricht zwar vom "unabhängigen Bundesasylsenat" und ist durch das AsylGH-EinrichtungsG nicht geändert worden; auch die Übergangsbestimmungen des AsylG 2005 ergeben insoweit nichts. Da jedoch gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 1 B-VG der unabhängige Bundesasylsenat am 1.7.2008 zum Asylgerichtshof geworden ist und dieser gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG die am 1.7.2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiterzuführen hat, ist davon auszugehen, dass sich § 38 AsylG 1997 nunmehr auf den Asylgerichtshof bezieht. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich jene Bestimmungen des AsylG 1997, die von "Berufungen" sprechen, nunmehr auf Beschwerden beziehen (vgl. dazu AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E).
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Rechtsmittelinstanz, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
2.1.2. Gemäß § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 sind "[A]lle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt."
Der Beschwerdeführer hat seinen Asylantrag vor dem 1.5.2004 gestellt; das Verfahren war am 31.12.2005 anhängig; das Verfahren ist daher grundsätzlich nach dem Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 zu führen.
2.1.3. Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 Asylgesetz 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 sind Verfahren, die am 1.7.2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen; Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.
Da im vorliegenden Verfahren vor dem 1.7.2008 eine mündliche Verhandlung vor einem Mitglied des unabhängigen Bundesasylsenates stattgefunden hat, das zum Richter des Asylgerichtshofes ernannt wurde, hat dieses das Verfahren als Einzelrichter fortzuführen.
2.2.1. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt. Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Zentraler Aspekt der dem § 7 AsylG 1997 zugrundeliegenden, in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sei, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.9.2000, 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.4.2001, 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233; VwGH 9.3.1999, 98/01/0318).
2.2.2.1. Vorauszuschicken, dass gleich dem Bundesasylamt auch der Asylgerichtshof davon ausgeht, dass die Russische Föderation der Herkunftsstaat des Beschwerdeführers ist: Zwar kann - entgegen der Ansicht des Bundesasylamtes - nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer die russische Staatsbürgerschaft besitzt. Denn jene Bestimmung des russischen Staatsbürgerschaftsrechts, auf die das Bundesasylamt in diesem Zusammenhang (an sich zurecht) verweist, sieht als Voraussetzung eines Staatsbürgerschaftserwerbs vor, dass der Betreffende am 6.2.1992 einen dauerhaften Wohnsitz auf dem Gebiet der Russischen Föderation hatte (vgl. S 7 des angefochtenen Bescheides). Dass der Beschwerdeführer in Russland einen solchen dauerhaften Wohnsitz gehabt hat, kann aber weder dessen Vorbringen entnommen noch aus anderen Gründen angenommen werden. Festzuhalten ist dabei, dass auch das deutsche Bundesamt für Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (XY) in seinem Bescheid vom 8.2.2001 nicht davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdeführer russischer Staatsangehöriger wäre; es hielt darin lediglich fest, dass er armenischer Volksgruppenzugehöriger mit Wohnsitz in der Russischen Föderation sei. Wohl aber ist die Russische Föderation als der Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Beschwerdeführers zu qualifizieren: Mag er dort auch keinen dauerhaften Wohnsitz gehabt haben, muss aufgrund seines Vorbringens doch angenommen werden, dass er - zumindest zwischenzeitig - (auch) über legale Aufenthaltstitel verfügt hat (vgl. dazu etwa AS 103 des Verwaltungsaktes des Bundesasylamtes). Da schließlich nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Beschwerdeführer, der bereits 1997 das Gebiet der späteren Republik Armenien verlassen hat, die armenische Staatsbürgerschaft erworben hätte, muss angenommen werden, dass die Russische Föderation Herkunftsstaat des Beschwerdeführers iSd § 1 Z 4 AsylG ist.
2.2.2.2. Es ist dem Beschwerdeführer gelungen, wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe glaubhaft zu machen:
Denn vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen kann nach Ansicht des Asylgerichtshofes nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in die Russische Föderation aufgrund seiner ethnischen Herkunft ungerechtfertigten Eingriffen von im gegebenen Zusammenhang interessierender Intensität ausgesetzt wäre, gegen die ihn die Behörden des Herkunftsstaates zumindest nicht ausreichend schützen würden.
Auch haben sich keine Hinweise darauf ergeben, dass ihm eine zumutbare Relokationsmöglichkeit in andere Teile der Russischen Föderation offenstünde.
Da sich demnach die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Furcht vor Verfolgung als wohlbegründet im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention erweist und auch kein Anhaltspunkt für einen der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungs- oder Ausschlussgründe ersichtlich ist, war der Beschwerde Folge zu geben, ihm Asyl zu gewähren und seine Flüchtlingseigenschaft festzustellen.