TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/17 C10 313218-1/2008

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Veröffentlicht am 17.09.2008
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Spruch

C10 313.218-1/2008/3E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richter Mag. Daniel LEITNER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Dr. René BRUCKNER als Beisitzer über die Beschwerde des N.H., geb. 00.00.1987, StA. Vietnam, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.06.2007, Zl. 06 00.671-BAS in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde von N.H. vom 29.06.2007 wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer brachte am 14.01.2006 einen Antrag auf internationalen Schutz ein. Er wurde am 19.01.2006 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes befragt, wobei er zu seinem Fluchtgrund anführte, dass er sein Heimatland verlassen habe, weil seine Mutter wollte, dass er in einem sicheren Land wie Deutschland lebe. Er sei in Vietnam nicht verfolgt worden. Er habe Hepatitis B und seine Mutter wolle, dass diese Krankheit behandelt werde.

 

Am 25.01.2006 fand eine erste niederschriftliche Einvernahme des Genannten statt. Im Zuge dieser Einvernahme erklärte der Antragsteller, dass er seine Geburtsurkunde und seinen Personalausweis nach wie vor in Vietnam habe, einen Führerschein oder Reisepass habe er nie besessen. Zu seinem Fluchtgrund führte er an, dass er erfahren habe, dass man in Österreich sicher leben könne, im Vergleich dazu würden in Vietnam die Menschenrechte nicht geachtet und herrsche dort Korruption und hohe Arbeitslosigkeit. Seine Mutter wolle, dass er hier behandelt werde. Im November 2005 habe es einen Vorfall in seiner Heimat gegeben, diesen habe er anlässlich seiner Erstbefragung vergessen anzugeben. Er habe an einem Würfelspiel teilgenommen und dabei Geld verloren. Ein Freund habe ihm fünf Millionen Dong gegeben, zehn Tage später habe er eine Gruppe getroffen, welche wiederum das Geld seinem Freund zuvor geborgt hatte. Diese Gruppe habe dann vom Antragsteller verlangt, dass er 10 Millionen Dong zurückzahlen solle und ihm angedroht, dass er geschlagen werde, für den Fall, dass er dieser Aufforderung nicht nachkomme. Zu seiner Krankheit führte der Antragsteller aus, dass er keine Symptome und keine Beschwerden habe, bis jetzt seien die Beschwerden nicht so stark, er sei noch nie im Krankenhaus gewesen. Im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftssaat habe er Angst, dass er diese Gruppe wieder treffen und geschlagen werden könnte.

 

Am 30.05.2007 fand eine weitere niederschriftliche Einvernahme im Zuge welcher der Antragsteller wieder erklärte, dass er an Hepatitis B leide. Er sei jedoch in der Heimat nicht behandelt worden, weil dort die Voraussetzungen für eine Behandlung nicht gegeben gewesen seien. In Österreich sei er bisher nur untersucht worden, eine Behandlung sei jedoch nicht erfolgt. Derzeit brauche er keine Medikamente, er fühle sich wohl. Zu seinem Fluchtvorbringen verwies der Antragsteller in der Folge auf sein bisheriges Vorbringen und führte ergänzend hiezu aus, dass er sein Heimatland verlassen habe, weil dort seine Lebenssituation schlecht gewesen sei, hier sei der Gesundheitsstandard besser. Er wolle in Österreich einer Beschäftigung nachgehen, damit er seine Behandlung bezahlen könne. Der Antragsteller erklärte wiederum, dass er bei einem Glücksspiel mit einem Freund eine große Menge Geld verspielt habe, dieses Geld hätte er zehn Tage später zurückbezahlen sollen. Wenn er nicht bezahlt hätte, wäre er geschlagen worden. Dieser Vorfall habe sich im November 2005 ereignet, er sei von ihm unbekannten Mitgliedern einer Organisation bedroht worden. Den Vorfall habe er nicht bei der Polizei gemeldet, weil es ohnehin nichts geholfen hätte. Im Falle seiner Rückkehr befürchte er, dass seine Mutter die Folgen tragen müsse, weil sie seine illegale Ausreise organisiert habe.

 

Am 15.06.2007 wurde ein Blutbefund betreffend den Antragsteller an die belangte Behörde übermittelt.

 

2. Mit Bescheid vom 18.06.2007, Zahl: 06.00.671-BAS, zugestellt am 20.06.2007, wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz vom 14.01.2006 gemäß § 3 Absatz 3 Ziffer 2 iVm § 6 Absatz 1 Ziffer 1 AsylG 2005 ab, erkannte gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Vietnam nicht zu und verband diese Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 2 AsylG mit einer Ausweisung. Die Entscheidung wurde zusammengefasst damit begründet, dass sich das Vorbringen des Antragstellers auf Verfolgung durch Dritte bezogen habe, welche nur bei staatlicher Schutzunfähigkeit oder Schutzunwilligkeit Flüchtlingseigenschaft begründen könne. Der Antragsteller habe sich jedoch nicht an die staatlichen Behörden gewendet, demzufolge könne das Nichteinschreiten staatlicher Behörden nicht zu Lasten des Herkunftsstaates ausgelegt werden. Aus dem vom Antragsteller vorgelegten Blutbefund gehe zudem eindeutig hervor, dass der Antragsteller nicht wie von ihm behauptet an Hepatitis B erkrankt sei.

 

3. Gegen diesen Bescheid wurde am 29.06.2007 Berufung (nunmehr als Beschwerde zu werten) eingebracht. In der Beschwerdeschrift führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass der Antragsteller bereits in seinen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt die Gründe für seine Flucht dargelegt habe, bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die Erstbehörde den Antrag auf internationalen Schutz der Antragstellerin nicht abweisen dürfen. Die belangte Behörde habe zu Unrecht in ihrer Beweiswürdigung angegeben, dass der Antragsteller nicht an Hepatitis B leide. Die Erkrankung sei falsch eingeschätzt worden, es seien zudem keine Recherchen betreffend die Behandlung dieser Erkrankung in Vietnam unternommen worden bzw. habe die bislang vorliegende Recherche zutreffend ergeben, dass die Behandlung nicht leistbar sei und keine allgemeine Krankenversicherung existiere. Es wären in diesem Zusammenhang weitere Untersuchungen indiziert gewesen. Es bestünden stichhaltige Gründe für die Annahme, dass dem Antragsteller im Falle seiner Abschiebung die reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle 6 oder 13 drohe. In der Beschwerdeschrift wurde zudem auf die handschriftlichen Ausführungen des Antragstellers verwiesen, in welchen der Beschwerdeführer im Wesentlichen darlegte, dass sowohl er, als auch seine Mutter wegen seiner illegalen Ausreise aus seiner Heimat verurteilt werden würden. Gemeinsam mit der Beschwerdeschrift wurde zudem der Befundbericht vom 11.06.2007 betreffend den Antragsteller bei der belangten Behörde in Vorlage gebracht, wobei in der Beurteilung der Hepatitis Serologie angeführt ist: "Spricht auf Grund des positiven HAVAK - Vorbefundes für eine ausgeheilte Hepatitis A mit bleibender Immunität oder ausreichenden Schutz nach Hepatitis A Impfung. Patient mit HBs-Ag Trägerschaft nach durchgemachter Hepatitis B.

 

5. Mit Einrichtung des Asylgerichtshofes wurde der gegenständliche Verfahrensakt der Gerichtsabteilung C10 zugeteilt.

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof nach Maßgabe des § 75 AsylG 2005 idF. BGBl. I Nr. 4/2008 weiterzuführen.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

1.1. Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 60 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.

 

2. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde (aufgrund oben zitierter Bestimmungen auch der AsylGH), so der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

 

Gemäß Absatz 3 dieser Gesetzesstelle kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnissen vom 21. November 2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im letztgenannten Erkenntnis insbesondere ausgeführt:

 

"Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, Zl. 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommende Rolle einer 'obersten Berufungsbehörde' (Art. 129c 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen."

 

In Erkenntnis vom 17.10.2006 (Zl 2005/20/0459) hat der VwGH betont, dass eine Behebung nach § 66 Abs 2 AVG nur zulässig ist, wenn eine weitere Verhandlung/Einvernahme erforderlich ist, was nicht der Fall wäre, wenn die Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens durch schriftliches Parteiengehör saniert hätten werden können.

 

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat nun zusammengefasst in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist. Im vorliegenden Fall ist dies in qualifizierter Weise unterlassen worden, dies aus folgenden Erwägungen:

 

Die Erstbehörde wies im gegenständlichen Fall den Antrag auf internationalen Schutz des Antragstellers gemäß § 3 Abs. 3 Ziffer 2 iVm § 6 Abs. 1 Ziffer 1 Asylgesetz 2005 ab und erkannte dem Antragsteller den Status des Asylberechtigten nicht zu (Spruchpunkt I). Somit bezieht sich die belangte Behörde in ihrem Spruchpunkt I offensichtlich auf einen beim Antragsteller vorliegenden Asylausschließungsgrund, ohne jedoch in der Folge in den Feststellungen, bzw. in der Beweiswürdigung näher darauf einzugehen, bzw. darzulegen, von welchem Asylausschlussgrund im vorliegenden Fall auszugehen ist. Vielmehr führt die belangte Behörde in ihren Feststellungen dezidiert an, dass sich aus dem Vorbringen des Antragstellers keine Anhaltspunkte für den Ausschluss von der Asylgewährung ergeben hätten. Die rechtliche Beurteilung beschränkt sich auf eine Wiedergabe des § 6 AsylG 2005, sowie darauf, dass aufgrund obiger Feststellungen (in welchen - wie bereits erörtert - nicht vom Vorliegen eines Asylausschlussgrundes ausgegangen wurde) feststehe, dass der Antragsteller wegen Vorliegens eines Asylausschlussgrundes von der Zuerkennung eines Asylberechtigten ausgeschlossen ist und somit der Antrag auf internationalen Schutz des Antragstellers ohne weitere Prüfung abzuweisen gewesen sei. Sollte die Erstbehörde daher tatsächlich vom Vorliegen eines Asylausschlussgrundes ausgehen, so wird sie diesbezügliche Feststellungen zu treffen und diesen Umstand auch in die Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung einzubeziehen haben.

 

Zu den verwendeten Quellen ist im gegenständlichen Fall anzumerken, dass zum Zeitpunkt der Erlassung der erstinstanzlichen Entscheidung ein aktuellerer Bericht des Auswärtigen Amtes (von April 2007), als der teilweise zitierte aus März 2006 (Seite 119 f des erstinstanzlichen Bescheides) heranzuziehen gewesen wäre. Dies gilt auch für den im erstinstanzlichen Bescheid zitierten Bericht des U.S. Department of State, Country Reports on Human Rights Practices ( Seite 111 des erstinstanzlichen Bescheides), zitiert mit dem Datum 08.03.2006, zum Entscheidungszeitpunkt akutell vom 06.03.2007, sowie den zitierten Bericht des U.K. Home Office, Country Report Vietnam aus April 2006, zum Entscheidungszeitpunkt aktuell aus Dezember 2006.

 

Zu den Feststellungen der Erstbehörde in Bezug auf Art. 274 des vietnamesischen Strafgesetzbuches bleibt im gegenständlichen Fall auszuführen dass das erwähnte Abkommen mit Deutschland und nicht mit Österreich abgeschlossen worden ist und somit nur Aufschluss über auf die Behandlung vietnamesischer Rückkehrer aus Deutschland geben kann. Daraus kann nicht ohne weiteres auf die Rückkehrsituation für Antragsteller geschlossen werden, die nach (erfolgloser) Asylantragstellung und einem mehrjährigen Aufenthalt außerhalb Vietnams dorthin aus Österreich abgeschoben werden. Auch wenn im diesbezüglich zitierten Bericht (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Situation in der Sozialistischen Republik Vietnam, 31.03.2006) angeführt wird, dass dem Auswärtigen Amt, anderen befragten westlichen Botschaften in Vietnam und dem UNHCR keinerlei Strafverfolgungsmaßnahmen gegenüber Rückkehrern wegen ungenehmigter Ausreise bekannt seien, so kann dies keinen Aufschluss darüber geben, ob es nicht dennoch derartige Maßnahmen nach einem "unerlaubten" Verbleib (siehe diesbezüglich die Terminologie des Art. 274 des vietnamesischen Strafgesetzbuches) gibt. Die belangte Behörde hätte daher auch prüfen müssen, ob die im gegenständlichen Fall vorliegenden Umstände (Asylantragstellung und der Verbleib in einem westeuropäischen Land) den genannten Straftatbestand erfüllten und ob der Beschwerdeführer deshalb mit einer unverhältnismäßigen Bestrafung zu rechnen hätte (dazu siehe auch VwGH 02.03.2006, Zl. 2003/20/0342).

 

Zudem kann im gegenständlichen Fall der Ansicht der Erstbehörde, dass aus dem Blutbild des Antragstellers eindeutig hervorgehe, dass dieser nicht an Hepatitis B erkrankt sei, nicht beigetreten werden. Vielmehr ist aus dem der Beschwerde beigelegten Befundbericht vom 11.06.2007 folgende Beurteilung ersichtlich: ".....Patient mit HBs-Ag Trägerschaft nach durchgemachter Hepatitis B." Dieser Befundbericht wird in der neuerlichen Entscheidung der Erstbehörde zu berücksichtigen bzw. allenfalls eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers zu veranlassen sein.

 

Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner jüngsten Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH vom 26.11.2003, Zl.: 2003/20/0389). Aufgrund des augenscheinlich mangelnden Ermittlungsverfahrens der Erstbehörde hat die Erstbehörde jedenfalls eine solche ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens nicht vorgenommen, da das Bundesasylamt dieses offensichtlich nicht anhand der konkret entscheidungsrelevanten aktuellen Situation gewürdigt hat.

 

Aus Sicht der Berufungsbehörde verstößt das Prozedere der Erstbehörde somit gegen die von § 28 AsylG 1997 determinierten Ermittlungspflichten. Der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 28 AsylG bestimmt nämlich, dass die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Rechtsnorm, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG i.V.m. § 39 Abs. 2 leg. cit. hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen ist, hat die Erstbehörde in diesem Verfahren missachtet.

 

Es hätte jedenfalls im Sinne des § 45 Abs 3 AVG auch einer Konfrontation der Partei mit dem (wie oben aufgezeigt) amtswegig zu ermittelnden Sachverhalt und den diesbezüglichen Beweismitteln bedurft. Den Parteien ist das Ergebnis der behördlichen Beweisaufnahme in förmlicher Weise zur Kenntnis zu bringen und ausdrücklich unter Setzung einer angemessenen Frist Gelegenheit zu geben, zu diesen Ergebnissen Stellung zu nehmen (VwGH 05.09.1995, Zl. 95/08/0002), was nicht geschehen ist. Gegenstand des Parteiengehörs sind sämtliche Ergebnisse der Beweisaufnahme. Auch soweit die Behörde bestimmte Tatsachen als offenkundig behandelt, ist dies der Partei bekannt zu geben (VwGH 17.10.1995, Zl. 94/08/0269). Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 27.02.2003, Zl. 2000/18/0040) ist die Verletzung des Parteiengehörs zwar saniert, wenn im Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens dargelegt werden und die Partei die Möglichkeit hat, in ihrer Berufung dagegen Stellung zu nehmen - Voraussetzung einer solchen Sanierung ist aber, dass in der erstinstanzlichen Bescheidbegründung tatsächlich alle Beweisergebnisse dargelegt werden, da ansonsten die Berufungsbehörde das Parteiengehör einräumen müsste (VwGH 25.03.2004, Zl. 2003/07/0062). Durch die oben dargestellte mangelhafte Bescheidbegründung ist dieses Erfordernis aber mit Sicherheit nicht erfüllt.

 

4. Im gegenständlichen Fall ist der angefochtene Bescheid des Bundesasylamtes und das diesem zugrunde liegende Verfahren im Ergebnis so mangelhaft, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Weder erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt, noch ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungen sonst zweifelfrei, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspräche. Im Gegenteil ist das Verfahren der Erstbehörde mit den unter Punkt 3 oben dargestellten schweren Mängeln behaftet. Sämtliche Erhebungen, welche grundsätzlich von der Erstbehörde durchzuführen sind, wären demnach durch den Asylgerichtshof zu tätigen, sohin verbietet sich unter Berücksichtigung der oben dargestellten Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes und unter Effizienzgesichtspunkten eine Heranziehung des § 66 Abs 3 AVG.

 

5. Die Rechtssache war daher spruchgemäß an die Behörde erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Die Erstbehörde wird im fortzusetzenden Verfahren die dargestellten Mängel zu verbessern haben.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
27.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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