TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/18 A5 217935-0/2008

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Veröffentlicht am 18.09.2008
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Spruch

A5 217.935-0/2008/7E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. SCHREFLER-KÖNIG als Vorsitzende und die Richterin Mag. UNTERER als Beisitzerin im Beisein der Schriftführerin VB Whelm über die Beschwerde des I.J. geb. 00.00.1974, Staatsangehöriger von Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.3.2000, Zl. 99 19.235-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde des I.J. wird gemäß §§ 7,8 AsylG 1997 idF BGBl. I 126/2002 abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

I.1. Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers vom 11.12.1999 gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria gemäß § 8 leg.cit. für zulässig erklärt.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Berufung (ab 1.7.2008 : Beschwerde).

 

I.3. Mit Einrichtung des Asylgerichthofes am 1.7.2008 ging gegenständliche Angelegenheit in die Zuständigkeit des nunmehr erkennenden Senates über.

 

I.4. Der Asylgerichtshof beraumte für den 8.9.2008 eine öffentliche mündliche Verhandlung an, zu der der Beschwerdeführer trotz rechtzeitiger und ordnungsgemäßer Ladung ohne Angaben von Gründen nicht erschienen ist. Die Verhandlung wurde in Abwesenheit des Genannten durchgeführt.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

II.1.1. Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und ist Staatsangehöriger von Nigeria. Er reiste am 11.12.1999 illegal nach Österreich ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag.

 

II.1.2. Am 17.1.2000 fand eine niederschriftliche Vernehmung des nunmehrigen Beschwerdeführers vor der belangten Behörde statt. Dabei gab der Genannte zu Protokoll, in seiner Heimat von den Ogboni gesucht zu werden. Sein Vater sei ein so genannter " Onyishinwobu", d. h. ein "Chief", gewesen. Nach dessen Tod 1999 sollte der nunmehrige Beschwerdeführer in den okkulten Kreis der Ogboni eingeführt werden. Dies sei allerdings nicht mit der religiösen Überzeugung des Beschwerdeführers vereinbar gewesen, weshalb er sich geweigert habe, der Gesellschaft beizutreten. Aus diesem Grund sei er bedroht worden. Über Nachfrage der belangten Behörde führte der nunmehrige Beschwerdeführer aus, seine Mutter sei gestorben, als er sechs Jahre alt gewesen sei. Der ältere Bruder seines Vaters habe ihm erzählt, dass der Vater vor Eintritt in die Sekte die Mutter geopfert habe. Auch von ihm sei verlangt worden, bei Eintritt seine Frau zu opfern. Sein Vater sei im Juli begraben und von diesem Zeitpunkt an sei der nunmehrige Beschwerdeführer laufend unter Druck gesetzt worden. An einem Samstag sei er etwa von fünf Personen angegriffen worden, als er mit einem Fahrrad unterwegs gewesen sei. Da er dabei das Bewusstsein verloren habe, hätten die Männer wohl gedacht, er sei tot und hätten von ihm abgelassen. Er habe innere Verletzungen davon getragen. Dies habe sich im September zugetragen. Der Beschwerdeführer sei auch zur Polizei gegangen und habe dort Anzeige erstattet. Der Polizist habe sich aber nicht in der Lage gesehen, ihm zu helfen, da es sich um eine geheime Gesellschaft handle und habe ihm angeraten, sich mit den Leuten zu arrangieren. Der letzte Angriff habe im November 1999 stattgefunden; sie seien in der Nacht gekommen und hätten sein Haus angezündet. Daraufhin sei der Beschwerdeführer aus dem Fenster geflüchtet und habe sich in der Kirche versteckt. Der Pastor habe dann seine Ausreise organisiert. Er könne sich nirgends in Nigeria verstecken, da die Ogboni überall seien und uneingeschränkte Macht hätten. Im Fall seiner Rückkehr in die Heimat befürchte der Beschwerdeführer, von den Ogboni getötet zu werden.

 

II.1.3. Die belangte Behörde wies den Asylantrag des nunmehrigen Beschwerdeführers ab und erklärte die Rückführung des Genannten nach Nigeria für zulässig. Begründend führte die belangte Behörde aus, das Vorbringen des Beschwerdeführers sei oberflächlich und vage geblieben und könne nicht davon ausgegangen werden, dass er das Geschilderte tatsächlich erlebt habe. Insbesondere sei es auch nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen der Beschwerdeführer nach dem Tod des Vaters trotz angeblicher Todesdrohung insgesamt sieben Monate in Nigeria verblieben sei; dies sei mit der behaupteten Furcht nicht vereinbar.

 

II.1.4. Der Beschwerdeführer bekämpfte die Entscheidung der belangten Behörde fristgerecht mittels Berufung (ab 1.7.2008: Beschwerde) und monierte die Mangelhaftigkeit des Verfahrens und die unrichtige rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes. Weder sei ihm die Einvernahme in seiner Muttersprache ermöglicht worden noch sei auf seine Fluchtgründe eingegangen worden. Sein Vater sei Mitglied der Ogboni - Geheimgesellschaft gewesen und sollte der Beschwerdeführer den Traditionen folgend ebenfalls Mitglied dieser Gesellschaft werden. Bei Eintritt in diese Sekte müsse jedes Mitglied eine Frau opfern. Da der Genannte aber seine Frau nicht als Opfer darbringen habe wollen und insgesamt nicht Mitglied des Geheimbundes habe werden wollen, sei ihm seitens der Ogboni der Tod angedroht worden. Nachdem sogar der Präsident Nigerias Obasanjo Mitglied der Sekte sei und alle wichtigen Ämter des Landes mit Mitgliedern besetzt seien, gäbe es keine Ausweichmöglichkeiten. Diesbezüglich habe die belangte Behörde mangelhaft ermittelt. Der Beschwerdeführer beantragte die Einholung ergänzender Stellungnahmen von Amnesty International und der österreichischen Vertretungsbehörde und beantragte die neuerliche Einvernahme seiner Person.

 

II.1.5. Mit Schriftsatz vom 8.8.2008 teilte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses mit. Die Ladung für die Verhandlung am 8.9.2008 wurde dem Beschwerdeführer an seine laut ZMR- Auskunft seit dem Jahr 2000 bestehende Meldeadresse zugestellt und am 8.8.2008 auf dem zuständigen Postamt hinterlegt. Der Beschwerdeführer ist zur Verhandlung ohne Angabe von Gründen nicht erschienen.

 

II.2. Zur Lage in Nigeria

 

Nigeria ist eine föderale Republik in Westafrika, bestehend aus 36 Bundesstaaten und mit einer geschätzten Einwohnerzahl von 140 Millionen Menschen. 1960 wurde in Nigeria die Unabhängigkeit von Großbritannien proklamiert. Die nachfolgenden Jahre waren von interkulturellen sowie politischen Unruhen und Gewaltausbrüchen geprägt, als schließlich das Militär (durch Igbo- Offiziere) 1966 die Macht übernahm und die erste Republik beendete. Die ersten demokratischen Präsidentschaftswahlen - abgesehen von 1979 bis 1983, als Shehu Shagari mit der Hilfe von General Obasanjo die zivile Regierungsmacht übertragen bekam - fanden erst wieder im Jahr 1999 statt, bei denen Olusegun Obasanjo als Sieger hervorging und anlässlich der Wahlen 2003 als solcher bestätigt wurde. (1+2)

 

Gemäß der nach amerikanischem Vorbild entworfenen Verfassung von 1999, die am 29. Mai 1999 in Kraft trat, verfügt Nigeria über ein präsidiales Regierungssystem mit einem Senat (109 Abgeordnete) und einem Repräsentantenhaus (360 Abgeordnete). Darüber hinaus gewährleistet die Verfassung ein Mehrparteiensystem und alle 4 Jahre stattfindende Wahlen. Der Präsident verfügt generell über weit reichende Vollmachten und ist sowohl Staatsoberhaupt, Regierungschef als auch Oberbefehlshaber der Armee. (3)

 

Am 14. und 21. April 2007 fanden die letzten Wahlen statt, bei denen die amtierende "People's Democratic Party (PDP) überlegen als Sieger hervorging, und Umaru Yar'Adua zum Präsidenten gewählt wurde. Damit erfolgte erstmals seit der Unabhängigkeit Nigerias die Machtübergabe von einer zivilen Regierung auf die nächste. (4)

 

(1) USDOS Country Report on Human Rights Practises - 2007, S. 1, von 11.03.2008 (www.state.gov/g/drl/rls/hrrpt/2007/100498.htm).

 

(2) UK Home Office, Country of Origin Information Report, S. 10-19, von 13.11.2007 (www.homeoffice.gov.uk/rds/country-report.html).

 

(3) IDMC, "Nigeria: Institutional mechanisms fail to address recurrent violence and displacement", S. 1-4, von 29.10.2007 (www.internal-displacement.org).

 

(4) Dt. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand September 2007, S. 5-7, von 06.11.2007

 

Generelle Menschenrechtslage

 

Die Menschen- und Bürgerrechte sind im Grundrechtskatalog der Verfassung gewährleistet. Die Realität sieht allerdings anders aus; schlechte Lebensbedingungen der Bevölkerungsmehrheit, Korruption sowie die größtenteils mangelnde Ausbildung, Ausrüstung und Bezahlung der staatlichen Organe führen zu regelmäßigen Verletzungen der verfassungsrechtlich garantierten Rechte. (1)

 

In der nigerianischen Gesellschaft ist Gewalt ein alltägliches Phänomen, welche zumeist auch von Politikern zur Zielerreichung bewusst eingesetzt wird. Willkürliche Verhaftungen und Folter, sowie politisch motivierte Auftragsmorde durch Polizei und Militär sind keine Seltenheit. Die harschen Haftbedingungen und die schlechten Zustände in den Gefängnissen können lebensbedrohende Ausmaße annehmen. Selbstjustiz stellt daher in verschiedenen Landesteilen ein gravierendes Problem dar. Zu diesem Zweck wird hauptsächlich auf sog. "Vigilante Groups" (private Milizen, oft auch ethnisch motiviert) zurückgegriffen, welche durch die Regierungen einiger Bundesstaaten toleriert oder sogar aktiv unterstützt werden. (3)

 

Obwohl eine Verbesserung der Menschenrechtslage hinsichtlich ziviler und politischer Rechte seit 1999 festzustellen ist, wird nach wie vor von willkürlichen Ausschreitungen und Gesetzesverletzungen ausgehend von den nigerianischen Sicherheitskräften berichtet. Die Beschneidung essentieller Grundrechte, häusliche Gewalt, Diskriminierung der Frauen, Kindesmissbrauch sowie ethnisch, regionale und religiöse Diskriminierungen stellen in Nigeria wohl die signifikantesten und bislang sanktionslosen Rechtsverletzungen dar. (2)

 

(1) Dt. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand September 2007, S. 5., von 06.11.2007.

 

(2) USDOS Country Report on Human Rights Practises - 2007, S. 1, von 11.03.2007 (www.state.gov/g/drl/rls/hrrpt/2007/100498.htm).

 

(3) UK Home Office, Country of Origin Information Report, S. 10-19, von 13.11.2007 (www.homeoffice.gov.uk/rds/country-report.html).

 

Die Ogboni Gesellschaft

 

Die Ogboni gelten als Geheimgesellschaft, bezeichnen sich selbst aber als eine Art "sozialen Club", welcher seinen Mitgliedern in verschiedenen Lebensbereichen (Geschäfte, Heirat usw.) unterstützend zur Seite steht. Er bildet sich hauptsächlich aus der wohlhabenden Gesellschaftsschicht, da der Beitritt mit hohen Mitgliedsbeiträgen verbunden ist. Der Beitritt selbst erfolgt in der Regel durch eine Einladung an die jeweilige Person, welche zuvor von einem bestehenden Mitglied vorgeschlagen wurde. Familiäre Anknüpfungspunkte können zwar eine Rolle spielen, führen aber nicht generell zu einem automatischen (Zwangs-)Beitritt. Teilweise wird ein Eintritt von Kindern erwartet, zu diesem Zweck die Eltern oft enormen Druck auf die Betroffenen ausüben. Es ist nicht auszuschließen, dass eine Person, die von den Eltern bereits vor der Geburt den Ogboni verschrieben wurde, von der Gesellschaft zum Beitritt gezwungen werden kann um das Versprechen der Eltern einzulösen. In diesem Fall bekommen die Kinder oft bis zu deren 30. oder 40. Lebensjahr nichts von der Gesellschaft oder der Mitgliedschaft der Eltern mit.

 

Normalerweise wird aber nur besonders reifen und älteren Personen (Angehörigen) die Mitgliedschaft angeboten. Zuweilen werden auch besondere Eigenschaften der Kandidaten vorausgesetzt, z.B. verheiratet zu sein oder Kinder zu haben.

 

Gewaltvolle Übergriffe vergleichbar mit jenen der universitären Geheimbündnisse sind nicht bekannt. Aufnahmeritualen werden "mystische" Elemente nachgesagt, weshalb "herkömmliche" Nigerianer die Ogboni auch fürchten.

 

(1) UK Home Office, Country of Origin Information Report, S. 141-150.

 

II.3. Rechtliche Beurteilung

 

II.3.1. Gemäß § 28 Abs. 1 AsylGHG, BGBl.I Nr. 2008/4 nimmt der Asylgerichtshof mit 01.07.2008 seine Tätigkeit auf. Das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, tritt mit 01.07.2008 außer Kraft.

 

II.3.2. Gemäß § 23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, sofern sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005, BGBl. Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

II.3.3. Gemäß § 9 leg.cit. entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, sofern bundesgesetzlich nicht die Entscheidung durch Einzelrichter oder verstärkte Senate (Kammersenate) vorgesehen ist.

 

II.3.4. Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes. Gemäß Abs. 3 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4, wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 und wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowie über die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

II.3.5. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

II.3.6. Gemäß § 66 Abs.4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

II.3.7. Auf die oben zitierte Bestimmung des § 23 AsylGHG, demzufolge die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, wird hingewiesen.

 

II.3.8. Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 in Kraft getreten. Gemäß § 75 Abs.1 erster Satz AsylG 2005 sind alle am 31. 12. 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.

 

Die letztgenannte Übergangsbestimmung normiert in ihrem Absatz 1, dass Verfahren zur Entscheidung von Asylanträgen, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt werden.

 

II.3.9. Gemäß § 124 Abs.2 des ebenfalls mit 1.1.2006 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 verwiesen wird, an deren Stelle die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.

 

II.3.10. Gegenständlicher Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz wurde am 11.12.1999 gestellt, so dass die Bestimmungen des AsylG 1997 idF BGBl. Nr. 126/2002 vollinhaltlich zur Anwendung gelangen.

 

II.3.11. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge GFK) droht und keiner der in Art.1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK idF des Art. 1 Abs.2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4. 1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr -Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.2.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

 

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

 

Gemäß § 8 Abs.1 AsylG hat die Behörde, im Fall einer Abweisung des Asylantrages von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist.

 

II.3.12. § 8 AsylG verweist durch die Übergangsbestimmung des § 124 Abs.2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) auf § 50 FPG.

 

Gemäß § 50 Abs.1 FPG ist die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK, BGBl. Nr. 210/1958 oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen der innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

 

Gemäß Abs.2 leg.cit. ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppen oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Gemäß § 50 Abs.3 FPG dürfen Fremde, die sich auf eine der in Abs.1 oder Abs.2 genannten Gefahren berufen, erst zurückgewiesen oder zurückgeschoben werden, nachdem sie Gelegenheit hatten, entgegenstehende Gründe darzulegen. Die Fremdenpolizeibehörde ist in diesen Fällen vor der Zurückweisung vom Sachverhalt in Kenntnis zu setzen und hat dann über die Zurückweisung zu entscheiden.

 

Der Prüfungsrahmen des § 50 Abs.1 FPG wurde durch § 8 AsylG auf den Herkunftsstaat des Fremden beschränkt.

 

Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 FPG wurde bereits geprüft und verneint.

 

Der Asylgerichtshof hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Beschwerdeführers in sein Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336).

 

Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

II.4. Beweiswürdigung

 

Der Asylgerichthof gelangt nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die in Abwesenheit des Beschwerdeführers abgehalten wurde, zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine Asylgewährung im oben beschriebenen Sinne nicht vorliegen.

 

So ist es dem Beschwerdeführer während des gesamten Verfahrens nicht gelungen, eine seine Person betreffende Verfolgungsgefahr im Sinne der GFK glaubhaft zu machen. Es ist der belangten Behörde beizupflichten, dass der Genannte lediglich in den Raum gestellt hat, im Fall seiner Rückkehr von Mitgliedern der Ogboni-Geheimgesellschaft getötet zu werden, ohne während des erstinstanzlichen Verfahrens entsprechend schlüssige und nachvollziehbare Angaben zu machen oder entsprechende Beweismittel vorzulegen.

 

Soweit der Genannte im Berufungsschriftsatz (ab 1.7.2008: Beschwerdeschriftsatz) einwendet, die belangte Behörde habe nicht ordnungsgemäß recherchiert und er weiters seine neuerliche Einvernahme beantragt, so ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer spätestens im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof die Möglichkeit gehabt hätte, sich neuerlich zu seinen Fluchtgründen umfassend zu äußern und die seitens der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gezogenen Schlüsse durch ein entsprechend substantiiertes Vorbringen bzw. durch Vorlage allfälliger Beweismittel zu belegen. Dies ist alleine deshalb nicht erfolgt, da der Beschwerdeführer trotz nachweislich ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht zur Verhandlung erschienen ist. Damit verstößt der Beschwerdeführer gegen seine Verpflichtung, an der Ermittlung des verfahrensgegenständlichen Sachverhaltes mitzuwirken. Der Beschwerdeführer übersieht dabei offensichtlich auch, dass der amtswegigen Ermittlungspflicht die Mitwirkungspflicht des Antragstellers gleichrangig gegenübersteht.

 

Zu den behaupteten Fluchtgründen ist festzuhalten, dass das Vorbringen, im Fall der Rückkehr von Mitgliedern der Ogboni-Geheimgesellschaft getötet zu werden, - unabhängig von der Beurteilung des Wahrgehaltes dieser Ausführungen - nicht dazu angetan ist, einen asylrelevanten Sachverhalt zu begründen.

 

Zunächst ist der Beschwerdeführer auf die aktuelle Berichtslage hinzuweisen, aus der sich unzweifelhaft ergibt, dass einerseits die Darbringung von Menschenopfern im Zusammenhang mit den Ogboni nicht verifizierbar ist und andererseits auch stets von der Möglichkeit eines innerstaatlichen Ortswechsels zum Schutz vor allfälligen Übergriffen auszugehen ist. Dem ist der Beschwerdeführer lediglich mit der Behauptung entgegen getreten, dass die Ogboni uneingeschränkt operierten und alle wichtigen Ämter mit Mitgliedern dieses Geheimkultes besetzt seien. Aus diesem bloßen Pauschalverweis, der in dieser Form keine Deckung in den aktuellen Berichten findet, können keine dem Staat - flächendeckend - zurechenbaren Verfolgungshandlungen gegen den Beschwerdeführer abgeleitet werden.

 

Zudem teilt der Asylgerichtshof die Zweifel der belangten Behörde am Wahrheitsgehalt der Angaben des Beschwerdeführers. Es ist tatsächlich nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer seinen eigenen Angaben nach sieben Monate trotz einer angeblichen Todesdrohung in seiner Heimatstadt weitgehend unbehelligt leben konnte.

 

Wenn er davon spricht, dass er einmal an einem Samstag beim Radfahren aufgehalten und geschlagen worden sei, so ist es unklar, wer die Angreifer gewesen sind und handelt es sich bei der Annahme des Beschwerdeführers, wonach es sich um Mitglieder des Geheimkultes gehandelt habe, um reine Spekulation. Wenn der Beschwerdeführer behauptet, sich sogar an die Polizei gewandt zu haben, so kann aus der angeblichen Aussage eines einzelnen Polizisten nicht auf die Schutzunwilligkeit des gesamten Staates geschlossen werden.

 

Weiters erscheint es unglaubwürdig, dass das Haus des Beschwerdeführers angezündet worden sein soll und er in weiterer Folge seine angeblich schwangere Ehefrau ohne weiteres zurück lässt, ja nicht einmal versucht, etwas über deren weiteres Schicksal herauszufinden. Dies ist umso mehr nicht nachvollziehbar, da - glaubte man den Angaben des Beschwerdeführers - gerade die Ehefrau als Opfer für ein Ritual der Geheimgesellschaft ausgewählt worden sein soll und sich daher diese (und nicht der Beschwerdeführer) umso mehr vor weiteren Übergriffen auf ihre Person fürchten müsste.

 

Insgesamt sind somit die Voraussetzungen für eine Asylgewährung im Fall des Beschwerdeführers nicht erfüllt.

 

Zur Frage des Refoulementschutzes wird auf die zutreffenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid verwiesen. Die Sachlage hat sich nach dem Dafürhalten des Asylgerichtshofes zwischenzeitlich nicht nachteilig verändert, vielmehr haben die politischen Entwicklungen seit dem Jahr 1999 weitgehend zu einer Stabilisierung der Verhältnisse geführt und wurden seitens der Regierung große Anstrengungen in Richtung eines Demokratisierungsprozesses und Schaffung eines Rechtsstaates unternommen.

 

Es sind somit während des gesamten Verfahrens keine Anhaltspunkte zu Tage getreten, die auf die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK oder darauf deuten würden, dass der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr in eine auswegslose und die Existenz bedrohende Lage geraten würde. Die Deckung der existentiellen Grundbedürfnisse kann aus den Feststellungen als gesichert angenommen werden.

 

Es ist während des gesamten Verfahrens kein Anhaltspunkt hervor gekommen, der die Rückführung des Beschwerdeführers aus einem der genannten Gründe unzulässig erscheinen lässt.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

III. Rechtsmittelbelehrung

 

Gegen dieses Erkenntnis ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

IV. H i n w e i s

 

Gegen dieses Erkenntnis kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Diese muss von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Bei Einbringung einer solchen Beschwerde ist eine Gebühr von EUR 220 zu entrichten.

Schlagworte
Glaubwürdigkeit, inländische Schutzalternative, innerstaatliche Fluchtalternative, mangelnde Asylrelevanz, non refoulement, private Verfolgung, staatlicher Schutz
Zuletzt aktualisiert am
19.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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