S12 401.399-1/2008/2E
Erkenntnis
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Maurer-Kober als Einzelrichterin über die Beschwerde des G.H., geb. 00.00.1957, StA.
Russische Föderation, vertreten durch: Mag. Judith Ruderstaller, Asyl in Not, Währinger Straße 59/2, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.08.2008, FZ. 08 02.660 EAST-Ost, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 3 AsylG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 19.03.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der darauf folgenden Einvernahme vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes des Bezirkspolizeikommandos Baden, Polizeiinspektion Traiskirchen EAST, am selben Tag gab der Beschwerdeführer in Anwesenheit eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Russisch an, er habe sein Heimatland am 27.02.2008 legal unter Verwendung seines eigenen Reisepasses mit dem Zug verlassen und sei über Weißrussland nach Polen eingereist. In Polen habe er einen Asylantrag gestellt und sei in das Lager Debak überstellt worden. Nach zwei Tagen sei er in das Flüchtlingslager Belan gebracht worden, wo er sich bis 15.03.2008 aufgehalten habe. Dann sei er mit dem Zug ohne Reisedokumente von Warschau nach Wien gefahren, wo er am 17.03.2008 angekommen sei. In Wien sei er von seinem Neffen, der in Österreich lebe, vom Bahnhof abgeholt worden und habe zwei Tage bei diesem verbracht, bevor er den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. In Polen sei er lediglich von der Polizei über seine Grunddaten befragt worden. Bescheid habe er noch keinen erhalten. Sein Heimatland habe er verlassen, da er häufig von den russischen Behörden mitgenommen und verhört worden sei, weil er während des ersten Tschetschenenkrieges die Aufständischen mit Nahrung und Medikamenten versorgt habe. Aus Angst um sein Leben habe er schließlich sein Heimatland verlassen. Er wolle nicht nach Polen zurück, da dort die Lebensbedingungen nicht gut gewesen seien und in Österreich ein Neffe von ihm lebe.
Eine EURODAC-Abfrage vom 19.03.2008 ergab, dass der Beschwerdeführer bereits am 29.02.2008 in Lublin (Polen) einen Asylantrag gestellt hat.
2. Am 21.03.2008 richtete das Bundesasylamt ein Wiederaufnahmeersuchen an die zuständigen polnischen Behörden.
3. Am 28.03.2008 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 3 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen (§§ 4, 5 und 68 Abs. 1 AVG) (§ 29 Abs. 3 Z 4 AsylG), da seit dem 21.03.2008 Konsultationen mit Polen geführt würden (vgl. AS 55f).
Mit Schreiben vom 26.03.2008, eingelangt beim Bundesasylamt am 28.03.2008, erklärte sich Polen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrages zuständig ist (ABl. L 50 vom 25.02.2003; Dublin II-VO) zur Wiederaufnahme und Weiterführung des Asylverfahrens des Beschwerdeführers für zuständig.
4. Am 18.04.2008 langte beim Bundesasylamt ein Schreiben des Landesklinikums Baden, Abteilung für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin, vom 00.00.2008 ein, welchem zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer an einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer Leberzirrhose CHILD B bei chronischer Hepatitis C, Hepatitis B und einer portalen Hypertension mit Aszites und Ösophagusvarizen leide und aufgrund der schweren psychiatrischen und somatischen Grunderkrankung von einer Abschiebung abgeraten werde. Ferner habe sich der Beschwerdeführer von 00.00.2008 bis 00.00.2008 in stationärer Behandlung im Landesklinikum Baden aufgehalten. Unterfertigt war dieses Schreiben von Dr. D.M.. Aus einem Arztbrief des Landesklinkums Baden vom 00.00.2008 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines Leberleidens während des stationären Aufenthaltes von 00.00.2008 bis 00.00.2008 unter Verwirrtheitszuständen gelitten habe und einmal von einem anderen Patienten beim Besteigen des Fensterbrettes beobachtet worden sei. Selbstmordgefährdung liege allerdings nicht vor.
5. Am 06.05.2008 erfolgte die Untersuchung des Beschwerdeführers für die gutachterliche Stellungnahme im Zulassungsverfahren gemäß § 10 AsylG durch Dr. I.H., Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapeutische Medizin, die der Diagnose des Krankenhauses Baden, der Beschwerdeführer leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung, nicht zustimmte. Zur Überstellungsfähigkeit des Beschwerdeführers führte die Sachverständige aus, dass eine unzumutbare Verschlechterung in psychischer Hinsicht gegeben sein könne, wenn der Asylwerber eine ihm nicht bewusste oder gewollte Handlung setze. In der Folge führte sie aus, dass die Überstellung per se in psychischer Hinsicht zu keiner unzumutbaren Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers führen würde, sofern eine Behandlung im Zielland gewährleistet werden könne. Die Ankündigung der Überstellung könne jedoch eine impulsive Kurzschlusshandlung nach sich ziehen. Nach Ansicht der Sachverständigen sei jedoch eine Überstellung aufgrund der Ösophagusvarizen (= Krampfaderbildung in der Speiseröhre aufgrund der Leberstauung) fraglich verantwortbar, da diese spontan platzen und lebensbedrohliche Blutungen, die schwer beherrschbar seien, hervorrufen könnten. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses könne sie nicht vorhersagen. Daher solle jedenfalls vor der geplanten Überstellung eine Kontrolle mit Überprüfung der Reisefähigkeit durchgeführt werden.
6. Einer Ambulanzkarte des Thermenklinikums Baden, Abteilung für innere Medizin, vom 00.00.2008 ist die Diagnose Leberzirrhose Child
B bei chronischer Hepatitis C, Status Hepatitis B und portale Hypertension zu entnehmen.
7. Am 18.06.2008 wurde der Beschwerdeführer in Anwesenheit eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Russisch nach erfolgter Rechtsberatung und in Anwesenheit des Rechtsberaters vom Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen und gab dabei im Wesentlichen an, dass er sich nicht gut fühle und sehr schwach sei. Er habe einen Operationstermin im AKH Wien und werde an der Leber operiert. Er leide an Hepatitis A, B und C und auf seiner Lunge befänden sich Verdunkelungen. In Österreich würden zwei seiner Neffen seit ca. vier oder fünf Jahren leben. Einer sei bereits anerkannter Konventionsflüchtling. Im Rahmen dieser Einvernahme legte der Beschwerdeführer ärztliche Unterlagen des AKH Wien, Abteilung für Innere Medizin, vor. Ferner legte der Beschwerdeführer ein Schreiben von Dr. J.W., Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, vom 00.00.2008 vor, welchem zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide.
8. Am 13.08.2008 wurde der Beschwerdeführer erneut vom Bundesasylamt nach Durchführung einer Rechtsberatung und in Anwesenheit des Rechtsberaters sowie eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Russisch einvernommen und gab dabei im Wesentlichen an, dass er noch nicht operiert worden sei, da man ihm im Krankenhaus gesagt habe, es müssten noch neue Befunde gemacht werden. Den Termin habe er nicht einhalten können, da er krank gewesen sei. Am 30.07.2008 sei er wieder im Krankenhaus untersucht und ihm ein neuer Operationstermin am 00.00.2008 gegeben worden. Es gehe ihm nicht gut, da sich in seinem Bauchraum Wasser sammeln würde. Auf Vorhalt des Bundesasylamtes, dass nach Rücksprache mit dem AKH für den 00.00.2008 keine Operation, sondern nur ein Gespräch mit dem behandelnden Arzt vorgesehen sei, gab der Beschwerdeführer an, dass ihm sein Neffe dies so übersetzt habe. Zur geplanten Vorgehensweise des Bundesasylamtes, ihn nach Polen zu überstellen, gab er an, dass er krank sei. Einer Ausweisung nach Polen stehe entgegen, dass in Polen kranke Menschen nicht behandelt würden. Einmal habe er in Polen einer Frau - es könne eine Krankenschwester gewesen sein - über seine Krankheiten erzählt. An ihre Antwort könne er sich nicht mehr erinnern. Ferner habe es ihm dort nicht gefallen. Einen anderen Arzt habe er in Polen nicht aufgesucht.
9. Mit Bescheid vom 22.08.2008, FZ. 08 02.660 EAST Ost, wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz vom 19.03.2008 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück, und stellte fest, dass gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Polen für die Prüfung des Asylantrages zuständig sei; gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und demzufolge festgestellt, dass gemäß § 10 Abs. 4 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Polen zulässig sei.
10. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Vertreter fristgerecht Beschwerde und führte in dieser im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass die erstinstanzliche Behörde bei der Beurteilung des psychischen Zustandes nicht berücksichtigt habe, dass zwei weitere, dem amtlichen Sachverständigengutachten widersprechende, Gutachten vorliegen würden. Diese Gutachten seien glaubwürdiger als jenes von Dr. H., da es sich um unabhängige Ärzte handle und nicht - wie bei Dr. H. - um eine vom Innenministerium angestellte Ärztin. Er leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung und werde daher von einem seiner behandelnden Ärzte von einer Abschiebung dringend abgeraten. Ferner habe er in Polen nicht die erforderliche medizinische Versorgung erhalten. Einer seiner Neffen lebe zudem noch in Österreich und würde daher eine Überstellung nach Polen Art. 8 EMRK widersprechen. Der Beschwerde beigelegt war ein Röntgenbefund des Landesklinikums Baden vom 00.00.2008, vom 00.00.2008 und vom 00.00.2008, ein Gastroskopiebefund vom 00.00.2008, ein Arztbrief vom 00.00.2008 und eine Ambulanzkarte vom 00.00.2008 betreffend die körperlichen Erkrankungen des Beschwerdeführers. Ferner wurde ein ambulanter Befund des Landesklinikums Baden, Abteilung für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin vom 00.00.2008, ein Arztbrief vom 00.00.2008 sowie ein Schreiben von Dr. J.W. vom 00.00.2008 und vom 00.00.2008 betreffend die diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung vorgelegt.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem, dem Asylgerichtshof vorliegenden, Verwaltungsakt des Beschwerdeführers.
2. Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde tritt.
2.1. § 41 Abs. 3 AsylG lautet: "In einem Verfahren über eine Beschwerde gegen eine zurückweisende Entscheidung und die damit verbundene Ausweisung ist § 66 Abs. 2 AVG nicht anzuwenden. Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesasylamtes im Zulassungsverfahren statt zu geben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch statt zu geben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."
Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist gemäß Abs. 1 auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder bei der Behörde offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG ist die Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz mit einer Ausweisung zu verbinden. Diese gilt gemäß § 10 Abs. 4 AsylG stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den bezeichneten Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen. Wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würden und diese nicht von Dauer sind, ist gemäß § 10 Abs. 3 AsylG gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.
2.2. Im vorliegenden Fall liegen zum Einen einander widersprechende Gutachten bzw. ärztliche Stellungnahmen betreffend das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung vor. So hat der Beschwerdeführer bereits im erstinstanzlichen Verfahren - zwei voneinander unabhängige - ärztliche Bestätigungen vorgelegt, die bei ihm eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert haben und in zumindest einer von diesen von einer Abschiebung des Beschwerdeführers abgeraten wid. Hierbei handelt es sich um einen Arztbrief des Landesklinikums Baden, Abteilung für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin, vom 00.00.2008 (vgl. AS 105ff) und um ein Schreiben von Dr. J.W., Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, vom 00.00.2008 (vgl. AS 155). Diese widersprechen dieser gutachterlichen Stellungnahme von Dr. I.H., die zwar zu dem Schluss kommt, dass beim Beschwerdeführer keine posttraumatische Belastungsstörung vorliege, allerdings wird in der gutachterlichen Stellungnahme zur Überstellungsfähigkeit unter anderem ausgeführt, dass eine unzumutbare Verschlechterung in psychischer Hinsicht gegeben sein könne, wenn der Asylwerber eine ihm nicht bewusste oder gewollte Handlung setze. Ferner wird ausgeführt, dass die Überstellung per se in psychischer Hinsicht zu keiner unzumutbaren Verschlechterung führen würde, allerdings könne die Ankündigung der Überstellung eine impulsive Kurzschlusshandlung nach sich ziehen (vgl. AS 81).
Zum Anderen hat der Beschwerdeführer im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens zahlreiche ärztliche Befunde und Bestätigungen des Landesklinikums Baden vorgelegt, denen zu entnehmen ist, dass er unter einer Leberzirrhose CHILD B bei chronischer Hepatitis C, Hepatitis B, einer portalen Hypertension mit Aszites und Ösophagusvarizen leide. Diesbezüglich führt Dr. H. in ihrer gutachterlichen Stellungnahme aus, dass die verminderte Auffassung und die parasuizidalen Handlungen des Beschwerdeführers ihrer Ansicht nach durch die organische Erkrankung bedingt seien. Ferner führt sie aus, dass die Überstellung aufgrund der Ösophagusvarizen, d. i. eine Krampfaderbildung in der Speiseröhre aufgrund der Leberstauung, fraglich verantwortbar sei, da diese spontan platzen und lebensbedrohliche Blutungen hervorrufen könnten.
Die erstinstanzliche Behörde hat hierzu im angefochtenen Bescheid Folgendes festgestellt: "Bis zur Bescheiderlassung ergeben sich weder derartig schwere körperliche oder ansteckende Krankheiten, noch ergab sich eine derartig schwere psychische Störung, die bei einer Überstellung/Abschiebung nach Polen eine unzumutbare Verschlechterung Ihres Gesundheitszustandes bewirken würde. [...]
Die Feststellung zu ihrem Gesundheitszustand ergibt sich aus den von Ihnen vorgelegten Befunden und Bestätigungen sowie der Gutachterlichen Stellungnahme. Die Feststellung, dass eine Überstellung nach Polen keine unzumutbare Verschlechterung Ihres Gesundheitszustandes bewirken würde, ergibt sich ebenfalls aus der Gutachterlichen Stellungnahme sowie der Länderfeststellung zu Polen."
Es ist für den Asylgerichtshof nicht nachvollziehbar, wie die erstinstanzliche Behörde zu der oben zitierten Feststellung kommen kann, da sie sich weder mit den widersprechenden ärztlichen Unterlagen betreffend den psychischen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers auseinandergesetzt hat noch betreffend die physischen Erkrankungen ein Gutachten zur Überstellungs- und / oder Reisefähigkeit eingeholt hat. Dr. H. hat in ihrer gutachterlichen Stellungnahme ausgeführt, dass in psychischer Hinsicht eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführes gegeben sein könne, wenn der Asylwerber eine ihm nicht bewusste oder gewollte Handlung setze. Mit diesen Ausführungen hat sich das Bundesasylamt im angefochtenen Bescheid überhaupt nicht auseinandergesetzt; lediglich der folgende Satz der gutachterlichen Stellungnahme, dass per se eine Überstellung in psychischer Hinsicht zu keiner unzumutbaren Verschlechterung führen würde, wurde im angefochtenen Bescheid zur Begründung der Überstellungsfähigkeit herangezogen. Vollkommen unberücksichtigt gelassen hat das Bundesasylamt jedoch den nachfolgenden, damit in Zusammenhang stehenden, Satz in der gutachterlichen Stellungnahme, dass bereits die Ankündigung einer Überstellung eine impulsive Kurzschlusshandlung nach sich ziehen könne (vgl. AS 81).
Ferner ist nochmals darauf zu verweisen, dass im gegenständlichen Fall nicht nur die Überstellungsfähigkeit in psychischer Hinsicht zu beurteilen ist, sondern auch die Überstellungsfähigkeit in physischer Hinsicht - welche bereits von Dr. H. als "fraglich verantwortbar" - bezeichnet wurde.
Wie das Bundesasylamt trotz Kenntnis einerseits der widersprechenden ärztlichen Stellungnahmen betreffend den psychischen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers und andererseits betreffend die Ausführungen von Dr. H. in ihrer gutachterlichen Stellungnahme zur mangelnden Überstellungsfähigkeit ohne weitere Ermittlungen zu der Feststellung gelangen konnte, dass sich weder derartig schwere körperliche Krankheiten noch eine derartig schwere psychische Störung, die bei einer Überstellung nach Polen eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers bewirken würde, ist für den Asylgerichtshof nicht nachvollziehbar, zumal aus dem angefochtenen Bescheid nicht erkennbar ist, dass sich das Bundesasylamt mit den unterschiedlichen ärztlichen Erkenntnissen bzw. den Ausführungen zur Überstellungsfähigkeit auseinander gesetzt hat.
2.3. Käme die erstinstanzliche Behörde vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen zu dem Schluss, dass ein Selbsteintritt Österreichs gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO zur Hintanstellung der Verletzung der Rechte aus Art. 3 EMRK nicht erforderlich sei, ist überdies zu klären, ob der Beschwerdeführer angesichts seines psychischen und physischen Zustandes ein Durchführungsaufschub zu gewähren ist. Der in § 10 Abs. 3 AsylG in Bezug auf die mit der zurückweisenden Entscheidung zu verbindende Ausweisung vorgesehene Durchführungsaufschub stellt auf das Vorliegen von Gründen ab, die in der Person des Asylwerbers liegen und dazu führen, dass die Durchführung der Ausweisung in den Schutzbereich von Art. 3 EMRK eingreift. Den Materialien zufolge kommen als Gründe "etwa eine fortgeschrittene Schwangerschaft, Spitalsaufenthalt oder vorübergehender sehr schlechter Gesundheitszustand in Frage" (Erläuterungen zur RV 952 Blg RNR 22.GP, 23). Feststellungen - wie bereits oben erwähnt - zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers sind daher auch notwendig um die Transport- bzw. Überstellungsfähigkeit der Beschwerdeführerin daraufhin prüfen zu können, um zu klären, ob ein Durchführungsaufschub gemäß § 10 Abs. 3 AsylG geboten ist.
2.4. Der Sachverhalt, welcher dem Asylgerichtshof nunmehr vorliegt, ist daher "so mangelhaft", dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unerlässlich ist (vgl. zu den erforderlichen Ermittlungsergebnissen Punkt 2.2.). Der Gesetzgeber hat für das Verfahren über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide sehr kurze Fristen (§ 41 Abs. 2, § 37 Abs. 3 AsylG) vorgesehen, andererseits aber die Rechtsmittelinstanz dazu verpflichtet, bei einem "mangelhaften Sachverhalt" der Beschwerde stattzugeben, ohne § 66 Abs. 2 AVG anzuwenden (§ 41 Abs. 3 AsylG). Das Ermessen, das § 66 Abs. 3 AVG der Beschwerdeinstanz einräumt, allenfalls selbst zu verhandeln und zu entscheiden, besteht somit in einem solchen Verfahren nicht. Aus den Materialien (Erläut. zur RV, 952 BlgNR 22. GP, 66) geht hervor, dass "im Falle von Erhebungsmängel die Entscheidung zu beheben, das Verfahren zuzulassen und an das Bundesasylamt zur Durchführung eines materiellen Verfahrens zurückzuweisen" ist. Diese Zulassung stehe einer späteren Zurückweisung nicht entgegen. Daraus und aus den erwähnten kurzen Entscheidungsfristen ergibt sich, dass der Gesetzgeber die Rechtsmittelinstanz im Verfahren über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide von einer Ermittlungstätigkeit möglichst entlasten wollte. Die Formulierung des § 41 Abs. 3 AsylG ("wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint"), schließt somit nicht aus, dass eine Stattgabe ganz allgemein in Frage kommt, wenn der Beschwerdeinstanz - auf Grund erforderlicher zusätzlicher Erhebungen - eine unverzügliche Erledigung der Beschwerde unmöglich ist.
3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
4. Von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG abgesehen werden.